153. Kapitel
Tia hatte ernsthafte Schwierigkeiten damit, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
Es war natürlich nicht das erste Mal, dass das der Fall war – das hatte ihre Schulzeit nicht wirklich verbessert, aber es war eine ungünstige Situation, ihre Gedanken woanders hin zu wandern lassen, immerhin sprachen sie über wichtige Themen.
Tia war achtzehn Jahre alt und damit erwachsen, aber in Momenten wie diesen fühlte sie sich nicht erwachsen oder bereit dafür, überhaupt erwachsen zu sein. In Momenten wie diesen zeigte sich wieder das Kind in ihr, das sich, ihrer Meinung nach, viel zu häufig zeigte.
Sie konnte nicht einmal wirklich sagen, woran sie dachte, denn ihre Gedanken schwirrten herum, wie ein Schwarm Bienen, aber sie wusste, dass sie sich nicht auf die Unterhaltung konzentrierte, die etwas angespannt stattfand. Normalerweise war das ein Zeichen für sie, dass sie entweder ziemlich müde war oder eine Pause brauchte.
In Hogwarts hatte sie sich dann eine Tasse Kakao gemacht und hatte sich mit ihrem Zeichenblock in eine ruhige Ecke verzogen. Sie hatte schon lange nicht mehr gezeichnet und immer dann, wenn sie es irgendwie versucht hatte, wollte es ihr einfach nicht gelingen.
Dann wurde Tia wieder von ihren eigenen Gedanken abgelenkt. Sie roch etwas, das sie an zu Hause erinnerte. Vielleicht nicht direkt an ihr zu Hause, aber es erinnerte sie daran, wie es war, als sie zusammen mit Fred, George und Agnes in der Wohnung der Zwillinge gelebt hatte. Agnes hatte häufig das Kochen übernommen und wenn das Haus nicht nach Mittag- oder Abendessen gerochen hatte, dann war der Geruch von frisch gebackenem Brot, Kuchen oder Keksen in der Luft.
Tia roch Kekse und sie schloss daraus, dass Agnes wieder backte. Es war leicht zu vergessen, dass Agnes' Leidenschaft das Backen war, wenn man die junge Frau heute sah. Mit ihrer ständig abwehrenden Haltung, ihrem nervösen oder gejagten Blick und den dunklen Ringen unter den Augen. Agnes war vermisst gewesen und Tia erinnerte sich daran, dass sie sich in dieser Zeit viele Gedanken über ihre so-gut-wie Schwester gemacht hatte. Sie hatte beinahe ständig über sie nachgedacht und hatte sich gefragt, ob Agnes überhaupt noch lebte, oder ob sie die Hoffnung lieber aufgeben sollte. Aber Agnes' Abwesenheit war am meisten aufgefallen, wenn sie die Wohnung der Zwillinge betreten hatte und es dort nicht nach Essen gerochen hatte. Wenn Agnes nicht aus der Küche gekommen war, um sie mit einer Umarmung zu begrüßen und schon frisch gebackener Kuchen auf dem Tisch gewartet hatte.
Erst dieser Geruch überzeugte Tia wirklich davon, dass Agnes zurück war.
„Ich rieche Kekse", sagte Tia und sofort stoppte die Unterhaltung, zu der sie nichts beigetragen hatte und jeder roch in der Luft.
„Man sollte Agnes wohl nicht allein in eine Küche lassen", sagte Konstantin und lächelte, was Tia vermuten ließ, dass er es nicht ernst meinte, „Sobald sie die Möglichkeit hat, macht sie einfach so Kekse und Kuchen. Eine schreckliche Angewohnheit von ihr, wirklich."
„Kekse?", fragte Leanne aufgeregt, „Dann... dann sollten wir wohl Agnes nicht länger warten lassen und diese Kekse probieren? Es wäre doch eine Schande, wenn sie niemand essen würde, oder?"
„Es ist sowieso Zeit für PotterWatch", sagte Angelina mit einem Blick auf ihre Uhr. Tia hatte keine Ahnung, was PotterWatch war, aber sie war nicht die einzige.
„PotterWatch?", Konstantin lachte laut auf, „Das ist ein seltsamer Name. Was, bei Merlins Barte, ist ein PotterWatch?"
„Ihr habt noch nicht davon gehört?", fragte Leanne und blickte Tia an, als würde sie irgendein Anzeichen suchen, dass sie wirklich nicht wussten, wovon sie sprach, „Eigentlich weiß so ziemlich jeder, der gegen Ihr-wisst-schon-wen ist darüber Bescheid."
„Nun, wir können nicht wirklich von uns behaupten, dass wir in letzter Zeit viel Zeit in Zivilisation verbracht haben", bemerkte Konstantin, „Also... was ist ein PotterWatch?"
„Ihr werdet es schon noch herausfinden", Leanne stand auf und zog Tia mit sich hoch, „Randy, hol bitte den Radio. Wir treffen uns in der Küche."
„Sollte ich verstehen, wovon ihr redet?", fragte Liza, aber sie bekam keine Antwort.
Leanne zog Tia mit hinaus auf den Gang zurück und in die Küche, in der Agnes und Sirius waren.
Sirius hatte am Tisch gesessen, stand aber auf, als der Widerstand den Raum betrat und Agnes stand am Herd mit einem Blech voller Schokostück-Keksen in der Luft schwebend, die sie wohl gerade aus dem Ofen geholt hatte.
Tia setzte sich zwischen Leanne und Katie an den Tisch und schaute sich neugierig um, als die anderen sich ebenfalls verteilten – nicht jeder hatte am Tisch Platz, also stellten sie sich teilweise einfach gegen die Theken und Wände gelehnt hin.
„Menschen sind wohl wie Motten", verglich Sirius sie, als er sich umsah, „nur folgen sie nicht dem Licht, sondern dem Geruch von Agnes' berühmten Keksen."
„Ein bezaubernder Vergleich", schnaubte Konstantin, „Aber nein... sie reden von PotterWatch... was auch immer das ist."
„Ein legendärer Tag!", rief Sirius aus und lachte, „Konstantin weiß etwas nicht! Welch ein Wunder... und was für eine Besorgnis erregende Tatsache..."
Randy kam mit dem Radio zurück, den Leanne bestellt hatte und stellte ihn auf den Tisch. Angelina begann sofort damit, mit ihrem Zauberstab darauf zu tippen und sie murmelte allerlei Wörter, die Tia zwar kannte, die aber in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergaben.
„Orden... Phönix... Orden des Phönix... Hogwarts... Dumbledore..."
„Ist das irgendein Ritual?", fragte Konstantin, „Schwarze Magie, die ihr ausübt? Irgendein mystischer Zauber, der irgendwie –"
„Wir suchen einen Radiosender", erklärte Leanne, „PotterWatch ist ein Radiosender, der von den Mitgliedern des Phönixordens ins Leben gerufen worden ist. Es ist der einzige Radiosender, der noch wahre Nachrichten bringt und sich nicht von Ihr-wisst-schon-wen beeinflussen lässt."
Tia war überrascht. Sie hatte noch gar nichts von so einem Radiosender gehört, aber die Idee allein war wirklich genial. Egal, wer ihn ins Leben gerufen hatte, diese Person wollte sie unbedingt danken.
„Ich hab's!", rief Angelina triumphierend und es wurde still, als eine andere Stimme aus dem Radio den Raum erfüllte.
„...von PotterWatch wünschen allen Zuhörerinnen und Zuhörern einen wunderschönen Tag. Im Namen aller entschuldige ich, Stromer, mich für die kurze Pause seit der letzten Aussendung, aber einer der Radaktionäre hat aus Versehen den Namen von Ihr-wisst-schon-wem, dem Oberstehen Todesser ausgesprochen und wir haben kurzfristig unsere Position ändern müssen."
Es war Lee Jordan. Tia hatte ihn kennengelernt und kannte ihn eigentlich ziemlich gut. Er war ein sehr guter Freund von Fred und George und dadurch hatte Tia ihn auch kennengelernt. Seine Stimme im Radio zu hören war ungewohnt, aber es erinnerte Tia daran, wie er in Hogwarts immer die Quidditch-Spiele kommentiert hatte.
„Vermutlich ist es keine Neuigkeit für die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer, aber für alle Neuzugänge möchte ich noch einmal daran erinnern, dass auf dem Namen von Ihr-wisst-schon-wem ein Tabu liegt. Sobald man den Namen ausspricht, könnt ihr alle sofort aufgespürt werden und alle Zauber in der Nähe brechen zusammen. Wir raten also davon ab, diesen einen Namen auszusprechen, aber für den Fall, dass „Ihr-wisst-schon-wer" zu lang für euch ist, möchte ich Ihnen allen Nager vorstellen, der Ihnen einige Vorschläge für weitere Namen geben kann, die dem Obersten Todesser würdig sind. Hallo, Nager."
„Hey Stromer!"
Tia begann sofort breit zu lächeln, als sie seine Stimme erkannte. Es war George Weasley und allein der Gedanke an ihn, gab ihr ein warmes Gefühl. Er lebte also noch – das war gut und es schien ihm auch gut zu gehen. Es war schön, seine Stimme zu hören und erst da fiel Tia auf, dass sie ihn offenbar vermisste. Auf diesen Gedanken war sie noch gar nicht gekommen, nachdem sie so viel Aufregendes erlebt hatte, seit sie untergetaucht war, aber jetzt, da sie seine Stimme hörte, hätte Tia gerne dieses aufregende Leben aufgegeben, um ihn zu sehen. Es war seltsam für Tia, so etwas zu denken, aber Tia wusste, dass sie sich wohl lieber an diesen ungewohnten Gedanken gewöhnen sollte.
