112. Kapitel
Tias siebzehnter Geburtstag war anders als alle anderen zuvor.
Sie schlief für ihre Verhältnisse aus und tapste noch im Pyjama in die Küche, um zu frühstücken.
„Alles Gute, Tia", wünschte Remus ihr, noch bevor sie richtig die Küche betreten hatte – vermutlich hatte er sie schon kommen hören.
Carla sah ebenfalls von ihrem Buch auf und setzte ihre Lesebrille ab, um ihre Enkelin mit einer Umarmung zu begrüßen.
„Siebzehn, querida", seufzte sie, „Wie schnell die Zeit doch vergeht. Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als du hier herumgekrabbelt bist."
Nachdem Carla sie losgelassen hatte, wartete schon Remus auf seine Umarmung.
„Fühlst du dich schon alt?", fragte Tia ihn grinsend und Remus zerzauste ihr liebevoll die Haare.
„Alt genug", gab er zu, „Siebzehn... jetzt bist du wohl volljährig..."
„Setz dich und trink deinen Kakao", wies Carla sie an, „Und heute Mittag gibt es Paella."
„George wollte zum Tee vorbeikommen", Remus verzog unzufrieden das Gesicht, „Carla hat ihn eingeladen."
„Der Junge will nur mit seiner Freundin ihren Geburtstag feiern", erinnerte Carla ihn streng.
„Und am Wochenende sind wir bei Molly zum Abendessen eingeladen", erinnerte sich Remus, „Du sollst mitkommen, hat sie gesagt."
„Wirklich?", Tia war noch nicht ganz gewohnt, dass Mrs Weasley sie normal behandelte, aber so wie es aussah, sollte sie sich wohl lieber gewöhnen.
„Wahrscheinlich ist Harry da auch schon dort", überlegte Remus, „Er wollte irgendwann dort ankommen, hat Dumbledore erzählt."
Beim Mittagessen bei den Fuegos saßen Carla, Remus und Tia an einem Tisch und genossen die Paella und Tia dachte sich, dass es schon lange nicht mehr so idyllisch bei ihnen gewesen war. Allein durch die Tatsache, dass ihr Vater und ihre Großmutter da waren, war es schon ein wundervoller Geburtstag, wie sie fand.
Als George am Nachmittag an der Tür klingelte, rannte Tia zur Tür, aber Remus überholte sie von rechts. Kichernd versuchte Tia ihn aufzuhalten, indem sie sich vor ihn stellte, aber Remus sprang an ihr vorbei. Also zog Tia härtere Geschütze auf und sprang auf seinen Rücken und das lenkte Remus tatsächlich ab.
„Woah!", rief er aus und taumelte zur Seite, aber Tia ließ ihn nicht los.
„Ich werde ihm die Tür öffnen", bestimmte Tia.
„Nein", schnaubte Remus und versuchte sie abzuschütteln, „Ich bin dein Vater – es ist meine Pflicht, die Tür zu öffnen und ihn einzuschüchtern!"
„Kinder", schnaubte Carla unbeeindruckt und ging an den beiden seelenruhig vorbei. Sie öffnete die Tür für einen verwunderten George, der den Lärm von drinnen gehört hatte und nun auch Remus und Tia sah, die miteinander um die Tür gerauft hatten.
Tia räusperte sich und sprang vom Rücken ihres Vater, warf ihm noch einen letzten warnenden Blick zu, bevor sie zur Tür ging, als wäre nichts passiert.
„George!", rief sie glücklich und umarmte ihn schnell, „Komm doch rein – es gibt Schokoladenkuchen!"
„Natürlich gibt es das", lächelte George und ließ sich von seiner Freundin nach drinnen ziehen. Als er an Remus vorbeikam, lächelte er freundlich, aber Remus sah ihn nur warnend an. George schluckte schwer und beschloss, Remus lieber aus dem Weg zu gehen.
