115. Kapitel
Tia winkte Remus durch das Zugfenster zu und er winkte zurück, aber nicht für lange. Tia schickte noch einen Luftkuss in seine Richtung, aber er lächelte nur traurig, bevor er auf seine Uhr sah und ihr noch einmal winkte um nur kurz darauf wieder zu gehen.
Er hätte eigentlich überhaupt nicht kommen sollen. Er arbeitete an etwas, das Dumbledore ihm aufgetragen hatte und Tia kannte keine Einzelheiten, aber sie fragte auch nicht nach. Sie wusste nur, dass egal, was Remus im Moment machte, ihn auslaugte und er immer noch müder aussah. Trotzdem hatte er es sich nehmen lassen, seine Tochter persönlich zum Bahnhof zu begleiten und Tia hatte sich darüber gefreut, aber es schmerzte auch, ihn gehen zu lassen.
Natürlich machte sie sich Sorgen um ihn, immerhin war er bestimmt in Gefahr, aber wer war das in Zeiten wie diesen nicht.
„Hier ist sie ja!" Tia erkannte die Stimme sofort und wandte sich grinsend vom Fenster ab. Vom Gang her quetschten sich Katie und Leanne schon an anderen Schülern vorbei, die alle auf den Gängen standen und wohl nichts besseres zu tun hatten, als im Weg zu stehen.
„Hey!", Tia hatte sich nicht gedacht, dass sie ihre beiden besten Freundinnen so vermisst hatte, aber jetzt, wo sie sie wiedersah, merkte sie, wie glücklich sie war, sie wiederzusehen, „Wie waren eure Ferien?"
„Eigentlich ziemlich langweilig", gestand Leanne, „Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich froh darüber bin, zurück nach Hogwarts zu kommen."
„Wir haben da hinten ein Abteil für uns – nur für uns", erzählte Katie und zeigte in die Richtung, aus der die beiden gekommen waren, „Setzen wir uns, bevor wieder irgendwelche anderen Erstklässler kommen."
„Klar doch – oh", Tia war beinahe mit einem Jungen zusammengestoßen, aber sie erkannte ihn schnell, „Hallo Harry."
„Hey Tia", Harry lächelte sie an, obwohl er noch einen leicht enttäuschten Blick zu einer Person warf, die Tia als Ginny Weasley erkannte.
„Harry!", rief Katie ebenfalls erfreut, aber aus ganz anderen Gründen, „Hast du eine Ahnung, wer dieses Jahr Quidditch-Kapitän geworden ist?"
„Oh... ja", stammelte Harry und wurde leicht rot, „Ähm... ich bin es wohl."
„Cool", staunte Katie grinsend, „Dieses Jahr holen wir uns wieder den Pokal, oder?"
„Klar doch", versprach Harry, aber er klang nicht ganz so sicher.
„Wir sehen uns beim Festessen", verabschiedete sich Tia von ihm und zusammen mit Leanne und Katie quetschte sie sich durch die Schülermenge zu ihrem Abteil und sie nahmen darin Platz.
Tia ergatterte einen Fensterplatz und nachdem sie ihr Gepäck verstaut hatte, ließ sie sich in den eher unbequemen Sitz sinken und legte ihre Arme auf sie Armlehnen, als ihre Finger einen kleinen Kratzer erspürten.
Sie sah verwirrt auf die Armlehne und war überrascht, als sie dort ihren Namen stehen sah. In ihrem ersten Jahr hatte sie, indem sie ihren Namen auf den Sitz geschrieben hatte, erfolgreich Fred und George aus ihrem Abteil vertrieben. Seitdem hatte sich viel verändert. Nicht nur war sie mittlerweile Siebtklässlerin, sondern sie war auch noch mit George zusammen – einem der Jungen, die sie damals aus ihrem Abteil geworfen hatte.
