130. Kapitel
Tia schreckte auf, noch bevor Ginny die Chance hatte, sie zu wecken.
Die UTZ waren vorbei und Tia hatte das Gefühl, dass sie schrecklich in jedem einzelnen Fach gewesen war, aber es war ihr seltsamerweise einfach egal.
Aber trotzdem waren die Prüfungen anstrengend gewesen und sie hatte sich früher ins Bett gelegt, als sie es sonst getan hätte, als Ginny hoch in den Schlafsaal gekommen war, um sie zu wecken.
„Tia", sagte Ginny und sie sah nervös aus, „Wir brauchen dich."
„Was ist los?", Tia rieb sich den Schlaf aus den Augen, „Was ist passiert?"
„Noch nichts", versprach Ginny, „Aber wir rufen die alten Mitglieder von der DA zusammen. Vielleicht wird etwas passieren."
„Das ist verwirrend", meinte Tia verschlafen und streckte sich, „Warum redest du nicht klar?"
„Harry und Dumbledore haben soeben das Schloss verlassen, aber Harry denkt, dass heute Nacht ein Angriff stattfinden könnte", erklärte Ginny schnell, „Hermine und Ron können dir mehr sagen, aber jetzt sollten wir uns beeilen."
„Das klingt dringend genug", Tia setzte sich auf und sah sich um, „Wo sind Leanne und Katie."
„Schon unterwegs", erklärte Ginny, „Komm jetzt."
Noch etwas verschlafen richtete Tia sich auf, aber als sie realisierte, wie ernst die Lage sein musste, wenn sogar sie geweckt wurde, bemühte sie sich, etwas schnell wach zu werden und rieb sich den Schlaf aus den Augen, bevor sie schnell aus dem Bett aufstand und sich umzog. Sie bemühte sich nicht einmal, ihre Haare zu flechten und bei ihrer Eile waren ihre Zöpfe aufgegangen, aber auch mit offenen Haaren konnte man sehr gut kämpfen, wenn es sein musste.
Die schnappte sich ihren Zauberstab und im letzten Moment, bevor sie den Schlafsaal verließ, nahm sie noch den Rucksack mit, den sie zu Weihnachten von Agnes geschenkt bekommen hatte. Tia hatte ihn in der Zwischenzeit mit allerlei Tränken gefüllt und sie war bereit, diese auch zu benutzen, wenn es sein musste.
Ginny wartete unten im Gemeinschaftsraum und wirkte erleichtert, als sie Tia endlich kommen sah und zusammen eilten sie in den siebten Stock und zum Raum der Wünschte, wie Tia erkannte.
Dort warteten Katie und Leanne auch nicht allein, sondern Neville und Ron waren ebenfalls dabei.
Katie und Leanne wirkten beide ebenfalls noch etwas verschlafen und Tia bemerkte, dass Leanne mit ihren zerzausten Haaren zwar unordentlicher wirkte, als man sie normalerweise antraf, aber der Blick in ihren Augen besagte, dass sie bereit war, zu kämpfen.
„Was ist der Plan?", fragte Ginny und blickte zur Wand, wo damals, als die DA noch aktiv gewesen war immer eine Tür aufgetaucht war, die zum Raum der Wünsche geführt hatte, „Ist er da drin?"
„Ja", beantwortete Ron die Frage düster, „Jedenfalls kommen wir nicht hinein. Er muss da innen sein."
„Also warten wir, bis diese kleine Made wieder auftaucht", beschloss Katie verbissen, „Und knöpfen ihn uns vor, wenn es soweit ist. Mit diesem Slytherin habe ich noch ein Wörtchen zu reden."
„Ist sonst niemand hier?", fragte Tia und schaute sich um. Es waren vermutlich mehr Leute gekommen, als zu erwarten gewesen war, aber doch nicht so viele, wie Tia selbst erwartet hatte, wenn Harry um Hilfe bat.
„Hermine und Luna sind vor Snapes Büro", erzählte Ron weiter, „Harry hat uns geraten, auch auf ihn ein Auge zu haben."
„Wenn es wirklich zu einem Kampf kommt, dann wundert euch nicht, wenn Snape aus Versehen von einem Zauber getroffen wird", warnte Leanne schlecht gelaunt, „Egal, auf welcher Seite er kämpfen wird, ich werde ihn mit Freuden ausschalten."
