150. Kapitel

Als die fünf wieder in Ivys Haus ankamen, klammerte sich Tia noch immer an den kleinen Zettel, den Katie ihr gegeben hatte.

Ivy war wie eine Mutter, die sie sofort in die Küche scheuchte und ihnen zusammen mit der Hauselfe Tonky Tee einschenkte.

Während sie an ihren Tassen nippten, hatte Tia Zeit, auf den Zettel zu sehen und fand dort eine Adresse geschrieben.

Sie kannte die Adresse und das machte ihr beinahe noch mehr Sorgen, als die Tatsache, dass sie überhaupt eine Adresse sah.

Die Adresse würde Tia zu einem Haus führen, in dem Tia schon einmal gewesen war, obwohl das schon länger her war. Das Haus, das zu dieser Hausnummer gehörte, war Leannes ehemaliges Haus.

Leanne hatte dort zusammen mit ihren Eltern gelebt, bis diese ermordet worden waren. Es waren Todesser gewesen, wie Tia wusste und sie hatten Leanne als Waise zurück gelassen. Das war auch der Grund, warum Leanne es bevorzugt hatte, sich zu verstecken, anstatt nach Hogwarts einen Beruf anzunehmen. Sie wollte lieber nicht riskieren, dass die Todesser sie auch noch umbringen wollten.

Die Adresse verwirrte Tia. Warum hatte Katie ihr die Adresse von Leannes Haus gegeben – sie wusste doch, wo ihre Freundin wohnte. Andererseits hatte Angelina vom „Hauptquartier" gesprochen, als sie das Haus erwähnt hatte. Egal, wie es passiert war, Leannes ehemaliges Haus musste wohl irgendwie ein Hauptquartier für diesen Widerstand geworden sein. Das Haus, in dem Leannes Eltern ermordet worden waren.

Tia wusste, dass sie morgen zu dieser Zeit beim Haus sein musste. Sie hatte nichts mehr von ihren Freundinnen gehört, seit sie am Ende des letzten Schuljahres getrennte Wege gegangen waren und zu diesem Zeitpunkt war keinem von ihnen klar gewesen, ob sie sich überhaupt jemals wiedersehen würden. Tia würde alles dafür geben, dorthin zu gehen, aber andererseits wusste sie, dass sie das nicht alleine machen konnte. Sie hatte Agnes gerade erst wiedergefunden und hatte Angst, sie wieder zu verlieren. Agnes war für Tia alles, was eine Schwester sein sollte – außer, dass sie nicht durch Blut verwandt waren. Agnes war ein Vorbild für Tia und doch wusste Tia, dass Agnes nicht geheilt war, nur weil sie selbstständig gehen konnte, lachte und sprach. Agnes war alles andere, als gesund und Tia war sich nicht sicher, ob Agnes das auch wusste.

Dann war da noch Sirius – Sirius, der für Tod erklärt worden war. Für Tia hatte es immer ein kleines bisschen Hoffnung gegeben, dass Agnes noch lebte, aber Sirius war für sie tot gewesen und doch saß er jetzt hier mit ihr am Tisch und trank Tee. Es ging ihm gut und man konnte beinahe vergessen, dass er das letzte Jahr über offiziell nicht lebendig gewesen war. Es war schon wieder normal geworden, Sirius zu sehen, dass Tia manchmal vergaß, dass viele noch gar nicht wussten, dass er lebte.

Natürlich gab es auch noch Liza und Konstantin – die beiden scheinbar perfekten Geschwister, die Tia irgendwie dazu auserkoren hatten, sie zu begleiten und Tia fühlte sich noch immer stolz, wenn sie daran dachte.

Konstantin und Liza waren ausgezeichnete Duellanten, sie waren intelligent, gutaussehend und scheinbar hatten sie immer einen Plan parat. Sie hatten Tia geholfen, als sie vermutlich an ihre Grenzen gestoßen wäre und dafür war Tia ihnen dankbar. Deswegen konnte Tia sie auch nicht einfach so verlassen. Sie konnte nicht einfach abhauen, sobald jemand anderer kam.

Nein, Tia würde dieses Treffen mit Katie und Angelina mit den anderen absprechen und dann würden sie zusammen entscheiden, ob sie hingehen würden – Tia hoffte, dass sie sich für das Treffen entscheiden würden.

Nach dem Tee bestand Konstantin darauf, dass sie ihre Geschichten austauschten.

Tia erzählte alles, was sie erlebt hatte und versuchte nichts auszulassen. Sie erzählte von den Auroren, von Umbridge und Yaxley und wie Konstantin sie zusammen mit Hermine und Harry befreit hatte.

