122. Kapitel
Es wurde Dezember und mit dem Winter kam auch der Schnee und die Kälte.
Die Schüler der siebten Klasse wurden besonders jetzt immer mehr an ihre Abschlussprüfungen erinnert, die sie schon im Mai abschließen würde und mittlerweile lernten sie nichts mehr Neues, sondern wiederholten nur noch fieberhaft den Stoff der letzten sieben Jahre.
Die Schüler waren allesamt schon so weit, dass sie die Schule beenden konnten, was besonders Tia verwirrt, da sie nicht wirklich das Gefühl hatte, als würde sie sonderlich besser zaubern können, als in ihrer ersten Klasse, aber wenn man sich so die Mitschriften der vielen Jahre, die sie in der Schule verbracht hatten ansieht, bemerkt man, dass da doch so einiges zusammengekommen war.
Tia war auch froh, dass kein neuer Stoff mehr dazukam, denn so hatte Katie wenigstens noch eine Chance, ihre Prüfungen positiv abzuschließen, wenn sie wieder zurückkam.
Tia hatte von Professor McGonagall erfahren, dass sie noch nicht bei Bewusstsein war, aber die Heiler taten alles, um ihr zu helfen. Offenbar war dieser Fluch besonders bösartig und stark gewesen, denn Katie hatte den verfluchten Gegenstand, die Kette nur ganz kurz angefasst, aber es ging ihr noch immer nicht sonderlich besser.
Tia war nur froh, dass schon bald Ferien sein würden und sie nach Hause fahren konnte.
Carla würde nicht kommen, wie sie in einem Brief erfahren hatte, aber wenigstens würde sie Remus wiedersehen, der ihr in einem Brief versprochen hatte, dass er da sein würde.
„Tara, würden Sie noch einen letzten Moment hierbleiben?" Es war Slughorn, der sie nach einer der Zaubertrankstunden noch auf ein Wort dabehalten wollte.
Es war ja auch nicht das erste Mal, dass Slughorn Tia darum bat – bei jedem Trank, den sie fertigstellten, bei jedem Aufsatz, den sie abgaben, bei jeder eher fortgeschrittenen Frage, die Tia im Unterricht stellte, schien Slughorn beeindruckt genug, um Tia noch zu sprechen. Es ging ihr ziemlich auf die Nerven.
„Sie wollten mit mir sprechen, Professor?", fragte Tia höflich, obwohl sie am liebsten ihre Sachen gepackt hätte und gerannt wäre. Sie musste nicht noch einmal hören, was für einenfabelhaften Trank sie zusammengerührt hatte.
„Tara, ich wollte Sie zu einer kleinen Weihnachtsparty einladen."
„Eine Party?", fragte Tia unsicher. Sie wusste jetzt schon, dass sie lieber nicht dorthin ging.
„Nur ganz klein in meinem Büro. Ich werde auch ein paar Leute von außerhalb der Schule einladen."
Noch mehr Leute. Perfekt.
„Ich lade alle Schüler meines Slug-Clubs ein und Sie gehören ja auch dazu –"
Also waren wenigstens Hermine und Ginny auch dort.
„– und Sie könnten auch noch eine weitere Person einladen, wenn Sie wollen."
„Ich... ähm...", stammelte Tia unsicher, aber Slughorn sah sie so freundlich an, dass sie einfach nicht Nein sagen konnte, „Okay... ich werde kommen..."
„Wundervoll", freute sich Slughorn, „Sie werden sehen, es wir Ihnen gefallen."
Wohl kaum.
Tia flüchtete schon beinahe aus der Klasse, nachdem sie ihre Sachen zusammengepackt hatte und eilte hinter den anderen Schülern her, die schon gegangen waren.
Sie traf Leanne in der Großen Halle, wo sie sich verabredet hatten.
„Du kommst spät", bemerkte Leanne amüsiert, „Was hat Slug dieses Mal an deinem Trank gelobt? Wieder die Farbe oder den Geruch?"
„Er hat mich zu einer Weihnachtsparty eingeladen", erzählte Tia seufzend und ließ sich auf den Platz neben ihrer Freundin fallen, „Und ich habe auch noch zugesagt."
„Eine Party?", meinte Leanne überrascht, „Klingt doch schön, oder nicht?"
„Noch mehr Menschen", zählte Tia genervt auf und ließ ihren Kopf auf die harte Tischplatte vor ihr fallen, „Noch mehr Fremde. Noch mehr Stress. Es werden sogar Fremde von außerhalb der Schule kommen... die habe ich noch nicht einmal auf den Gängen gesehen. Den Slug-Club kenne ich ja langsam, aber da werden noch mehr Neue kommen..."
„Du bist ja nicht allein da", wollte Leanne sie aufmuntern, „Vielleicht gefällt es dir ja und du wirst doch noch zu einer Party-Kanone!"