„Wir sollten trotzdem zuerst sicherstellen, dass er nicht doch auf unserer Seite ist", schlug Tia heiter vor, „Snape ist ein ausgezeichneter Zauberer – seine Hilfe könnten wir gut gebrauchen."
„Mir ist es wirklich egal, was Snape denkt oder wem seine Loyalität zusteht", zischte Leanne, „Dieser Möchtegern-Professor ist mir lange genug auf die Nerven gegangen."
Tia wusste zwar nicht, wie ernst Leanne das alles meinte, aber andererseits glaubte sie nicht wirklich, dass es zu einem Kampf kommen würde. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass genau in dieser Nacht die Todesser versuchen würden, ins Schloss einzudringen? Sie hatten das ganze Jahr dafür Zeit gehabt – warum genau jetzt?
Tia befürchtete, dass ihr so einige Informationen fehlten, aber die Informationen, die sie hatte, waren eigentlich genug. Immerhin konnte sie damit ihre Anweisungen befolgen – sollte etwas passieren, waren sie bereit.
Und so warteten sie und mit jeder Minute, die verstrich, schien auch eine gewisse Unruhe unter der kleinen Gruppe zu wachsen. Das Adrenalin, das sich aufgebaut hatte, als jeder von ihnen von einem möglichen Kampf gehört hatte, verschwand mit der Zeit und hinterließ nur ein paar Jugendlicher, die sich langsam zu langweilen begannen, als sie dort im siebten Stock warteten.
Aber plötzlich passierte doch etwas.
Die Tür, die zuvor nicht erschienen war, erschien wie aus dem Nichts genau an der Wand, an der sie normalerweise immer zu finden gewesen war. Heraus trat eine einsame Person, die Tia als Malfoy erkannte. Sie hatte ihn schon ein paar Mal gesehen und war ihm auch ein oder zweimal begegnet – diese Begegnungen waren nie wirklich freundlich gewesen, da Malfoy ein fanatischer Reinblüter war und Tia ein Schlammblut.
Er schaute sich um, als er sie plötzlich entdeckte und erstarrte.
Die sechs Jugendliche, die schon zu lange gewartet hatten, hatten nicht aufgepasst und hatten auch keine Zeit gehabt, sich wirklich irgendwie zu verstecken, was sich wohl als ein Nachteil herausstellen würde.
Malfoy war nur für einen winzigen Moment erstarrt, aber im nächsten warf er plötzlich etwas in die Luft und alles wurde dunkel.
Zuerst dachte Tia, es wäre ein Mittel, das sie alle erblinden lassen würde, aber dann roch sie die verschiedenen Zutaten, aus denen dieses Mittel hergestellt worden war und sie erkannte die Zusammensetzung sofort – immerhin hatte sie sie selbst entwickelt.
Es war peruanisches Instant-Finsternispulver – ein Pulver, das man nur in die Luft werfen musste und sofort wurde die Sicht von jedem verdeckt – auch für diejenigen, die das Pulver angewandt hatten. Daher musste man vorher immer darauf achten, dass man einen freien Weg hatte und sich selbst nicht in der Dunkelheit verirrte, sonst wurde der geplante, reibungslose Abgang schnell vermiest.
Malfoy musste irgendwie eine Möglichkeit gefunden haben, dem Pulver zu entgehen, denn während die anderen verzweifelt mit Zaubern versuchten der Dunkelheit zu widerstehen, hörte Tia ganz genau, wie Malfoy mit anderen einfach an ihnen vorbeiging, als wären sie gar nicht da.
Tia roch sie ganz genau und mit ihrem Gehör konnte sie sich ihren Weg hinaus aus dem Pulver bahnen.
Sie stand allein gegen die Todesser, die schon weitergeeilt waren, aber in diesem Moment dachte Tia nicht lange darüber nach, sondern eilte ihnen hinterher.
Sie war schneller, als die Todesser – sie mussten sich aufgeteilt haben, denn als Tia, der Geruchsspur folgend zu einer Abzweigung kam, von der einer weiter geradeaus führte und die andere abbog zum Astronomieturm, waren in beide Richtungen die Gerüche von Todessern erkennbar.
Tia rannte weiter geradeaus und brauchte nicht lange, bis sie zwei Todesser eingeholt hatte.
Eine war eine Frau – klein und etwas dicklich, während der andere der Frau ähnlich sah – vielleicht waren es Geschwister.