„Alles Gute, Tia", wünschte George ihr und sah sich neugierig in der Wohnung um. Sie war aufgeräumt, aber nicht perfekt sauber. An den Wänden hingen Zeichnungen und Malereien, die wohl alle von Tia zu stammen schienen – alle aus verschiedenen Jahren, wie immer eine kleine Signatur am unteren Eck kennzeichnete. Tia schien schon sehr früh mit dem Zeichnen begonnen zu haben, denn die frühesten Daten, die George entdecken konnte, waren von vor fünfzehn Jahren.
Tia führte ihn in die Küche an den kleinen Tisch. Carla und Tia waren lange Zeit allein zusammen in dem Haus gewesen, also hatten sie nie einen so großen Küchentisch gebraucht, wie die Weasleys. Es reichte aber für die vier, die im Haus waren und vermutlich hätten noch zwei oder drei weitere Stühle Platz, wenn sie zusammenrutschen würden.
Auch in der Küche hingen Bilder und irgendwie fühlte George sich wohl so umgeben von Tias Zeichnungen.
„Du solltest mir auch einmal etwas zeichnen", bemerkte George an sie gewandt, „Mir ist aufgefallen, ich habe noch gar nichts von dir."
„Oh, sie hat aber eine Menge Zeichnungen von dir", bemerkte Carla, während sie Wasser für Tee auf den Herd stellte und Tia wurde knallrot.
„Abuelita!", rief sie empört und die beiden begannen schnell auf Spanisch zu sprechen, sodass selbst Remus keine Chance mehr hatte, mitzukommen und irgendetwas zu verstehen.
„Und ich sollte wohl Spanisch lernen", meinte George leise, aber Remus hatte ihn trotzdem gehört und sah ihn teils misstrauisch teils verwundert an.
„Was ist? Hab ich etwas Falsches gesagt?", fragte George verstört und hob abwehrend die Hände.
„Nein, nein", Remus schüttelte verwundert den Kopf, „Es ist nur... warum willst du plötzlich Spanisch lernen?"
„Warum nicht? Es ist Tias Muttersprache und sie redet oft genug in Spanisch", George zuckte mit den Schultern, „Ein paar Wörter greife ich hin und wieder auf, also dürfte es nicht so schwer werden, wenn sie öfter Spanisch mit mir sprechen würde."
„George, willst du Tee?", fragte Carla höflich, die nichts von Remus' und seinem Gespräch mitbekommen hatte, genauso wenig wie Tia, die noch immer knallrot im Gesicht war, aber George legte lächelnd eine Hand auf die ihre, sodass sie noch roter im Gesicht wurde.
„Natürlich, Carla", George hielt ihr seine Tasse hin und sie schenkte ihm ein. George bedankte sich höflich.
„Schleimer", murmelte Remus leise und George grinste ihn wissend an. „Nun, Remus, das ist ein wirklich schöner Umhang, den du da trägst!"
„Der ist älter, als du, Weasley", bemerkte Remus unbeeindruckt.
„Und Remus ist schon sehr alt", meinte Carla und schenkte auch Remus Tee ein, „Immerhin ist seine Tochterjetzt schon siebzehn!"
„Danke, dass du mich daran erinnerst", murmelte Remus seufzend.
„Abuelita, ich glaube, er meint das sarkastisch", riet Tia ihrer Großmutter nachdenklich, aber sie lächelte stolz.
„Wann kommt ihr eigentlich in die Winkelgasse?", fragte George und wechselte damit das Thema, „Ich will dir einmal den Laden zeigen, Tia."
„Es sind noch nicht einmal die Hogwarts-Briefe gekommen, George", bemerkte Carla, „Aber warum bringst du sie nicht heute Abend dorthin?"
„Was?", fragte Remus sofort, aber er war der einzige, der nicht sonderlich begeistert von dieser Idee war.
„Klar, warum nicht?", George zuckte mit den Schultern und sah sich zu Tia um, um zu sehen, ob sie auch mit dieser Idee einverstanden war, aber diese grinste nur breit und nickte enthusiastisch.