„Oh, nein", murmelte Konstantin, aber er lächelte und das zeigte Tia wieder einmal, dass er es vermutlich nicht ernst meinte, „Fred oder George – wem von beiden höre ich gerade im Radio zu?"
„Das ist George!", bemerkte Tia glücklich und lächelte breit, schon beinahe stolz auf ihren Freund, „Ich weiß es ganz genau! Das ist George! George ist im Radio!"
„Woher willst du das wissen?", fragte Leanne sie.
„Es ist nicht sonderlich schwer, die beiden auseinander zu halten", bemerkte Agnes, „Besonders nicht, wenn man erst einmal Zeit mit ihnen verbracht hat." Agnes hatte die Kekse, die sie gebacken hatte auf einen Teller gelegt und stellte diesen auf dem Tisch ab, aber keiner griff zu. Tia wollte zwar, aber gleichzeitig wollte sie nicht die erste sein, die sich einen Keks nahm. Sie hoffte, dass nicht jeder so dachte, sonst würde keiner von ihnen diese Kekse essen und sie wollte doch so unbedingt.
„Also... ich habe sie noch nie unterscheiden können", gab Liza zu, „Und ich kenne die beiden schon, seit sie gerade einmal sechs Jahre alt gewesen sind."
„Mein herzliches Beileid", Angelina sah sie ernsthaft mitleidig an und Liza lachte auf.
„Seid leise, sonst kann ich nicht hören!", warnte Katie, „Ich will neue Vorschläge, wie ich Ihr-wisst-schon-wen nennen kann!"
„Da wir nicht wissen, ob nicht gerade Kinder zuhören, verzichte ich wohl darauf, eine Reihe von Schimpfwörtern vorzuschlagen, die wohl allesamt den Obersten Todesser beschrieben hätten", begann George, „Natürlich hätte ich auch noch eine Reihe von spanischen Schimpfwörtern parat, aber ich bin mir nicht so sicher, ob Eltern es gut finden würden, wenn ich ihren Kindern Schimpfwörter in einer fremden Sprache beibringe, also bleiben wir wohl bei den guten, alten Beleidigungen, die aber kindgerecht sind."
„Klingt nach einem guten Plan", schnaubte Konstantin und dieses Mal wusste Tia nicht, ob er es ernst meinte oder nicht.
„Aber bestimmt fallen dir genug andere Namen ein, ohne dass Eltern ihren Kindern die Ohren zuhalten müssen, oder?", fragte Lee.
„Du unterschätzt meine Genialität", erwiderte George darauf.
„Man kann seine Genialität nur überschätzen", verbesserte Agnes ihn und Tia schaute sie an und sah, dass sie leicht lächelte.
„Jemand, den ich einmal gekannt habe, würde an dieser Stelle wohl sagen, dass man meine Genialität nur überschätzen kann", sagte George in diesem Moment und Agnes riss überrascht die Augen auf, „aber in dieser Angelegenheit hört man wohl lieber nicht auf sie. In jeder anderen Situation wäre es besser, auf ihren Rat zu hören, aber vertraut mir – meine Genialität wird auch von ihr regelmäßig unterschätzt."
„Er ist so ein Idiot", murmelte Agnes leise, verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich weg, als würde sie dem Radio und damit George den Rücken zudrehen. Tia lachte leise.
„Aber zurück zu den Namen für Ihr-wisst-schon-wen", bestimmte George, „Wenn der Oberste Todesser schon darauf besteht, unbedingt den Titel von einem Adeligen zu haben, dann schlagen wir von PotterWatch gerne ein paar Namen vor. Wie wäre es mit König Bleichgesicht – Quellen haben uns verraten, dass er wohl ein paar Stunden mehr in der Sonne verbringen sollte. Ein Vorschlag von meinem Bruder ist auch Prinzessin Sonnengleich – wir sind nämlich alle sehr froh, wenn er so weit weg bleiben würde, wie die Sonne."
„Nager, wir haben gehört, dass einige Geschichten von Leuten, die seinen Namen gesagt haben zu uns gedrungen sind. Kannst du uns vielleicht ein paar von ihnen erzählen?", fragte Lee und selbst Tia hätte so ein paar erzählen können. Sie waren auch schon diesen Greifern begegnet und hatten sie letztendlich benutzt, um sogar ins Ministerium einzudringen.
„Oh, ich kann eine ganze Menge darüber erzählen", warnte George, „Royal, der sich erst diese Woche unserem Radaktionsteam angeschlossen hat, hat davor seine eigene Flucht vor einigen Todessern und Greifern hinlegen müssen. Er hat selbst erzählt, dass es über ein Dutzend gewesen sind, aber er ist trotzdem ohne einen Kratzer davongekommen."
„Apropos Royal", unterbrach Lee, „Er ist gerade hier angekommen und bei ihm sind einige Informationen, die wir Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer bis jetzt vorenthalten haben, da Royal sich verspätet hat. Hallo, Royal!"
„Hallo, Stromer", begrüßte jemand mit einer tiefen Stimme Lee und Tia erkannte sofort Kingsley Shacklebolt, den sie im Orden des Phönix kennengelernt hatte, als sie einen Sommer lang in Sirius' Familienhaus eingesperrt gewesen sind, „Entschuldigen Sie die Verspätung, aber es einige Komplikationen gegeben, diese Informationen weiterzugeben."
„Ich denke, die Zuhörerinnen und Zuhörer werden dir verzeihen, Royal!", lachte Lee.
„Vermutlich nicht", hörte man George sagen und Tia kicherte leise.
„Ohne weitere Verzögerungen... die Todesfälle dieser Woche...", unterbrach Kingsley ihn und Tia lehnte sich interessiert vor, um genau zuzuhören. Sie bemerkte gar nicht, wie ernst jeder im Raum geworden war und dass sie noch die einzige war, die lächelte.
„Wie wir heute erfahren haben, wurden Damocles Belby, seine Frau, Daisy Belby und deren ungeborenes Kind."
Tias Lächeln verschwand und sie fühlte ein seltsames Gefühl, das sie nicht wirklich einordnen konnte. War das Trauer? Nein, sie hatte Trauer schon kennengelernt und es hatte sich anders angefühlt. Aber doch fühlte sie sich ziemlich niedergeschlagen, als sie hörte, dass Damocles Belby gestorben war. Sie hatte Damocles erst letztes Jahr kennengelernt, als Slughorn diese Weihnachtsfeier gegeben hatte und sie sich unterhalten hatten. Sie hatte ihn nicht wirklich gekannt, aber doch war es seltsam, zu wissen, dass er tot war.
„Es wurde ebenfalls ein altes Muggel-Ehepaar tot aufgefunden. Sie haben in der Wohnung neben den Belbys gewohnt und vielleicht gehört und beschlossen, zu helfen", erzählte Kingsley weiter.
„Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich möchte Sie zu einer Schweigeminute auffordern für die Familie Belby und das Muggel-Ehepaar, das versucht hat, so mutig Zauberern zu helfen", bat Lee und es wurde still. Tia schaute sich um. Sie wusste nicht, wann es wieder angebracht war, zu sprechen und hoffte, dass sie es durch die anderen erfahren würde.
„Danke", bedankte sich Lee und Tia hoffte, dass das wohl das Zeichen war, auf das sie gewartet hatte, obwohl im Raum noch immer niemand sprechen wollte, „Und nun zu den anderen Nachrichten dieser Welt, Royal. Wie sieht es derzeit in der Welt der Zauberer aus?"
„Gestern ist ein ereignisreicher Tag gewesen", gestand Kingsley, „Vermutlich hat schon jeder davon gehört – vielleicht auch nicht."
„Du sprichst von dem Ereignis, das mittlerweile schon als das „Chaos im Ministerium" bekannt ist, denn anders kann man es nicht nennen", lachte Lee.
„Da hast du Recht, Stromer", stimmte Kingsley ihm zu, „Man hört von einer Apokalypse, die auf das Ministerium niedergegangen ist – eine Katastrophe."
Tia lächelte stolz. Sie war Teil davon gewesen und allein, dass dieses Ereignis im Radio kam, auch wenn es ein illegaler Sender war, erfüllte sie mit Stolz. Es fühlte sich wichtig an.
„Weiß man schon genaueres?", fragte Lee weiter.
„Es kursieren viele Gerüchte, Erzählungen und Vermutungen", gestand Kingsley, „Aber von Zeugenaussagen im Ministerium selbst kann man sich so einiges zusammenreimen, obwohl selbst diese Erzählungen so unfassbar klingen, dass sie schon beinahe unfassbar sind."
„Ich habe gehört, es wurde überall zugleich zugeschlagen", erzählte Lee, „Haben wir es mit einer Person zu tun, die sich verdoppeln kann oder gibt es da draußen noch eine andere Gruppe, außer dem Orden des Phönix?"
„Eine weitere Gruppe ist nicht auszuschließen", erklärte Kingsley, „Und es ist wahr – es wurde an verschiedenen Stellen gleichzeitig zugeschlagen. Hinter diesem Plan steckte eine Menge Planung und Präzision, so viel steht fest."
„Kingsley sollte mich besser kennen", schnaubte Konstantin amüsiert, „Ich habe diesen Plan am Tag zuvor ausgearbeitet – so lange haben wir jetzt auch nicht dafür gebraucht."
Tia konnte nicht widersprechen. Sie hatte nicht sonderlich viel Erfahrung damit, wie ein genau durchgeplanter Plan aussah, denn meistens hatten Fred und George und eigentlich alle, mit denen sie bisher Pläne geschmiedet hatte, ihre Pläne eher kurzfristig zusammen gewürfelt und hatten auch viel dem Zufall überlassen. Die Hauptsache war, dass alles funktioniert hatte.
„Wie meine Quelle aus dem Ministerium mir versichert hat, gibt es sogar ein paar Namen der Verantwortlichen, aber obwohl Augenzeugen berichten, was sie gesehen haben, kann man kaum glauben, was sie sagen."