Sie mussten Tia gehört haben, denn sie blieben stehen und drehten sich um.
„Keinen Schritt weiter!", befahl Tia und hob ihren Zauberstab. Sie hörte sich selbstsicherer an, als sie sich fühlte... aber vielleicht auch nicht, denn die beiden Todesser schauten sich feixend an und hoben ihre eigenen Zauberstäbe.
Erst da fiel Tia auf, wie dumm sie eigentlich gewesen war. Sie konnte doch nicht allein gegen gleich zwei Todesser antreten. Sie war nicht sonderlich gut im Zaubern und dann auch noch in der Unterzahl. Die einzige Möglichkeit für sie zu überleben war, dass ein Verbündeter auftauchte, um ihr zu helfen.
Oder... plötzlich kam Tia eine Idee und sie lächelte, ließ ihren Zauberstab sinken und stellte sich gerade hin. Wenn sie keine Verbündeten hatten, dann musste sie sich eben welche machen. Sie hoffte nur, dass ihre Magie dafür ausreichte, immerhin war sie nur zu einem Achtel eine Veela.
Sie begann zu summen – selbstbewusster, als sie sich selbst zugetraut hatte und zuerst wirkten die beiden Todesser verwirrt, aber als sie dann auch noch zu tanzen begann, wie ihre Großmutter es ihr beigebracht hatte, die es selbst von ihrer eigenen Mutter gelernt hatte, schien der Zauber zu wirken. Aber eben nur bei dem Mann – die Frau war gegen den Veela-Zauber immun.
Aber die Augen des Mannes wurden glasig und er starrte Tia an, als wäre sie das Schönste, das er jemals gesehen hatte und als Tia auch noch sie singen begann, war es wohl aus für ihn und seinen Verstand.
„Was machst du da?", fragte die Frau verwirrt und schaute zwischen Tia und den Mann hin und her, ohne auf die Idee zu kommen, Tia auszuschalten, bevor es zu spät war. Dafür war sie wohl zu verwirrt.
Als Tia so sang, bemerkte sie, dass das erste Lied, das ihr eingefallen war, die Hymne des Vereinigten Königreiches war. Zwar nicht wirklich der richtige Moment, um das zu singen, aber jetzt konnte Tia auch nicht mehr das Lied wechseln.
Der Mann war wie in Trance und verfolgte Tia mit seinem Blick, bis sie sich sicher war, dass er unter ihrem Einfluss stand. Sie lächelte ihn an und er lächelte zurück.
In diesem Moment hätte er wohl alles für sie getan, solange sie nur weitersang und tanzte. Ihr Aussehen allein reichte als Zauber nicht aus – so viel von einer Veela besaß sie nicht in ihrem Blut, aber es reichte wohl, um mit Gesang und Tanz noch jemanden zu beeinflussen.
Tia hätte ihm alles befehlen können und er hätte es auch getan, ohne nachzudenken, denn nachdenken konnte er im Moment überhaupt nicht mehr – dafür war er schon zu tief in ihrem Bann.
„Töte sie", Tia lächelte, als sie auf die Frau zeigte, die Tia verwirrt ansah, bevor sie wohl realisierte, was ihr Plan war.
Hätte Tia es mit einem intelligenteren Todesser zu tun gehabt, wäre sie wohl schon lange tot – ihr Glück war wohl, dass sie auf die beiden dümmsten gestoßen war.
Der Mann hob wieder seinen Zauberstab, aber dieses Mal gegen die Frau.
„Was?", kreischte sie laut, „Nein! Amycus – ich bin es! Alecto! Ich bin deine Schwester!"
Aber das interessierte Amycus nicht. Er hatte einen Befehl und den würde er auch ausführen.
„Avada Kadavra!", schrie Amycus gegen seine Schwester gerichtet und Tia war erstaunt darüber, dass die dickliche Frau überhaupt schnell genug war, um auszuweichen. Es war knapp, aber er hatte sie verfehlt.
Aber Tia konnte sich nicht wirklich auf den Kampf konzentrieren. Sie musste darauf achten, weiter zu singen und zu tanzen. Wenn sie einen Fehler machte, würde Amycus bestimmt gleich aus der Trance aufwachen und ein zweites Mal würde er nicht darauf hereinfallen.
Alecto schien zuerst unsicher, ob sie ihren Bruder angreifen sollte, aber dann wurde sie von einem Sprengzauber ihres Bruders nach hinten geschleudert und kam unsanft auf dem Boden auf.