„Wohl kaum", murmelte Tia, als ihr wieder einfiel, was Slughorn noch gesagt hatte. Sie hob wieder den Kopf und sah Leanne lächelnd an. „Aber ich darf eine Begleitung mitnehmen, hat er gesagt!"
„Eine Begleitung?", fragte Leanne interessiert und grinste, „Hey, warum fragst du nicht George? Wenn Slughorn auch Leute von außerhalb einladen darf, dann du bestimmt auch! Außerdem würde ich gerne sehen, wie George sich auf so einer Party von Slughorn benimmt."
„Uh, das würde ich auch gerne sehen!", meinte Tia grinsend mit glitzernden Augen. George auf einer Slug-Club-Party. Das wäre ein Anblick, der sich nur einmal anbieten würde. Sie dachte an die Zwillinge, die, seit die den Laden hatten, kaum noch normale Kleidung trugen, sondern sich farbenprächtig und extravagant durchs Leben bewegten mit schrillen Anzügen und Umhängen. Tia hätte gerne gesehen, was George dann zu einer offiziellen Party anzog, zu der man bestimmt eher Festumhänge und Ballkleidung anzog, wie sie Slughorn kannte. Es war verlockend, aber Tia hatte an jemand anderen gedacht. „Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mich begleitest?"
„Mich?", fragte Leanne amüsiert, „Du schleppst deine beste Freundin mit?"
„Ich kenne dich wenigstens", versuchte Tia sie zu überzeugen und zog eine übertriebene Schnute, „Bitte. Ich brauche dich. Ohne dich schaffe ich das nicht!"
„Du musst nicht betteln, Chili-Mädchen", winkte Leanne kichernd ab, „Natürlich komme ich mit!"
„Danke! Danke! Danke! Danke!", rief Tia aufgeregt und umarmte Leanne stürmisch, sodass diese beinahe von der Bank kippte, aber sie konnte sich gerade noch so aufrecht halten.
„Ist schon gut – ich komme gerne mit", versprach Leanne, „Ich liebesolche Partys – der neuste Klatsch und Tratsch kursiert dort immer! Und als positiven Zusatz gehe ich auch noch mit meiner besten Freundin hin."
„Danke, Leanne", seufzte Tia zufrieden, „Ich glaube, ich wäre nicht gegangen, wenn du Nein gesagt hättest."
„Wahrscheinlich hättest du wirklich George eingeladen – er wäre bestimmt mit Freuden gekommen, nur um so eine Party aufzumotzen", bemerkte Leanne amüsiert.
„Da hast du wahrscheinlich Recht", bemerkte Tia grinsend, „Das wäre bestimmt auch ein interessanter Anblick gewesen."
„Aber wir beide motzen diese Party schon allein mit unserer Anwesenheit auf", prophezeite Leanne selbstsicher, „Du wirst schon sehen – wenn ich fertig mit dir bin, werden diese Leute den Namen „Weasley" noch verfluchen, weil du schon vergeben bist."
„Das wird doch jetzt kein Weihnachtsball 2.0, oder?", fragte Tia unsicher und erinnerte sich daran, wie Leanne ihr auch an diesem Tag geholfen hatte.
„Keine Sorge, Tia", Leanne legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter und Tia entspannte sich ein bisschen – sie wollte eigentlich gar nicht auffallen und wenn Leanne versprach, dass es nicht so schlimm werden würde, dann würde sie zwar hübsch aussehen, aber nicht übertrieben hübsch, aber ihre Hoffnungen wurden von Leannes nächsten Worten zerstört: „Es wird noch besser werden."
Egal, wie sehr Tia es verabscheute, sich schon herauszuputzen, so war es doch immer wieder witzig mit Leanne das zusammen zu machen.
Beim Weihnachtsball vor einigen Jahren hatten Katie, Leanne und Tia das gemeinsam gemacht – ohne Katie und ihrem ständigen Gemecker, dass sie am liebsten in ihren Quidditch-Umhängen gehen würde fehlte schon irgendetwas.
Aber Leanne leistete auch allein absolut perfekte Arbeit und als Tia fertig angezogen war, fühlte sie sich wie eine Puppe, an der Leanne stundenlang gearbeitet hatte.
Sie trug einen wundervollen, hellgrauen Festumhang, der wie eine Toga schon beinahe geschnürt war und mit Ketten und Seidenbänden zusammengehalten wurde. Bei jedem Schritt klimperte Tia ein bisschen, aber Leanne hatte ihr versichert, dass sie sich nicht wie ein Eiswagen anhörte, wenn sie ging, sondern eher wie eine Fee in einem Muggel-Film. Das hatte Tia zwar nicht wirklich beruhigt, aber es war immerhin besser, als ein Eiswagen auf zwei Beinen zu sein.
