133. Kapitel

Tia hatte nicht gedacht, dass sie wirklich mitkommen konnte. Sie hatte erwartet, dass sie als zu unerfahren und als zu unfähig abgestempelt werden würde.

Natürlich hatte Remus laut dagegen protestiert, dass sie mitkam, aber letztendlich hatte doch sie gesiegt und jetzt war sie zusammen mit vierzehn anderen unterwegs zu Harrys Haus.

Sie war noch nie im Ligusterweg gewesen und ihr erster Eindruck im Dunkeln war, dass es eigentlich ganz nett war. Es sah wie eine ruhige Straße aus, wie eine solche, in der auch ihre Mutter wohnte. Die Häuser waren gemütlich und die Gärten gepflegt. Tia fragte sich, ob sie wohl jemals auch in so einem Haus leben würde. Vermutlich nicht – sie würde es nie schaffen, einen Garten so schön zu halten.

Neben ihr waren Fred und George.

Fred war anders. Das war er schon seit Wochen. Eigentlich seit Agnes verschwunden war. Zuerst hatte er offen getrauert und viel geweint. Der Laden war geschlossen gewesen, während Fred, George und auch Tia weiterhin überall nach Agnes gesucht hatten in der Hoffnung, dass sie dem Angriff entkommen war, aber je länger es dauerte, desto mehr war die Hoffnung verschwunden, dass sie noch unter ihnen war.

Zuerst hatte George wieder den Laden eröffnet, während Fred weitergesucht hatte. Dann war ihm Tia gefolgt und schließlich hatte auch Fred aufgegeben und war zurückgekehrt. Er hatte gelacht. Er lachte häufig, aber es war ein falsches Lächeln, die Scherze waren gezwungen und er war ruhiger. Häufig erwischte Tia ihn, wie er nur in die Luft starrte und vermutlich an Agnes dachte. In der Nacht hörte sie ihn weinen, wenn er allein in seinem Zimmer war und die Dunkelheit alle Wahrheit wieder hervorbrachte.

Tia wusste, dass es Fred nicht gutging. Er hatte Agnes geliebt, aber Tia wusste, am meisten schmerzte die Unwissenheit. Sie wussten nicht einmal genau, ob Agnes überhaupt noch lebte, oder ob sie schon tot war. Suchten sie nach einer Leiche oder nach einer lebenden Person.

Keiner wusste es so genau, aber sie wussten alle, dass jetzt nicht die Zeit war, um aufzugeben. Es gab noch andere, die beschützt werden mussten. Das redete Tia sich jedenfalls ein, denn obwohl sie nicht wie Fred in Agnes verliebt gewesen war, so war Agnes eine Schwester geworden und Tia hatte noch nie eine Person gekannt, die mehr eine Schwester für sie sein würde.

Katie und Leanne waren ihre besten Freundinnen und auch sie zählten für Tia zur Familie und waren so etwas wie Schwestern geworden über die Jahre hinweg, aber Agnes war einfach die große Schwester gewesen, zu der Tia aufsehen konnte. Deren Rat sie gesucht hatte, der sie alles hatte erzählen können und die für sie da gewesen war. Irgendwie hatte das letztendlich nur Agnes geschafft.

Das Haus, in dem Harry wohl lebte, sah genauso aus, wie alle anderen, aber nachdem die anderen Ordensmitglieder dort Halt machten und ihre Besen ablegten, vermutete Tia wohl, dass das das richtige Haus war.

Hagrid landete in der Nähe sein fliegendes Motorrad, mit dem Tia eigentlich auch einmal fliegen wollte, aber es würde Harry sein, der diese Nacht damit in Sicherheit fliegen würde, wie sie wusste. Tia fand das ein bisschen schade, aber sie wollte sich auch nicht beschweren. Auf einem Besen oder einem Thestral zu fliegen war bestimmt auch ganz lustig.

Plötzlich hörte Tia, wie eine Tür geöffnet wurde und aus dem Haus, vor dem sie gelandet hatten, rannte ein Junge – es war Harry Potter.

Er rannte direkt auf die Gruppe zu, die sich gebildet hatte und er begrüßte alle von ihnen – es waren alles bekannte Gesichter für ihn, was bestimmt beruhigend war.

„Alles kla', Harry? Fertig zum Abfluch?", fragte Hagrid an Harry gerichtet.

„Sicher." Harry strahlte in die Runde. „Aber so viele von euch hätt ich nicht erwartet."

„Plan geändert", knurrte Moody und Tia fragte sich, ob dieser Mann wohl jemals gut gelaunt war. Bestimmt nicht vor so heiklen Missionen wie dieser hier, aber vielleicht in seiner Freizeit.

„Was auch sonst", murmelte Konstantin Gregorovich mit einem amüsierten Ausdruck im Gesicht und Moody warf ihm einen warnenden Blick zu.

„Gehen wir in Deckung, ehe wir alles besprechen", schlug Moody vor und ging auch schon vor.

Das Haus von innen sah ziemlich normal aus. Es war hübsch und liebevoll eingerichtet mit Bildern auf einer Kommode, aber keines von ihnen zeigte Harry.

Es war wohl die Küche, wie Tia erkannte, wo sich alle versammelten und sie setzte sich zwischen Fred und George auf eine Theke.

„Kingsley, ich dachte, du bewachst den Premierminister der Muggel?", fragte Harry quer durch den Raum laut.

„Der kann eine Nacht lang ohne mich auskommen", winkte Kingsley ab, „Du bist wichtiger."

„Harry, weißt du was?", fragte Tonks Harry aufgeregt und zeigte ihm ihre Hand.

Tonks gehörte offiziell zur Familie. Nachdem sie Remus geheiratet hatte, war sie wohl Tias Stiefmutter geworden – ein seltsamer Gedanke. Trotzdem hatte George sich nicht die Chance entgehen zu lassen und hatte Tonks „Tias Stiefmutter" genannt – schon mehrmals und meistens mit einem provozierenden Blick auf Tonks, aber diese hatte immer nur gelacht und Tia umarmt, wie es wohl wirklich eine Mutter machen würde, obwohl sie nur ein paar Jahre älter war, als Tia selbst und es als Stiefmutter bestimmt nicht ihre Pflicht war, eine Mutter für Tia zu sein.

„Du hast geheiratet?", fragte Harry begeistert und blickte auch zu Remus.

„Tut mir leid, dass du nicht dabei sein konntest, war eine traute Runde", entschuldigte sich Remus.

„Der Alkohol war gut", zeigte Konstantin grinsend auf.

„Der einzige Alkohol, der auf der Hochzeit zu finden gewesen ist, war von Liza und dir", erinnerte Remus ihn streng und Konstantin grinste noch breiter.

„Genau", stimmte er ihm zu, „Deswegen ist er ja auch gut gewesen."

„Das ist großartig, gratu –", begann Harry, wurde aber von Moody unterbrochen.

„Schon gut, schon gut, wir haben später Zeit, das alles gemütlich zu bequatschen!", erinnerte er sie streng und es wurde still in der Küche. Konstantin nieste in die Stille und eine Reihe von leisen „Gesundheits" folgten – Tia rief ebenfalls laut: „Gesundheit" und lächelte zufrieden.