Das schien ihre Wut zu zügeln, denn als sie aufstand, konnte Tia es in ihren Augen sehen.
Aber sie griff nicht ihren Bruder an, wie Tia gehofft hatte, sondern schien genug Gehirnzellen zu besitzen, um zu wissen, dass Tia daran schuld war.
Ihr Zauberstab richtete sich also gegen Tia und sie schoss einen Zauber in ihre Richtung, aber Tia wich ihm mit einer Pirouette aus, sodass sie einfach weitermachen konnte, aber es war knapp gewesen.
Zum Glück war da noch ihr unfreiwilliger Verbündeter, der sich von hinten auf seine Schwester stürzte und sie am Hals packte und zudrückte.
Der Zauberstab der Frau fiel ihr aus der Hand, als ihr Bruder ihr langsam das Leben herausquetschte, indem er ihre Luftröhre zudrückte und Tia tanzte einfach weiter und sang die Hymne, als würde ihr Leben davon abhängen... was es auch tat.
„Avada Kadavra", hörte Tia plötzlich hinter sich und sie sah den Zauber nicht kommen, aber sie wusste, dass er auf sie gezielt worden war. Also wusste sie nicht, in welche Richtung sie ausweichen konnte, also war sie gezwungen, sich einfach auf den Boden fallen zu lassen.
Ihr fiel dabei nicht nur ihr Zauberstab aus der Hand, sondern als sie schmerzvoll auf dem Boden aufkam, wurde ihr die Luft aus den Lungen gepresst und sie war gezwungen, auch mit dem Singen aufzuhören.
Dieser winzige Moment reichte aus, um Amycus aus dem Zauber zu befreien und blinzelnd kam er wieder zu sich, nur um zu bemerken, was er gerade seiner Schwester antat.
Schnell ließ er sie los und wich einen Schritt zurück, während Alecto keuchend nach Luft holte.
Tia rollte sich ab und kam wieder auf die Beine, aber es war schon zu spät, denn der Todesser, der sie von hinten angegriffen hatte, war schon wieder hinter ihr und packte sie unsanft und hielt ihr mit einer Hand den Mund zu, sodass sie nichts mehr sagen konnte.
„Halt die Klappe, Sirene", zischte er und spuckte Tia dabei ins Gesicht. Der Todesser war groß, das fiel Tia auf. Größer, als sie es war.
Trotzdem sollte es doch möglich sein, ihn irgendwie auch ohne Zauberstab zu besiegen. Auf Tias Rücken war noch immer der Rucksack mit den Phiolen und Flaschen, in denen Tränke gefüllt waren. Sie musste nur irgendwie die Hände frei bekommen.
„Ihr beide lasst euch wirklich von einem Kind ablenken?", fragte der große Todesser an die Geschwister gewandt, die sich noch immer erholten, „Wir haben uns schon gefragt, wo ihr–"
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment griff Tia sich seinen kleinen Finger und zog ihn zurück, bis sie ein Knacken hörte – er war gebrochen. Der Todesser ließ sie los und stieß sie von sich, aber Tia blieb auf den Beinen stehen und zog schnell ihren Rucksack hinunter.
Sie griff in die Tasche und holte einfach das erste hinaus, das sie finden konnte. Es war eine kleine Phiole mit einem gelblich-grünen Trank – es war eigentlich nur eine Mischung aus Zutaten, die einen Menschen zum Erbrechen brachten. Eigentlich perfekt – jetzt musste Tia es ihm nur noch einflößen.
Sie rannte wieder vor, womit der Todesser wohl nicht gerechnet hatte und sie sprang hinauf.
Instinktiv drehte er sich weg von ihr, aber das war Tias Plan gewesen, denn so kam sie auf seinen Rücken und krallte sich dort an seinem Umhang fest.
Sie zog sich flink weiter hoch und packte den Mann an den Haaren, riss diese unsanft zurück, sodass sie einige Büschel ausriss und kippte den Inhalt der Phiole in seinen Mund.
Als ihr Werk erledigt war, sprang sie wieder von seinem Rücken hinunter und holte das nächste Fläschchen heraus.
Der Todesser spuckte den Trank aus, aber Tia wusste, dass es schon zu spät war. Schon ein Tropfen reichte aus.
Und tatsächlich fiel der Todesser plötzlich auf die Knie und begann zu würgen.