„Du spannst uns auf die Folter", tadelte Lee Kingsley, „Wer ist der Mastermind hinter diesem Chaos im Ministerium?"
„Ich habe einige Namen", erzählte Kingsley, „Konstantin und Liza Gregorovich, sowie Tia Fuego scheinen Teil dieses Plans gewesen zu sein."
Tia riss überrascht die Augen auf, als sie ihren Namen hörte und begann breit zu grinsen. Leanne neben ihr grinste ebenfalls und klopfte ihr stolz auf die Schulter. Tia freute sich, dass sie ihren Namen im Radio hörte – es bedeutete ihr viel.
„Was ist daran so unfassbar?", fragte Lee verwirrt, „Wir wissen doch schon lange, dass diese kleine Gruppe Chaos in den Reihen der Todesser stiftet. Das haben sie bewiesen, als sie schon im August die ersten Greifer besiegt haben und sie es irgendwie auf die Top-Liste der gesuchten Verbrecher geschafft haben."
Dieses Abenteuer von ihnen war also auch bekannt. Es waren die ersten Greifer gewesen, die sie gefunden hatten, nachdem sie aus Versehen Voldemorts Namen ausgesprochen hatten, aber sie hatten sie besiegen können – besonders, da Liza und Konstantin ausgezeichnete Duellanten waren. Tia allein hätte keine Chance gehabt, aber das war nicht schlimm – sie hatte ja Freunde, die sie unterstützten und die sie in anderen Lebenslagen unterstützen konnte.
„Das verwunderliche sind nicht diese drei", winkte Kingsley ab, „Nein, das verwunderliche ist, dass Augenzeugen darauf schwören, dass sie nicht nur den für Tod erklärten Sirius Black gesehen haben wollen, sondern auch noch Agnolia Tripe auf ihrer Seite gekämpft hat."
„Ich bin nicht tot!", rief Sirius, als könnten die Leute im Radio ihn hören und hob die Hand.
„Leider", murmelte Agnes leise.
„Du machst Witze", lachte Lee, „Das klingt wie der Anfang eines Witzes – Agnolia Tripe, Sirius Black und eine Gruppe an Widerstandskämpfer versucht gemeinsam, das Ministerium zu stürzen –"
„Aber ich sage die Wahrheit", versprach Kingsley, „Das sagen die Augenzeugen."
„Egal, wer es gewesen ist, wir wollen uns dafür bedanken, dass diese mutige Gruppe sich dafür eingesetzt hat, nicht nur die Muggelgeborenen im Ministerium zu retten, sondern es auch noch geschafft haben, dass Askaban über Nacht leer geworden ist. Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren. Jeder verurteilte Muggelgeborene, der in Askaban gewesen ist, ist befreit worden. Es war eine unmögliche Aufgabe, aber diese Gruppe hat es geschafft und dafür haben sie Applaus verdient."
Im Radio ertönte das Geräusch von klatschenden Menschen und lächelnd klatschte Tia sofort mit. Zuerst war sie die einzige, aber dann folgten die anderen im Raum ebenfalls ihrem Beispiel.
„Als fröhlichen Abschied haben wir von Romulus mit seiner beliebten Reihe: Freunde von Potter", kündigte Lee an, als es wieder leise wurde.
„Danke, Stromer." Tia konnte ihren Ohren nicht trauen. Das war Remus Lupin – ihr Vater, ihr Dad, ihr Papa. Auch ihn vermisste sie sehr. Sie vermisste ihre Familie, aber es reichte schon, ihre Stimmen im Radio zu hören. Das bedeutete, dass es ihnen gutging und dass sie nicht gefangen waren.
Tia lächelte breit und lehnte sie vor, um kein Wort von ihrem Papa zu verpassen.
„Romulus, es ist eine alltägliche Frage geworden, die ich dir jedes Mal stelle, wenn du hier bei uns bist: Denkst du noch immer, dass Harry Potter nach wie vor am Leben ist?"
„Du bekommst wie immer dieselbe Antwort", man hörte, dass Remus lächelte, „Natürlich glaube ich das – nein, ich weiß das. Manche denken sogar, dass der gestrige Anschlag auf das Ministerium von Harry ausgegangen ist."
„Es ist denkbar, dass Harry selbst den Angriff auf das Ministerium angeführt hat", stimmte Lee ihm zu, „Er selbst ist zwar nicht gesehen worden, aber wie man hört, wurde Vielsafttrank benutzt, um sich zu tarnen – so simpel, aber doch effektiv."
Harry war tatsächlich anwesend gewesen, aber wer das so wirklich geplant hatte, wusste niemand. Immerhin hatte Konstantin nur ihre eigene, kleine Gruppe – ihr Rudel – zusammengebracht und organisiert. Der Widerstand und Harry, Hermine und Ron hatten von sich aus agiert. Ihnen allen stand das Lob zu.
„Egal, ob das Chaos im Ministerium von Harry geleitet worden ist oder nicht – er hat offenbar Freunde in jenen, die dabei gewesen sind. Scheinbar sogar Agnolia Tripe höchstpersönlich", Remus lachte leise über seinen eigenen Witz und Tia lachte mit ihm, als wäre er wirklich bei ihr und nicht nur im Radio zu hören.
„Hast du eine Theorie, wie Agnolia Tripe selbst plötzlich im Ministerium gegen das Ministerium kämpft – und das ziemlich effektiv, wie man hört?", fragte Lee.
„Ich habe eine Theorie, aber die ist noch unfassbarer, als diese gesamte Situation es sowieso schon ist", gestand Remus.
„Lass trotzdem hören", bat Lee ihn, „Warum sollten wir diese Geschichte nicht noch unfassbarer machen?"
„Nun... es gibt eine Person, die Agnolia Tripe erschreckend ähnlich sieht", erzählte Remus, „So ähnlich, dass ich gedacht habe, es wäre sie, als ich sie das erste Mal gesehen habe."
„Du sprichst von Agnes", erriet Lee, „Agnes Tripe, die als vermisst und vermutlich tot gilt."
„Ganz genau", bestätigte Remus heiter, „Agnes, die vielleicht doch nicht tot ist... vielleicht, wenn die Welt es gut meint."
„Ich bin mir nicht so sicher, ob die Welt es gut gemeint hat, als sie mich am Leben gelassen hat", meinte Agnes leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Tia hasste das, wenn Agnes so von sich selbst sprach.
Wenn Agnes schon nicht glücklich darüber sein konnte, dass sie lebte, dann wollte Tia ihr lieber zeigen, wie sehr andere sich freuten.
„Die Welt hat es ganz sicher gut mit mir gemeint, als sie mir meine Schwester zurückgegeben hat", bemerkte Tia gut gelaunt und lächelte Agnes breit an. Zuerst sah Agnes ernst aus, aber dann lächelte sie leicht zurück und das reichte Tia.
„Agnes Tripe lebt also", fasste Lee zusammen, „Denkst du, sie hört in diesem Moment zu?"
„Vermutlich nicht", gestand Remus lachend, „Aber... ich hoffe es... dann würde sie nämlich wissen, dass sie Freunde hat. Sie würde wissen, dass jemand auf sie wartet – nicht nur ich, sondern auch andere, die ihr viel bedeuten. Und... ich würde ihr sagen, dass ich... ihr so-gut-wie Vater sehr stolz auf sie bin. Wirklich sehr stolz. So stolz, wie es ein Vater nur sein kann."
„Sag das nicht, Remus", wisperte Agnes leise und drehte sich wieder weg.
„Es gibt viele, die auf sie warten", sprach Remus weiter, „und sie würden sich alle über ein Zeichen von dir freuen. Wir verstehen natürlich, dass du dich nicht offenbaren willst, aber ein Zeichen als Beweis dafür, dass die Geschichten stimmen und du wirklich lebst, wäre alles, was wir... was ich mir im Moment wünschen kann. Ich bin stolz auf euch – auf euch beide meiner Töchter und das einzige, das ich mir wünsche ist, dass ich sie sicher wieder in meinen Armen halten kann. Passt auf euch auf."
„Sehr bewegende Worte, Romulus", bedankte sich Lee bei ihm und sprach ruhiger, als er es sonst tat, „An dieser Stelle raten wir allen, die auf der Flucht sind und irgendwie die Chance haben, eine Nachricht zu schicken, sich bei ihren Familien zu melden. Es herrschen gefährliche Zeiten und etwas Sicherheit tut jedem gut. Aber denkt immer daran, dass euer eigenes Wohl vorgeht und ihr lieber nichts riskiert."
„Achtet immer darauf, dass ihr euch selbst und andere nicht in Gefahr bringt, wenn ihr eine Nachricht sendet", stimmte Remus ihm ernst zu.
„Lieber Zuhörerinnen und Zuhörer, nach diesen Worten der Weisheit endet PotterWatch. Wir versuchen, noch in der nächsten Woche wieder zu senden, aber wegen einiger Durchsuchungen in der Nähe sind wir auf der Hut. Das nächste Passwort ist Dumbledore und ich rate Ihnen allen, immer fleißig weiter am Rädchen zu drehen und darauf zu warten, wieder unsere bezaubernden Stimmen zu hören. Passt auf euch auf und leistet weiterhin Widerstand. Gute Nacht."
Es wurde leise und Tia sah sich verwirrt um. Sie verstand nicht, warum niemand sprach. Es gab doch so viel zu besprechen.
„Er ist mein Onkel gewesen", gestand Marcus schließlich leise, „Damocles Belby... ich habe ihn eigentlich nicht gekannt... mein Vater und er haben sich nicht sonderlich gut verstanden, aber... er ist der Grund, warum ich geflüchtet bin. Die Todesser sind gekommen – in unser Haus – und haben gefragt, wo er ist. Meine Eltern haben sie geschnappt... ich weiß nicht einmal, ob sie tot sind, aber ich bin abgehauen."