Leanne hatte darauf bestanden, dass Tia ihre Haare offen trug und hatte ihr dazu weitere Seidenbänder in die schwarzen Haare geflochten, sodass es so aussah, als würde Tia schon alt und grau werden – das hatte Tia jedenfalls gesagt, als sie das Werk im Spiegel gesehen hatte, aber Leanne hatte ihr versichert, dass niemand auch nur auf die Idee kommen würde, dass Tia alt wäre.
Leanne hatte Tia auch noch geschminkt – es war nicht viel, aber das reichte schon, um einen ungewohnten Anblick für Tia zu bieten, als sie sich im Spiegel sah und sicherheitshalber griff sie sich ins Gesicht, um zu sehen, ob das im Spiegel wirklich sie war – sie war es wirklich.
Es war nicht so, als hätte Tia sich hässlich gefunden – nur ungewohnt, aber eigentlich freute sie sich schon allein aus dem Grund, dass Leanne einige Zeit lang einfach nur Spaß daran hatte, ihre menschliche Anziehpuppe anzuziehen und zu stylen.
Leanne selbst war wunderschön. Ihre Haare waren wie eigentlich immer hochgesteckt und mit babyrosa Bändern festgebunden. Auch ihr Festumhang war babyrosa, aber diese Farbe passte sehr gut zu Leannes blonden Haaren und auch ihren Augen. Leanne hatte sich etwas mehr geschminkt, als Tia, aber es sah keineswegs unnatürlich oder übertrieben aus, sondern einfach nur schön.
„Wir sind per-fekt", meinte Leanne zufrieden, als sie ihr Werk im Spiegel betrachtete. Tia und Leanne standen nebeneinander und starrten beide in den großen Spiegel. Tia war vom Aussehen her ein ziemliches Gegenteil von Leanne – dunkle Haare neben blond; groß neben klein; dunklere Haut neben dem englisch-bleichen. Und trotzdem, obwohl sie doch so verschieden aussahen, waren sie beide auf ihre ganz eigene Weise hübsch.
„Gehen wir?", fragte Tia und blickte auf die Uhr – es war schon nach acht und um ungefähr acht hatte die Party begonnen. Eigentlich wollte sie ewig hier im Schlafsaal bleiben und sich mit Leanne allein herausputzen – manchmal kam es ihr so vor, als wäre das Anziehen und Vorbereiten lustiger, als die Party selbst, aber sie hatte Slughorn mehr oder weniger versprochen, dass sie kommen würde, also würde sie auch kommen – und wenn es nur für ein paar Minuten war – sie würde gehen.
„Klar doch", Leanne grinste verschmitzt, „Ich hoffe, es sind viele Mädchen im Gemeinschaftsraum, damit sie vor Neid erblassen."
Tia hoffte das nicht – sie wollte eigentlich so unauffällig wie möglich sich hinausschleichen, aber sie war auch amüsiert über Leanne. Leanne wusste, dass sie hübsch war und zeigte es gerne – und selbst das war keine Sünde.
Leider erfüllten sich Leannes Wünsche und so manche Mädchen schienen nur im Gemeinschaftsraum darauf gewartet zu haben, dass jemand, der zu Slughorns Party eingeladen war, die Treppen hinunterkommen würde.
Tia hatte das Gefühl, als würden alle Blicke nur auf ihr liegen und schnell senkte sie den Blick, während Leanne sich in ihr einhackte und stolz den Kopf hob.
„Lächeln, Tia", wisperte Leanne grinsend, „Ich spüre richtig, wie eifersüchtig sie sind."
„Ich finde das gemein", murmelte Tia leise, „Sie können ja nichts dafür, dass sie nicht eingeladen sind."
„Umso besser, dass du es bist", meinte Leanne vergnügt und zog Tia mit sich.
Zusammen gingen sie in Richtung Slughorns Büro und Tia hörte die Musik und die Menschen schon von Weitem und plötzlich fühlte sie sich noch unsicherer. Sie wünschte sich, Leanne hätte ihre Haare nicht so zurückgeflochten, damit sie sich jetzt wenigstens ein bisschen dahinter verbergen konnte.
Als sie das Büro betraten, was Tia für einen Moment lang tatsächlich beeindruckt. Es war größer, als Tia es bisher kannte – die Decke war höher und generell der ganze Raum wirkte größer, sodass mehr Personen darin Platz fanden, als sonst. Dazu kam noch, dass die Decke und die Wände so mit Bändern geschmückt waren, dass es so aussah, als befänden sie sich in einem Festzelt oder einem kleinen Zirkuszelt, wie Tia fand.
„Das ist schrecklich", murmelte Tia, als sie sah, wie viele Leute tatsächlich da waren, „Es ist laut, es ist stickig, es ist eng."