Die anderen beiden nutzten die Ablenkung, um an Tia vorbei zu kommen und abzuhauen. Tia hatte sich selbst sie so eingeschätzt. Normalerweise sollte doch sie diejenige sein, die vor Angst abhaute.
Tia erblickte ihren Zauberstab und schnappte ihn sich, bevor sie die Verfolgung aufnahm.
Sie hörte, wohin die Geschwister verschwunden waren, denn die Kampfgeräusche mussten wahrscheinlich alle im Schloss aufwecken.
Tia beschleunigte, als sie sich daran erinnerte, dass sie ihre Freunde zurückgelassen hatte, um die Todesser zu verfolgen.
„Tia!" Es war Remus, der sie zuerst erblickte, als sie erst noch realisieren musste, wer aller überhaupt hier war – neben Remus auch noch Tonks und Professor McGonagall, die gerade gegen die Todesser kämpften.
„Hey!", rief Tia heiter zurück.
„Du bist auch hier!", Remus schien sich überhaupt nicht zu freuen, sie zu sehen.
„Klar", Tia sah sich um, „Ich bin nur von ein paar Todessern aufgehalten worden – hast du Alecto und Amycus gesehen? Ich glaube, ich habe sie verärgert."
„Ich will gar nicht wissen, was du angestellt hast." Remus schien seinen letzten Nerv verloren zu haben. „Pass bitte auf."
In diesem Moment fiel Tias Blick auf Agnes, die ebenfalls hier war, aber ihr schien es nicht so gut zu gehen.
Sie lag tot oder bewusstlos auf dem Boden und Remus stand genau so, dass er sie beschützen konnte. Tia wollte gar nicht wissen, wer dafür verantwortlich war – eigentlich wollte sie es schon wissen, und ihm eine ganze Flasche voll Lebenden Tod einflößen.
Ohne weiter auf Remus zu achten, stellte auch Tia sich so, dass sie Agnes beschützen konnte und ihr fiel auf, dass auch Bill Weasley am Boden lag. Aber er war blutig und sein ganzes Gesicht schien wie zerfetzt. Bei ihm war Tia sich noch unsicherer, ob er überhaupt noch lebte.
Aber sie hatte eine Mission – sie musste Agnes Tripe beschützen. Irgendwie hatte sich dieser einzige Befehl in ihrem Gedächtnis gespeichert, als sie die leblos daliegende Agnes vor sich gesehen hatte. Als sie ihre Schwester auf dem Boden liegen gesehen hatte – vollkommen hilflos.
„Am besten, du gehst gleich zur Seite, meine Schöne."
Tia wirbelte herum. Dort stand sie. Tia hatte sie in ihren Träumen gesehen, aber sie jetzt wirklich vor sich zu sehen war nicht dasselbe. Es war noch schlimmer.
Agnolia Tripe hatte sich kaum verändert, aber trotzdem war Tia allein von ihrer Anwesenheit eingeschüchtert. Als wäre sie es nicht einmal wert, in ihrer Nähe zu atmen und am liebsten hätte sie wohl auch in diesem Moment damit aufgehört, aber dort lag doch Agnes auf dem Boden und Agnolia wollte ihr weh tun. Das konnte Tia nicht zulassen.
Remus war abgelenkt worden und duellierte sich neben Professor McGonagall mit dem Todesser, der sich wohl von Tias Trank erholt hatte und sich nicht mehr erbrechen musste.
Also musste Tia es wohl selbst übernehmen, Agnes zu beschützen – das war immerhin ihre Aufgabe.
Zuerst freute sich Agnolia darüber, als sie die Zweifel in Tias Augen sah. Es war ein gutes Gefühl für sie, die Ängste anderer auszunutzen und sie so lange physisch und psychisch zu quälen, bis jeder gebrochen war. Tia sah für diesen Moment gebrochen aus, als wäre sie schon allein durch den Anblick von Agnolia bereit ihren Zauberstab niederzulegen und aufzugeben.
Aber dann änderte sich etwas in Tia und Agnolia sah es. Der Blick wurde selbstbewusster und ehrgeiziger. Tia hatte eine Aufgabe und die würde sie erfüllen, immerhin war sie ein braves Mädchen.