Tia hatte Damocles auch gekannt. Sie hatte ziemlich viel von seinem Leben erfahren und sie hatte auch schon eine Vermutung, warum sich seine eigene Familie gegen ihn gestellt hatte. Es war derselbe Grund, warum Agnes und ihr Papa von der Gesellschaft ausgestoßen worden waren und keine Arbeit finden konnten.
„Dein Vater hat deinen Onkel nicht gemocht, weil er mit einem Werwolf verheiratet gewesen ist, oder?", fragte sie vorsichtig.
„Woher weißt du das?", fragte Marcus offenbar überrascht, dass Tia solche Informationen kannte.
„Ich habe Damocles einmal getroffen", erzählte Tia und erinnerte sich an die Weihnachtsfeier, die nicht einmal ein Jahr her war und trotzdem so weit entfernt schien, „Slughorn hat ihn zu dieser kleinen Weihnachtsfeier eingeladen und er hat uns auch vorgestellt. Wir haben kurz gesprochen... er ist ein ziemlich großartiger Mann gewesen... er hat den Wolfsbanntrank erfunden." Den Wolfsbanntrank – ein Trank, der das Leben von Werwölfen wenigstens ein bisschen verbesserte. Dafür würde sie ihm für immer dankbar sein und obwohl sie Damocles Belby kaum gekannt hatte, so würde sie ihn für immer in Erinnerung behalten.
„Den Wolfsbanntrank?", Agnes sah interessiert zu Marcus, „Er hat dir nicht zufällig das Rezept dafür gegeben, oder?"
Marcus schüttelte den Kopf. Er kannte das Rezept vom Wolfsbanntrank nicht, aber Tia kannte es. Es war in ihr Hirn eingebrannt, so wie sie sich jeden einzelnen Trank merkte und für immer verstaute, denn wenn sie schon ein Talent in Zaubertränke hatte, dann konnte sie wenigstens auch genug darüber lernen, um wirklich gut darin zu werden.
„Mein Vater wollte nie viel mit ihm zu tun haben", gestand Marcus und wirkte tatsächlich entschuldigend, obwohl er nicht wirklich einen Grund hatte, sich entschuldigen zu müssen. Kaum jemand kannte den Wolfsbanntrank – kaum jemand hatte ihn jemals gelernt oder je zu Gesicht bekommen. Das Rezept war sicher verwahrt vom Ministerium – ein Ministerium, das sich jetzt gegen sie gestellt hatte. Außerdem war es ein komplizierter Trank, selbst wenn man das Rezept vor sich liegen hatte. Es dann auch noch auswendig zu kennen war umso schwerer, wie Tia sich sicher war.
„Damocles hat den Wolfsbanntrank für seine Frau erfunden", erzählte Tia, „Als sie von einem Werwolf gebissen worden ist, wollte er ihr helfen. Wir haben bei dieser Weihnachtsfeier darüber gesprochen, dass er Kinder haben wollte, aber seine Frau sich nicht sicher war, ob diese Kinder nicht ebenfalls... verflucht sein würden... Anscheinend wollten sie es probieren, aber... sie haben wohl nie die Chance gehabt, herauszufinden, ob dieses Kind ein Werwolf gewesen wäre. Sie sind davor gestorben... und das Kind mit ihnen."
Damocles' Frau war schwanger gewesen – das hatte Lee im Radio gesagt. Sie wollten ein Kind bekommen und es wenigstens versuchen, ob es die monatlichen Verwandlungen überlebte und dann auch nicht den Fluch hatte. Es war mutig von ihnen gewesen – vielleicht war es auch mehr ein Unfall gewesen, wie auch Tia eigentlich kaum mehr als ein Unfall von Remus gewesen war, aber sie wollten es versuchen. Aber jetzt würden sie niemals herausfinden, wie es war, ein eigenes Kind zu haben – das eine, das sie sich schon so lange gewünscht hatten.
„Ich will einen Wolfsbanntrank." Agnes klang seltsam befehlerisch, als sie das sagte und Tia fragte sich, ob das im Moment Agnes' neue Mission geworden war. Sie wollte einen Wolfsbanntrank – im Moment zählte nichts anderes für sie.
„Warum willst du den Wolfsbanntrank?", fragte Angelina, „Wofür?"
Tia blickte zu Agnes und wartete auf ihre Antwort. Würde sie ihr eigenes Geheimnis verraten – Tia wusste, dass ein paar ihrer Freunde vermutlich wusste, aber das hier war eine große Gruppe, von denen Agnes nicht alle so gut kannte. Es waren auch Fremde unter ihnen und es hätte Tia gewundert, wenn Agnes allen von ihnen vertraute.
„Weil ich ein Werwolf bin." Agnes sah sich um und beobachtete alle, wie sie darauf reagierten. Es schien schon beinahe ein Spiel von ihr zu sein, zu erkennen, wie jeder von ihnen diese Nachricht aufnahm.
„Ein... Werwolf?", stammelte Leanne. Tia wusste, dass Leanne Werwölfen nicht ganz so vertraute. Sie war in einem Zaubererhaushalt aufgewachsen und bestimmt hatte sie Geschichten über böse Werwölfe gehört und diese Geschichten konnte sie wohl nicht so leicht vergessen, wie andere unter ihnen.
„Hast du Angst, Anführerin?", fragte Agnes sie schon beinahe provozierend lächelnd – sie hatte Spaß, Leanne so verunsichert zu sehen, „Ein großer, böser Wolf in eurer Mitte."
Leanne suchte Tias Blick und Tia lächelte zuversichtlich. Sie vertraute Agnes wie eine Schwester und sie war sich sicher, dass auch Leanne ihr vertrauen konnte.
„Zugegeben", gestand Leanne, schüttelte den Kopf und schluckte schwer, „Ich... ich weiß nicht, was ich von Werwölfen halten soll, aber... Ich vertraue Tia und Tia vertraut dir, also vertraue ich dir auch."
„Ein schrecklicher Fehler", bemerkte Agnes, „Ich bin einer dieser Werwölfe, vor denen Eltern ihre Kinder warnen."
„Bist du das?", fragte Sirius sie unbeeindruckt, „Wenn du der schrecklichste Werwolf bist, den diese Welt zu bieten hat, dann muss man sich wohl vor keinem Werwolf fürchten."
Tia liebte Agnes, wie man eine Schwester nur lieben konnte, aber tatsächlich erwischte sie sich dabei, wie sie einen kurzen Moment an Sirius' Worten zweifelte.
Es war nicht, dass sie Angst vor Agnes hatte, nein. Sie wusste, dass sie vor Agnes keine Angst haben sollte, aber dennoch konnte sie nicht anders, als daran zu denken, wie sie Agnes und Sirius erst gefunden hatten.
Tia hatte eine Lichtung gefunden, auf der zwei Leichen gewesen waren. Agnes hatte als Werwolf Menschen getötet. Soweit Tia wusste, hatte Agnes davor schon einmal getötet. Sie wusste es nicht mit Sicherheit, aber so, wie Agnes von sich selbst sprach, vermutete sie, dass sie schon einmal hatte töten müssen. Tia fiel niemand ein, der eigentlich „gut" war, aber trotzdem schon einmal getötet hatte. Vielleicht hatte ihr Vater oder Sirius oder sogar Konstantin schon einmal getötet, aber sie wusste nichts davon. Aber bei Agnes war sie sich schon beinahe sicher und einen Menschen zu töten war etwas, das eigentlich für Tia ein Zeichen war, dass diese Person nicht wie die Helden in Kinderbücher war.
Und dann hatte sie Agnes erst am Vortag gesehen, wie sie riesige Flammen dirigiert hatte und es ihr dabei egal gewesen ist, wen sie verletzte – Todesser, Ministeriumsmitarbeiter, Zivilisten. In diesem Moment waren sie alle gleich gewesen. Vermutlich hätte Agnes auch einen von ihnen verletzen können und in diesem Moment wäre es ihr egal gewesen.
Agnes war einfach schon zu oft verletzt worden, um noch wirklich „gut" zu sein, aber solange Agnes das selber wusste und auf sich aufpasste, musste Tia sich keine Sorgen um sie machen.
„Du hast selbst gesehen, zu was ich imstande bin, Sirius", erinnerte Agnes ihn.
„Und doch willst du den Wolfsbanntrank", konterte Sirius, „Ein Trank, der dich einsperrt. Werwölfe fühlen sich niemals in ihrer eigenen Haut wohl, oder? Niemals, außer kurz nach der Verwandlung. Du hast es selbst gesagt – es ist ein befreiendes Gefühl, oder nicht? Das erste Mal in einem Monat, dass du dich wirklich frei und nicht fremd in deinem eigenen Körper fühlst. Aber mit dem Wolfsbanntrank verschwindet dieses Gefühl. Du wirst weiterhin gefangen in dir selbst sein. Du hasst – nein, verabscheust es, gefangen zu sein, Agnes. Warum willst du dich selbst einsperren?"
„Vielleicht kenne ich nichts mehr anderes?", zischte Agnes. Alle anderen Anwesenden blickten zwischen Sirius und Agnes hin und her, wie bei einem Tennisspiel zwischen den beiden Spielern.
„Lüg dich nicht selbst an, Agnes", schnaubte Sirius, „Sag schon – was ist der wahre Grund, warum du den Wolfsbanntrank haben willst?"
Agnes funkelte ihn wütend an. Tia wusste nicht genau, ob sie sich Sorgen machen musste, dass Agnes Sirius nun wirklich angriff oder nicht. Aber Sirius konnte sich ganz gut selber wehren. „Du kennst den Grund."