„Klar", grinste das Mädchen, „Danke, abuelita."
„Bedank dich nicht, querida", winkte Carla schnaubend ab, „Du bist eine siebzehnjährige Hexe und damit volljährig. Mach, was du willst – werde nur nicht schwanger... das habe ich schon bei meiner Tochter hinter mir."
Remus verschluckte sich und begann zu husten und auch Tia und George wurden knallrot im Gesicht bis zum Hals.
„Äh...", stammelte George, „Okay... ich werde diese... Anweisung befolgen."
„Das rate ich dir", drohte Remus ihm finster aussehend.
„Aha, Remus", Carla sah weniger begeistert aus, „Darf ich dich daran erinnern, wer meine sechzehnjährige Tochter –"
„Das ist nicht so wichtig", unterbrach Remus sie eilig und wurde ebenfalls rot, „Hier geht es um meine Tochter und ich rate dir, Weasley –"
„Nachricht angekommen", versicherte George ihm grinsend und hob abwehrend die Hände, „Aber... wenn Tia jetzt tun und lassen darf, was sie will... dann... es könnte spät werden, vielleicht sollte ich sie morgen Vormittag wieder zurückbringen?"
„Ich habe dich gewarnt, Weasley – langsam gehst du einen Schritt zu weit", knurrte Remus drohend, aber Tia zuckte gleichgültig mit den Schultern, „Ja, warum nicht?"
„Perfekt", grinste George breit und vermied Augenkontakt mit Remus zu halten, „Dann bringe ich sie morgen zum Mittagessen vorbei?"
„Du weißt, dass ich jetzt volljährig bin?", fragte Tia und hob eine Augenbraue.
„Hast du deine Apparier-Prüfung schon gemacht?!", konterte George und Tia sah ihn unbeeindruckt an, bevor sie seufzte und den Kopf schüttelte.
„Die mach ich erst übermorgen", gestand sie, „Aber ich könnteapparieren."
„Das wissen wir alle", beruhigte George sie und legte einen Arm um ihre Schultern, „Aber wir wollen ja nicht, dass du jetzt schonkriminell wirst."
„Jetzt schon?", wiederholte Remus perplex, „Was willst du damit sagen, Weasley?"
„Das willst du wohl eher nicht wissen, Remmy", grinste George.
„Nenn mich nie wieder Remmy."
„Geht klar, Opa Remus."
„Weasley."
„Ich bin schon still..."
George apparierte mit Tia in der Winkelgasse nicht weit entfernt von dem Laden und sofort bemerkte Tia die Veränderung. Die Winkelgasse war nicht mehr so viel besucht, wie früher und in den Auslagen hingen nicht mehr die Werbungen der Läden und es waren auch keine interessanten Gegenstände mehr ausgestellt. Stattdessen sprang sie erschrocken zurück, als auf einem großen Plakat das Gesicht von Agnolia Tripe ihr entgegengrinste.
Es waren auch große schwarz-weiß Bilder von anderen bekannten Todessern ausgehängt und Merkblätter und Sicherheitsanweisungen vom Ministerium.
„Geht es dir gut?", fragte George sie sanft und legte einen Arm um ihre Taille.
„Ja, ich denke schon", stammelte Tia, „Ich... habe mich nur etwas erschrocken... Ist das hier schon lange so?"
„Seit das Ministerium bekanntgegeben hat, dass Du-weißt-schon-wer wirklich zurück ist, hat sich hier so einiges verändert", gab George zu, „Es ist seltsam... die Leute gehen nicht mehr allein auf die Straße und sie bleiben auch nicht lange."
„Das ist bestimmt nicht so gut für euer Geschäft", vermutete Tia.
„Das Geschäft boomt", winkte George ab, „Jeden Tag ist der Laden voll. Komm mit!"
Er führte sie das Stückchen Straße hinunter und sie bogen einmal ab und sofort sah Tia den Laden, immerhin stach er wirklich aus den anderen trostlosen Läden heraus.
