121. Kapitel

Leise vor sich hin summend spazierte Tia durchs Schloss, eine Phiole mit einem Liebestrank in der Hand. Natürlich war er nicht in einer rosafarbenen Phiole, wie sie bei Fred und George im Laden standen, sondern getarnt als Hustensaft in ihrer Hand.

Tia hatte außergewöhnlich gute Laune. Sie hatte am Morgen einen Brief von George bekommen, in dem stand, dass Agnes Tripe zurückgekehrt war.

Sie war blutend und erschöpft zu den Zwillingen appariert und die beiden hatten sie für die Zwischenzeit aufgenommen. Bestimmt war Fred erleichtert, dass sie endlich nicht mehr fort war und sie dann auch noch bei ihm wohnte.

Auch Tia war froh, dass Agnes nicht mehr direkt in Gefahr schwebte. Immerhin gehörte sie mehr oder weniger zur Familie.

Sie hörte auf zu summen, als ihr zwei Personen entgegenkamen, aber als sie sah, dass es nur Harry und Hermine waren, entspannte sie sich wieder ein bisschen.

„Oh, hey!", begrüßte sie die beiden lächelnd, „Habt ihr schon die neuesten Neuigkeiten gehört?"

„Du meinst doch nicht vom Orden, oder?", fragte Harry leise und sah sich um, ob sie jemand belauschte, aber da war niemand, außer ihnen.

„Nicht ganz", Tia lächelte breit, „Agnes ist zurück!"

„Agnes?", Hermine hatte das wohl auch noch nicht gehört und schien ebenfalls begeistert davon zu sein, immerhin war Agnes auch ihre Freundin, „Seit wann?"

„Der Brief von George ist heute angekommen", erklärte Tia, „Er hat nichts Genaues schreiben können, weil die Briefe noch immer durchsucht werden, aber er hat geschrieben, dass sie eher leicht verletzt gewesen ist und es ihr bald bessergehen wird."

„Das sind ja ausnahmsweise einmal gute Neuigkeiten", bemerkte Harry zufrieden.

„Ich hoffe, sie bleibt lange genug, dass ich sie zu Weihnachten sehen kann", hoffte Tia, „Sie ist doch auch so ein Freigeist – bestimmt würde sie sich nur allzu gerne in das nächste Abenteuer stürzen."

„Reden wir hier von Agnes?", fragte Hermine amüsiert, die wohl nicht so ganz glauben konnte, dass Tia wirklich dachte, dass Agnes Tripe sich in ein Abenteuer stürzen würden. Es war wahr – Agnes durchdachte wohl viel, aber andererseits hatte sich für sie in letzter Zeit viel verändert.

„Ich glaube, wenn sie die Chance hätte, würde sie alles tun, um irgendwie zu helfen", erklärte Tia, „Aber ich kenne sie jetzt nicht allzu gut – vielleicht irre ich mich."

Ohne ein weiteres Wort wandte Tia sich von den beiden ab und spazierte summend weiter, um die Person zu finden, für die der Liebestrank gedacht war.

Die meisten gebrauten Tränke schickte Tia einfach an Fred und George, aber manchmal kauften die Schüler von Hogwarts diese und dann konnte Tia sie direkt verteilen, damit Filch auf gar keinen Fall die Produkte konfiszieren konnte und Tia freute sich, dass sie den Zwillingen helfen konnte.

Ihr Ziel war Romilda Vane, eine Viertklässlerin, die zwar in Gryffindor war, mit der Tia aber noch nie etwas zu tun gehabt hatte. Aber offenbar wollte sie irgendjemanden mit einem Liebestrank vergiften. Eigentlich fand Tia, dass das überhaupt keine gute Art war, jemanden zu beeindrucken, aber andererseits sollte es sie nicht kümmern, was ihre Kunden mit den Sachen taten, die sie kauften, immerhin war sie nur Herstellerin und Botin.

Romilda war in der Großen Halle und unterhielt sich mit ihren Freundinnen am Ravenclaw-Tisch. Es war gerade nicht die Zeit für eine Mahlzeit, aber manchmal trafen sich auch Schüler aus verschiedenen Häusern in der Großen Halle, um gemeinsam Hausaufgaben zu erledigen, die andere in den Gemeinschaftsräumen machten. Andere benutzten dafür auch die Bibliothek, aber dort musste man sehr leise sein, sonst wurde man noch von der Bibliothekarin, Madam Pince hinausgeworfen oder fiel in ihre Ungnade.

