144. Kapitel

Tia konnte ihren eigenen Worten nicht glauben. Es war Unsinn, dass Agnes und Sirius noch lebten, aber etwas in ihr wollte das auch glauben. Die Hoffnung, die sie jeder Tag weiterbrachte, sagte ihr, dass irgendwo da draußen ihre Schwester war.

Agnes, die zuerst eine Freundin, aber jetzt schon beinahe eine große Schwester war.

Agnes war einfach perfekt, wie Tia fand. Sie war so stark, so talentiert, so hübsch, so freundlich und besaß doch eine scharfe Zunge. Agnes war einfach cool.

Es hatte ihr wehgetan, als Agnes verschwunden war. Sie hatten überall gesucht, aber nicht einmal Anhaltspunkte von ihr gefunden. Sie hatten alles versucht und jeder im Orden hatte verschiedene Zauber und Wege probiert, um Agnes zu finden, aber sie war einfach weg gewesen, als hätte es Agnes Tripe niemals gegeben. Keine Leiche war zurückgeblieben und das fand Tia am schrecklichsten.

Ohne Leiche waren sie sich niemals ganz sicher gewesen, ob Agnes tot war oder nicht. Die Hoffnung in ihnen hatte sie dazu gezwungen, zu glauben, dass sie noch lebte, aber jetzt hatte Tia die Chance, die Wahrheit herauszufinden.

„Das ist nicht der Moment für schlechte Witze", fuhr Konstantin Tia plötzlich an und wandte sich von ihr ab.

Tia war verwirrt. Warum reagierte Konstantin so? Sie hatte ihm doch gerade gesagt, dass Sirius vielleicht am Leben war. Soweit sie wusste, hatte Konstantin Sirius gemocht – vielleicht sogar geliebt. Warum reagierte er so abweisend ihr gegenüber, weil sie eine solche Möglichkeit aussprach?

Sie verstand wieder einmal nicht, warum jemand so reagierte. Für sie hatte sie nichts falsch gemacht und sie hatte es satt, immer und immer wieder von Menschen angefahren zu werden, obwohl sie selbst keinen Fehler in ihren Worten oder Taten sah.

„Ich mache keine Witze!", rief sie aufgebracht und stemmte die Hände in die Hüften, „Ich habe es zuerst auch nicht geglaubt, aber dann bin ich der Spur gefolgt und –"

„Tia, es reicht!", schrie Konstantin sie an und drehte sich wieder um und Tia zuckte zurück, „Sirius ist tot! Du musst dich irren!"

Tia schaute ihn kühl an und hob stolz ihren Kopf. Das war wahr. Sirius war für tot erklärt worden und es machte keinen Sinn, dass er genau jetzt wieder leben sollte. Die Todesser hätten sicher von sich hören lassen, wenn sie Sirius nur gefangen genommen hätten und er nicht damals in der Mysteriumsabteilung gestorben wäre, aber das hatten sie bei Agnes auch nicht getan. „Es ist möglich, dass ich mich bei Sirius geirrt habe, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Agnes gerochen habe. Ich habe auch Leichen gefunden – sie sind von einem Werwolf umgebracht worden."

„Es könnte auch ein anderer Werwolf gewesen sein", schlug Liza sanft vor und Tia war froh, dass wenigstens sie offen für diese Idee war oder auch nur weiterhin freundlich mit ihr war, im Gegensatz zu Konstantin.

„Nein." Tia schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin mir ganz sicher. Ich kenne Agnes und ihren Geruch. Ich kenne eigentlich auch Sirius und seinen Geruch, aber... er ist doch gestorben."

„Man hat nie eine Leiche gefunden", sagte Liza nachdenklich und Konstantin drehte sich zu ihr um.

„Nein!", widersprach er scharf, „Sirius ist tot. Akzeptiert es einfach."

„Ich verstehe, dass du dir keine Hoffnungen machen willst, aber...", begann Tia unsicher, „Vielleicht sollten wir der Sache einmal nachgehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Agnes noch lebt und irgendwo da draußen ist und wir sollten sie suchen."

Vielleicht wollte Konstantin gar nicht hoffen, dass Sirius tot war, aus Angst, dass seine Hoffnungen zerstört werden würden. Aber Tia hoffte lieber, als im Unklaren zu bleiben. Wenn die Geschwister der Spur nicht folgen würden, würde sie sich alleine auf die Suche machen. Sie konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass Agnes und vielleicht auch Sirius noch lebten und sie nichts davon wusste. Wenn die beiden lebten, musste sie sie finden.