„Zusammengefasst – so ziemlich alles, was du nichts magst", bemerkte Leanne und drückte Tia an sich, „Aber – hey! Ich bin ja auch noch hier und mich magst du, also hast du mindestens einen Grund, hierzubleiben. Suchen wir die Bar."
Leanne zog Tia direkt in das Getümmel und Tia ließ sich einfach von ihr führen und klammerte sich so an ihre Hand, dass es Leanne bestimmt wehtat, aber das Mädchen sagte nichts, sondern drückte Tias Hand nur ermutigend und ließ ihre Freundin nicht los und allein in der Menge zurück.
„Dann haben wir einmal ein bisschen Spaß, oder?" Sie hatten die Bar erreicht und Leanne hatte zwei Gläser in die Hand genommen und eines davon in Tias Hand gedrückt. Tia hatte einmal daran gerochen, hatte den Alkohol darin bemerkt und es lieber wieder zurückgestellt, um sich lieber etwas anderes, ohne Alkohol zu nehmen.
Leanne nippte schon an ihrem alkoholischen Getränk und schien ziemlich zufrieden mit sich zu sein.
„Was macht man hier wohl, um Spaß zu haben", Leanne sah sich um, „Ich sehe nur Leute, die ich nicht leiden kann – vielleicht hättest du George trotz allem doch noch einladen sollen, der hätte diese Party bestimmt noch interessanter gemacht."
„Ich glaube, Slughorn organisiert diese Partys, um Kontakte zu knüpfen. Er stellt dem Slug-Club andauernd irgendwelche Leute vor", bemerkte Tia unbeeindruckt und versteckte sich etwas hinter Leanne, „Deswegen hasse ich diese Partys."
„Du musst nur etwas lockerer werden", versprach Leanne heiter, „Vertrau mir – vergiss einfach, dass da überall fremde Leute sind und hab einfach Spaß."
„Ich fühle mich überhaupt nicht locker", gestand Tia und tatsächlich sah sie sogar angespannt aus.
„Dann machen wir das beste aus diesem Abend, oder nicht?", Leanne versuchte eindeutig, Tia einen schönen Abend zu machen und dafür war Tia ihr dankbar, aber bisher war es Leanne noch nicht wirklich gelungen. „Ich weiß schon, was dich glücklicher stimmen wird", Leanne grinste vielsagend, „Ich habe da etwas entdeckt – komm mit!"
Leanne zerrte Tia wieder hinter sich her und zu einem Tisch, an dem verschiedene Snack aufgestellt waren und zuerst wusste Tia nicht, worauf Leanne hinauswollte, aber dann hob Leanne einen Teller auf und Tia fand darauf ein kleines Stück Schokoladenkuchen.
„Uh! Schokolade!", freute Tia sich und begann zum ersten Mal wirklich zu lächeln, als sie den Teller aus Leannes Hand nahm und dieses winzige Stück verzückt betrachtete. Es war klein, aber es waren genug Stücke da, dass selbst Tia hätte satt werden können.
„Das macht gleich alles besser", seufzte Tia zufrieden, als sie das erste Stück mit einer winzigen Gabel aß – es war ein guter Kuchen, das musste man ihm lassen.
„Hab ich mir doch gedacht", Leanne lächelten wissend, „Schokolade ist das Zaubermittel für einen Lupin, oder nicht?"
„Auf jeden Fall hilft es", bestätigte Tia glücklich und aß das letzte Stück, bevor sie den Teller auf einen Haufen schon schmutziger Teller stellte und sich von Leanne wieder mitziehen ließ, aber dieses Mal mit etwas besserer Laune.
Manche Leute kannte Tia vom Sehen her, andere hatte sie noch nie gesehen. Sie erhaschte einen Blick auf Slughorn, der sich mit einigen anderen Gästen unterhielt und beschloss, ihm lieber ein bisschen aus dem Weg zu gehen.
Leanne zerrte sie mit sich und Tia achtete nicht auf ihren Weg, sodass sie beinahe gegen jemanden stieß, aber im letzten Moment konnte sie noch zur Seite hin ausweichen.
„Tut mir leid, ich habe nicht auf meinen Weg –", begann Tia sich zu entschuldigen, als sie sah, gegen wen sie beinahe gestoßen war, „Oh, hi Harry!"
„Tia", Harry schien beinahe erleichtert zu sein, sie zu sehen und Tia fiel auf, dass an seiner Seite niemand anderer als Luna Lovegood war. Tia mochte Luna, obwohl sie nicht sonderlich viel miteinander zu tun hatten. Aber sie waren letztes Jahr zusammen Teil der DA gewesen und waren auch gemeinsam ins Ministerium eingebrochen und Luna war einer derjenigen gewesen, für die Tia zurückgeblieben war – nach so einem Abenteuer war man eigentlich so etwas wie Freunde, wie Tia vermutete, aber letztendlich wusste sie das nicht so genau und überließ lieber Luna die Einschätzung, auf welchem Grad der Bekanntschaft sie sich gerade befanden. „Hey Luna."