In der Großen Halle gab es solche Regeln nicht, also konnte man dort auch quatschend seine Arbeiten erledigen – ob das gut oder schlecht war, wusste Tia noch nicht, immerhin war sie nicht die einzige, die schnell von langweiligen Hausaufgaben abgelenkt werden konnte.

„Romilda?", sprach Tia das Mädchen etwas unsicher an und Romilda sah auf. In diesem kurzen Moment fiel Tia auf, dass Romilda sie wohl nicht mochte oder einfach nur generell jeden Fremden mit einem Blick verachtete, der wohl besagte, dass sie besser war, als ihr Gegenüber. So ein Blick, mit dem man niederere Lebewesen auf ihren Platz lotsen wollte, aber Tia wusste, dass Romilda sie weder kannte noch irgendeine Ahnung hatte, wer sie war, also wusste Tia, dass Romilda auf gar keinen Fall besser war, als sie.

Und trotzdem verletzte dieser erste Blick Tia ein bisschen. Was hatte sie Romilda angetan, dass sie so angesehen wurde?

„Ja?", Romilda klang genervt und unhöflich. Hinter ihr kicherten ihre Freundinnen und Tia verstand, dass das alles nur eine Show war, um ihre Begleiter zu beeindrucken. Immerhin war Romilda wohl hinterlistig genug, um auch nur auf die Idee zu kommen, jemanden mit einem Liebestrank zu vergiften. Wahrscheinlich lebte sie dafür, ihre Freundinnen zu beeindrucken und immer wieder etwas eher Skandalöses anzustellen, um im Rampenlicht zu bleiben.

„Habe ich dich irgendwie beleidigt?", fragte Tia verwirrt, bevor sie sich selbst stoppen konnte, aber dieser Blick und dieses eine Wort, das Romilda ihr „geschenkt" hatte waren genug gewesen, um Unsicherheit in Tia zu wecken. Vielleicht hatte Tia es auch nur langsam satt, immer und immer wieder herumgestoßen zu werden.

Mrs Weasley hatte sie nicht gemocht, aber nach den Ereignissen vom letzten Schuljahr hatte sich das wohl geändert, was Tia zeigte, dass sie keine Person war, die man hasste oder verachtete. Auch Hermine hatte sich ihr gegenüber verändert, was Tia wirklich freute, aber das war nur noch ein Zeichen dafür, dass sie wohl freundlicher war, als Hermine bisher angenommen hatte – oder auch nur sympathischer, denn Tia selbst hatte nichts an ihrem Verhalten verändert.

Aber Tia hatte es satt, dass die Leute sie ohne Grund nicht mochten und vielleicht ärgerte es sie deswegen so sehr, dass Romilda Vane sie mit einem solchen Ton ansprach.

„Nein, du verschwendest nur meine Zeit", bemerkte Romilda Vane überheblich und ihre Freundinnen kicherten wieder. Tia blieb ruhig.

„Oh, ich verschwende deine Zeit?", wiederholte Tia unschuldig, aber ihre Augen funkelten hinterlistig, „Entschuldige. Ich wollte deine Zeit nicht verschwenden. Ich bin mir sicher, dann brauchst du diesen Trank hier nicht – ich werde ihn einfach in eine Toilette schütten, oder? Ich will ja deine Zeit damit nicht verschwenden."

„Was?", plötzlich war Romildas Interesse geweckt und sie runzelte irritiert die Stirn, „Wovon sprichst du?"

Als Antwort hielt Tia das Fläschchen mit dem Liebestrank hoch. „Ich glaube, du hast den hier bestellt, aber offenbar nicht, ansonsten würde ich deine Zeit nicht verschwenden, oder?"

Romilda brauchte einige Momente, bis ihr einfiel, wovon Tia sprach. „Ist das der Liebestrank?"

„Oh, also hast du ihn doch bestellt?", Tia war selten so sarkastisch, aber ihre Geduld mit solchen Leuten war schon lange überspannt, „Hast du jetzt etwa doch Zeit für mich?"

„Warum hast du ihn?", fragte Romilda misstrauisch, „Ich habe gedacht, die Weasleys schicken ihn direkt."

„Ich bin der direkteste Weg, den sie im Moment in Hogwarts haben", bemerkte Tia trocken, „Immerhin braue ich die Tränke auch für sie, da kann ich sie auch gleich verteilen."