„Aber wo beginnen wir mit unserer Suche?", fragte Liza sich und Tia atmete erleichtert auf – Liza war auf ihrer Seite.

„Sie sind am Bach appariert, also können wir sie dort nicht mehr verfolgen", seufzte Tia niedergeschlagen – sie konnte keiner Geruchsspur folgen und nicht einmal Remus hätte das gekonnt.

„Vielleicht können wir irgendwie vermuten, wo sie sind. Wir könnten im Orden nachfragen, ob sie etwas von ihnen gehört haben", schlug Liza vor, aber Tia war sich nicht so sicher.

„Denkst du wirklich, dass Agnes und Sirius zum Orden gehen?", fragte sie nachdenklich. Sie konnte sich vorstellen, dass Agnes Angst hatte und nachdem Agnes eher misstrauisch und paranoid war, würde sie zuerst einmal die Lage scannen und sehen, wem sie überhaupt noch vertrauen konnte. Seit ihrem Verschwinden war einige Zeit vergangen – bestimmt war sie verwirrt. Sie kam in eine Welt zurück, in der das Ministerium nicht mehr auf ihrer Seite war und Menschen legal verfolgt wurden.

„Warum nicht? Wohin sollten sie zuerst gehen?", fragte Liza verwirrt.

Tia wusste darauf keine Antwort. Liza hatte Recht. Ihr Gedankengang war lächerlich. Warum sollte Agnes dem Orden nicht vertrauen? Wem sonst sollte sie vertrauen? Sie hatte nur Freunde im Orden, soweit Tia wusste und Werwölfen oder ihrer Familie konnte sie auf jeden Fall nicht vertrauen. Tia traute ihr aber zu, dass sie sich alleine in der Wildnis durchschlug.

Agnes kannte bestimmt einige Taktiken, wie man überlebte, so wie Konstantin – nur cooler.

„Ich hätte eine Idee, wie wir sie finden könnten", gestand Konstantin plötzlich und mit einem Lächeln im Gesicht und glänzenden Augen drehte Tia sich zu ihm um.

„Wirklich?", fragte Tia und spürte Hoffnung in sich wieder aufkeimen.

Konstantin schien zu zögern oder nachzudenken, aber Tia wusste, dass sie ihn überzeugt hatte. Er würde ihnen helfen, da war sie sich sicher und Konstantin kannte auch einige Tricks, die bestimmt praktisch waren.

„Ich kenne einen Zauber", gestand Konstantin, „Aber wir brauchen etwas von Agnes – einen persönlichen Gegenstand, Kleidung oder... sonst irgendetwas, das sie bei sich getragen hat in letzter Zeit. Je länger es her ist, desto ungenauer ist der Zauber."

„Wir könnten auf der Lichtung nachsehen", schlug Tia sofort begeistert vor, „Ich kann euch hinapparieren."

„Es ist einen Versuch wert", Konstantin und lächelte freundlich, „Packen wir unsere Sachen – vielleicht kommen wir nicht mehr hierher zurück."

„Danke, Kon", grinste Tia breit.

Tia nahm die Geschwister an den Händen und konzentrierte sich auf die Lichtung, von der sie gerade erst gekommen war, bevor sie apparierte.

Es hatte sich nichts verändert, außer dass es langsam dunkel wurde und damit die Leichen im Gras noch gruseliger wirkten, aber Tia konnte im Dunklen ziemlich gut sehen und fürchtete sich nicht vor dem dunklen Wald.

„Hier sind sie", erzählte Tia und deutete auf die Leichten am Boden, „Ich habe sie mir nur kurz ansehen können und bin dann gleich danach zurück appariert."

Konstantin und Liza näherten sich den Leichen ohne jegliche Furcht oder Ekel. Vermutlich hatten sie häufiger mit Toten zu tun, als Tia. Tia konnte sich nicht vorstellen, Toten noch einmal so nahe zu kommen, aber Konstantin und Liza untersuchten die Leichen genauer.

„Das sind Verletzungen von einem Werwolf", erklärte Liza und deutete auf die Halsgegend der beiden Leichen, „Sie liegen schon etwas länger da, aber man erkennt es noch gut."

Konstantin stand als erstes wieder auf und sah sich um.

„Wir suchen Kleidung oder andere Gegenstände", erklärte Konstantin, „Alles, was Agnes eventuell getragen hat."

Endlich konnte Tia auch helfen. Etwas finden, das Agnes getragen hatte – das konnte sie.

Sofort konzentrierte sie sich wieder auf die Gerüche, die auf der Lichtung zu finden waren.