„Ich will ihn aber von dir hören", bemerkte Sirius, „Sieh es als ersten Schritt der Besserung – ich versuche gerade, dich zu heilen."
„Ein jämmerlicher Versuch", sagte Agnes wütend.
Sirius zuckte mit den Schultern. „Ein Versuch ist es wert. Und du hast noch immer nicht gesagt, warum du den Wolfsbanntrank haben willst... also... wir warten."
Tia schaute zwischen Agnes und Sirius hin und her und wartete darauf, dass sie weitersprachen, aber beide waren still geworden und starrten sich einfach nur an. Tia verstand nicht ganz, was dazu geführt hatte, bevor ihr auffiel, dass sie beiden sich wohl tatsächlich einfach nur anstarrten und dadurch ihre Diskussion stumm weiterführten.
„Agnes, ich bin schlecht in Starr-Wettbewerben", gestand Sirius mit leichter Verzweiflung in der Stimme, „Du gewinnst immer." Ein Starr-Wettbewerb. Tia hatte einmal gehört, dass man wilden Tieren nicht in die Augen sehen sollte, aber gleichzeitig waren solche Starr-Wettbewerbe doch irgendwie ein Zeichen von Dominanz, wenn man sie gewann. Das hatte Tia jedenfalls gehört – sie selbst vermied Augenkontakt, wenn sie es konnte.
„Ich weiß", bemerkte Agnes, „Deswegen ist es meine bevorzugte Art, Diskussionen gegen dich zu gewinnen."
„Du weißt, dass ich Recht habe", meinte Sirius, „Gib einfach auf."
„Es liegt nicht in meiner Natur, aufzugeben", konterte Agnes.
„Dann sag schon, warum du den Wolfsbanntrank haben willst", befahl Sirius.
Agnes blinzelte überrascht und Sirius riss überrascht und triumphierend die Augen auf, bevor er selbst schnell blinzelte, um seine Augen wieder zu befeuchten. Sirius schien ernsthaft darüber überrascht, dass er gewonnen hatte – vermutlich machten die beiden das häufiger und normalerweise gewann Agnes.
„Das ist unfair – du hast mich abgelenkt", beschwerte sich Agnes.
„Ich habe nie gesagt, dass ich fair kämpfe", grinste Sirius, „Also... deine Antwort."
„Na gut", Agnes hob stolz ihren Kopf, „Ich will den Wolfsbanntrank, weil ich finde, dass Menschen nicht gut schmecken."
„Das ist eine schreckliche Antwort", bemerkte Sirius und sah sich um, „Du machst den anderen Angst." Tia konnte nicht widersprechen, obwohl das bestimmt auch ein guter Grund war. Tia konnte sich nicht vorstellen, dass Menschen gut schmeckten, aber sie hatte auch noch nie einen Menschen gegessen. Vielleicht hatte sie irgendwann die Chance dazu und mochte es sogar. Aber eigentlich wollte Tia nicht wirklich Menschen probieren – woher sollte sie wissen, was dieser Mensch schon alles getan hatte, bevor sie ihn gegessen hatte.
„Das war das Ziel", gestand Agnes und hob stolz den Kopf.
„Formuliere es besser", bat Sirius sie.
„Ich will den Wolfsbanntrank, damit ich ein bisschen Kontrolle über mein Leben zurückgewinne", erklärte Agnes gereizt, „Ich will den Wolfsbanntrank, weil ich, obwohl ich diese Pausen in meinem Körper genieße und es wirklich die einzige Zeit war, in der ich wirklich das Gefühl gehabt habe, dass ich einfach schlafen kann, keine Gefahr für andere sein will. Ich brauche Kontrolle – wenigstens über mich selbst. Und wenn ich schon nicht kontrollieren kann, was mir meine Augen zeigen, was mir meine Ohren sagen oder was mein Verstand sich zusammenreimt, dann will ich wenigstens Kontrolle darüber haben, was zu Vollmond passiert."
„Eine ausgezeichnete Antwort", grinste Sirius zufrieden, „Ich bin stolz auf dich. Das war doch gar nicht so schwer, oder?"
„Ich werde dich später umbringen", beschloss Agnes.
„Sie meint es nicht so."
„Doch."
Doch, Agnes meinte es wirklich so. Das erkannte Tia daran, dass sie nicht lächelte – wenn Leute nicht lächelte, wenn sie so etwas sagten, dann meinten sie es nicht sarkastisch. Das hatte sie gelernt.
„Jetzt, da wir geklärt haben, warum Agnes den Wolfsbanntrank haben will", unterbrach Konstantin die Diskussion, „Vielleicht sollten wir uns darüber Gedanken machen, ob wir ihn überhaupt herstellen können."
„Viele Zutaten für den Wolfsbanntrank stehen auf der Liste der Verbotenen Zutaten", vermutete Liza, „Wir müssten sie irgendwo anders besorgen."
„In Hogwarts könnte es die Zutaten geben", bemerkte Tia und erinnerte sich an den Zutatenschrank von Snape, in dem irgendwie immer alles drin gewesen war, das man für legale und illegale Tränke gebraucht hatte – Tia musste es wissen, immerhin hatte sie oft genug daraus gestohlen, „Ich weiß nicht, ob Snape die Zutaten weggeworfen hat, nachdem Agnes die Schule verlassen hat, aber vielleicht hat er noch Vorräte."
„Im St. Mungos ist die Herstellung des Wolfsbanntrankes verboten worden", erzählte Janet, „Am selben Tag, an dem die Todesser das Ministerium übernommen haben. Sie sind gekommen und haben alle Zutaten mitgenommen – dort gibt es also nichts zu holen."
„Sie haben den Wolfsbanntrank verboten?", fragte Liza entsetzt, „Aber... wie helfen sie den Werwölfen, die kommen. In der Abteilung, in der ich gearbeitet habe, sind Werwölfe die häufigsten Kunden gewesen."
„Den Heilern ist es nicht mehr erlaubt, einen Werwolf zu behandeln", erzählte Janet leise, „Sie können ihre Wunden versorgen, aber sobald sie soweit sind, um wieder entlassen zu werden, werden sie das auch. Sie bleiben nicht mehr über Vollmond zur Beobachtung im St. Mungos."
„Das ist... schrecklich", meinte Liza, „Die Heiler sind die einzigen gewesen, die ihnen während des ersten Vollmonds ein paar wissenswerte Fakten mitgeben konnten... wie können sie sie ablehnen?"
Janet zuckte nur mit den Schultern.
„Ich frage mich, was Greybacks Rudel dazu sagt", meinte Agnes nachdenklich, „Greyback folgt dem Dunklen Lord, weil er ihm das gibt, was Greyback sich wünscht – Menschen zum Umbringen. Aber sein Rudel ist da... ein bisschen... anders. Sie erhoffen sich auch mehr Rechte unter der Herrschaft des Dunklen Lords. Viele haben sich ihm angeschlossen, weil sie einfach hoffen, wieder arbeiten zu können, wenn das Ministerium unter seiner Herrschaft steht."
„Das hat ja wirklich gut funktioniert", schnaubte Konstantin und Tia verstand nicht ganz, warum Konstantin das sagte – es hat überhaupt nicht gut funktioniert, wenn man jetzt schon den Wolfsbanntrank komplett verbot. Aber vielleicht meinte er es auch sarkastisch, obwohl er nicht lächelte.
„Was denkst du, wie reagiert Greybacks Rudel auf diese neue Art der Unterdrückung?", fragte Sirius an Agnes gewandt.
Agnes überlegte einen Moment. „Sie werden sich nicht gegen Greyback stellen", bestimmte Agnes sicher, „Darauf können wir nicht vertrauen. Greyback hat sich viel Macht aufgebaut und einige seiner Anhänger folgen ihm aus animalischeren Gründen. Greyback ist ein ausgezeichneter Kämpfer und ein kaltblütiger Mörder. Unter Werwölfen sind das angesehene Eigenschaften." Tia fragte sich, ob auch Agnes diese Eigenschaften vorzuweisen hatte. Sie vermutete schon und wusste nicht genau, ob sie stolz auf Agnes sein sollte oder lieber nicht, entschied sich aber dann dafür, dass es ein Grund war, stolz auf ihre Schwester zu sein.
„Die Werwölfe sind also noch immer auf der Seite von Ihr-wisst-schon-wem", fluchte Sirius, „Es wäre praktisch gewesen, wenn sie sich uns angeschlossen hätten."
„Dafür hätte das Ministerium schon vor Jahren anfangen müssen, den Werwölfen mehr Rechte zu geben", schnaubte Agnes und Tia konnte ihr nur Recht geben, „Hast du das Regelbuch schon einmal gelesen, Sirius? Ich habe es nämlich schon beinahe auswendig gelernt. Für jede einzelne Lebenssituation gibt es eine andere Regel, die man befolgen muss. Ich kann es anderen Werwölfen nicht übelnehmen, wenn sie sich lieber in Rudel in die Wildnis zurückziehen. In einem Rudel gibt es nicht so viele Regeln – dort heißt es nur: Überlebe oder sterbe."
Jetzt, wo Tia so darüber nachdachte, klangen diese Regeln eigentlich wirklich einfach. Tia vermutete zwar, dass sie eher sterben würde, nachdem sie nicht sonderlich stark oder klug oder talentiert war und bestimmt schon bald in diesem System sterben würde – das System war also nicht für sie geeignet, aber wenn sie so darüber nachdachte, dann klang eine Gesellschaft mit weniger Regeln schon manchmal ganz angenehm. Besonders eine Gesellschaft, mit weniger gesellschaftlichen Regeln. Tia tat sich schwer genug, überhaupt zu erkennen, was andere und sie selbst fühlten – wenn es weniger Regeln geben würde, wie man eine Unterhaltung zu führen hatte, dann würde Tia sich bestimmt häufiger ein bisschen sicherer fühlen. Aber bestimmt hatte sie eine komplett falsche Vorstellung von diesem System.