„Hallo Tia", Luna klang verträumt, wie so oft, aber das störte Tia nicht, „Schöne Haare."
Tia hatte ganz vergessen, dass sie ihre Haare gar nicht wie sonst geflochten hatte, sondern diese offen waren und sie nun wie ein pechschwarzer Umhang im Wind über ihren Rücken fielen bis zur Hüfte. „Oh, danke", Tia wusste nicht genau, was sie sonst sagen sollte, „Ich mag deinen Umhang. Er glitzert so schön."
Tia meinte den silbernen Paillettenumhang, den Luna trug und das schien wohl genau das richtige gewesen zu sein, auf das Tia sie hätte ansprechen können, denn Luna begann breit zu lächeln.
„Danke", hauchte Luna, „Ich habe ihn von meinem Vater bekommen – er hat einmal meiner Mutter gehört, weißt du? Aber jetzt gehört er mir. Ich habe gedacht, alle kichern über ihn."
„Hm...", machte Tia und sah sich den Umhang noch einmal an, „Es kann schon sein, dass andere ihn lächerlich finden – er glitzert schon ziemlich und ist nicht unbedingt das, was man heutzutage noch anzieht, aber ich finde ihn trotzdem hübsch."
„Oh", machte Luna und griff nach ihrem Umhang, um ihn anzusehen, „Danke, Tia. Wenn er wenigstens dir gefällt, dann reicht das schon."
Harry, der neben den beiden stand, sah ein wenig amüsiert aus – wenigstens lächelte er in sich hinein, als die beiden sich unterhielten.
Leanne war still neben Tia gewesen und hatte sich gefreut, dass Tia mit anderen Leuten sprach, als mit ihr. Da machte es ihr nichts aus, dass Leanne selbst nicht wirklich etwas dazu sagen konnte, denn die Unterhaltung, die Tia mit Luna führte, war genau das, was man von den beiden erwarten konnte, aber Leanne ließ sie einfach gewähren. Immerhin war Tia diejenige gewesen, die sie in erster Linie eingeladen hatte, also sollte auch sie diejenige sein, die ihren Spaß hatte.
„Oh, nein", machte Harry plötzlich leise, „Da kommt Slughorn. Hat mich gefreut, dich zu sehen, Tia, aber wir müssen weiter."
Harry nahm Lunas Hand und zog sie mit sich mit, weg von Slughorn und auch Leanne und Tia wechselten blicke aus, bevor Leanne es Harry gleichtat und Tias Hand nahm, aber sie waren zu spät.
„Tara! Freut mich, dass Sie hergefunden haben!", Slughorn war bei ihnen angekommen und spätestens jetzt gab es kein Zurück mehr – leider.
Tia lächelte. „Natürlich habe ich hergefunden, Professor... Das ist Ihr Büro, und kein Labyrinth..."
Slughorn lachte herzhaft auf, als hätte Tia soeben einen herrlichen Witz gerissen, aber eigentlich meinte sie das ernst und diese Tatsache brachte Leanne zum Schmunzeln.
Tia roch an Slughorn schon den Alkohol und obwohl er noch nicht komplett weggetreten war, so war er schon angetrunken, wie Tia vermutete.
„Kommen Sie mit, ich muss Ihnen jemanden vorstellen", bat Slughorn sie und nachdem Tia hilfesuchend zu Leanne blickte, die selbst nicht weiter zu wissen schien, folgte sie ihrem Professor eher widerwillig zu einem Mann, der sich gerade mit anderen unterhielt.
„Damokles Belby!", Slughorn rief den Mann zu sich, der aufsah, als der alte Professor auf ihn zukam und der Mann wandte sich ihm direkt zu.
„Professor Slughorn", die Männer begrüßten sich mit einem Händeschütteln, „Wie schön, Sie zu sehen. Ich habe mich über die Einladung sehr gefreut."
„Aber natürlich, Damocles", Slughorn klopfte dem größeren Mann auf die Schulter, „Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen, Damocles. Eine talentierte Zaubertrankbrauerin, ganz wie Sie – Tara Fuego. Wo ist sie denn – ah! Da!"
Tia hatte versucht, sich wieder zu verdrücken, aber Slughorn hatte sie noch erwischt und sie hatte keine andere Wahl, als wohl die neue, ungewollte Bekanntschaft hinter sich zu bringen.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir", Tia lächelte freundlich, aber nervös und schüttelte die Hand des Mannes. Damocles Belby blickte das Mädchen an und er sah nur einen kurzen Moment in ihren verschiedenfarbigen Augen, aber das reichte schon, um ihn wohl etwas zu verstören, denn er runzelte die Stirn und schien etwas neben der Spur zu sein.