Moody ließ die Säcke, die das Material beinhalteten, das sie für die Operation benötigten auf den Boden fallen und wandte sich an Harry: „Dädalus hat dir wahrscheinlich schon gesagt, dass wir Plan A aufgeben mussten. Pius Thicknesse –"

Dieser Verräter", hustete Konstantin und Tia fragte sich, ob dieses Husten wohl absichtlich wie eine Anschuldigung hätte klingen sollen oder nicht. Wahrscheinlich war Konstantin einfach nur erkältet.

„–ist übergelaufen, was uns vor ein großes Problem stellt. Er hat es zur strafbaren Handlung erklärt, auf die Gefängnis steht, dieses Haus mit dem Flohnetzwerk zu verbinden, einen Portschlüssel hier abzulegen oder rein- und rauszuapparieren. Alles unter dem Vorwand, dich zu schützen, damit Du-weißt-schon-wer nicht an dich herankommt. Vollkommen sinnlos, wo doch der Zauber deiner Mutter das schon tut."

„Aber man kann nie wissen", meldete sich Konstantin, „das Ministerium macht andauernd sinnloses Zeug."

„Zweites Problem", fuhr Moody fort, ohne auf Konstantin zu achten, „Du bist minderjährig, das heißt, du hast immer noch die Spur auf dir."

„Die was?", fragte Harry verdutzt.

„Die Spur, die Spur!", rief Moody ungeduldig, „Der Zauber, der magische Aktivitäten im Umfeld von unter Siebzehnjährigen aufspürt, mit dem das Ministerium rausfindet, wenn Minderjährige zaubern. Wenn du oder irgendjemand um dich herum einen Zauber ausführt, um hier rauszukommen, dann wird Thicknesse davon erfahren, genauso wie die Todesser. Wir können nicht warten, bis die Spur sich löst, weil du im Moment, da du siebzehn wirst, sofort allen Schutz verlierst, den deine Mutter dir verliehen hat. Kurz gesagt: Pius Thicknesse glaubt, dass er dich endgültig in die Enge getrieben hat."

„Was werden wir also tun?", fragte Harry ein bisschen verunsichert.

„Wir benutzen die einzigen Transportmittel, die uns bleiben, die einzigen, die von der Spur nicht ermittelt werden können, weil wir keinen Zauber ausüben müssen, um sie zu benutzen: Besen, Thestrale und Hagrids Motorrad", erklärte Moody, „Nun, der Zauber deiner Mutter bricht nur unter zwei Bedienungen: wenn du volljährig wirst oder wenn du diesen Ort nicht mehr dein Zuhause nennst. Du, deine Tante und dein Onkel geht heute Nacht getrennte Wege, vollkommen einig, dass ihr nie wieder zusammenleben werdet, richtig?"

Harry nickte.

„Wenn du also diesen Mal fortgehst, wird es keine Rückkehr geben und der Zauber wird brechen, sobald du außerhalb seiner Reichweite bist. Wir brechen ihn lieber frühzeitig, denn die Alternative ist, zu warten, bis Du-weißt-schon-wer kommt und dich ergreift, in dem Moment, da du siebzehn wirst. Der einzige Trumpf, den wir haben, ist, dass Du-weißt-schon-wer nicht weiß, dass wir dich heute Nacht wegbringen. Wir haben für das Ministerium eine falsche Fährte gelegt: Die glauben, dass du nicht vor dem Dreißigsten abreist. Allerdingt haben wir es mit Du-weißt-schon-wem zu tun, das heißt, wir können uns nicht einfach darauf verlassen, dass er das falsche Datum hat; er lässt sicher ein paar Todesser hier in der Gegend am Himmel Patrouille fliegen, nur für den Fall. Deshalb haben wir einem Dutzend verschiedenen Häusern sämtlichen Schutz verliehen, den wir aufbringen können. Sie sehen alle aus, als wären sie der Ort, an dem wir dich verstecken werden, sie haben alle irgendeine Verbindung zum Orden: mein Haus, Kingsleys, Gregoroviches, das von Mollys Tantchen Muriel – du verstehst schon."

„Jaah", sagte Harry und Tia freute sich, dass er den Plan verstand – sie hatte länger gebraucht, um ihn wirklich zu verstehen und mit Moodys Erklärung wären ihr noch einige Fragen geblieben, aber Harry schien Gedanken lesen zu können.

„Du gehst zu Tonks' Eltern", sagte Moody, „Sobald du innerhalb der Grenzen der Schutzzauber bist, die wir über ihr Haus gelegt haben, kannst du einen Portschlüssel zum Fuchsbau nehmen. Noch Fragen?"

„Ähm – ja", gestand Harry – also hatte er doch noch Fragen, „Sie werden vielleicht anfangs nicht wissen, zu welchem der zwölf sicheren Häuser ich fliege, aber wird das nicht irgendwie offensichtlich sein, sobald... sechzehn von uns zu Tonks' Eltern aufbrechen?"

„Ah", sagte Moody, „ich hab den entscheidenden Punkt vergessen. Es werden keine vierzehn von uns zu Tonks' Eltern aufbrechen. Heute Abend werden acht Harry Potters durch den Himmel fliegen, jeder von ihnen mit einem Begleiter und jedes Paar auf dem Weg zu einem anderen sicheren Haus."

Als Moody das Fläschchen mit dem Vielsafttrank aus seinem Umhang hervorholte, fühlte Tia sich sogar ein bisschen stolz.

Nachdem Moody den Plan vorgeschlagen hatte, war er zunächst zum Scheitern verurteilt gewesen, da keiner von ihnen Vielsafttrank besessen hatte und es einen Monat brauchte, um frischen zu brauen, aber zum Glück hatte Tia noch ein paar Phiolen voll gehabt – man konnte ja nie wissen, wann man wie jemand anderer aussehen wollte. Das hatte wohl andere verwirrt, aber immerhin konnte der Plan so umgesetzt werden.

„Nein!", rief Harry laut, „Kommt nicht in Frage!"

Tia runzelte die Stirn – was hatte Harry gegen den Plan? Er war doch gut und der Vielsafttrank wirkte bestimmt – immerhin hatte sie ihn selbst gebraut.

„Ich habe ihnen gesagt, dass du so reagieren würdest", bemerkte Hermine leicht selbstgefällig.

„Wenn ihr glaubt, ich lasse es zu, dass sieben Leute ihr Leben riskieren –!"

„– weil das ja für uns alle das erste Mal ist", unterbrach Ron Harry.

„Das ist was anderes, so zu tun, als wärt ihr ich–", argumentierte Harry weiter.

„Also, keiner von uns ist wirklich scharf drauf, Harry", bemerkte Fred neben Tia, „Stell dir vor, es geht was schief, dann stecken wir für immer als picklige dürre Trottel fest."

„Es wird nichts schiefgehen", tadelte Tia ihn, „ich habe den Trank immerhin selbst gemacht."

„Tia hat aus irgendwelchen Gründen immer einen Kessel voll Vielsafttrank bereit", erklärte George an Harry gerichtet, „Frag nicht, warum."