Liza und Konstantin hingegen hatten in der Zwischenzeit die Akten gesucht, die Konstantin haben wollte – es waren Akten, von denen nicht einmal Konstantin so genau wusste, warum sie so wichtig gewesen waren, aber er hatte erzählt, dass Rufus Scrimgeour bereit gewesen war, für sie zu sterben.

Danach war Konstantin gekommen, um Tia zu helfen.

Sirius' und Agnes' Geschichte war ebenfalls ziemlich interessant. Agnes hatte sich, verkleidet als Agnolia Tripe, einfach Zutritt ins Ministerium verschaffen können. Als bekannte Todesserin war es für sie einfach gewesen, die Mitarbeiter im Ministerium davon zu überzeugen, dass sie nach Askaban musste. Von dort aus war es einfach gewesen – sie hatten mit Patroni und einigen Zaubern die Gefangenen befreien können und sie mit Portschlüsseln in die Freiheit entlassen können. Dort hatte Agnes auch eine alte Freundin getroffen, der Tia schon begegnet war. Es war die Frau gewesen, die Tia nicht gekannt hatte und die dann zusammen mit Angelina und Katie verschwunden war, um sich diesem Widerstand anzuschließen. Ihr Name war Janet Whol gewesen und sie hatte sich mit Agnes in Hogwarts einen Turm geteilt, bevor sie als Muggelgeborene nach Askaban verschleppt worden war.

Was aber am interessantesten an ihrer Erzählung war, dass sie Remus getroffen hatten.

Tia wusste, dass Arthur Weasley sie im Ministerium gesehen hatte, aber sie hatte nicht erwartet, dass er offenbar als erstes ihren Vater kontaktieren würde.

Remus Lupin war auf dem Weg ins Ministerium gewesen, obwohl er selbst auf der Liste der gesuchten Leute stand, um ihr zu helfen. Er hatte erfahren, dass sie sich gestellt hatte und war sofort gekommen.

Agnes und Sirius hatten ihn aufhalten können, damit er nicht den Plan „ruinierte", wie Sirius es liebevoll ausdrückte, aber allein der Gedanke, dass ihr Vater gekommen war, um ihr zu helfen, wärmte ihr Herz.

Sie vermisste Remus natürlich, aber gleichzeitig wusste sie, dass ihr ein Treffen mit ihm nicht sonderlich viel bringen würde. Sie würden sich kurz sehen und mussten sich dann wieder verabschieden. Tia wusste nicht, ob sie sich noch einmal von allen verabschieden konnte, also vermied sie es, es noch einmal tun zu müssen. Sie hatte das Gefühl, als würde sie, wenn sie Remus, George oder Fred sehen würde, einfach bei ihnen bleiben würde.

„Ihr habt Remus getroffen?", fragte Tia lächelnd, ohne auch nur ihre Gedanken zu äußern, dass ihn auch gerne gesehen hätte, aber es war schön, zu hören, dass er noch lebte, „Wie geht es ihm?"

„Er hat sich natürlich Sorgen um dich gemacht, Baby-Lupin", sagte Sirius, „Und wahrscheinlich hat er gedacht, er dreht durch, als er Agnes und mich gesehen hat. Du hättest sein Gesicht sehen sollen."

„Wie sehen unsere Pläne für die Zukunft aus?", fragte Agnes und stand auf. Sie wirkte rastlos und Tia konnte es ihr nicht verübeln. Sie hatte einen anstrengenden Kampf hinter sich – bestimmt war das Herumsitzen im Moment für sie anstrengender, als ein Kampf, nach all dieser Aufregung.

„Wir sind gerade erst zurückgekommen und du willst dich schon wieder in die nächste Schlacht stürzen?", fragte Sirius lachend.

„Hast du andere Pläne? Wir können natürlich erst einmal herumsitzen und nichts tun, aber ich persönlich würde das als eine Zeitverschwendung empfinden", gab Agnes zu.

Tia wusste nicht, ob sie ihr zustimmte. Ein bisschen Ruhe war im Moment schon ganz angenehm, besonders da Tia ziemlich müde war. Andererseits hatte sie einen Planvorschlag für die Zukunft – Angelina und Katie treffen.

„Ich hasse es, meine Zeit zu verschwenden", meinte Liza, „aber zuerst einmal sollten wir uns ausruhen – auf jeden Fall diese Nacht. Wir schmieden keine Pläne, denken nicht nach, welches Ministerium wir als nächstes zerstören oder welchen Kampf wir als nächstes ausfechten müssen – wir ruhen uns einfach nur aus. Das ist ein Befehl von eurer Heilerin!"

Tia sackte ein bisschen zusammen und war enttäuscht. Aber es war ein Befehl von einer Heilerin, also war es wichtig, dass sie sich zuerst ausruhten, aber Tia hätte lieber noch heute gefragt, ob sie morgen zu dem Treffen gehen würden. Sie wusste, dass sie nicht schlafen konnte, wenn eine solche unbeantwortete Frage ihre Gedanken heimsuchte.