„Ist schon seltsam, oder?", fragte Katie und blickte nachdenklich aus dem Fenster, als der Zug sich schon zu bewegen begann, „Es ist das letzte Mal, dass wir im September nach Hogwarts fahren. Nächstes Jahr zu dieser Zeit werden wir gar keine Hogwartsschüler mehr sein."
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, nicht mehr nach Hogwarts zu gehen", gestand Leanne nervös lachend, „Ich meine... vermutlich werde ich die ersten Monate einfach nur einen Nervenzusammenbruch haben – ich bin noch nicht bereit für das Arbeitsleben."
„Arbeiten", wiederholte Katie, als wäre es ein Fremdwort, „Bisher ist das alles so weit weg gewesen, aber jetzt... Ich kann mir das gar nicht vorstellen."
„Ich auch nicht", gab Tia zu, „Wird seltsam sein, nicht mehr mit euch beiden zusammen in einem Turm zu schlafen."
„Wenigstens müssen wir dann nicht mehr Leannes Geschnarche überleben", grinste Katie und Leanne schlug ihr empört auf die Schulter.
„Ich schnarche nicht – ich trainiere meine Stimme!", widersprach Leanne stolz, „Und wenigstens rede ich nicht im Schlaf."
„Das ist einmal gewesen!"
Während Katie und Leanne weiterstritten, driftete Tias Gedanken woanders hin. Sieben Jahre – so lange war es wohl schon her, dass sie erfahren hatte, dass sie eine Hexe war. Sieben Jahre war es her, seit sie das erste Mal in den Hogwarts-Express gestiegen war. Sie hatte Katie und Leanne kennengelernt, Fred und George und irgendwie auch ihren Vater, Remus.
Es kam ihr alles so weit entfernt vor, aber gleichzeitig auch nicht. Es war Alltag geworden, Zauberei war Alltag, ihre Freundinnen waren Alltag. Hogwarts war Alltag. Aber das hier war ihr letztes Jahr und sie wusste nicht einmal wirklich, was sie danach machen wollte.
Die Zugfahrt kam Tia viel kürzer vor, als sonst und sie stieg beinahe schon enttäuscht aus, obwohl ihr Magen vor Hunger schon knurrte und sie sich auf das Festessen freute.
Zusammen mit Katie und Leanne fuhr sie mit den Kutschen hoch zu Hogwarts und sie gingen das letzte Stück zu Fuß, aber es staute sich ein wenig.
„Was ist hier los?", fragte Katie genervt und sie streckte sich, um eventuell zu sehen, warum sie nur so langsam zu den Toren kamen, „Bisher haben doch auch immer alle Schüler durch die Tür gepasst – sag bloß, es ist endlich jemand steckengeblieben."
„Das wäre ein wirklich... amüsanter Anblick", bemerkte Tia lächelnd.
Leanne seufzte. Sie versuchte nicht einmal, über die Schülermenge hinweg zu blicken. Sie war, obwohl sie nun in der siebten Klasse war, noch immer nicht sonderlich größer geworden. Vermutlich wären ihr ihre Umhänge aus der ersten Klasse nur um wenige Zentimeter zu kurz und vermutlich würde sie auch nie größer werden. Das war eben Leanne.
„Filch kontrolliert alle mit einem seltsamen Gerät", erzählte Ginny, aber sie wirkte selbst verwirrt, „Ich glaube, er sucht Schwarzmagische Gegenstände."
„Das ist dämlich", schnaubte Katie, „wer ist denn doof genug, so etwas nach Hogwarts schmuggeln zu wollen?"
Sie sagten aber nichts mehr, als tatsächlich ein Schüler erwischt wurde, wie er einen Schrumpfkopf hineinbringen wollte und ließen die Prozedur stumm über sich ergehen.
„Mit wem werde ich die traditionellen Wettessen ausliefern, wenn wir nicht mehr in Hogwarts sind?", fragte Leanne, die sich auf die Bank gelegt hatte, sodass ihre Füße auf der Bank lagen und ihr Kopf auf Tias Schoß und sie rieb sich ihren schmerzenden Bauch, der bestimmt voll mit Schokoladentorte war.