„Es kann immer praktisch sein, Vielsafttrank zu verwenden", verteidigte Tia sich selbst.

„Auch wieder wahr", murmelte Fred zustimmend.

„Ihr könnt es nicht tun, wenn ich nicht mitmache; ich muss euch ein paar Haare geben", erinnerte Harry sie.

„Tja, damit wäre der Plan im Eimer", seufzte George und Tia sah ihn verwirrt an – warum war der Plan im Eimer, nur weil Harry ein bisschen rebellisch war, „Natürlich haben wir gar keine Chance, ein paar Haare von dir zu kriegen, wenn du nicht mitmachst."

„Jaah", stimmte Fred ihm zu und Tias Blick huschte zu ihm – waren die beiden wahnsinnig geworden? „Fünfzehn von uns gegen einen Typen, der nicht zaubern darf; das können wir gleich vergessen."

„Warum?", fragte Tia ahnungslos und schaute verwirrt zwischen Fred und George hin und her, „Ich allein könnte ihn doch schon festhalten und ein paar Haare ausreißen – dafür braucht es nicht einmal fünfzehn Leute. Warum sollten wir keine Chance haben? Ich... oh... das war Sarkasmus."

George nickte ihr zu und Tia verstand, dass sie einfach wieder einmal keinen Sarkasmus verstanden hatte. Typisch für sie.

„Witzig", sagte Harry und Tia lächelte – wenigstens einer hier im Raum hatte noch Humor, „Wirklich witzig."

„Wenn es nicht anders geht, dann eben mit Gewalt", warnte Moody, „Jeder hier ist volljährig, Potter, und es sind alle bereit, das Risiko auf sich zu nehmen. Jetzt keinen Streit mehr. Die Zeit wird knapp. Ich will ein paar von deinen Haaren, Junge und zwar sofort."

„Aber das ist verrückt, es ist überhaupt nicht nötig –"

„Nicht nötig!", widerholte Moody, „Wo Du-weißt-schon-wer da draußen und das halbe Ministerium auf seiner Seite ist? Potter, wenn wir Glück haben, hat er den falschen Köder geschluckt und plant, dich am Dreißigsten zu überfallen, aber er wäre nicht ganz richtig im Kopf, wenn er nicht ein oder zwei Todesser hätte, die Ausschau halten, das würde ich jedenfalls tun. Sie können an dich und das Haus zwar nicht rankommen, während der Zauber deiner Mutter noch wirkt, aber der schwindet bald, und sie wissen, wo das Haus ungefähr liegt. Unsere einzige Chance ist, Lockvögel zu verwenden. Selbst Du-weißt-schon-wer kann sich nicht in acht Stücke teilen. Also, Potter – ein paar von deinen Haaren, wenn ich bitten darf."

Harry wirkte nicht zufrieden und sah sich um.

„Sofort!", bellte Moody, der keine Geduld mehr hatte.

Harry gab auf und riss sich einige Haare vom Kopf, sah dabei aber überhaupt nicht glücklich aus. Tia fragte sich, was für ein Problem er mit dem Plan hatte – er war doch gut und ein paar Haare dafür zu verlieren war eine Kleinigkeit im Gegensatz zu den Schwierigkeiten, die sie ansonsten bekommen würden.

„Gut", Moody schien wenigstens zufrieden zu sein, „Direkt hier rein, wenn ich bitten darf."

Moody hielt Harry das Fläschchen mit dem Vielsafttrank hin und Harry ließ seine Haare hineinfallen. Sofort war eine Veränderung zu sehen, als sich die schlammfarbene Flüssigkeit eher golden färbte.

„Ooh, Harry, du siehst viel leckerer aus als Crabbe und Goyle", rief Hermine sofort und bekam dafür einige verwirrte Blickte, „Oh, du weißt, was ich meine – der Trank von Goyle sah wie Popel aus."

„Diese Geschichte musste du mir einmal erzählen", verlangte Konstantin grinsend.

„Also dann, alle falschen Potters bitte hier drüben in einer Reihe aufstellen", verlangte Moody.

Ron, Hermine, Fred, George, Fleur und Tia taten, wie geheißen.

„Einer fehlt", bemerkte Remus.

„Hier", es war Hagrid, der Mundungus grob am Kragen hochhob und neben Fleur hinstellte, die überhaupt nicht darüber zufrieden schien und sogar ihren Platz wechselte, um zwischen Fred und Tia zu stehen. Tia nahm sie mit einem Lächeln auf und rückte etwas näher an sie, was Fleur damit beantwortete, dass sie ebenfalls einen Schritt näher an sie heranrückte, sodass sie Schulter an Schulter dastanden.

„Ich hab dir doch gesagt, ich wär lieber 'n Beschützer", beschwerte sich Mundungus und Tia verstand das. Bestimmt war es ehrenvoller, sich nicht als Harry verkleiden zu müssen, aber manchmal brauchte es eben Opfer.

„Klappe", Moody schien es nicht wie Tia zu sehen, „Und wie ich dir schon gesagt habe, du rückgratloser Wurm, wird jeder Todesser, auf den wir stoßen, Potter gefangen nehmen und nicht töten wollen. Dumbledore hat immer behauptet, dass Du-weißt-schon-wer Potter eigenhändig erledigen will. Die Beschützer werden's am schwersten haben, denn die Todesser werden sie umbringen wollen."

Wenn das nicht die Worte eines selbstsicheren Mannes waren. Wenn das so war, dann hatte Tia ja nichts zu fürchten.

Mad-Eye verteilte kleine Gläschen an die Leute, die sich in Potter verwandeln würden und goss immer ein bisschen Vielsafttrank hinein. Tia musterte die Flüssigkeit in ihrem Glas misstrauisch. Sie hatte Vielsafttrank noch nie probiert, aber sie hatte gelesen, dass er ekelerregend war.

„Dann alle zusammen..."

Tia kippte das Getränk hinunter und sofort schmeckte sie, dass die Bücher, die sie gelesen hatte, die Wahrheit geschrieben hatten – es war mehr als nur ekelerregend. Wie konnte man so einen ekelerregenden Trank erfinden?

„Da fehlt Chili", kommentierte sie unzufrieden, aber da bemerkte sie auch schon, dass sie sich veränderte.

Als erstes schoss sie in die Höhe und es war ungewohnt, so groß zu sein, obwohl es nur ein paar Zentimeter hätten sein können.

Dann merkte sie, wie sich ihr Zopf, den sie ordentlich geflochten hatte löste, als sich ihre Haare in ihre Kopfhaut zu ziehen schienen, als sie kürzer wurden.

Das seltsamste war, dass ihre Sinne verschwanden. Die Gerüche der anderen Anwesenden wurde immer schwächer und schwächer, bis sie nichts mehr wahrnehmen konnte und ihre Augen wurden auch schlechter, bis sie alles so verschwommen sah, wie sie normalerweise nur Buchstaben sah.

