127. Kapitel

Wochen später kam mit einer Morgeneule eine Eule direkt zum Gryffindortisch und setzte sich vor Tia und Leanne, die zusammen frühstückten.

Es war die Familieneule der Spinnets, wie Tia erkannte, nachdem sie von eben dieser Eule häufig Post von Alicia bekommen hatte, bevor sie Schluss gemacht hatten.

Verwirrt blickte Tia die Eule an und fragte sich, ob der Brief, der an ihrem Bein hing auch wirklich für sie bestimmt war. Sie hatte nicht mehr wirklich viel Kontakt mit Alicia – also... eigentlich gar keinen mehr, wenn Katie nicht von ihr sprach oder Alicia zusammen mit Katie war. Aber Katie war noch bewusstlos im St. Mungos, soweit Tia wusste.

„Willst du ihn nicht nehmen?", fragte Leanne ihre Freundin verwirrt, nachdem Tia einige Sekunden lang einfach nur auf die ungeduldige Eule gestarrt hatte.

„Ich weiß nicht", gestand Tia, „Ich bin verwirrt."

Trotz ihrer Verwirrung erlöste sie die Eule und nahm den Brief entgegen, aber zuerst musste sie ihre Brille aus ihrer Tasche kramen, bevor sie überhaupt etwas lesen konnte.

„Von wem ist er?", fragte Leanne und aß eine weitere Gabel voll Rührei.

„Das weiß ich noch nicht", gestand Tia, als sie endlich ihr Brillen-Etui gefunden hatte und sie Brille herausnahm, „Aber ich glaube, er ist von Alicia. Vielleicht gibt es Neuigkeiten von Katie."

Tia setzte die Brille auf und schaute auf den Umschlag, um den Absender zu lesen, aber sie erstarrte, als sie die wenigen Zeilen darauf las.

„Waf if?", fragte Leanne mit vollem Mund, die bemerkt hatte, dass Tia offenbar noch verwirrter war und schaute auf den Brief, aber auch sie, als sie die Zeilen las oder die Schrift sah, erstarrte. Leannes Mund klappte auf und einige Bissen Rührei fielen wenig appetitlich zurück auf ihren Teller, aber in diesem Moment kümmerte das keinen von beiden.

„Ist das... Katies Schrift?", fragte Tia überrascht und ungläubig. Aber sie kannte Katie schon sehr lange, hatte häufig Hausaufgaben bei ihr abgeschrieben oder ihre Notizen gelesen. Sie kannte die Schrift ihrer Freundin, die sie schon seit so langer Zeit nicht mehr gesehen hatte, aber auch Leanne schien sie erkannt zu haben.

„Mach ihn schon auf!", verlangte Leanne ungeduldig, „Ich hoffe, das ist nicht nur ein Scherz. Ich schwöre dir, Tia, wenn das ein Scherz von Fred oder George ist, dann verlasse ich unverzüglich Hogwarts, jage sie und bringe dir ihre Köpfe zurück."

Mit zittrigen Händen riss Tia den Umschlag auf und ein Stück Pergament fiel in ihre wartende Hand. Der Brief war kurz, aber länger musste er auch nicht sein.



Ich lebe noch!

Mit sehr lebendigen Grüßen

Katie Bell



„Sie ist wach!", kreischte Tia überglücklich auf und einige Schüler in ihrer Nähe blickten verwirrt in ihre Richtung, „Sie lebt! Sie ist wach! Sie ist wach!"

„Das ist unmöglich", hauchte Leanne und riss Tia den Brief aus der Hand, „Das... das ist ein schlechter Scherz."

„Das ist ihre Schrift", versuchte Tia ihre Freundin, aber auch sich selbst zu überzeugen, „Und genau so etwas würde Katie auch schreiben."

Und tatsächlich war Katie wieder gesund.

Am nächsten Tag kam wieder eine Eule von Katie, der etwas länger war und in dem sie schrieb, dass sie aus dem St. Mungos entlassen werden würde.