„Selbst, wenn wir die Zutaten auftreiben könnten", unterbrach Marcus Tias Gedanken, „Wir wissen nicht, wie man ihn herstellt. Soweit ich weiß, ist es ein ziemlich komplizierter Trank und das Rezept wurde schon immer vom Ministerium unter Verschluss gehalten. Nur wenige Leute haben Zugriff darauf bekommen."
„Wir könnten im St. Mungos das Rezept suchen", schlug Liza vor, „Sie haben vielleicht die Zutaten nicht mehr, aber im Rezeptbuch könnte es noch stehen. Ich habe ihn ein- oder zweimal gebraut – ich weiß sogar, auf welcher Seite er steht."
„Aber du kennst ihn nicht auswendig?", fragte Konstantin.
„Es ist ein komplizierter Trank", verteidigte sich Liza, „und es hat immer ein Rezept gegeben. Woher hätte ich wissen sollen, dass ich ihn einmal illegal brauen muss? Außerdem hat Hippocrates das meistens übernommen – bei diesem Trank darf absolut kein Fehler passieren."
„Ich kenne ihn auswendig", gestand Tia und lächelte. Sie war ein bisschen stolz auf sich, dass sie etwas konnte, das die ausgebildete Heilerin nicht konnte, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war, wie einen Trank auswendig zu können.
„Du kennst ihn?", fragte Konstantin verwirrt und Tia nickte stolz. Sogar Konstantin wirkte beeindruckt und das allein war genug für Tia, um sich stolz zu fühlen – nur ein bisschen, immerhin wollte sie nicht sofort übertreiben, aber es war ein guter Anfang.
„Ich habe ihn einmal mit Snape gemacht", erinnerte Tia sich, „Aber ich kenne das Rezept noch ganz genau – ich könnte ihn brauen."
„Tia ist genial in Zaubertränke", Katie warf einen Arm um Tias Schultern, „Bestimmt könnte sie das."
„Dir dürfte kein Fehler passieren", warnte Agnes sie ernst, „Ich vertraue dir zwar, Tia, aber wenn dir ein Fehler passiert, könnte das schlimm enden."
„Keine Sorge", Tia lächelte breit und zum ersten Mal seit Langem war sie sich tatsächlich sicher, das sie das konnte, „Ich bin in nicht vielen Dingen gut, aber ich bin sehr gut in Zaubertränke. Ich bin mir sicher, ich könnte ihn brauen."
„Tia kann ihn also brauen und die Zutaten gibt es vielleicht in Hogwarts", fasste Leanne zusammen, „Dafür müsst ihr also nach Hogwarts."
„Das ist der Plan, ja", stimmte Konstantin ihr zu. Hogwarts... Tia hatte die Schule verlassen und hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, schon so bald wieder zurück zu kehren. Das neue Schuljahr hatte erst gerade begonnen – es würde vielleicht ein bisschen so sein, als würde sie noch ein Jahr zur Schule gehen... nur, dass sie nicht mit dem Zug kommen würde und sie sich im Geheimen und heimlich Zugang zum Schlossgelände schaffen mussten. Und dass kein Fest auf sie warten würde. Und dass sie nicht in ihren Turm gehen würde und dort schon Katie und Leanne auf sie warten würden. Aber ansonsten würde alles ganz gleich sein.
Leanne sah zu Angelina und Katie und nickte. „Wir kommen mit."
„Warum?", fragte Sirius verwirrt, „Ich bin mir sicher, es ist Wahnsinn, im Moment nach Hogwarts zu kommen... ich habe eigentlich noch gar nichts von Hogwarts gehört... hat nicht vor ein paar Tagen das Schuljahr wieder begonnen? Ist McGonagall jetzt nach Dumbledore Schulleiterin?"
„Ihr habt es noch nicht gehört?", fragte Duncan überrascht. Tia hatte eine Menge nicht gehört – sie war alles andere, als allwissend, also wunderte es sie nicht, dass sie wieder einmal etwas nicht wusste. Aber offenbar wussten ihre Begleiter auch nichts davon und das überraschte Tia mehr.
„Wovon redet ihr?", fragte Agnes und wirkte überhaupt nicht zufrieden damit, dass sie etwas nicht wusste.
„Hogwarts hat einen neuen Schulleiter", erklärte Leanne und lachte, „Unser aller Lieblingsprofessor."
„Remus?", fragte Agnes sofort, aber Tia bezweifelte, dass ihr Vater Professor in Hogwarts sein könnte. Immerhin war er ein Werwolf und stand auf der Liste von gesuchten Personen. Aber vielleicht meinte Agnes das auch eher als Witz – das war tatsächlich möglich.
„McGonagall?", fragte Sirius.
„Oh, ja", stimmte Agnes ihm zu, „Professor McGonagall ist perfekt – sie ist wirklich eine ausgezeichnete Professorin."
„Wie wäre es mit Sprout?", schlug Liza vor, „Ich habe diese Frau schon immer gemocht."
„Madam Hooch – wir alle wissen, dass mit ihr als Schulleiterin Hogwarts bald die Weltherrschaft an sich reißen wird", bestimmte Konstantin.
„Du weißt, dass es nicht der Sinn einer Schule ist, die Weltherrschaft an sich zu reißen?", fragte Liza ihren Bruder verwirrt.
Konstantin hob die Augenbrauen und wirkte geschockt. „Was? Wirklich?", rief er entsetzt aus, „Dann... dann habe ich da wohl etwas falsch verstanden." Das hatte Konstantin tatsächlich. Sogar Tia wusste, dass es nicht der Sinn einer Schule war, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Tia war stolz auf sich, dass sie etwas wusste, das Konstantin nicht wusste.
Aber das löste noch nicht das Problem vom neuen Schulleiter. Vielleicht war es ein Todesser – jemand, dem Voldemort vertraute. Aber gleichzeitig war und vermutlich unklug, jemand Außenstehendes einzusetzen.
„Ist es Snape?", fragte Tia und meinte es eher als Witz. Snape konnte nicht Schulleiter sein – immerhin hatte Leanne gesagt, dass es von allen der Lieblingsprofessor gewesen war und Leanne hasste Snape. Aber im Moment schien er als der einzig logische Kandidat dazustehen.
„Nein", winkte Konstantin sofort ab, „Niemand ist wahnsinnig genug, um Snape zum Schulleiter zu ernennen. Ich kenne ihn, seit er angefangen hat, in der Schule zu unterrichten – niemals wird er Schulleiter. Immerhin hat er Dumbledore umgebracht. Die Gesellschaft und die Eltern würden niemals zulassen, dass ein Todesser die Leitung der Schule übernimmt... oder?"
Tia wartete auf eine Antwort, aber es kam keine. Sie fand das ein bisschen unhöflich.
„Das meint ihr nicht ernst", schnaubte Sirius, „Snivellus ist niemals Schulleiter. Ihr macht Witze."
Also hatte Tia Recht gehabt. Snape war Schulleiter geworden? Das konnte sie sich nicht vorstellen.
„Es war in der Zeitung", erklärte Randy ernst, „Wir haben es auch zuerst nicht geglaubt."
„Wenn ich als Elternteil mein Kind auf eine Schule schicken müsste, in der Snape Schulleiter ist, würde ich sie lieber zu Hause unterrichten", bestimmte Liza, „Es sind dieses Jahr bestimmt nur wenige Schüler zurück nach Hogwarts gekommen."
Tia nickte zustimmend. Remus hatte schon davon gesprochen, sie nicht mehr nach Hogwarts zu schicken, als Umbridge dort zu unterrichten begonnen hatte. Bestimmt hätte er sie spätestens dieses Jahr nicht mehr hingeschickt, wenn Tia die Schule nicht schon abgeschlossen hätte und sie nicht sowieso eine gesuchte Verbrecherin gewesen wäre.
„Es ist eine allgemeine Schulpflicht eingeführt worden", erzählte Colin, „Alle Kinder von Zaubererfamilien müssen ab sofort nach Hogwarts – egal, ob sie zuvor zu Hause unterrichtet worden sind oder nicht. So haben sie beinahe Dennis und mich erwischt. Sie haben die muggelgeborenen Kinder beim Bahnsteig abgefangen – manche von ihnen sind erst elf Jahre alt gewesen. Dennis und ich sind noch gerade so entkommen – Randy und Leanne haben uns geholfen."
Tia stellte sich eine Gruppe von elfjährigen Muggelgeborenen vor, die von ihren Familien entführt werden und nach Askaban gebracht werden. Es war ein schrecklicher Gedanke und Tia taten sie leid.
„Wir haben es leider nicht geschafft, allen zu helfen", gestand Leanne missmutig, „Wir haben nicht erwartet, dass so viele Todesser und Leute vom Ministerium dort sein würden. Das ist ein Fehler von uns gewesen – wir wollten eigentlich alle warnen."
„Aber seitdem haben wir keine Fehler mehr gemacht." Angelina stand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Es war ein lautes Geräusch und Tia zuckte zusammen – sie hatte das nicht erwartet.
„Und wir werden auch keine Fehler mehr machen. Seitdem sind alle unsere Missionen erfolgreich gewesen", fuhr Angelina selbstsicher fort.
Konstantin klatschte – es war ein seltsam langsames Klatschen und Tia sah sich um, ob es einen Grund zum Klatschen gab und sie ebenfalls klatschen sollte, aber Konstantin blieb der einzige. Tia fragte sich, ob sie mitklatschen sollte, damit Konstantin nicht allein war und sich schämen musste, aber in dem Moment, in dem sie beschlossen hatte, dass sie Konstantin unterstützen sollte, hörte er auf und sagte: „Eine wirklich inspirierende Rede. Ausgezeichnet."