Außerdem wurde ihr Körper männlicher. Es war ein ungewohntes Gefühl. Sie hatte sich nicht gedacht, dass es sich so anfühlen würde, ein Mann zu sein und jetzt, da sie es erfuhr, war ihr ihr Geschlecht eigentlich schon lieber. Alles fühlte sich so gerade an, denn dort, wo vorher ihre Taille gewesen war, war nun einfach ein gerader Bauch und Tia hatte das Gefühl, als würden weder ihre Arme noch Beine sich wirklich in ihren Körper einfügen – vielleicht gingen Männer deswegen manchmal so breitbeinig.

Fred und George schaute sich an Fleur und Tia vorbei gegenseitig an. „Wow – wir sind absolut gleich!"

„Ich weiß nicht, aber ich glaub, ich seh immer noch besser aus", vermutete Fred, als er in einem Wasserkessel sein Spiegelbild musterte.

„Wir können uns wohl darauf einigen, dass ich noch immer am besten aussehe", widersprach Tia den beiden und die Zwillinge grinsten sie an – George wirkte sogar ein bisschen überrascht.

„Klar doch, Schatz", stimmte George ihr zu, „Immer doch."

„Bitte... nenn sie nicht so, wenn sie wie ich aussieht", bat Harry ihn peinlich berührt.

„Warum denn, Schatz?", fragte George nun aber an Harry gerichtet, „Willst du damit sagen, dass du meine Liebe nicht erwiderst?"

„Bah", maulte Fleur, überhaupt nicht begeistert von ihrer Veränderung, „Bill, sieh misch nischt an – isch bin 'ässlisch."

„Wem seine Klamotten ein wenig zu weit sind – ich hab hier kleinere", bot Moody an, der in den Säcken hauptsächlich Kleidung mit sich herumgeschleppt hatte, „und umgekehrt. Vergesst nicht die Brillen, in der Seitentasche sind sechs Stück. Und wenn ihr angezogen seid, findet ihr in dem anderen Sack Reisegepäck."

Tia, deren Kleider nicht nur weiblich waren, sondern auch noch etwas zu klein begann sich umzuziehen und bemerkte, dass ihr ihr alter Körper eigentlich schon lieber war.

„Mh", machte sie verwirrt, „Es ist seltsam, keine Brüste mehr zu haben. Plötzlich fällt mir auf, wie schwer die eigentlich sind."

„Tia, glaub mir, es ist es wert", George grinste sie an und Tia merkte, wie sie ein bisschen rot wurde, aber sie grinste zurück.

Remus räusperte sich unzufrieden und George warf Remus einen erschrockenen Blick zu, bevor ihm wohl aufging, dass nicht einmal Remus wirklich erkennen konnte, wer er war.

„Was ist, Remus?", fragte George ihn mit einem schlechten, französischen Akzent, um wie Fleur zu klingen, „Isch gebe Tia nur einen Rat."

„Halte dir diese Räte auf, wenn ich nicht in der Nähe bin", warnte Remus, der George niemals den falschen Akzent abkaufte.

„Wie kommst du ohne einen guten Geruchssinn aus?", fragte Tia an den echten Harry gerichtet, „Ich rieche absolut gar nichts."

„Ich glaube, ich werde es überleben", murmelte Harry, aber Tia bezweifelte, dass sie es ohne ihre verbesserten Sinne schaffen würde. Immerhin waren ihre Sinne sozusagen ihre einzige Verteidigung gegen Zauber, da sie sich selbst nicht mit Zauber wehren konnte.

„Wusste ich's doch, dass Ginny das mit der Tätowierung erfunden hat", freute sich Ron, als er auf Harrys nackte Brust hinuntersah.

„Harry, deine Augen sind wirklich erbärmlich schlecht", stellte Hermine fest, als sie ihre Brille aufsetzte.

„Besitzt du eigentlich überhaupt Muskeln?", fragte Fred und spannte seine Oberarme an, nur um enttäuscht zu werden.

„Ich darf dich daran erinnern, dass ich dich im Armdrücken besiege", erinnerte Tia ihn.

Als alle angezogen waren, wünschte Tia sich, sie würde noch immer ihren Geruchssinn haben. Bestimmt würden die jeweiligen Potters noch immer wie ihre alten Persönlichkeiten riechen, aber stattdessen roch Tia gar nichts.

„Gut", freute sich Moody, „Die Paare sehen folgendermaßen aus: Mundungus wird mit mir fliegen, auf dem Besen –"

„Warum bin ich bei dir?", fragte Mundungus – jedenfalls dachte Tia, dass es Mundungus war. Er stand der Tür am nächsten und fühlte sich von Moody angesprochen.

„Weil du derjenige bist, auf den man aufpassen muss", knurrte Moody, „Arthur und Fred –"

„Ich bin George", widersprach der Zwilling sofort aber Tia wusste, dass er Fred sein musste, da George neben ihr stand, „Kannst du uns nicht mal auseinanderhalten, wenn wir Harry sind?"

„Sorry, George –"

„Ich führ dich nur am Zauberstab herum, in Wirklichkeit bin ich Fred –"

„Genug mit dem Blödsinn", schimpfte Moody, „Der andere – George, oder Fred oder wer du auch bist –" Moody deutete direkt auf Tia.

„Ich bin Tia..."

Moody war einen Moment lang still und Tia befürchtete, dass sie ihn jetzt endgültig kaputt gemacht hatten.

„Ich bin George", meldete sich George neben Tia hilfsbereit, aber er schmunzelte amüsiert.

„Gut", knurrte Moody, „du gehst mit Remus."

„Klar...", meinte George und Tia meinte, dass er nicht wirklich begeistert davon klang, aber von ihrem Vater ging eigentlich keine Gefahr aus... außer man verärgerte ihn natürlich... so wie es George nur wenige Minuten zuvor getan hatte...

„Miss Delacour –", fuhr Moody fort, wurde aber von Bill unterbrochen.

„Ich nehme Fleur auf einem Thestral mit", bestimmte Bill, „Sie ist von Besen nicht so begeistert."

Fleur ging sofort an seine Seite.

„Miss Fuego mit Gregorovich auf dem Besen", sprach Moody weiter und Tia warf Konstantin einen unsicheren Blick zu und er lächelte sie aufmunternd an, „Und Miss Granger mit Kingsley auf einem Thestral –"

„Dann bleiben du und ich übrig, Ron!", rief Tonks fröhlich und stieß aus Versehen einen Becherbaum um, als sie ihm zuwinkte, aber Konstantin konnte die Zierpflanze noch retten.

„Un' du kommst mit mir, Harry. Is' das in Ordnung?", fragte Hagrid leicht besorgt, „Wir nehmen das Motorrad, bin zu schwer für Besen und Thestrale, verstehste. Gibt aber nich viel Platz auf'm Sitz mit mir, deshalb bist du im Beiwagen."

„Das ist Prima", nickte Harry. Bestimmt war alles gut für Harry, immerhin durfte er auf dem coolen Motorrad fahren. Tia würde nur auf dem Besen fliegen, was für sie schon eine ziemliche Herausforderung war.

Sie war das letzte Mal in ihrem ersten Jahr in Hogwarts auf einem Besen gewesen und damals war sie zwar nicht schlecht im Fliegen gewesen, aber sie hatte absolut keine Übung darin und hoffte, das würde ihr nicht zum Verhängnis werden.