Sie roch Agnes und Sirius, aber auch einige andere Gerüche von fremden Menschen. Da war auch noch ein Geruch, der Tia an die Hauselfen in Hogwarts erinnerte, aber sie konnte es nicht ganz erkennen.

Ihr Geruchssinn war nicht gut genug, um einen einzigen Geruch auf der Lichtung zu erkennen, also ging sie ein bisschen herum und hoffte, dass etwas von Agnes stärker nach ihr riechen würde, als die restliche Lichtung.

Liza und Konstantin unterhielten sich in der Zwischenzeit leise miteinander, aber Tia konnte sich nicht auf das Gespräch konzentrieren, da sie zu sehr mit ihrem Geruchssinn beschäftigt war.

Sie versuchte, die vielen Gerüche auseinander zu halten und schnupperte einfach weiter.

Sie konnte keine genaue Fährte von Agnes finden, da ihr Geruch überall auf dieser Lichtung lag, aber sie suchte einfach weiter.

Agnes musste sich irgendwo in der Nähe der beiden Männer verwandelt haben, denn außerhalb der Lichtung konnte Tia ihren Geruch nicht mehr finden. Sie musste irgendwie direkt auf diese Lichtung appariert sein, bevor sie sich verwandelt hat.

Die beiden Männer sind vermutlich nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatten dafür mit ihrem Leben bezahlt.

Tia taten die beiden schon beinahe leid. Egal, ob sie Freunde oder Feinde gewesen waren, jetzt waren sie tot und Tia fand nicht, dass man Tote respektlos behandeln sollte.

Außerdem waren sie von einem Werwolf angegriffen worden – der Tod war bestimmt schmerzvoll und langsam gewesen und die Leichen sahen nicht so aus, als hätte Agnes Wolfsbanntrank eingenommen. Sie war ein wildes Tier gewesen, als sie gemordet hatte, aber doch konnte Tia nicht anders, als sich um ihre Schwester Sorgen zu machen.

Agnes hatte als Werwolf zwei Männer umgebracht – bestimmt fühlte sie sich schrecklich.

Tia hoffte so sehr, dass ihr Geruchssinn sie nicht täuschte und Agnes zusammen mit Sirius unterwegs war. Sie brauchte jetzt einen Freund an ihrer Seite. Agnes sollte in solchen Zeiten nicht allein sein.

Plötzlich fand Tia auf dem Boden einige Fetzen. Es waren wirklich nur graue, schmutzige, blutige Fetzen, aber Agnes' Geruch ging ziemlich stark von ihnen aus.

Sie musste diese Kleider zerrissen haben, als sie sich verwandelt hatte und dadurch sind sie zerfetzt worden. Das war hoffentlich ihre Chance, Agnes zu finden.

„Ich hab etwas!", rief Tia aufgeregt und die Gregorovich-Geschwister blickte zu ihr, bevor sie zu ihr kamen.

„Das muss Agnes gehört haben", sagte Tia aufgeregt und deutete auf die Reste der Kleidung im Gras, „Es riecht sehr stark nach ihr. Sie muss es zerrissen haben, als sie sich verwandelt hat."

„Klingt logisch", stimmte Liza ihr zu und bückte sich, um die Kleider näher zu untersuchen.

„Bist du dir sicher?", fragte Konstantin, „Sie könnten auch einem Opfer gehören."

Tia nickte. „Ganz sicher. Es stinkt schon nahezu nach ihr. Sie muss es sehr lange getragen haben."

„Dem Zustand der Leichen nach zu urteilen muss das schon einige Tage her sein", überlegte Liza, „Funktioniert der Zauber dann noch?"

„Es sollte noch funktionieren", murmelte Konstantin, „Nicht so genau, wie bei frischen Spuren, aber besser, als nichts."

Tia spürte freudige Aufregung in ihrer Magengegend. Sie würden Agnes wiederfinden. Agnes war nicht tot und schon bald würde sie sich wiedersehen.

Mithilfe von Liza und Konstantin würde sie das schaffen, das wusste Tia.

Konstantin zückte seinen Zauberstab und hielt ihn auf die Kleider gerichtet, bevor er einen Zauber sprach, den Tia nicht kannte.

Tia sprang erschrocken einen Schritt zurück, als ein Fetzen plötzlich in die Luft schoss und in eine Richtung flog.

„Schnell! Ihm hinterher!", rief Konstantin aufgeregt und die drei beeilten sich, um diesem Fetzen schnell zu folgen und sich nicht abhängen zu lassen.

Tia würde Agnes wiederfinden und mit etwas Glück vielleicht auch noch Sirius Black. Das wusste sie.

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