„Am besten, du versuchst es erst gar nicht, Schlampe", zischte Tia und irgendwo in ihren Gedanken tadelte sie sich selbst dafür, dass sie ein so schlimmes Wort benutzt hatte, aber diese Stimme war so leise und unbedeutend für den Moment, dass Tia überhaupt nicht darauf hörte.
Agnolia wich kaum zurück, aber die Tatsache, dass sie für einen Moment tatsächlich überrascht war, ermutigte Tia noch mehr und sie richtete sich gerade auf.
Ihre Haare waren offen und wie ein schwarzer Schleier umgaben sie ihr Gesicht, als wäre sie der Tod selbst, den Agnolia doch so fürchtete.
Sie schien zu wachsen, obwohl sie keinen Zentimeter größer wurde, aber trotzdem hätte Agnolia schwören können, dass Tia sich direkt vor ihr zu einem Monster verwandelte.
Ihre Haut wurde dunkler, als sie sowieso schon war – eher dunkelgrau, als gebräunt. Ihre Augen schwarz, wie schwarze Seelen und sie lächelte leicht.
Vor Agnolia stand nicht mehr Tia Fuego, ein kleines, hilfloses Mädchen, sondern eine Veela, die eindeutig wütend war.
„Fass Agnes an, und ich verspreche dir, du wirst dir noch wünschen, zu sterben", warnte Tia sie mit düsterer Stimme und ihre Stimme schien zu hallen, als wären sie in einer Kirche, deren Wände das Echo immer und immer wieder zu Agnolia zurückschickten und die Stimme dieses Mädchens, deren Schreie Agnolia lange gelauscht hatte, schickte Gänsehaut ihren Rücken hinunter.
Sie war doch Agnolia Tripe – sie fürchtete sich doch nicht vor einem Schlammblut. Und doch stand sie vor Tia und wusste nicht, welchen Schritt sie als nächstes gehen sollte. Agnolia verlor die Kontrolle und das hasste sie mehr, als alles andere.
Also hob Agnolia ihren Zauberstab, bereit einen tödlichen Zauber auf Tia loszuschicken, der dieses Monster auslöschen würde, aber damit hatte Tia schon gerechnet und schneller, als Agnolia es jemals von ihr erwartet hatte, warf das Mädchen etwas direkt auf ihre Brust.
Vor Agnolia zerbrach ein kleines Glasfläschchen und Splitter bohrten sich in ihre zarte Haut. Pechschwarze Flüssigkeit breitete sich über ihrem Umhang aus, die die Farbe von ihren Schwarzen Rosen hatte. Zuerst befürchtete Agnolia, dass das Mädchen es irgendwie geschafft hatte, ihren eigenen Zauber in flüssiger Form umzuwandeln, aber stattdessen schienen sich aus der Flüssigkeit kleine Klumpen zu bilden, als wären es Magnete, die die Teilchen anzogen und langsam formten sich so viele, kleine Flecken.
Agnolia war verwirrt – was war das für ein Trank. Sie hatte Tränke studiert. Sie kannte alle Tränke, die man in Hogwarts lernte, aber von so einem Trank hatte sie noch nie gehört oder auch nur Gerüchte gehört. So etwas taten Tränke normalerweise nicht.
„Gefällt es dir?", fragte Tia kühl und lächelte leicht, „Ich habe es selbst entwickelt."
Die kleinen Klümpchen schienen sich immer weiter auszubreiten und sie formten kleine Tiere. Sechs Beine, zwei Scheren und hinten am länglichen Körper bog sich aus Klümpchen langsam ein Stachel, so spitz, wie eine Nadel.
Als Agnolia erkannte, was der Trank eigentlich bewirkte, war es schon zu spät.
Dutzende winziger Skorpione hatten sich auf ihrem Gewand verteilt und überall dort, wo der Trank gewesen war, konnte man nun die kleinen, pechschwarze Tiere herumkrabbeln sehen und sie wirkten nicht zufrieden.
Kreischend wischte Agnolia sich über ihren Umhang und streifte einige Tiere ab, aber es waren zu viele, um wirklich etwas zu bewirken.
Nun kam Agnolia wohl auf die Idee, auch ihren Zauberstab zu benutzen und sie verbrannte gezielt die Tiere, aber manchmal war sie zu spät und die kleinen Tiere stachen sie in die bloßen Arme.
Mit einem letzten hasserfüllten Blick zu Tia, trat Agnolia den Abgang an und eilte weg von der Kampfszene, während Tia mit Agnes zurückblieb.