„Wir glauben, dass die Todesser davon ausgehen, dass du auf einem Besen fliegst", erklärte Moody an Harry gerichtet, „Snape hatte genug Zeit, denen alles über dich zu erzählen, was er vorher noch nicht erwähnt hat; wenn wir also auf Todesser stoßen, werden sie sich hundertprozentig einen von den Potters vorknöpfen, die so aussehen, als wären sie auf einem Besen zu Hause."

Dann war es ja doch gut, dass Tia keine Übung mehr hatte. Zu Hause war sie auf einem Besen ganz sicher nicht.

„Also dann", Moody packte wieder alles zusammen und ging voraus zur Tür, „ich schätze, in drei Minuten sollten wir loslegen. Lohnt nicht, die Hintertür abzuschließen, das hält die Todesser nicht draußen, wenn sie nachsehen kommen... Auf jetzt..."

Konstantin folgte Moody gleich, bis Tia aufging, dass sie ihm vielleicht erzählen sollte, dass sie nicht die beste Fliegerin war. Schnell kämpfte sie sich nach vorne zu Konstantin.

„Hey! Kon!", sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte, „Ich... ich sollte dir noch etwas sagen..."

„Immer doch", grinste Konstantin, „Ich hoffe, jetzt offenbarst du mir nicht eine Information, die uns in Schwierigkeiten bringen könnte..."

Tia stockte. Waren das Informationen, die sie alle in Schwierigkeiten bringen würden? Wahrscheinlich nicht – es waren wieder einmal nur Tias irrationalen Sorgen.

„Ich... ich bin nur schon seit Jahren auf keinem Besen mehr gewesen", gestand Tia schüchtern und vermied es, Konstantin anzusehen.

„Bist du damals so schlecht gewesen, wie Liza?", fragte Konstantin. Tia hatte Liza noch nie fliegen gesehen, aber wenn es für Konstantin schon eine Angabe war, ob man schlecht im Fliegen war oder nicht, dann war sie wohl wirklich schlecht. Tia hatte sich bei ihrer ersten Flugstunde wenigstens auf dem Besen halten können und war sogar die eine oder andere Looping geflogen, aber sie war eben nicht so gut, wie Katie. Unsicher schüttelte Tia den Kopf.

„Siehst du?", Konstantin lächelte sie aufmunternd an, „Du wirst schon wieder ins Fliegen hineinkommen. Das verlernt man nicht – das ist wie Radfahren. Außerdem bin ich auf dem Besen sicher genug unterwegs für beide von uns. Mach dir keine Sorgen und konzentrier dich darauf, dass wir am Leben bleiben."

Konstantin musste das wissen, immerhin hatte er selbst lange in Hogwarts Quidditch gespielt. Wenn er das sagte, dass war das auch so und Tia lächelte erleichtert.

„Das schaffe ich", versprach Tia und deutete auf ihren Rucksack, in dem sie ihre Tränke verpackt hatte, die sie schon seit Ewigkeiten braute und sammelte, „Ich habe ein paar Sachen vorbereitet, sollten wir angegriffen werden."

„Kluges Mädchen", lobte Konstantin sie und Tia spürte, dass sie stolz auf sich selbst war, „Man sollte immer mit einem Angriff rechnen. So überlebt man länger. Auf!"

Konstantin ließ seinen Besen in seine Hand springen und positionierte sich vorne. Tia setzte sich hinter ihm auf den Besen und schlang ihre Arme um seine Taille. Es war ungewohnt, auf einem Besen zu sitzen, aber Tia fühlte sich sicher. Wenn Konstantin sagte, dass alles gut werden würde, dann war das vermutlich auch so. Immerhin war Konstantin klug und auch talentiert.

„Unser Ziel ist meine Wohnung", wisperte Konstantin Tia zu, „Sie ist nicht allzu weit entfernt. Wahrscheinlich ist sie eigentlich das nächste Ziel, das jeder von uns erreichen könnte. Deine Aufgabe ist es nur, auf dem Besen zu bleiben und zu überleben. Sei gefälligst selbstsüchtig und sorge dich nur um dich, okay?"

„Und was ist mit dir?", fragte Tia verwirrt. Wie konnte sie Konstantin sterben lassen, während sie selbst überlebte?

„Ich komme schon zurecht", versprach Konstantin, „Aber versprich mir, dass du selbst deine eigene Priorität wirst."

„Ich werde es versuchen, aber bisher habe ich mich darin noch nie sonderlich begabt gezeigt", gestand Tia, als sie sich daran erinnerte, dass sie schon häufiger in Schwierigkeiten mit Todesser gekommen war, weil sie versucht hatte, andere zu beschützen.

„Einen Versuch ist es wert", murmelte Konstantin kaum hörbar. Mit ihrem alten Gehör hätte Tia es ganz genau gehört, aber so fühlte sie sich, als hätte sie Ohrschützer über ihren Ohren.

„Hey, Tia", Fred und George waren zu ihnen gekommen und Fred grinste sie an, „Vielleicht einen Abschiedskuss?"

„Wenn du das wirklich willst, Fred?" Tia war verwirrt – warum wollte Fred einen Abschiedskuss von ihr? Vielleicht vermisste er ja Agnes, aber das war trotzdem kein Grund.

„Du kannst uns noch immer auseinanderhalten", bemerkte George überrascht und Tia verstand, dass die beiden wohl versucht hatten, sie hinters Licht zu führen, aber aus Gründen, die Tia sich selbst nicht erklären konnte, konnte sie die beiden immer noch auseinander halten.

„Passt auf euch auf", bat Tia die beiden lächelnd.

„Klar doch", winkte Fred ab.

„Das können wir nur zurückgeben", bat George sie mit einem besorgten Blick. Er beugte sich hinunter und küsste Tia schnell, obwohl sie wie Harry aussah. Tia fand es nicht seltsam, dass George in Harrys Form sie küsste, immerhin wusste sie, dass es George war.

„Üah!", rief Ron angeekelt, „Bitte, George – küss Tia nicht, wenn sie wie Harry aussieht!"

„Weckt das deine inneren Fantasien?", fragte George seinen jüngeren Bruder amüsiert und küsste Tia noch einmal, bevor er sie zu ihr beugte und flüsterte: „Es ist wirklich ein bisschen seltsam, Harry zu küssen. Du bist mir lieber."

„Dann wirst du wohl warten müssen, bis ich wieder normal aussehe, oder?", fragte Tia und lächelte.

Fred und George gingen zu Remus und Arthur, um sich ebenfalls in Position zu bringen und George wirkte eher etwas verunsichert, als er die Arme um Remus Oberkörper legen musste, aber es war wohl besser, als in den Tod zu stürzen.

Na dann – alles klar!", rief Moody, „Bereitmachen bitte; ich will, dass wir alle genau zur selben Zeit abfliegen, damit der ganze Clou von dem Ablenkungsmanöver nicht verloren geht."

Tia krallte sich an Konstantin fest, jetzt doch ein bisschen nervös. Sie hoffte nur, dass sie nicht schon beim Start vom Besen rutschen würde und sich so selbst blamieren würde.