Gegenstände waren nicht von Plakaten verdeckt, sondern es wurden allerlei bunter Sachen in der Auslade ausgestellt und dahinter schien sich alles zu drehen und zu blinken. Es zog die Blicke regelrecht auf sich.
„Woah", staunte Tia grinsend.
„Gefällt es dir?", fragte George stolz, „Dann solltest du erst einmal das innere sehen!"
George hielt ihr die Tür auf und Tia trat ein, wich aber sofort wieder einen Schritt zurück, als sie von der Menge an Menschen überrascht wurde.
Es war ziemlich laut, viele Gerüche strömten alle auf einmal auf Tia ein und es waren so viele Menschen im Laden, dass man nicht einmal wirklich zu den Regalen kommen konnte.
„Es ist immer ein bisschen voll", bemerkte George, als er sah, wie seine Freundin stockte und er legte seinen Arm wieder um sie, „Eigentlich schließen wir in einer halben Stunde, aber meistens müssen wir die letzten noch hinaustreten, damit es hier ruhig wird. Manche würden wahrscheinlich die ganze Nacht bleiben."
Tia sah sich etwas verschreckt um. „Es ist nur ein bisschen laut", bemerkte sie.
„Das können wir ändern", George trat den letzten Schritt in den Laden und schrie laut: „Hey! Seid doch einmal leiser!"
Sofort verstummten viele und auf einen Schlag wurde es leise.
„Das hättest du nicht tun müssen." Tia war knallrot im Gesicht und sah die Leute entschuldigend an, die fragend zu ihnen blickten.
„Ach, alles für dich, Darling", winkte George grinsend ab, „Außerdem wird es sogar mir manchmal zu laut hier."
„Aber das ist ein Scherzartikelladen", argumentierte Tia, „Du kannst den Leuten nicht verbieten, Spaß zu haben. Ihr könnt ruhig wieder sprechen!"
Zum Glück wandten sich die Leute wieder von ihnen ab und begannen wieder das zu tun, was sie getan hatten und es wurde langsam wieder lauter, aber Tia beschloss, das zu ignorieren.
„Dann zeig ich dir auch noch den Rest des Ladens", beschloss George und schob Tia weiter hinein, „Ich meine, die Tür ist allein schon ziemlich eindrucksvoll, aber dann hast du den Rest noch nicht gesehen."
Tia erkannte einige Produkte wieder, die auf den Regalen lagen, immerhin hatte sie bei manchen sogar mitgeholfen.
„Hier, schau mal", George führte sie durch die Menschenmasse, die sich vor ihm etwas zu teilen schien und führte sie zu einem Regal, bei dem die Farbe rosa überwog, „Hier sind unsere Wunder-Hexe-Produkte – alles, was eine Hexe braucht."
„Liebestränke?", fragte Tia und hob eine Augenbraue, als sie die Fläschchen sah, „Brauche ich so etwas?"
„Ganz bestimmt nicht", George grinste sie vielsagend an, „Aber hier – schau mal."
Er hielt ihr eine kleine, rosa Tube hin.
Tia hielt sie direkt vor ihre Nase, um die Schrift auch ohne ihre Brille lesen zu können, aber George übernahm das für sie: „Zehn-Sekunden-Pustel-Entferner – erinnerst du dich?"
„Habe ich das nicht zusammengemischt, um eure Furunkel auf euren –"
„Jaah, genau!", unterbrach George sie, „Und hier –"
Er zeigte ihr die Rückseite, auf dem die Anwendung beschrieben war, soweit Tia sich das zusammenreimen konnte und ganz unten war noch etwas, dass sie selbst ohne ihre Brille lesen konnte.
Es war ihre eigene Unterschrift – dieses Schriftbild erkannte sie sogar ohne Brille.
„Ist das... meine Unterschrift?", fragte Tia verwirrt.