Remus kämpfte sich frei, als plötzlich wie auf ein geheimes Zeichen hin alle Todesser in Richtung Astronomieturm eilten und die, die keine Todesser waren und ihnen folgen wollten einfach zurückgestoßen wurden.
Nur Professor Snape konnte an der unsichtbaren Barriere vorbei und die Treppen hinauf, aber Remus suchte als erstes nach Tia und Agnes, bevor er auch nur daran dachte, ebenfalls zu versuchen, einen Weg an der Barriere vorbei zu finden.
Tia verwandelte sich gerade in ihr menschliches Ich zurück. Ihre Haut wurde wieder heller – geradezu bleich und ihre Haare, die um sie herum geweht worden waren, als wäre sie in ihrem eigenen, persönlichen Sturm gefangen gewesen, senkten sich wieder, bis nur noch ein leichter Luftzug sie nach hinten schweben ließ. Ihre Augen normalisierten sich wieder und während eines beinahe schwarz blieb, wurde das andere heller, bis es wieder die Farbe von Remus' Augen hatte.
Sie schwankte und Remus eilte zu ihr und fing sie noch auf, bevor sie auf den Boden fallen konnte.
„Tia", rief er beinahe verzweifelt, „Tia! Was ist los? Was ist passiert?"
„Ich bin nur müde", murmelte Tia schlaftrunken, „Ich will nur schlafen."
„Hey! Tia! Bleib wach!", befahl Remus streng, aber die Strenge kam nur von der Sorge, die er spürte. Was war mit seiner Tochter los?
Aber Tia konnte ihre Augen kaum noch offenhalten. Sie hatte sich überanstrengt und sie fühlte sich, als wäre sie seit mehreren Vollmonden wach. Am liebsten wollte sie sich nur in ihr Bett legen und schlafen. Nur für fünf Minuten – vorerst.
„Tia! Bleib wach!", rief Remus und schüttelte sie, „Bitte – bleib wach."
„Ich sterbe nicht, Remus", murmelte Tia müde, „Ich bin doch nur müde."
Tia schloss die Augen und Remus glaubte ihr nicht. Für ihn war seine Tochter verletzt worden – verletzt von diesen Todessern, die geflohen waren.
Mit einem wütenden Schrei sprang er auf, nachdem er Tia sanft neben Agnes auf den Boden gelegt hatte und rannte zur Treppe, die zum Astronomieturm führte, aber als er hinaufrennen wollte, war es so, als würde er gegen eine unsichtbare Wand rennen und er wurde wieder zurückgeschleudert. Er segelte durch die Luft, nur um schmerzvoll auf dem Boden aufzukommen, aber er ignorierte den Schmerz und sprang wieder auf, dieses Mal hielt McGonagall ihn aber zurück.
„Es hat keinen Sinn", warnte sie ihn, „Sie werden wieder hinunterkommen müssen. Sich selbst zu verletzen bringt gar nichts! Snape scheucht sie wieder zu uns!"
„Das dauert mir zu lange", widersprach Remus ihr gereizt, „ich will meine Rache jetzt!"
„Tia ist nicht verletzt worden", versuchte McGonagall ihn zu überzeugen, „Ich habe es gesehen. Vermutlich hat sie nur ihre magischen Reserven aufgebraucht."
Das beruhigte Remus ein bisschen – es gab ihm Hoffnung. Hoffnung, dass es seiner Tochter wirklich gutging und sie wirklich nur müde war.
Und Remus hörte tatsächlich nur kurz danach, wie die Todesser wieder hinunterkamen, aber selbst, als sich alle dafür vorbereiteten, sich wieder einen Kampf zu liefern, brachte das gar nichts, denn ein einziger Zauber von einem Todesser ließ die Decke plötzlich einbrechen.
Remus stürzte vor und schützte mit seinem Körper Agnes und Tia, sodass die beiden nicht verwundet wurden und er bekam dabei selbst ein paar Brocken ab, aber er spürte den Schmerz nicht. Er war ein Vater, der seine Töchter beschützte – was auch immer es koste.
Der Kampf beginn wieder und Remus nahm seine Position vor seinen Töchtern ein, die ruhig schliefen und nichts mehr mitbekamen. Es war ein gefährlicher Ort, um nicht bei Bewusstsein zu sein, aber ihr Vater war da, um sie zu schützen. Und das würde er auch tun, bis zu seinem letzten Atemzug.
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