Hagrids Motorrad brüllte auf, als er startete und alle saßen auf ihren Besen oder den Thestralen.

„Viel Glück, allesamt!", schrie Moody laut, „Wir sehen uns in etwa einer Stunde im Fuchsbau. Ich zähle bis drei. Eins... zwei... DREI!"

Konstantin hob ab und Tia krallte sich für einen Moment noch fester an ihn fest, bevor sie sich ein bisschen entspannte.

Sie starteten, wie es geplant war, aber Tia wusste, es war etwas faul.

Natürlich konnten sie nicht einfach so Harry zum Fuchsbau bringen – natürlich musste etwas passieren. Es wäre wohl eher seltsam gewesen, wenn nichts passiert wäre.

Aber Tia hatte nicht erwartet, dass ein grüner Lichtblitz direkt auf sie zurasen würde.

Ohne viel nachzudenken warf sich Tia über Konstantin und packte den Besenstil, sodass Konstantin die Kontrolle verlor und sie sich in einer Rolle drehten, aber das rettete Konstantin das Leben, denn nur knapp über ihm zischte der Fluch an ihnen vorbei.

Konstantin fluchte, als er den Besen wieder gerade zog. Irgendetwas war schief gelaufen – damit hatte niemand gerechnet. Sie hatten erwartet, dass allerhöchstens ein paar Todesser in der Nähe sein würden, aber es stellten sich bestimmt über dreißig den Ordensleuten in den Weg.

„Halt dich gut fest!", schrie Konstantin, als er noch einem Lichtblitz auswich und einen anderen in die Richtung zurückschickte, aus der er gekommen war.

„Ich halt mich doch schon die ganze Zeit fest", schrie Tia zurück.

„Wir nehmen einen kleinen Umweg!", warnte Konstantin, als er im großen Bogen von den anderen Freunden auf den Besen und Thestralen und auch von Harry und Hagrid auf dem Motorrad weg bog. Tia warf noch einen letzten Blick zurück, nur um einem roten Blitz auszuweichen, der auf sie gezielt gewesen war und sie am Kopf getroffen hätte.

„Das ist okay, solange wir überleben", antwortete Tia ihm und Konstantin lachte auf.

Konstantin lenkte den Besen weg von der ersten Angriffsfläche, aber damit hatten die Todesser wohl schon gerechnet, denn fünf von ihnen folgten ihnen.

„Das ist ungünstig", kommentierte Tia tonlos die Lage, als sie zurückblickte.

„Ich hätte die Situation nicht besser beschreiben können", stimmte Konstantin ihr locker zu, „Du hast doch gesagt, du hättest ein paar Geschenke für diesen Anlass mitgenommen?"

„Dafür müssten wir erst einmal in Wurfnähe kommen", gestand Tia, „Ich habe Tränke und Phiolen, aber ich weiß nicht, wie weit Harrys Körper werfen kann."

„Ich bin mir sicher, Harry kann exzellent werfen", bestimmte Konstantin, „Hoffen wir es jedenfalls... sonst sind wir beide tot."

„Das wäre ungünstig", wiederholte Tia.

„Das wäre mehr als nur ungünstig – Remus würde meine Seele suchen, mich wiederbeleben, nur um mich dann noch einmal umzubringen", vermutete Konstantin, „Hast du Lust, etwas wirklich Wahnsinniges zu machen?"

Ein grüner Lichtblitz schoss nur haarscharf an Tia vorbei und sie fluchte auf Spanisch. „Ich habe gedacht, sie wollten Harry nicht umbringen... ziehen wir es durch. Je wahnsinniger, desto besser."

„Das wollte ich von dir hören", grinste Konstantin, „Dann übernehmen wir einmal die Überhand."

„Flieg du einfach weiter und konzentrier dich aufs Fliegen", bat Tia Konstantin und legte den Rucksack so an, dass er auf ihrem Bauch geschnallt war und sie effektiver Tränke herausholen konnte. Ich warne dich, wenn ein Zauber dich treffen könnte."

„Dann vertraue ich dir einfach einmal", murmelte Konstantin, „Aber fall du nicht vom Besen!"

„Mach ich nicht", versprach Tia, aber wahrscheinlich wäre ihr Versprechen glaubwürdiger gewesen, wenn sie in diesem Moment nicht versucht hätte, vorsichtig auf dem schmalen Besenstil aufzustehen und darauf wie auf einem sehr tödlichen, sehr schnellen Seil zu balancieren. Tia dachte in diesem Moment eigentlich nicht daran, dass sie eigentlich nicht wirklich gut balancieren konnte, sondern tat es einfach. Es war ein wackliger Akt, aber sie schaffte es irgendwie – vermutlich das Adrenalin in ihrem Blut und das Wissen, dass sie jeden Moment sterben könnten. In der einen Hand hielt sie ihren Zauberstab, aber in der anderen war ein Trank schon vorbereitet.

„Du bist wahnsinnig, Mädchen!", bemerkte Konstantin.

Ein Zauber schoss auf sie zu, aber es war kein Todesfluch, das wusste Tia, also hob sie ihren Zauberstab und sprach einen der wenigen Zauber, die Tia wirklich konnte. „Protego", schrie sie und dachte daran, wie sie diesen Zauber stundenlang mit Remus geübt hatte, bis sie ihn gemeistert hatte. Heute würde er ihr wohl das Leben retten.

Der Zauber wurde von ihrem Schild abgewehrt.

„Ich weiß", gestand Tia, „Vielleicht habe ich deswegen so lange überlebt."

Sie stand so vor Konstantin, dass sie ihn mit ihrem Körper abschirmte und wahrscheinlich trauten sich die Todesser nicht wirklich Todesflüche zu sprechen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es auch ihnen genug werden würde.

Plötzlich bemerkte Tia im Augenwinkel doch einen grünen Strahl, der direkt auf sie zuraste. Sie könnte ausweichen, aber dann würde er Konstantin treffen. Ihm die Lage zu erklären, würde zu lange dauern.

Mierda!", fluchte Tia laut und Konstantin wollte gerade zurücksehen, um zu wissen, was vor sich ging, als Tia sich einfach fallenließ und erst im letzten Augenblick den Besenstil zu greifen bekam, bevor sie in ihren Tod gestürzt wäre, aber das riss den gesamten Besen nach unten und sie sackten ein paar Meter ab, aber das war gut so, denn ein Zauber raste direkt über sie hinweg. Tias Herz raste – dieser Schritt war wirklich unüberlegt gewesen und sie war selten dem Tod so nahe gewesen.

Konstantin fluchte, aber er lachte auch wie ein Wahnsinniger, während Tia sich wieder aus eigener Kraft auf den Besen zog.

Tia nahm wieder ihre alte Stellung als Schutzschild über Konstantin ein.

Tia sah zurück – die fünf Todesser folgten ihnen noch immer, aber plötzlich war da noch einer. Ein neuer Todesser, aber Tia erkannte trotz ihrer schlechteren Sicht, dass es nicht nur irgendein Todesser war. Tia fluchte auf spanisch.

„Was ist jetzt schon wieder?", fragte er, ohne zurück zu blicken, „Werden wir schon wieder umgebracht?"