„Du könntest ja immer zum Tee kommen", schlug Tia vor, „Wer sagt denn, dass Hogwarts der einzige Ort ist, an dem es Schokokuchen gibt?"
„Aber es ist nicht dasselbe, wenn keine tosende Schülermenge um einen herum ist", jammerte Leanne, „Ich glaube, ich bleibe einfach noch ein oder zwei Jahre länger."
„Ganz allein?", fragte Katie und zog eine Augenbraue hoch, „Ohne Tia und mich?"
„Euch zwinge ich einfach, auch hier zu bleiben", bestimmte Leanne, „Mir fällt bestimmt etwas ein."
„Sollte ich mir Sorgen machen?", fragte Katie leicht beunruhigt und sah fragend zu Tia, die nur mit den Schultern zuckte.
Genau da verschwanden die Gerichte von den Tischen und Dumbledore stand auf, um seine jährliche Rede zu halten. Leanne setzte sich dafür sogar stöhnend auf, lehnte sich aber noch übertrieben hilfesuchend an Tia, die das nicht störte.
„Den schönsten aller Abende wünsche ich euch!", begann Dumbledore feierlich und lächelte breit. Er breitete seine Arme weit aus, als würde er alle gleichzeitig umarmen wollen und Tia fiel, wie vielen anderen auch auf, dass eine seiner Hände seltsam schwarz war. Tia war zwar nicht sonderlich gut in Magie, aber ihr fiel ein, dass auch Agnes Tripe seltsame, schwarze Narben am rechten Arm hatte. Diese waren von einem schwarzmagischen Fluch, wie Tia erfahren hatte – war da etwas Ähnliches mit Dumbledore passiert?
„Kein Grund zur Sorge", beruhigte Dumbledore die Schüler, als er wohl bemerkte, dass alle auf seine Hand starrten und leise tuschelten, „Nun... An unsere neuen Schüler – willkommen! An unsere alten Schüler – willkommen zurück! Ein weiteres Jahr ganz der magischen Ausbildung gewidmet, erwartet euch. Wie jedes Jahr darf ich unsere Erstklässler daran erinnern, dass der Wald auf dem Schulgelände für Schüler verboten ist – ja, auch für die älteren gilt das noch immer. Mr Filch hat mir auch zum vierhundertdreiundsechzigsten die Liste für verbotene Gegenstände zukommen lassen. Mr Filch, unser Hausmeister hat mich gebeten, euch auch zu sagen, dass Scherzartikel, die in einem Laden namens Weasleys Zauberhafte Zauberscherze gekauft wurden, ausnahmslos verboten sind."
„Schade", schnaubte Katie sarkastisch, „Jetzt werde ich wohl meinen Zuckerring abgeben müssen – schade."
„Tia muss einen ganzen Haufen an Sachen besitzen", Leanne stupste ihr in die Seite, „Wo versteckst du sie?"
„Nirgends", gestand Tia entspannt, „Alles, was ich brauen könnte, könnte ich auch selbst machen."
„Die Schüler, die für ihre Quidditch-Hausmannschaft spielen möchten, sollten wie üblich ihre Namen bei den Hauslehrern hinterlassen. Wir suchen auch neue Quidditch-Stadionsprecher, die dies ebenfalls tun sollten", fuhr Dumbledore fort.
„Tia, warum machst du das nicht?", schlug Leanne vor.
„Machst du Witze?", Tia war ernsthaft amüsiert, „Ich habe keine Ahnung von Quidditch – ich sehe zwar bei jedem Training von Katie zu, aber ich habe das Prinzip noch immer nicht verstanden."
„Wir freuen uns, dieses Jahr ein neues Mitglied des Lehrerkollegiums begrüßen zu dürfen", stellte Dumbledore vor, „Professor Slughorn!"