„Äh... ja... natürlich", stammelte er, bevor er seinen Kopf schüttelte, um seine Gedanken zu ordnen und wieder freundlich und gefasst aussah, „Sie sind talentiert, was Zaubertränke angeht?"
„Ich glaube schon", meinte Tia schüchtern, aber Slughorn neben ihr lachte laut auf.
„Sie ist nur schüchtern – eine brillante Zaubertrankmeisterin! Ein solches Talent ist mir noch nie begegnet – natürlich konkurriert sie sich derzeit noch mit Harry Potter – er sollte auch hier irgendwo sein – aber Tara hier ist eine meiner besten Schülerinnen, die ich jemals unterrichten durfte."
„Es freut mich, zu hören, dass junge Leute sich noch immer dafür interessieren", Damocles lächelte vielsagend, „Ich habe gehört, der vorherige Professor für Zaubertränke hat vielen die Lust für Zaubertränke genommen."
„Professor Snape ist in Ordnung, sobald man weiß, wie er tickt", winkte Tia ehrlich ab, „Ich habe nie sonderlich große Probleme mit ihm gehabt. Das hat sogar meine Freunde verwundert, immerhin bin ich auch noch in Gryffindor."
„Professor Snape erkennt Talent eben genauso gut, wie ich", prahlte Slughorn, „Er muss es in Ihnen schon damals gesehen haben, Tara!" In diesem Moment erblickte Slughorn jemand anderen und verabschiedete sich schnell. Er ließ Tia mehr oder weniger mit Damocles allein zurück, denn selbst Leanne, die bei diesem Gespräch kaum mitsprechen konnte, war einige Schritte weiter weg bei einer Gruppe Mädchen und tauschte vermutlich den neuesten Klatsch aus.
„Nun", begann Damocles, „Vielleicht wissen Sie das nicht, aber ich selbst bin ein Zaubertrankmeister."
„Das habe ich gewusst", bemerkte Tia wieder ehrlich, „Sie sind Damocles Belby – Sie haben den Wolfsbanntrank entwickelt, oder nicht?"
„Das habe ich, junge Dame!", Damocles schien tatsächlich überrascht zu sein, „Ich habe nicht gewusst, dass das den Schülern von Hogwarts beigebracht wird."
„Wird es nicht", gestand Tia, „Aber ich habe mit Professor Snape einmal den Wolfsbanntrank gebraut – für Remus Lupin, als er hier an der Schule unterrichtet hat."
„Tatsächlich?", nun wirkte Damocles sogar noch überraschter, „Ich hoffe doch, er ist Ihnen gut gelungen?"
„Natürlich haben wir uns keine Fehler erlaubt", Tia richtete sich etwas gerader, als ihre Fähigkeiten in Frage gestellt wurden und sah Damocles empört an, „Wir haben uns exakt an die Angaben vom Ministerium – und von Ihnen gehalten."
„Wenn er Ihnen gelungen ist, dann erwarte ich wohl in Zukunft großes von Ihnen", lobte Damocles sie, „Es gibt nicht einmal viele ausgebildete Zaubertrankmeister, die diesen Trank fehlerfrei Zustande bekommen."
„Er sollte aber leichter zu beschaffen sein", bemerkte Tia und legte den Kopf schief, „Er hilft Werwölfen zu Vollmond die Kontrolle zu behalten und Kontrolle sollte nicht vom Ministerium verliehen werden. Das Rezept sollte mehreren Leuten zugänglich sein, nicht nur den Privilegierten und eigentlich sollte das Ministerium auch Kessel voll zu jedem Vollmond an jeden Werwolf anbieten, der willig ist, ihn einzunehmen. Stattdessen wird das Rezept unter strengster Geheimhaltung verwahrt und die meisten Werwölfe haben nur selten Zugriff auf den Trank selbst – meistens nur zu ihrem ersten Vollmond, wenn sie das Glück gehabt haben, im St. Mungos Hospital aufzuwachen."
„Sie setzen sich auch noch für Werwolfrechte ein?", fragte Damocles in einem verbitterten Tonfall, als wäre er sich nicht sicher, ob er lachen oder weinen sollte.
Tia nickte. „Es tun ja sonst nicht sonderlich viele, oder? Die meisten Gesetze, die sich gegen Werwölfe richten sind nicht nur veraltet, sondern auch noch rassistisch ihnen gegenüber."