Es war, als wäre Tia in einem Traum. Nach so langer Zeit hatte sie ein bisschen die Hoffnung aufgegeben, dass Katie noch einmal zur Schule zurückkehren würde, aber dann wurde sie tatsächlich entlassen und verbrachte noch ein paar Tage bei Alicia und ihren Eltern, um sich noch ein bisschen auszukurieren.

Und dann stand sie plötzlich da. Tia roch sie, bevor sie sie sah.

Es war am frühen Morgen und sogar Tia schlief noch, als Katie langsam und vorsichtig in den Schlafsaal kam, den sie schon seit Jahren mit Leanne und Tia bewohnte. Es war ein bisschen so, als wäre sie nie weg gewesen.

Ihre Bilder hingen noch immer über ihrem Bett, Tia schlief friedlich mit einem Lächeln im Gesicht in ihrem Bett und kuschelte mit ihrem Kissen, während Leanne laut schnarchte und weniger elegant quer über ihrem Bett lag und ihre Beine irgendwie mit ihrer Bettdecke verknotet hatte.

Es war ein dennoch friedlicher Anblick und Katie blieb für einen Moment bei der Tür stehen, um den Anblick in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Sie war wieder da – wieder in Hogwarts und für sie war es so, als wäre sie nur wenige Tage nicht da gewesen, aber eigentlich war schon März, bald April und sie hatte Hogwarts verlassen, als es gerade erst Oktober gewesen war. Man hatte ihr teilweise erzählt, was passiert war und an andere Sachen konnte sie sich noch erinnern, aber es war so, als wäre das erst vor einer Woche oder auch zwei gewesen. Keine Monate.

Plötzlich verstand Katie, wie Tia sich gefühlt hatte, als sie für ganze Monate vom Basilisken versteinert geworden war und es für sie wie ein fester Schlaf gewesen war. Als sie aufgewacht war, war es auch schon wieder warm gewesen und es war so, als hätte sie einfach alles verschlafen.

Tia roch Katie. Zuerst dachte sie im Halbschlaf, dass sie noch immer träumte, aber dann erinnerte sie sich daran, dass Katie ihr geschrieben hatte, dass sie heute wiederkommen würde und sofort riss sie die Augen auf.

Und dort stand sie. Sie war blasser, als Tia sie in Erinnerung hatte. Ihre Haare schienen etwas ausgebleicht und länger geworden zu sein, aber so, wie Tia sie kannte, würde es nicht lange dauern, bis Katie eine Schere in die Hand bekam und sie sich die Haare wieder schnitt. Unter ihren Augen waren Augenringe, als hätte sie nicht gut geschlafen – vielleicht hatte sie noch Albträume und sie stand, wie Tia fand, etwas verunsichert da, als wäre sie nicht sicher, was passiert war und wie sie reagieren sollte.

Dünn war Katie auch geworden, nachdem die Heiler sie künstlich ernährt hatten und ihre Muskeln, die sie nach Jahren des Quidditchspielens aufgebaut hatte, waren ein bisschen verkümmert, da sie monatelang nur im Bett gelegen hatte, aber Tia war sich sicher, dass sie bald wieder die Alte werden würde, denn in ihren Augen war dieser Blick, der besagte, dass man sich lieber nicht mit Katie anlegte.

„Katie!", rief Tia auf und sprang aus ihrem Bett. Mit ihrem Schrei hatte sie Katie aufgeschreckt, die noch immer in Gedanken versunken das Zimmer betrachtet hatte, aber sie war bereit, als Tia zu ihr rannte und sie in eine feste Umarmung riss.