„Du bist Tia", fiel es Romilda endlich ein, „Dein Name steht auf den Tränken in ihrem Laden."

„Weil ich sie entwickelt habe", schnaubte Tia, „Und einen Teil davon braue ich auch noch immer. Das macht dann sieben Sickel."

Romilda war verwirrt und blinzelte ein paar Mal, bevor sie aus ihrer Tasche die Münzen herausklaubte und in Tias wartende Hand legte.

Tia lächelte freundlich, bevor sie das Geld einsteckte und gehen wollte, aber sie stockte noch einen Moment lang, drehte sich wieder um und sah Romilda an, die auf das Fläschchen mit Liebestrank starrte, als hätte sie nie erwartet, dass sie so weit kommen würde.

„Romilda!", rief Tia ihr zu, „Ich weiß zwar nicht genau, was du vorhast, aber glaub mir – diese Liebe ist nicht das, was du willst."

„Was weißt du schon davon?", schnaubte Romilda, wieder in ihrem alten Ich zurück.

„Oh, ich weiß eine ganze Menge davon", Tia lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln, sondern ein Lächeln, dass Romilda sagte, dass Tia mehr wusste, als sie es nach außen hin zeigte, „Liebe ist ziemlich komplex. Diesen Trank da zu brauen ist einfach dagegen. Man denkt, man liebt jemanden, nur um herauszufinden, dass es nie eine wirkliche Liebe gewesen ist. Dieser Trank hier – er baut nur einen Schleier auf."

„Einen Schleier?", fragte Romilda unbeeindruckt, aber Tia sah in ihren Augen, dass das jüngere Mädchen doch interessiert war.

„Schleier verhindern, dass man jemals wirklich verliebt ist", erklärte Tia, „Das habe ich gelernt, als ich bemerkt habe, dass mich selbst eine Menge Schleier umgeben, aber erst, wenn man an allen von ihnen vorbeisehen kann, sieht man das wahre Gesicht und wenn man dieses zu lieben lernt, dann ist es Liebe."

„Du redest Unsinn", Romilda lachte auf und ihre Freundinnen taten ihr gleich, wenn diese auch eher unsicher klangen, als würden sie selbst nicht so sicher sein, ob Tia wirklich Unsinn redete.

„Tu ich das?", fragte Tia unschuldig, „Vielleicht hast du Recht – ich habe ja keine Ahnung davon. Viel Spaß mit deinem Trank! Viel Erfolg!"

Tia drehte sich wieder um und wollte nun endgültig gehen, aber dieses Mal war es Romilda, die sie zurückhielt.

„Tia?", nun klang Romilda nicht mehr so sicher, sondern etwas verunsichert.

Tia blieb stehen und drehte sich langsam um, lächelte und fragte unschuldig: „Ja?"

„Wie bringt man jemanden dazu... an diesen... Schleiern vorbei zu sehen?"

Tia legte den Kopf schief. „Das kann man nicht beeinflussen", gestand sie, „Aber ich habe gelernt, dass die richtige Person es einfach kann. Vertrau mir – es lohnt sich, auf die richtige Person zu warten."

Tia lächelte ein letztes Mal in Romildas Richtung, bevor sie sich wieder umdrehte und dieses Mal ging sie.

Romilda blieb bei ihren Freundinnen zurück, die alle etwas ehrfürchtig vor Tias Rede waren.

„Glaubst du, sie hat Recht?", fragte eine von Romildas Freundinnen und Romilda antwortete einen Moment lang nicht, bevor sie unbeeindruckt schnaubte.

„Natürlich nicht", blaffte sie, „Das gibt es nur im Märchen. Tia ist eine Träumerin – das ist sie."

„Wenn du meinst...", murmelte das Mädchen, die wohl nicht ihrer Meinung war, es aber nicht laut aussprechen wollte und Romilda wusste, obwohl Tia sie gewarnt hatte, dass sie den Trank noch immer benützen würde. Sie wusste, dass Harry Potter derjenige war, der zu ihr passte und mit Hilfe dieses Trankes würde er das auch einsehen.

Wer brauchte schon Schleier, wenn man einen Liebestrank hatte?

Romilda wartete nicht gerne – sie bekam gerne alles, was sie wollte sofort ohne Widerworte.

Warten konnte sie noch, wenn sie tot war, aber auf Harry Potter wollte sie einfach nicht warten. Das war einfach nicht ihre Art und da konnte sie nicht einmal Tia Fuego davon abhalten.

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