„Es könnte eventuell sein, dass Voldemort selbst uns gerade verfolgt", überlegte Tia, ohne ihren Blick an Konstantin zu wenden.

Kurz war Konstantin still. Dann fluchte auch er und beschleunigte.

„Was machst du denn?", fragte Tia verwirrt, „Warum wirst du schneller?"

„Voldemort wird keine Gnade dir gegenüber zeigen und man kann Todesflüche nicht mit Schildzauber abwehren", erinnerte Konstantin sie, „Ich habe Remus versprochen, dass ich dich sicher da raushole. Es ist nicht mehr weit bis zu meiner Wohnung – vielleicht noch zehn Minuten."

„Alles Gründe, warum du jetzt sofort abbremsen solltest, damit ich Tränke werfen kann", schrie Tia zurück, „Mit Zauber bin ich hilflos, aber wenn ich meine Tränke einsetzen kann... das werden sie nicht erwarten."

„Du bist wahnsinnig!", schrie Konstantin und sah Tia zweifelnd an.

„Ja?", meinte Tia vollkommen entspannt, „Ich dachte, das hätten wir schon geklärt?"

Und Konstantin bremste. Konstantin schoss einen Zauber gegen einen Todesser, traf auch und Tia sah, dass der Todesser wohl in seinen Tod fiel, als er vom Besen rutschte. Tia fand das schade – aber nur ein kleines bisschen... eigentlich gar nicht.

Die anderen Todesser schienen für einen Moment so verwirrt zu sein, dass sie langsamer geworden waren, dass sie nicht wussten, was sie tun sollten.

Tia sah Voldemort direkt an. Er sah zu ihr und sein Blick war nachdenklich und unsicher – tatsächlich unsicher. Wahrscheinlich fragte er sich, ob das auf dem Besen der echte Harry war. Tia fragte sich, ob Harry wohl auch auf einem Besen gesurft hätte, aber vermutlich schon, immerhin tat er das bei ziemlich vielen Quidditch-Spielen... oder... hatte es getan.

Voldemort war in Schussweite. Sie wusste, sie könnte ihn erwischen. In ihrer Hand war ein tödlicher Trank. Er würde ätzen, bis man ihn mit einem Zauber aufhielt. Das war nicht schwer, aber in einer Paniksituation dachte man vielleicht nicht immer sofort an einfache Zauber. Voldemort würde vielleicht schon daran denken, aber wenn nicht, dann war das Tias Chance, Voldemort einfach umzubringen. Einfach so. Das klang zu gut, um wahr zu sein.

Der Nachteil war, dass, sollte Voldemort ausweichen und sie ihn verfehlen, würde das Fläschchen hinunterfallen und vielleicht auf einen hilflosen, unschuldigen Muggel.

„Es wird vermutlich Kollateralschaden entstehen", warnte Tia Konstantin tonlos, „Dieser Trank hier ist ätzend bei Körperkontakt."

„Wenn du verfehlst, dann könnte es sein, dass du unter dir Zivilisten triffst", erkannte Konstantin sofort.

„Wenn ich treffe, wird der Dunkle Lord bald nackt vor uns stehen und vielleicht können wir ihn dabei beobachten, wie er langsam zerrinnt", zeigte Tia auf.

„Dann hör auf das, was ich dir davor gesagt habe – sei selbstsüchtig."

„Klar", Tia lächelte unschuldig, während sie den gefährlichen Trank in ihrer Hand auf und ab warf, „Noch ein bisschen langsamer."

Tia wartete auf den geeigneten Moment. Er musste nur noch ein bisschen näherkommen.

Tia konnte Voldemorts Gesicht schon ganz genau sehen. Sie konnte in seine Augen sehen und er blickte zurück mit einem Hass, der Tia eigentlich fremd war.

Voldemort hob seinen Zauberstab, aber Tia blieb vollkommen ruhig und in diesem Moment erkannte Voldemort wohl, dass das vor ihm nicht Harry Potter war und zögerte einen Moment. Einen Moment, der Tia wohl das Leben rettete, denn Konstantin flog nun so nah an Voldemort, dass sie ausholte. Der Trank in ihrer Hand war schwer, aber sie warf ihn präzise mit aller Kraft, die sie hatte.

Sie sah dabei zu, wie das Fläschchen auf Voldemort zuflog und er war wohl für diesen Moment zu überrascht, um auszuweichen.

Als Tia hörte, wie Glas zersprang und selbst im Dunklen dabei zusehen konnte, wie sich der Trank auf den Gewändern des Dunklen Lords verteilen, konnte sie nicht anders, als vor Begeisterung aufzuschreien.

„Ich habe nicht erwartet, dass es funktioniert", gab sie zu.

„Oh du meine Güte", keuchte Konstantin, „Werden die Gewänder von Voldemort jetzt wirklich von dem Gift verätzt?"

Voldemort war schnell aus ihren Blicken verschwunden und in der Dunkelheit verschlungen, aber Tia wusste insgeheim, dass sie ihn niemals umgebracht hatte, sondern ihn nur noch wütender gemacht hatte. Warum hatte sie ein Talent dafür, die mächtigsten unter den Bösen zu verärgern?

Wenigstens waren die anderen Todesser bei ihrem Meister geblieben, aber wie lange?

Konstantin seufzte. „Schade. Diese Blamage hätte ich gerne gesehen."

„Sind wir bald da?", fragte Tia nervös. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Voldemort die Todesser zurückschicken würde mit dem Auftrag zu töten.

„Gleich da vorne", versprach Konstantin, „Achtung – wir treten durch den Schild ein!"

Langsam bremste Konstantin und landete auf einem der Dächer der Hochhäuser, in denen mehrere Wohnungen untergebracht waren. Als Tia vom Besen stieg, bemerkte sie, dass ihre Knie zitterten.

„Meine Hände zittern", bemerkte Tia verwirrt und blickte auf ihre Hände, die tatsächlich ein bisschen zitterten.

„Das ist ganz normal, nachdem man aus einem Kampf herauskommt", winkte Konstantin ab, „Du hast dich gut geschlagen, Kleine."

„Ich bin größer, als du", bemerkte Tia, die sogar größer war, wenn sie nicht wie Harry aussah.

Konstantin antwortete ihr nicht, sondern sah auf seine Uhr und rümpfte die Nase. „Wir sind zu spät", bemerkte er unzufrieden, „Ich hasse es, zu spät zu kommen, wenn ich es nicht plane."

„Ist das schlimm?", fragte Tia nervös, vielleicht würden sie so erstmal nicht wegkommen, aber Konstantin schüttelte den Kopf.

„Das bedeutet nur, dass Liza und Charlie vermutlich schon krank vor Sorge sind. Gehen wir."

Konstantin führte Tia durch eine Tür ins Haus und sie stiegen wenige Treppen hinunter, bis sie bei der Tür ankamen, die in Konstantins Wohnung führte.

Konstantin klopfte – drei Mal schnell, einmal langsam und mit etwas Abstand noch einmal langsam.

Die Tür wurde aufgerissen und dort stand tatsächlich Liza und sie sah erleichtert aus, ihren Bruder zu sehen.