Da fiel Tia auf, dass sich noch etwas an Katie verändert hatte, das aber wahrscheinlich für immer so bleiben würde. Von ihrem kleinen Finger aus bis zu ihrem Handgelenk zogen sich schwarze Linien wie sichtbare Adern durch ihre Haut. Tia kannte den Anblick von Agnes' Arm, die ebenfalls einmal unter dem Fluch der Schwarzen Rose gestanden hatte, aber Tia wollte Katie nicht darauf ansprechen.

„Du bist zurück", wisperte Tia überwältigt in Katies Schultern und wollte sie am liebsten nie wieder loslassen, „Du bist wirklich da."

„Ich lass euch beide doch nicht allein zurück in dieser Irrenanstalt", scherzte Katie, aber auch sie drückte Tia an sich und bemerkte erst da, dass sie das Mädchen, aber auch Leanne vermisst hatte.

Leanne, die von Tias Schrei geweckt worden war, setzte sich verschlafen auf und schaute sich alarmiert um, als ihr Blick auf Katie fiel.

„Katie!", schrie Leanne sofort und sie wollte ebenfalls aus ihrem Bett springen, aber ihre Beine waren noch mit der Decke verheddert, sodass sie es nicht einmal ganz aus dem Bett schaffte, sondern Kopf voraus auf den Boden krachte, während ihre Beine noch auf dem Bett lagen, aber indem sie sich wie eine Robbe wandte konnte sie sich aus ihrer Schlinge befreien, sich schnell aufstellen und konnte dann doch unverletzt Katie erreichen.

Leanne war kleiner, als Tia und Katie, aber sie schlang ihre Arme einfach um die beiden und drückte sie nicht nur zusammen, sodass Katie und Tia Wange an Wange und schwankend dastanden, sondern sie zog sie auch etwas zu sich hinunter.

„Du dämliche Kuh", schniefte Leanne und sie hatte Freudentränen in den Augen, „Mach das nie wieder!"

„Hab ich nicht vor", versprach Katie und tätschelte Leanne den Rücken.

„Wir haben dich vermisst", gestand Tia, „Ohne dich ist Hogwarts nicht dasselbe."

Natürlich hätten Leanne und Tia Katie sofort ausfragen können, woran sie sich noch erinnerte, aber keiner von beiden wollte dieses unangenehme Thema beginnen. Im Moment genossen sie einfach nur, dass Katie wieder bei ihnen war – das Leben und seine Ernsthaftigkeit konnte warten.

In diesem Moment der Zusammenkunft fühlten sie sich alle wieder wie elf. Sie waren wieder Kinder, die es noch nicht kümmerte, dass ein Dunkler Lord die Zaubererwelt zum negativen verändern wollte. Sie waren Kinder, die nicht jeden Tag mit der Befürchtung leben mussten, dass da draußen jemand war, der sie umbringen konnte.

Sie waren Kinder, sie waren Freundinnen und alles andere war in diesem Moment egal.

Es erschien ihnen allen wie ein Traum, als sie zum ersten Mal seit Langem wieder zusammen zu einer Stunde gingen. Verwandlung war kein Lieblingsfach von Tia, aber mit Katie bei sich wäre sogar Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit Umbridge ein Vergnügen gewesen.

Zuerst dachten sie, sie würden zu spät kommen, aber als sie das Klassenzimmer betraten, war von Professor McGonagall noch nichts zu sehen, aber die drei dachten sich nichts dabei und setzte sich zusammen, um ihr Gespräch weiterzuführen. Tia und Leanne brachten Katie auf den neuesten Stand und erzählten alles, was Katie verpasst hatte.

Die Stunde begann, aber die Professorin erschien immer noch nicht.

Langsam schienen andere Schüler in der Klasse misstrauisch zu werden – Professor McGonagall war niemals zu spät.

Weitere Minuten vergingen. Noch immer kam niemand.