Slughorn war ein dicker Mann mit einem seltsamen Schnurrbart und Tia war sich nicht sicher, was sie von ihm halten sollte.
„Professor Slughorn ist ein ehemaliger Kollege von mir, der sich bereit erklärt hat, seinen alten Posten als Lehrer für Zaubertränke wieder einzunehmen."
„Was?", rief Tia erschrocken auf und auch andere schienen davon überrascht.
„Ich hoffe, er ist mindestens genauso kompetent, wie Snape", hoffte Tia ernsthaft.
„Professor Snape indes", fuhr Dumbledore fort, „wird der neue Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Was?", nun war es Leanne, die erschrocken aufschrie. Sie hatte sich noch nie sonderlich gut mit Snape verstanden. „Und ich habe gedacht, ich wäre ihn los! Wie soll ich dieses Jahr überleben?"
Es dauerte einige Zeit, bis es in der Großen Halle wieder still war und Dumbledore fortfahren konnte: „Nun, wie alle in dieser Halle wissen, sind Lord Voldemort und seine Anhänger erneut auf freiem Fuß und gewinnen immer mehr Macht."
Sofort veränderte sich die Stimmung spürbar.
„Ich kann nicht nachdrücklich genug betonen, wie gefährlich die gegenwärtige Lage ist und wie sehr sich jeder von uns in Hogwarts darum bemühen muss, alles dafür zu tun, dass wir sicher bleiben. Die magischen Befestigungsanlagen des Schlosses werden den Sommer über verstärkt, wie sind durch moderne und noch wirkungsvollere Mittel geschützt, und dennoch müssen wir uns gewissenhaft vor möglicher Fahrlässigkeit eines jeden Schülers oder Mitglieds des Kollegiums in Acht nehmen. Ich bitte euch deshalb dringend, jegliche Einschränkung aus Sicherheitsgründen zu beachten, die eure Lehrer euch möglicherweise auferlegen, egal wie lästig ihr sie auch finden mögt – insbesondere die Regel, dass ihr während der Nachtruhe außerhalb eurer Betten nicht zu suchen habt. Ich bitte euch inständig, falls ihr etwas Merkwürdiges oder Verdächtiges innerhalb oder außerhalb des Schlosses bemerken solltet, meldet dies sofort einem Mitglied des Kollegiums. Ich vertraue darauf, dass ihr euch zu jedem Zeitpunkt mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf eure eigene Sicherheit und die aller anderen verhaltet."
„Du wirst deine vollmöndlichen Ausflüge nicht absagen, oder?", fragte Katie teils amüsiert teils besorgt um Tia, die den Kopf schüttelte und unschuldig lächelte.
„Doch nun", beendete Dumbledore seine Rede, „warten eure Betten auf euch, so warm und bequem, wie ihr es euch nur wünschen könnt, und ich weiß, dass euch nichts so wichtig ist, wie gut ausgeruht zu sein für den morgigen Unterricht. Deshalb sagen wir gute Nacht. Tschau, tschau!"
Die drei Freundinnen standen vom Tisch auf und beeilten sich, aus der Großen Halle zu kommen, bevor die Türen von Schülern verstopft wurden und sie hätten warten müssen.
Als sie zusammen hoch in ihren Schlafsaal gingen, fielen allen sofort die Veränderungen auf.
Es fehlte ein Bett.
„Sie hat es wirklich durchgezogen", bemerkte Leanne leise, „Vicky ist wirklich nicht mehr hier?"
„Wird seltsam werden", murmelte Katie.
„Nein", schnaubte Leanne, „Ich werde sie nicht vermissen."
„Ich auch nicht", Katie warf sich auf das Bett, das schon seit sieben Jahren ihres war, „Und ich hoffe, wir sehen sie nie wieder."
Tia sprach es zwar nicht laut aus, aber sie hoffte das ebenfalls.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top