„Es freut mich zu hören, dass noch irgendjemand in diesem Land einen Funken an Verstand zu besitzen scheint", meinte Damocles und klang plötzlich müde, aber er lächelte Tia noch freundlich an, „Vorurteile gegen Werwölfe sind selten gerechtfertigt."
„So gut wie nie sind sie gerechtfertigt", schnaubte Tia, „Mein Vater ist ein Werwolf – er würde niemals jemanden absichtlich verletzen. Eine sehr gute Freundin von mir – eigentlich meine Schwester ist auch ein Werwolf – sie hat nie danach gefragt, gebissen zu werden..."
„Ihr... Vater ist ein Werwolf?", fragte Damocles nach, als hätte er sich verhört, aber Tia nickte zu seiner Überraschung.
„Mein leiblicher Vater – Remus Lupin, vermutlich haben Sie schon einmal etwas von ihm gehört, immerhin hat der Tagesprophet sogar einmal seinen Namen in den Dreck gezogen, als sie ihn erwähnt haben", erzählte Tia verbittert.
„Aber...", stammelte Damocles und schien diese neue Information zu verarbeiten, „Er... er ist vor Ihrer Geburt gebissen worden, oder?"
Tia fragte sich, warum Damocles das fragte. Er schien noch nicht einmal auf die Idee gekommen zu sein, dass Werwölfe Kinder haben konnten, aber eigentlich war das nicht so verwunderlich, immerhin hatte Tia gehört, dass sie vermutlich die erste ihrer Art war – oder es war einfach nur sehr, sehr selten.
„Ja, er ist schon damals ein Werwolf gewesen", bestätigte Tia unsicher, „Warum?"
Damocles schien für einen Moment in Gedanken versunken zu sein und er starrte auf einen Punkt hinter Tia, aber Tia wartete geduldig, bis er seine Gedanken wieder geordnet hatte und wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er blickte Tia wieder an, ein fiebriger Blick in seinen Augen, aber er lächelte auch, als hätte er gerade eine wundervolle Nachricht bekommen.
„Der Grund... warum ich den Wolfsbanntrank entwickelt habe", begann er begeistert, „ist der, dass meine Frau gebissen worden ist. Sie ist zu einem Werwolf geworden und hat sich zu Vollmond selbst verletzt, weil sie sich eingesperrt hat und nicht jagen konnte."
Tia nickte wissend. „Remus hat das auch erzählt und meine... Schwester kommt jedes Mal mit schrecklichen Verletzungen zurück."
„Also habe ich einen Trank erfunden, der macht, dass Werwölfe ihren menschlichen Verstand zu Vollmond behalten. Man verwandelt sich noch, aber man kann sich einfach zusammenrollen und die Nacht überstehen, bis es wieder vorbei ist."
„Das freut mich für Sie", Tia wusste noch immer nicht, worauf der Mann hinauswollte, aber sie lächelte freundlich und versuchte, ebenso enthusiastisch zu sein, wie Belby.
„Meine Frau und ich... wir haben keine Kinder", gestand Damocles und sackte etwas zusammen, „Sie ist früh in der Ehe gebissen worden und sie wollte nie Kinder, aus Angst, dass sie ebenfalls zu Werwölfen werden, aber... Sind Sieein Werwolf?"
„Ich?", fragte Tia überrascht über diese direkte Frage, „Nein."
„Erleben Sie negative Nebeneffekte?", fragte Damocles und er sah sie so begeistert an, dass Tia am liebsten wieder gesagt hätte, dass es überhaupt keine Nachteile gab, aber sie wollte ihn bei einem so ernsten Thema nicht anlügen.
„Es gibt Nebeneffekte", gestand Tia und Belby sackte wieder etwas zusammen, als hätte man ihm die Luft ausgelassen, „Manche davon sind gut – ich habe verbesserte Sinne, weitgehend. Meine Sehstärke ist etwas seltsam, aber nichts, was sich nicht mit einer Brille regulieren ließe. Ich höre besser – das kann gut sein, aber meistens stört es mich nur beim Einschlafen. Ich rieche besser – das hilft mir beim Zaubertränkebrauen, aber natürlich kann ich auch riechen, wenn jemand nicht geduscht hat..." Damocles lachte leicht.
„Ich bin vermutlich auch ein bisschen stärker, als andere", zählte Tia weiter auf, „Das ist manchmal etwas seltsam – wenn eine Elfjährige einen erwachsenen Mann beim Armdrücken besiegt... aber... das sind eigentlich alles nicht wirklich negative Effekte..."
„Gibt es die auch?", fragte Damocles und schien wieder etwas hoffnungsvoller.
„Die gibt es", gestand Tia, „Ich kann zu Vollmond nicht schlafen – niemals. Ich bin einfach hellwach, bis die Sonne aufgeht und dann fühle ich mich, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Das ist eher unpraktisch und meine Großmutter hat das in den Wahnsinn getrieben, als ich noch klein gewesen bin – darauf sollten Sie sich wohl einstellen."