„Ganz genau, Darling!", bestätigte George stolz, „Ich habe sie von einem Brief von dir – auf allen Produkten, bei denen du mitgeholfen hast, wirst du sie finden. Immerhin hast du mitgeholfen und wir wollten das auch jeden zeigen, der das kauft."
„Das hättet ihr doch nicht tun müssen", Tia wurde rot, aber sie fühlte sich auch ziemlich überwältigt, dass George und Fred das getan hatten, „Ich habe es doch gerne getan."
„Und wir haben nur allzu gerne deinen Namen auf unseren Produkten geschrieben", bemerkte George, „Das ist immerhin so etwas wie ein Gütesiegel – wenn Tia mitgearbeitet hat, kann es doch nicht schiefgehen, oder?"
„Das ist unglaublich", Tia lächelte breit und untersuchte ihre Unterschrift, „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll."
„Tia!", der zweite Zwilling hatte sie erblickt und kämpfte sich durch die Menschenmassen zu ihnen, „Ich habe gar nicht gewusst, dass mein lieber Bruderherz dich mitbringt – dann hätten wir etwas aufgeräumt."
„Es ist eine ziemlich spontane Entscheidung gewesen", gab George zu.
„Ich glaube, George wollte nur vor Remus flüchten, bevor er seinen Kopf abreißt", vermutete Tia und George sah seine Freundin empört an.
„Tia!", rief er aus, „Wie kannst du mich nur so verraten?"
Tia zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, ich werde es überleben."
„Und? Wie gefällt es dir?", fragte Fred und legte freundschaftlich einen Arm um Tia, „Schau dich um, Tia – ungefähr sieben Prozent hier haben wir dir zu verdanken?"
„Sieben Prozent?", wiederholte Tia mit hochgezogener Augenbraue und hielt einen Liebestrank hoch, auf dem ebenfalls ihr Name stand, bevor sie ihn wieder abstellte, scheinbar willkürlich zum nächsten Produkt griff und auch diesen Fred entgegenhielt – auch da stand ihr Name.
„Okay, machen wir acht Prozent daraus", gab Fred nach und Tia lächelte zufrieden, „Wir sollten den Laden langsam schließen."
„Klar", George sah sich um, als würde er überlegen, wie sie es an diesem Tag am besten machen würden, „Ich wäre für Plan G oder T."
George und Fred tauschten Blicke aus, bevor Fred laut rief: „Okay, Leue! Wir schließen für heute, kommt morgen wieder! Wer nicht innerhalb von fünfzehn Sekunden aus dem Laden ist, wird von uns persönlich mit einem Wasserstrahl-Zauber hinausgebracht!"
Das ließen sich die Kunden nicht zweimal sagen und schneller, als Tia es sich hätte vorstellen können, leerte sich der Laden und es wurde leise.
„Perfekt", grinste George, „Plan T – der funktioniert immer."
„Was wäre Plan G?", fragte Tia neugierig.
„Jemand schreit Feuer und wir schauen dabei zu, wie die Leute in Panik hinausrennen", erklärte Fred entspannt.
„Ein Klassiker."
„Dann beginnen wir erst einmal mit dem Aufräumen", beschloss Fred.
„Ich kann euch helfen", meinte Tia stolz und hob eine Schachtel mit Kotzpastillen auf, die nicht dort war, wo sie hingehörte, aber die Zwillinge zogen nur ihre Zauberstäbe.
„Keine Sorge, Tia, das haben wir gleich", winkte George ab und zusammen schwangen sie ihre Zauberstäbe durch die Luft und alles kam an seinen rechtmäßigen Platz zurück. Müll hob sich selbst auf und wurde in die Mülltonne geworfen, Produkte flogen durch die Luft und die Kassa klimperte, als die Galleonen, Sickel und Knuts herausschossen und sich selbst in einen Safe sperrten.
„Oh", machte Tia etwas enttäuscht, legte aber die Packung Kotzpastillen doch an ihren Platz – wenigstens hatte sie es versucht.