„Oh...", sagte Tia schüchtern, „Ich hätte nämlich einen Vorschlag gehabt... aber... ich kann es auch Morgen in der Früh sagen."

Liza sah sie an und Tia war sich nicht sicher, was Liza im Moment ihr gegenüber verspürte. War sie genervt? Enttäuscht? Neugierig? Nachdenklich? Tia konnte es nicht sagen und das machte sie nervös. Schließlich schüttelte Liza den Kopf und Tia wusste einen Moment lang nicht, was es bedeutete.

„Nein, Tia... ich hasse es, Zeit zu verschwenden. Am besten, du sagst es jetzt gleich", sagte Liza und Tia lächelte erleichtert.

„Wir haben Angelina und Katie getroffen und nach dem, was sie zu mir gesagt haben, sind sie noch mehr – noch mehr Leute, die sich gegen Ihr-Wisst-Schon-Wen stellen", erzählte sie, „Sie haben mich eingeladen, sie morgen zu Mittag zu treffen – sie haben mir einen Zettel mit einer Adresse gegeben."

„Und du willst sie sehen?", fragte Konstantin.

Tia nickte. „Ich habe das Gefühl, als könnten wir ihnen trauen und es kann nicht schaden, sie zu treffen, oder?", Tia blickte sich unsicher um, „Ich meine... sie verfolgen dasselbe Ziel, wie wir. Vielleicht können wir ihnen helfen... vielleicht können sie uns helfen... Vielleicht könnten sie uns auch nur Sachen sagen, die wir noch nicht gewusst haben. Aber... wir müssen nicht hingehen, wenn ihr nicht wollt. Ich... ich würde sie nur sehr gerne wiedersehen..."

Tia vermied Augenkontakt. Sie wollte nicht sehen, was die anderen im Moment von ihr dachten. Tia war nur Tia – sie war kein so bedeutendes Mitglied der Gruppe, wie die anderen. Eigentlich war sie nur ein Anhängsel und das wusste sie. Deswegen schämte sie sich, dass sie so eine Bitte äußerte – immerhin brachte es ein gewisses Risiko mit sich, andere zu treffen, von denen sie nicht zu hundert Prozent wussten, dass sie auf ihrer Seite waren. Aber Tia vertraute Angelina und Katie und sie vertraute der Adresse, die auf dem Zettel in ihrer Hand stand.

„Ich werde dich begleiten", versprach Agnes plötzlich und Tia sah sie aufgeregt an, „Ich hab es zwar nicht gerne, dass andere erfahren, dass ich noch lebe, aber wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann begleite ich dich dorthin, damit du nicht alleine gehen musst."

Tia wusste, wie schwer es für Agnes war, das zu versprechen. Agnes wollte nicht einmal Fred sagen, dass sie noch lebte. Tia war sich nicht ganz sicher, warum sie das nicht wollte, aber es hatte Gründe, warum Agnes wollte, dass alle dachten, sie sei noch immer tot.

Tia lächelte überglücklich und stand von ihrem Stuhl auf, um zu Agnes zu rennen und sie fest zu umarmen und Agnes umarmte sie zurück.

„Danke", wisperte Tia leise und ließ sie wieder los.

„Oh, nein, ich lasse euch beiden Ladies sicher nicht alleine", bestimmte Sirius, „Remus würde mich umbringen, wenn ich nicht ein Auge auf seine beiden behalten würde."

„Wir sollten die Gruppe nicht auflösen", meinte Konstantin.

„Wir kommen auch mit euch", versprach Liza, „Im Moment haben wir sowieso keine anderen Pläne."

„Also werden wir zu diesem Treffen gehen und mal sehen, ob wir ihnen vertrauen können", sagte Konstantin, „Wenn es funktioniert, dann... super – wenn nicht, dann hinterlassen wir eben noch mehr Chaos und ziehen weiter."

„Klingt nach einem Plan", lächelte Tia, „Danke."

„Packen wir unsere Sachen – morgen in der Früh reisen wir ab", bestimmte Liza.

Tia würde Angelina und Katie wiedersehen. Sie würde erfahren, was mit ihren Freundinnen passiert war, aber sie würden auch dieses wundervolle Haus verlassen.

Das fand Tia ein bisschen schade, aber sie mussten irgendwann weiterziehen. Sie konnten sich ja nicht ewig in einem Muggelhaus verstecken und alle darin in Gefahr bringen.

Aber Tia würde ihre Freunde wiedersehen und dieser Gedanke ließ sie noch den ganzen Abend lang lächeln.

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