„Willst du dich mit mir anlegen, Gregorovich?", zischte Angelina sichtlich gereizt und Tia verstand das nicht genau. Immerhin hatte Konstantin ihr gerade ein Kompliment gemacht, aber vielleicht war das das falsche Kompliment gewesen.
„Nein", sagte Liza Gregorovich, „Ich will mich nicht mit dir anlegen."
Angelina blickte verwirrt zu Liza. „Ich habe nicht mit dir gesprochen."
„Ich bin auch ein Gregorovich", erinnerte Liza sie und grinste schelmisch – sie erinnerte Tia in diesem Moment an George.
„Ihr beide seid beinahe noch schlimmer, als Fred und George", seufzte Katie genervt, „Wie haltet man euch beide zugleich aus?"
Liza und Konstantin sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Tia wusste zwar auch nicht genau, wie sie die beiden aushielt, aber sie tat es einfach und sie genoss die Anwesenheit der beiden Geschwister wirklich und mochte sie genauso sehr, wie sie sie verehrte.
„Keine Ahnung –", begann Konstantin.
„–wir haben eigentlich nie –", führte Liza fort.
„–wirklich darüber nachgedacht", beendete Konstantin. Es folgte ein komplizierter Handschlag – eine Reihenfolge, die nur Liza und Konstantin zu kennen schienen und die beiden lachten. Sie wirkte ausnahmsweise jung und sorglos. Sie sollten häufiger jung und sorglos sein, wie Tia fand. Das stand ihnen viel besser, als Sorgenfalten.
„Ihr beide blamiert uns noch vor diesem seriösen Widerstand!", warnte Sirius die beiden, lächelte aber leicht, obwohl er das zu verstecken versuchte.
„Vielleicht können wir zum Ausgang dieser Unterhaltung zurückkommen", schlug Agnes ernst vor, wie eine Mutter, die ihre überdrehten, kindischen, chaotischen Kinder zur Ruhe zwingen musste, „Warum wollt ihr mitkommen, wenn wir in Hogwarts einbrechen."
„Die Mitglieder des Wiederstands sind weitreichend –", begann Duncan dramatisch, aber Randy unterbrach ihn, indem er eine Hand auf seinen Mund legte und ihn so zum Verstummen brachte.
„Was Duncan eigentlich sagen wollte ist, dass wir ein paar Mitglieder des Widerstands in Hogwarts haben", erklärte Randy schnell.
„Warum habt ihr Leute in Hogwarts?", fragte Sirius und runzelte die Stirn, „Hogwarts ist im Moment vermutlich einer der gefährlichsten Orte im Königreich. Mit Snivellus an der Macht –"
„– und zwei Todessern als Lehrer", fügte Dennis hilfsbereit hinzu.
„Und... und zwei Todesser als Lehrer?", wiederholte Sirius ungläubig, schaute in die Runde, als würde er Widerworte erwarten, bevor er seufzend nickte und fortfuhr, „– und zwei Todessern als Lehrer gibt es keinen tödlicheren Ort – und ich weiß, wovon ich spreche, immerhin waren Agnes und ich erst gestern in Askaban."
„Jedes Kind ist schulpflichtig", erinnerte Katie ihn, „Alle, die hier sind, sind entweder schon ausgeschult oder selber Gejagte. Aber ein paar aus unserer Gruppe haben zurück in die Schule müssen. Sie hätten viel riskiert, wenn sie es nicht getan hätten. Am Anfang ist das auch noch eine gute Idee gewesen, immerhin hätten sie uns so Informationen aus der Schule zukommen lassen können, aber das hat nicht so gut funktioniert, wie gedacht."
„Lasst mich raten", schnaubte Konstantin und Tia wusste, dass er wieder einmal etwas wusste, das sonst niemand wusste, „Ihr habt nie Briefe bekommen."
„Ganz genau", sagte Angelina und warf Konstantin einen warnenden Blick zu, „Es kommen grundsätzlich keine Briefe aus Hogwarts. Wir haben bei ein paar Familien nachgefragt, deren Kinder ebenfalls in Hogwarts sind – es kommen überhaupt keine Briefe."
„Was habt ihr erwartet?", schnaubte Konstantin, „Naiv von euch, zu denken, dass Briefe kommen würden."
„Kon, kannst du bitte aufhören, allen anderen das Gefühl zu geben, als wären sie dumm und einfach sagen, was du denkst?", seufzte Liza genervt von ihrem Bruder.
Tia hatte nicht das Gefühl gehabt, als würde sie sich dumm fühlen – jedenfalls nicht dümmer, als sonst, wenn sie in Konstantins Gegenwart war. Konstantin war eben außergewöhnlich intelligent und zeigte das auch, im Gegensatz zu anderen, also war es eigentlich kein Wunder, wenn sich andere in seiner Umgebung dumm fühlten – das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich deswegen schlecht fühlen musste. Irgendwann gewöhnte man sich an das Gefühl.
„Aber es ist doch offensichtlich", rief Konstantin amüsiert auf und überkreuzte seine Beine und lehnte sich zurück, „Natürlich lassen sie die Kinder keine Briefe schreiben. Dann könnten sie ja ihren Eltern erzählen, was im Moment in Hogwarts so alles passiert. Diese beiden Todesser, von denen ihr gesprochen habt... diese neuen Lehrer... wer sind sie?"
„Die Carrows", antwortete Duncan ihm, „Alecto und Amycus Carrow."
Alecto und Amycus Carrow. Tia kannte diesen Namen und freute sich, dass es ausnahmsweise keine Fremden waren. Sie hatte die bedien schon einmal getroffen. Das war der Tag gewesen, an dem die Todesser in Hogwarts eingedrungen sind und Tia hatte es geschafft, Amycus dazu zu überreden, seine Schwester umzubringen. Er hatte es nicht geschafft, was Tia ein bisschen schade fand. Das hätte bestimmt viel Ärger erspart.
„Ich habe die beiden schon einmal getroffen!", freute sich Tia grinsend, „Ich habe Amycus beinahe dazu gebracht, Alecto umzubringen! Das ist witzig gewesen."
Tia hatte schon wieder etwas Falsches gesagt. Das wusste sie, als sich alle Blicke auf sie legten und keiner etwas dazu sagte. Aber egal, wie sehr Tia sich anstrengte, sie konnte einfach nicht erkennen, was sie dieses Mal gesagt hatte, das von der Gesellschaft als „verstörend" eingestuft werden konnte. „Was... was ist los? Habe ich schon wieder etwas Falsches gesagt?"
„Du bist nur hin und wieder ein bisschen gruselig", gestand Sirius und Tia war erleichtert, dass es nichts Ernsthaftes war.
„Wer ist das nicht?", bemerkte Agnes, „Die Carrows... ich bin mir sicher, sie haben nie eine pädagogische Ausbildung genossen. Ich will gar nicht wissen, was sie den Kindern antun."
„Das sollten ihre Eltern wohl auch lieber nicht wissen", schnaubte Konstantin, „Sie wollen nicht, dass die Kinder Informationen weitergeben können, deswegen haben sie ihnen vermutlich verboten, Briefe zu schreiben. Es könnte sogar sein, dass den Schülern nicht erlaubt wird, über die Ferien nach Hause zu kommen – vielleicht ist das auch ein Privileg. Auf jeden Fall haben sie die Schüler vollkommen von ihren Familien und der Außenwelt abgeschottet."
„Kinder sind leicht zu manipulieren", bemerkte Liza ernst, „Das ist wahrscheinlich auch der Grund für die allgemeine Schulpflicht. Ihr-wisst-schon-wer will die Kinder wohl schon früh auf seine Seite ziehen."
„Ein genialer Schachzug", lobte Agnes beeindruckt und Sirius warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, „Was ist, Sirius? Ich habe Recht. Man kann ja viel über den Dunklen Lord sagen, aber er unterschätzt Kinder nicht so, wie es andere tun. Ich weiß, wovon ich spreche, immerhin bin ich wohl das erste Kind gewesen, das dazu ausgebildet worden ist, der nächsten Generation an Todessern beizutreten."
Tia konnte ihr nur Recht geben.
„Wir sehen ja, wie gut das funktioniert hat", schnaubte Sirius, „Es hat genau das Gegenteil bewirkt."
„Als Kind bin ich ihr treu gewesen", widersprach Agnes ihm, „Als ich allein nach England gekommen bin, haben mich unzählige Leute befragt. Leute vom Ministerium, Auroren, sogar Dumbledore. Sie alle haben mir eine einzige Frage gestellt: Wo ist Agnolia Tripe?"
„Du hast es ihnen nie verraten", Konstantin hob überrascht eine Augenbraue, „Warum nicht?"
„Ich weiß nicht", Agnes zuckte mit den Schultern, „Ich weiß nur noch, dass ich kein Wort gesagt habe, ich habe nichts verraten, ich habe meine Augen geschlossen, damit sie aus meinem Blick nicht erkennen konnten, ob sie Recht hatten oder nicht und ich habe sogar meine Gedanken verschlossen – unbewusst natürlich – damit sie nicht einmal mit Legilimentik etwas herausfinden konnten. Ich bin ein Kind gewesen – gerade erst sechs Jahre alt, aber ich weiß noch, dass ich lieber mein Leben gegeben hätte, als den Aufenthaltsort meiner Mutter preiszugeben."
„Wenn das der Fall ist, dann sollten wir unsere Sachen packen und Hogwarts übernehmen", beschloss Janet wütend, die die ganze Zeit nichts gesagt hatte, „Das sind Kinder. Wir sollten ihnen helfen, solang es noch nicht zu spät ist."