„Konnie!", rief sie und warf ihre Arme um ihn, bevor sie ihn wieder losließ und streng ansah, „Ihr seid zu spät. Habt ihr auf dem Weg schon einen Tee getrunken?"

„Der Plan ist nicht aufgegangen", erklärte Konstantin so entspannt, als würde er Liza von seinem Arbeitstag erzählen, „Wir sind wohl erwartet worden. Es hat ein paar Komplikationen gegeben."

„Ihr hättet schon vor einer halben Stunde hier sein sollen", bemerkte Charlie, der hinter Liza aufgetaucht war, als sie die beiden in die Wohnung ließ und hinter ihnen gleich die Tür versperrte. Tia war verwirrt. Sie waren eine halbe Stunde zu spät? Tia war es gar nicht so lang vorgekommen.

Charlie hatte seinen Zauberstab in der Hand und richtete ihn auf Konstantin. „Was ist an dem Tag passiert, an dem du zum ersten Mal nach Hogwarts reisen wolltest?"

„Ich bin gegen die falsche Wand gelaufen und habe mir einen Zahn ausgeschlagen. Deine Mom hat mich geheilt und so habe ich auch Bill kennengelernt." Das hatte Tia nicht gewusst. Bestimmt war das Konstantin peinlich.

Zu Tias Überraschung ließ Charlie den Zauberstab aber noch nicht sinken.

„Ich habe das alles natürlich geplant gehabt, damit ich mit Bill befreundet sein kann – ich renne doch nicht einfach so gegen die falsche Wand", fügte Konstantin überheblich hinzu und Charlie ließ den Zauberstab sinken.

„Tia?", Liza richtete ihren Zauberstab auf das Mädchen, „Wie heißt George mit zweiten Namen?"

„Das ist unfair", beschwerte Charlie sich, „Woher sollte sie den wissen? Weiß ich überhaupt deinen Mittelnamen, Liza?"

„Er heißt George Fabian Weasley", antwortete Tia unbeeindruckt, „Er hat mir sein ZAG-Zeugnis gezeigt."

„Du kennst wirklich meinen Mittelnamen nicht?", fragte Liza verwirrt an Charlie gerichtet, als sie ihren Zauberstab sinken lassen konnte.

„Hast du einen Mittelnamen?", fragte Charlie verunsichert.

„Du willst mich heiraten, kennst aber meinen Mittelnamen nicht?"

„Woher soll ich deinen Mittelnamen kennen, du hast ihn mir nie gesagt!"

„Das ist etwas, das man irgendwann einfach so herausfindet und dann lacht man gemeinsam darüber!"

„Kann man über deinen Mittelnamen lachen?"

„Oh ja", mischte sich Konstantin in die Unterhaltung ein, „Darüber kann man wirklich lachen!"

„Halt die Klappe, Sibirio!"

„Sibirio?", Charlie blickte belustigt zu Konstantin, „Dein Mittelname ist Sibirio?"

„Besser, als Lizas Name", maulte Konstantin.

„Nichts ist schlimmer, als Sibirio", widersprach Liza grinsend.

„Mein fünfter Name istPeloma– nichts ist schlimmer, als das", meinte Tia tonlos.

Kurz wurde es still... nein, dagegen konnte niemand etwas sagen.

„Also...", begann Charlie wieder unsicher, „Wie ist dein Mittelname?"

„Florida", gab Liza zu und Charlie lachte laut auf, aber er verstummte wieder, als er bemerkte, dass er der einzige war, der lachte.

„Unsere Eltern haben gedacht, es wäre besonders witzig, wenn sie uns nach ihren Ursprungsländern benennen – Moms Familie kommt aus Sibirien und Dad ist leidenschaftlicher Bewohner von Florida – schon immer gewesen."

„Das ist wirklich... lächerlich", bemerkte Charlie, „Gut, dass wir das besprochen haben."

„Und es wird nie wieder ausgesprochen", verlangte Liza ernst, „Wir sollten gehen, bevor Molly die Tür noch einrammt."

„Oh... stimmt", Konstantin lachte auf, „Wir sollten uns ja im Fuchsbau treffen."

„Apparieren wir?", fragte Tia.

„Wir müssen es nur sicher über die Sicherheitslinie schaffen", erklärte Charlie, „Den Portschlüssel haben wir verpasst."

„Riskant", bemerkte Konstantin nachdenklich, „Das letzte Mal, als wir Todesser gesehen haben, ist Voldemort selbst unter ihnen gewesen..."

Es wurde leise. „Was?", fragte Liza und sie klang sehr müde.

„Voldemort", widerholte Konstantin heiter, „Es hat mich selbst überrascht, aber ich glaube, nachdem ich ein hervorragender Auror bin und Tia wie eine Wahnsinnige auf dem Besen balanciert hat, als wäre sie auf einem Besen zu Hause, ist er wohl davon ausgegangen, dass sie der echte Harry ist."

„Ich glaube, er ist nicht mehr hinter uns her gewesen, nachdem ich den Trank auf ihn geworfen habe", vermutete Tia und alle sahen sie verwundert an.

„Warum nicht?", fragte schließlich Konstantin.

„Harry ist nie wirklich außerordentlich in Zaubertränke gewesen", erklärte Tia, „Und ich habe einen Trank auf Voldemort geworfen, der vielleicht sogar für Snape als schwer bezeichnet werden könnte."

„Klingt logisch", meinte Liza, „Wir sollten trotzdem aufpassen."

Zu viert verließen sie die Wohnung und Konstantin schloss hinter sich ab. Sie stiegen bis ins Erdgeschoss hinab und als sie dabei waren, endgültig das Haus zu verlassen, holten sie alle scheinbar zugleich noch einmal tief Luft.

Die Zauberstäbe fest in der Hand war es Konstantin, der die Tür aufdrückte und sich zuerst einmal vorsichtig umsah, bevor er nickte und mit Handzeichen die anderen hinausscheuchte.

Aber niemand war mehr da. Nach dem Chaos, vor dem Konstantin und Tia weggeflogen waren, war nichts mehr zu sehen oder zu hören und sie rannten leise durch die Straßen.

„Wartet!", zischte Tia, als sie hörte, dass jemand auf einem Besen näherkam und sie versteckten sich im Schatten eines Gebäudes, als sie direkt hinter der Schutzlinie einen Todesser auf einem Besen vorbeiziehen sahen.

Als er weg war, sprinteten sie die letzten Meter. Tia hörte, dass sie wieder entdeckt worden waren, aber jetzt war es zu spät zum Umdrehen. Ihr Zauberstab war fest in ihrer Hand und sie rannte los.

Wenn sie schnell genug waren, wären die Todesser noch überrascht. Tia dachte an Konstantins Worte, dass sie selbstsüchtig sein sollte.

Also dachte sie ganz fest an den Fuchsbau und rannte. Sie wusste, dass sie über der Schutzlinie war – irgendwie wusste sie es einfach.

Sie drehte sich, aber sie vollführte nicht einmal eine vollständige Drehung, als sie schon wieder spürte, dass sie apparierte und sie fühlte sich wieder sicher.

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