Die Stunde war schon halb zu Ende, als die Tür schließlich aufging und Professor McGonagall betrat das Klassenzimmer, aber Tia bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

Die sonst immer so gefasste Professorin wirkte etwas blass und aufgewühlt. Ihre Schritte waren eilig und als sie die Klasse betrat, waren ihre Worte aus ihrem Mund noch ungewohnter und seltsamer, als alles, was Tia bisher gehört hatte: „Die Stunde fällt aus. Beschäftigen Sie sich in ihren Gemeinschaftsräumen für die restliche Zeit."

Die Schüler tuschelten und Tia fragte sich, ob das wieder einmal ein genialer Streich von jemanden war, aber Fred und George, die das Potential für so einen Streich hatten, waren nicht mehr in Hogwarts und Tia wusste keinen anderen, der sich so etwas einfallen lassen konnten.

Nachdem die Schüler mit unsicheren Blicken auf Professor McGonagall sichergingen, dass sie es ernst meinte, packte alle langsam ihre Sachen zusammen und auch Katie, Leanne und Tia taten es ihnen gleich.

Tia fragte sich, was passiert war, dass Professor McGonagall nicht nur aufgewühlt war, sondern auch noch die Stunde auffallen ließ – das passierte niemals.

Professor McGonagall wartete an der Tür, vermutlich um zu warten, bis alle Schüler gegangen waren, aber als Katie, Leanne und Tia an ihr vorbeigehen wollten, hielt sie sie noch zurück. „Warten Sie vor der Klasse auf mich", bat sie die drei und Tia sah in ihren Augen so etwas wie Trauer. Was hatte das alles mit ihnen zu tun? War noch etwas mit Katie? Hoffentlich würde sie, außer den schwarzen Narben, keine bleibenden Schäden davontragen. Vielleicht war den Heilern vom St. Mungos noch etwas aufgefallen, das gefährlich für Katie war und nach den wenigen, wunderbaren Stunden würde Katie zurück ins Krankenhaus müssen.

Während die anderen Schüler an Leanne, Katie und Tia vorbeigingen, waren die drei mit ihren Gedanken allein. Sie trauten sich nicht einmal, miteinander zu sprechen, aus Angst, dass ein Blick von Professor McGonagall ihre schlimmsten Befürchtungen verraten würde.

„Folgen Sie mir", bat McGonagall die drei mit sanfter Stimme und die Freundinnen sahen sich verunsichert an, aber Professor McGonagall ging schon voraus in die Richtung ihres Büro und die drei folgten ihr da hinein.

McGonagall schloss hinter ihnen die Tür und wies mit einer Handbewegung auf drei Stühle.

„Setzen Sie sich", bat McGonagall sie immer noch mit sanfter Stimme.

„Was ist los?", fragte Katie und sie versuchte zwar, eine mutige Haltung einzunehmen, aber man hörte in ihrer Stimme, dass sie Angst hatte.

„Setzen Sie sich", wiederholte McGonagall geduldig und die drei gehorchten dieses Mal. Sie alle drei saßen an dem Schreibtisch, an dem Tia das letzte Mal gesessen hatte, als McGonagall mit ihr über ihr Leben nach Hogwarts gesprochen hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

„Miss Travis", wandte Professor McGonagall sich an Leanne und Leanne schaute erschrocken auf, „Es geht um ihre Familie."

„Wa-was ist mit ihnen?", fragte Leanne mit zittriger Stimme und Tia bemerkte, dass auch ihre Hände zitterten.

„Es hat einen Einbruch in Ihr Haus gegeben", erklärte McGonagall und sie versuchte zwar, sachlich zu klingen, aber ihre Augen verrieten, welchen Schmerz sie wirklich spürte und Tia wusste, was sie sagen würde, bevor sie Worte ausgesprochen waren und griff sofort wie auch Katie nach Leannes Hand und die beiden Freundinnen hielten die zitterten Hände ihrer Freundin, „Man hat das Dunkle Mal heute Morgen über Ihrem Haus gesehen. Auroren sind sofort vor Ort gewesen, aber... man hat die Leichen Ihrer Eltern gefunden. Leanne... sie sind tot."

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