„Dann machen wir den Laden erst einmal dicht", beschloss Fred und zog seine magentafarbene Jacke aus.
„Gefällt dir unsere Uniform?", fragte George grinsend, als er Tias Blick sah, „Die Farbe haben wir selbst gewählt."
„Die Farbe ist ja ganz hübsch, aber zusammen mit eurer Haarfarbe möchte man sich am liebsten die Augen auskratzen, wenn man euch sieht", gestand sie so ernsthaft, dass Fred erschrocken zurückwich.
„Tia, das schmerzt im Herzen", keuchte George und griff sich dramatisch ans Herz.
„Ich glaube, ich werdet es überleben", winkte Tia ab, „Warum genau diese Farbe?"
„Damit Leute sich die Augen auskratzen wollen, wenn sie uns sehen", bemerkte Fred grinsend.
„Warum zeigen wir dir nicht erst einmal unsere Wohnung", schlug George vor.
„Entschuldige die Unordnung – wir haben keinen Besuch erwartet", fügte Fred hinzu.
„Ich bin mir sicher, ich werde es überleben", winkte Tia ab.
„Wir sind beide keine sonderlich ordentlichen Gesellen", gestand Fred.
„Das weiß ich", versicherte Tia ihnen, „Ich kenne euch jetzt schon ein paar Jahre lang."
Zu dritt verließen sie den Laden, nur um an einer Treppe an der Seite des Hauses nach oben zu ihrer Wohnung zu gelangen.
Die Zwillinge lösten einige Zauber, die die Tür bewachten und George öffnete die Tür, nur um einen Schritt zur Seite zu treten, um Tia die Tür aufzuhalten.
Die Wohnung war nicht sonderlich groß, aber sie reichte auf jeden Fall für die Zwillinge. Ein kurzer Gang, in dem schon die ersten Kisten standen führte in ein offenes Wohnzimmer mit einem Sofa und einigen Bücherregalen. Durch eine Tür auf der Seite kam man in eine kleine, unaufgeräumte Küche und das Geschirr stapelte sich dort – wahrscheinlich waren die Zwillinge sich nie einig, wer mit dem Abwasch an der Reihe war.
„Willkommen in unserem bescheidenen Heim", Fred quetschte sich an ihr vorbei, „Stolper nicht über die Kisten – da drin sind Sachen, die lieber nicht explodieren sollten."
„Ich werde darauf achten", meinte Tia heiter und sprang sorglos über so eine Schachtel.
George zeigte Tia auch noch die anderen Zimmer – Fred und er hatten tatsächlich getrennte Zimmer, aber sie hatten erzählt, dass sie erstaunlich selten wirklich in den Betten schliefen, sondern meistens bei der Arbeit auf dem Sofa oder am Küchentisch einschliefen.
Später half Tia George noch beim Abendessen, nachdem George derjenige war, der mehr vom Kochen verstand, als Fred und sie saßen zusammen am Esstisch in der Küche.
„Es ist seltsam, durch die Winkelgasse zu gehen", erzählte George, „meistens apparieren wir so nah wie möglich an den Laden heran."
„Neulich wollte mir ein Typ ein Parfüm verkaufen, das Werwölfe abhält", schnaubte Fred und stocherte in seinem Essen herum.
„Ich wollte Fred so eines kaufen", grinste George, „Aber ich glaube, er hätte lieber, dass sich ein gewisser Werwolf an seinen Half wirft."
„Halt die Klappe, George", schnaubte Fred und wurde rot.
„Wie geht es Agnes eigentlich?", fragte Tia, „Remus erzählt nichts von ihr."
„Wir wissen kaum etwas", seufzte Fred und legte sein Besteck hin, als wäre ihm plötzlich der Appetit vergangen, „Alles was wir wissen, ist, dass sie für den Orden bei einem Werwolfsrudel lebt."
„Ihr habt es also herausgefunden?", fragte Tia überrascht, „Hat lange genug gebraucht."