„Ein kleiner Preis für Kinder", winkte Damocles ab.
„Da gibt es noch etwas", Tia war sich nicht so sicher, ob sie davon erzählen wollte, aber letztendlich sollte er das auch wissen, obwohl sie das nicht einmal ihrem eigenen Vater erzählt hatte, „Wenn ich... zu Vollmond besonders gestresst bin, dann spüre ich die Schmerzen, die ein Werwolf bei der Verwandlung spürt. Ich bin siebzehn Jahre alt und bisher habe ich es erst zwei- oder dreimal erlebt, aber... ich glaube, ich sollte Sie warnen."
„Schmerzen?"
„Wie bei der Verwandlung", Tia nickte, „Aber... es lässt sich überleben. Sie dauern nicht lange... sie kommen nur zu Vollmond... es wäre für mich kein Grund, keine Kinder zu bekommen."
Damocles seufzte erleichtert. „Meine Frau wird sich freuen, das zu hören."
„Aber es ist nicht einfach", gestand Tia, „Seit ich weiß, dass mein Vater ein Werwolf ist – seit die Gesellschaft weiß, dass mein Vater ein Werwolf ist... Die Leute akzeptieren Neues nicht so schnell und das ist für sie auf jeden Fall neu gewesen."
„Wann akzeptieren die schon irgendetwas?", schnaubte Damocles, „Sie fürchten sich vor einem kleinen Mädchen, während sie die wahre Gefahr ignorieren?"
„Ich glaube, das ist einfach menschlich", überlegte Tia, „Ich bin die einzige meiner... Art, soweit ich weiß. Eigentlich bin ich selbst nicht einmal ein Beweis dafür, dass die Kinder von Werwölfen nicht auch Werwölfe werden. Ich bin ein Einzelfall und mussnicht unbedingt die Regel sein. Meine Mutter ist zum größten Teil ein Muggel, also kann es sein, dass... ich weiß auch nicht... vielleicht sind die Kinder von Werwölfen und Zauberern anders. Außerdem ist mein Vater ein Werwolf, nicht meine Mutter. Ich weiß nicht, wie es sein wird, wenn ein Werwolf das Kind austrägt."
„Oh", machte Damocles, „Das... habe ich nicht bedacht."
Tia dachte an Agnes und Fred. Die beiden waren ein Paar – Seelenverwandte und sie würden wahrscheinlich niemals Kinder haben können, obwohl Tia wenige kannte, die so mütterlich waren, wie Agnes, aber trotzdem noch eine scharfe Zunge besaßen, wie ein Fuego. Tia glaubte schon, dass Agnes irgendwann gerne Kinder gehabt hätte, aber sie wusste nicht, ob sie nun noch welche bekommen konnte. Wenn Werwölfe sich zu Vollmond selbst verletzten, würde vielleicht auch das Kind verletzt werden. Tia bezweifelte, dass Agnes ihre Kinder durch solche Strapazen schicken wollte.
„Aber... wenn es Ihnen hilft... mir geht es gut. Ich bin gesund. Ich lebe. Sprechen Sie mit Ihrer Frau darüber, vielleicht... vielleicht ist es irgendwann Zeit für einen ersten Schritt... wenn es... Ihnen so viel bedeutet."
„Das werde ich", versprach Damocles, „Danke, Tara Fuego. Sie glauben gar nicht, wie sehr Sie mir geholfen haben."
„Das habe ich doch gerne getan", Tia blickte über ihre Schulter zu Leanne, die schon wieder ein Glas mit Alkohol in der Hand hielt und mittlerweile schon etwas lauter sprach und etwas schwankte, „Ich sollte wohl wieder nach Leanne sehen, aber... wenn Sie noch weitere Fragen haben, dann fragen Sie einfach." Sie lächelte Damocles freundlich an.
„Das werde ich", Damocles lächelte zurück, „Danke. Vielleicht überzeugen Sie meine Frau, dass diese Krankheit keine solche Einschränkung bringen muss."
„Das würde mich freuen", Tia nickte ermutigend, „Und vielleicht... irgendwann... vielleicht ändert sich die Welt und beginnt endlich, zu akzeptieren."
Traumvorstellungen. Mehr waren das nicht, aber Tia hatte trotzdem noch Hoffnung. Für Agnes. Für Remus und vielleicht auch für sich selbst. Der Tag, an dem die Menschen verstehen würden, dass man Gefahren unter Kontrolle bringen konnte und nicht jeder einer Gruppe so war, wie die schlimmsten von ihnen.
Aber dieser Tag war noch weit entfernt – zu weit, wie Tia schien, aber sie war zuversichtlich, dass er irgendwann kommen würde.
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