„Hogwarts ist nicht das Ministerium", widersprach Konstantin kopfschüttelnd, „Wir sind im Ministerium eingebrochen und haben Chaos veranstaltet, aber wir haben es nicht übernommen. Was passiert wohl, wenn wir Hogwarts übernehmen wollen?" Konstantin sah in die Runde und Tia wich seinem Blick aus – sie wusste auch keine Antwort auf seine Frage und hoffte, dass er es noch sagte. „Hogwarts ist zu wichtig für unser Prinzesschen Muggelmord. Niemals überlässt er es uns einfach so. Nein, er wird eine Horde – eine Armee an Todesser auf und hetzen und uns abschlachten. Uns und die Schüler."
„Also machen wir einfach nichts?", fragte Angelina, „Wir sehen einfach zu und unternehmen nichts dagegen?"
„Ihr habt gesagt, ihr müsst nach Hogwarts, um eure Kameraden zu kontaktieren?", fragte Konstantin und Leanne nickte. „Dann bleibt dort", fuhr Konstantin fort, „versteckt euch irgendwo und helft im Untergrund. Beschützt jene, die wirklich eure Hilfe brauchen oder tröstet jene, die eure Hilfe gebraucht hätten."
Aber dafür brauchten sie einen Ort, an den sie sich verstecken konnten. Sie konnten nicht einmal in die Türme gehen – es könnte jemand dort sein, der sie verriet. Man konnte nicht darauf vertrauen, dass alle Schüler von Hogwarts ihnen gegenüber treu und loyal waren. Aber sie brauchten trotzdem einen Ort, von dem aus sie allen beobachten konnten. Der Verbotene Wald war eine Möglichkeit, aber auch gefährlich – es gab dort einige Tierwesen, die sie verletzen und umbringen konnten. Außerdem war der Wald außerhalb des Schlosses und der Winter nahte schon. Der Schnee und die Eiseskälte würde sie herauslocken. Aber es musste noch einen anderen Weg geben und Tia fiel er sofort ein.
„Der Raum der Wünsche", sagte Tia und lächelte, „Man kann ihn nur betreten, wenn sonst niemand darin ist. Dort könntet ihr bleiben und der Raum der Wünsche würde sich bestimmt euren Bedürfnissen anpassen."
„Was ist ein Raum der Wünsche?", fragte Liza verwirrt und Tia war überrascht, dass sie nichts davon wusste – noch etwas, das sie wusste, aber Liza oder Konstantin nicht.
„Der Raum der Wünsche ist ein geheimer Raum in Hogwarts", erklärte Katie, „Wir haben ihn benutzt, als wir mit der DA trainiert haben. Er passt sich an, je nachdem, was sich jemand wünscht."
„Wie sollen wir überhaupt nach Hogwarts kommen?", fragte Leanne, „Letztes Jahr haben sie schon so viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen – ich bezweifle, dass sie weniger geworden sind."
„Snape hat sich bestimmt in seiner Burg verbarrikadiert", fluchte Sirius, „Daran habe ich noch gar nicht gedacht."
„Wie wäre es mit Geheimgängen?", schlug Tia vor. Es gab viele Geheimgänge, die nach Hogwarts führten – Fred und George hatten ihr ein paar gezeigt.
„Viele sind letztes Jahr schon versiegelt worden", verneinte Randy, „Filch hat ewig dafür gebraucht." Das hatte Tia vergessen und sie schämte sich ein bisschen dafür. Die Geheimgänge waren versiegelt worden, damit niemand in Hogwarts eindringen konnte – Dumbledore hatte das veranlasst. Jetzt wäre es praktisch, wenn sie offen geblieben wären.
„Wir könnten wieder eine Ablenkung inszenieren", schlug Sirius vor, „Wenn ich mich irgendwie zeigen würde, dann wäre Snape bestimmt bereit, sein sicheres Versteck zu verlassen und ihr könntet hinein."
„Ich würde gerne sehen, wie Snape und du euch prügelt", gestand Agnes, „Aber ich kenne einen Geheimgang, der vielleicht noch nicht verschlossen ist."
„Welche genialen Geheimgänge haben Fred und George dir gezeigt?", fragte Duncan grinsend, „Das hat mich schon immer interessiert."
„Oh, diesen kenne ich nicht von Fred und George", widersprach Agnes und blickte zu Sirius, „Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass er dir nicht auch eingefallen ist, Sirius."
„Sollte ich wissen, von was für einem Geheimgang zu sprichst?", fragte Sirius unsicher, „Ich meine... ich bin ein Rumtreiber... einer der traviesos... ich kenne alle Geheimgänge."
„Die Peitschende Weide", sagte Agnes schlicht und Sirius Augen hellten sich auf, als er verstand. Tia verstand ebenfalls. Remus hatte ihr kurz davon erzählt. Ein Geheimgang, der unter der Peitschenden Weide lag und aus Hogwarts hinaus führte in die Heulende Hütte. Remus und Agnes hatten ihre Vollmonde dort verbracht, wie sie wusste.
„Wir verstehen ja, dass die Blacks eine eigene Sprache sprechen", begann Konstantin, „Liza und ich haben auch eine eigene Art zu kommunizieren – so ist das in der Familie eben, aber... könntet ihr bitte in einer Sprache sprechen, die jeder versteht, ich verstehe nämlich im Moment gar nichts!"
„Unter der Peitschende Weide ist ein Geheimgang", erzählte Agnes, „Er führt zu einem Tunnel, der einen aus Hogwarts hinausbringt und in die Heulende Hütte in Hogsmeade."
„Die Heulende Hütte?", fragte Randy nervös, „Aber dort spukt es doch, oder nicht?"
„Das ist ein Gerücht", grinste Sirius, „Sie haben die Peitschende Weide gepflanzt und diesen Geheimgang angelegt, als ein ganz bestimmter Schüler nach Hogwarts gekommen ist."
„Hört bitte endlich auf, in Rätsel zu sprechen", stöhnte Konstantin genervt auf, „Könnt ihr eigentlich nie Klartext sprechen?"
„Das sagt der richtige", murmelte Liza, aber Konstantin hatte sie gehört und warf ihr einen warnenden Blick zu.
„Er redet von meinem Vater", sagte Tia heiter und lächelte leicht.
„Als Remus Lupin selbst noch ein Kind gewesen ist – der erste Werwolf, der nach Hogwarts gehen konnte", erzählte Agnes, „haben die Lehrer dort einen Ort erschaffen, an dem er sich sicher verwandeln konnte. Sie mussten die anderen Schüler beschützen, damit sie nicht qualvoll von einem Werwolf zerrissen und gefressen werden konnten –"
„Agnes", seufzte Sirius warnend.
„– und sie haben Remus schützen müssen, damit niemand erfuhr, dass er ein Werwolf war und die schreckliche Gesellschaft ihn aus Hogwarts gejagt hätte und er schon als kleines Kind die Grausamkeit der sozialen Gemeinschaft miterleben musste."
„Eine wirklich rosige Art, die Situation zu beschreiben", schnaubte Sirius, „Jedenfalls haben sie einen Geheimweg zur Heulenden Hütte angelegt – damals ist es einfach nur eine normale Hütte gewesen. Aber zu Vollmond konnte man das Heulen des Werwolfs hören und die Gerüchte über die verfluchte, heimgesuchte Hütte wurden verbreitet, damit niemand auf die Idee kam, eventuell nachzuforschen."
„Ich kenne diesen Gang auch", sagte Agnes, „Ich kenne ihn in- und auswendig. Ich habe Nächte dort verbracht. Ich weiß nur nicht, wie man die Heulende Hütte betreten kann. Hinaus gekommen bin ich problemlos, als ich Hogwarts verlassen habe."
„Damit kann ich helfen!", meldete sich Sirius und hob eine Hand, „Ich bin auch durch die Heulende Hütte gegangen, als ich in Hogwarts eingebrochen bin, um Peter Pettigrew zu ermorden und ein Auge auf Harry zu haben."
Daran konnte Tia sich auch noch erinnern. Leider war es Sirius nicht gelungen, das hätte ihnen vielleicht einiges an Ärger erspart.
„Warum kann ich eigentlich nicht mit normalen Leuten befreundet sein?", fragte sich Konstantin laut und Tia wusste nicht, wie er plötzlich auf dieses Thema kam – sie waren doch alle vollkommen normal, „Warum sind alle, mit denen ich hierhergekommen bin, absolut wahnsinnig und sprechen von Mord und Todschlag so, als wäre es etwas absolut Normales und Alltägliches? Warum bin ich von Psychopathen umgeben?"
„Das könnte daran liegen, dass man sich gerne mit Leuten abgibt, die einem ähnlich sind", half Liza ihm weiter.
„Danke, Schwesterherz", seufzte Konstantin, „Das hat meine Theorie erst recht bewiesen."
„Immer gern doch, Konnie", grinste Liza, „Wir sind eben dein Haufen Psychopathen."
„Und mit anderen Psychopathen kann man viel besser wahnsinnige Sachen machen, als mit anderen", meldete sich Tia mit einer unschuldigen Stimme und einem ebenso unschuldigen Lächeln im Gesicht, „Normale Leute fangen dann immer an zu schreien."
Konstantin sah Tia verständnislos an.
Liza sah Tia verständnislos an.
Sirius sah Tia verständnislos an.
Aber Tia lächelte nur weiter.
„Können wir diese Kekse eigentlich essen?", fragte Dennis mit einem Blick auf den Teller mit Keksen, der noch unangerührt auf dem Tisch stand.
„Natürlich!", rief Agnes und lächelte, „Dafür sind sie hier. Nehmt euch nur! Es sind genug für alle da!"
Und jeder Griff nach den Keksen am Tisch und es wurde still, als sie die kleine Normalität genossen und für einen kurzen Moment lang tatsächlich den Krieg vergessen konnten.
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