„Dass Agnes ein Werwolf ist?", schnaubte Fred, „Ja, das wissen wir. Sie hat es mir erzählt, als ich sie das letzte Mal gesehen hab. Und plötzlich macht alles einen Sinn."
„Um ehrlich zu sein, wir hätten es schon früher herausfinden können", gestand George.
„Wahrscheinlich wolltet ihr es einfach nicht sehen", vermutete Tia, „Manchmal ignoriert man lieber, wenn es geliebten Leuten nicht gut geht – besonders dann, wenn man ihnen nicht helfen kann."
„Aber du hast es früh herausgefunden, oder?", fragte Fred und lehnte sich etwas vor, „Wie?"
„Nun, ich habe es gerochen, um ehrlich zu sein", erzählte Tia, „Der Moment, an dem sie die Küche betreten hat, habe ich es gewusst. Außerdem ist Remus mein Vater – ich glaube, ich hätte die Zeichen so oder so erkannt."
„Sie hat ein ganzes Jahr lang mit ihrem Zustand allein leben müssen", seufzte Fred, „Ich wünschte, sie hätte es mir erzählt, dann hätte ich ihr helfen können."
„Ich glaube nicht, dass Agnes es gerne herumerzählt", gestand Tia, „Sie hätte es vermutlich niemanden erzählt, also nimm es nicht so persönlich. Und sie ist auch nicht allein gewesen – sie hat Remus gehabt und andere vom Orden – sie hat sie immer noch."
„Was glaubst du, wie lange wird sie noch dort bleiben?", fragte Fred und er schaute in die Ferne, als er wäre er nicht in der Küche ihrer Wohnung, sondern ganz woanders.
„Keine Ahnung", sagte Tia ehrlich, „Solange, wie sie kann. Aber ich bin mir sicher, es geht ihr gut. Immerhin ist sie Agnes – ich glaube, sie schafft alles."
„Ich hoffe, sie kommt bald zurück", gestand Fred, „Ich vermisse sie."
„Sie wird so bald wie möglich zurückkommen", beruhigte Tia ihn sanft, „Ich glaube, sie vermisst dich genauso sehr."
Fred fand sich später allein in seinem Zimmer wieder und unter seinem Bett holte er eine kleine Box hervor. George und Tia hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht und er suchte Ruhe in der Einsamkeit.
Er öffnete den Deckel der Schachtel und holte einige Schriftrollen hervor. Immer dann, wenn Fred nicht gerade arbeitete, war all seine Konzentration bei einem anderen Thema. Er hatte verschiedene Bücher dazu gelesen, hatte verschiedene Meinungen gehört und schrieb alles zusammen, was er über Werwölfe erfuhr. Aber bisher war er noch nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Er suchte nach einer Heilung, obwohl er ganz genau wusste, dass es keine gab, aber er hoffte. Denn Agnes hatte Schmerzen und sie hasste, was sie geworden war, aber Fred konnte nichts dagegen tun.
Er konnte nur zusehen und hoffen, dass es ihr gutging.
Plötzlich bemerkte er, dass es leise geworden war. Er hörte George und Tia nicht mehr leise miteinander sprechen und vorsichtig schob er die Box zurück unter sein Bett und zückte seinen Zauberstab.
Leise schlich er aus seinem Zimmer und in das Wohnzimmer, aber er entspannte sich, als er sah, dass die beiden nur Arm in Arm eingeschlafen waren.
„Die beiden sind schon niedlich", seufzte Fred und holte mit einem Zauber eine Decke aus Georges Zimmer, die er über den beiden ausbreitete.
„Gute Nacht, ihr beiden", Fred lächelte leicht, bevor er die Lichter löschte und selbst zurück in sein Zimmer ging, um zu schlafen.
Und obwohl Fred sein Leben lang – ja, sogar schon im Mutterleib niemals allein gewesen war, so fühlte er sich in diesem Moment so schrecklich allein und er schlief mit den Gedanken bei Agnes ein.
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