11. Kapitel

„Leute, ich werde euch vermissen."

„Es ist ja nicht für immer, Leanne", seufzte Katie, „Wir sehen uns im Neuen Jahr wieder!"

„Ich wünschte euch trotzdem schöne Weihnachten!", Leanne sprang hinter Katie und Tia hervor und riss die beiden beinahe zu Boden, aber Tia hielt mehr oder weniger allein das Gewicht von ihnen allen.

„Oh du meine Güte, Leanne, was hast du heute alles zum Frühstück gegessen? Du bist so schwer!", keuchte Katie.

„Willst du damit sagen, dass ich fett bin?", fragte Leanne scherzhalber und alle drei Mädchen begannen zu lachen.

„Ich werde euch auch alle vermissen", gestand Tia, „Ich hätte nicht gedacht, dass Schule so viel Spaß machen kann, aber ich freue mich auch auf meine abuelita."

„Schreibt mir über die Ferien", verlangte Katie, „Und ich werde euch auch allen schreiben!"

„Mir muss man eben zuerst eine Eule schicken – wir besitzen keine Familieneule, wie ihr", erinnerte Tia sie alle, „Vergesst mich nicht."

„Natürlich nicht, Tara", grinste Leanne, und Tia verzog bei dem Namen das Gesicht, umarmte aber alle ihre Freundinnen noch einmal, als auch schon der Zug zu stehen kam.

Sobald sie aus dem Zug stiegen, trennten sich alle ihre Wege und Tia sah sich mit ihrem Gepäck in der Hand um, aber bisher konnte sie ihre Großmutter nicht entdecken, bis ihr Blick auf sie fiel.

Sie stand im Mittelpunkt, wie immer, wenn sie an öffentlichen Orten war und obwohl sie ein Muggel war, versteckte sie sich nicht, sondern stand mit erhobenem Kopf da und wartete auf ihre Enkelin.

Sobald sie sie erblickte, erhellte sich ihr Gesicht und Carla winkte ihr zu. Sofort warf Tia ihren Freundinnen einen letzten Blick zu, bevor sie zu ihrer Großmutter ging.

Abuelita!", rief sie glücklich und konnte nicht anders, als ihrer Oma um den Hals zu fallen.

Querida", lachte Carla, „Du hast mich wohl genauso vermisst, wie ich dich."

„Natürlich, abuelita", schnaubte Tia empört, „Ich vergesse dich doch nicht, nur weil ich jetzt auf eine Schule gehe."

„Und das ist auch gut so, travieso", es war Jahre her, seit ihre Oma sie eine Unruhestifterin genannt hatte, aber wenn sie doch wüsste, wie zutreffend es mittlerweile war, „Gehen wir schnell – die Leute hier haben alle keinen Stil."

Eine englische Familie, die eindeutig Zauberer waren und wahrscheinlich Reinblüter hatten sie gehört und warfen Carla einen bösen Blick zu, aber die ältere Dame ignorierte das und führte ihre Enkelin vom Bahnhof zu den Parkplätzen, wo ihr Auto stand.

Tia setzte sich auf den Beifahrersitz, wie immer, wenn sie mit ihrer Oma fuhr, die trotz ihres Alters noch immer aktiv hinterm Steuer saß.

Die Fahrt verlief still, nachdem die beiden Fuegos zu dem Stillen Einverständnis gekommen waren, dass Tia alles zu Hause erzählen würde und sobald Tia aus dem Auto stieg, bemerkte sie, wie sehr sie ihr zu Hause vermisst hatte. In London war es kalt, aber sobald sie das Haus betrat, in dem sie und ihre Oma lebten, wurde sie schon von tropischer Wärme begrüßt, nachdem ihre Großmutter es bevorzugte, die Heizung eher ein wenig wärmer einzustellen, wenn es draußen kalt war.

Alles war noch so, wie sie es zurückgelassen hatte, als hätte die Welt außerhalb von Hogwarts nicht weiterexistiert.

An den Wänden hingen Zeichnungen und wenige Malereien, die Tia mit verschiedenen Altern angefertigt hatte. Das erste stammte von einer dreijährigen Tia, die sich und Carla zusammen gezeichnet hatte. Ihre Linien waren damals noch unkoordinierter gewesen und man erkannte gerade so, dass es zwei Männchen darstellen sollte an den Armen und Beinen, aber ansonsten fragte Tia sich häufig, wie sie jemals hatte so zeichnen können.

Die neuesten waren schon besser – eine Zeichnung von ihrer Oma, eine Zeichnung von einer Katze, die Straße, in der sie lebten, aber jetzt, wo Tia sie sich ansah, bemerkte sie, dass sie sich seit September schon wieder verbessert hatte und jetzt kamen ihr diese Zeichnungen wie Amateurzeichnungen vor.

„Setzen wir uns in die Küche", schlug Carla vor, „Ich mache Tee und es gibt Schokolade und dann kannst du mir erst einmal alles erzählen, was du erlebt hast."

Und so geschah es dann auch. Tia erzählte von ihren Freundinnen, die sie gefunden hatte und zeigte Carla anhand ihres Skizzenbuches auch, wie sie aussahen, nachdem sie von beiden genügend Zeichnungen während dem Unterricht angefertigt hatte. Dann erzählte sie von Hogwarts und dem Schloss, den Professoren und sie kam zu den Stunden.

Tia wusste nicht, warum, aber sie war furchtbar schlecht in den meisten Fächern. Sie tat sich schwer, langweiligen Beiträgen zuzuhören, passte nie richtig auf, verpasste wichtige Informationen und das alles führte das in einer Kettenreaktion dazu, dass es ihr selten bis gar nicht gelang, irgendeinen Zauber richtig zu machen.

In Zauberkunst hatten sie gerade einmal damit begonnen, mit L eine Feder zum Schweben zu bringen, aber in der letzten Stunde vor Weihnachten war es jedem gelungen, sie schweben zu lassen, außer ihr. In Kräuterkunde waren ihr schon zwei Pflanzen weggestorben und in den meisten anderen Fächern musste man aufpassen, worin sich Tia furchtbar schwertat. Nur in Zaubertränke hatte sie irgendwie den Bogen raus.

Die einzige Zeit, die sie wirklich genoss, war die Zeit außerhalb der Stunden.

„Oh, querida", seufzte Carla, nachdem Tia ihr erst einmal alles erzählt hatte, „Das sind nur Anfangsschwierigkeiten. Bestimmt wirst du irgendwann merken, dass du dich in Hogwarts wohl fühlst und nicht nur, weil deine Freunde dort sind, weil du dort lernst, du zu sein."

„Ich weiß nicht, abuelita", meinte Tia kleinlaut, „Bis jetzt komme ich mir nicht besonders hexenartig vor."

Travieso, ich habe dabei zugesehen, wie du schon als kleines Kind deine Spielsachen einfach immer Zimmer hast herumfliegen lassen und deine Zeichnungen erwachten zum Leben – wenn das keine Zauberei ist, dann weiß ich auch nicht weiter", schnaubte Carla, „Und schau dir deine Zeichnungen an – du wirst jedes Jahr besser und besser. Bald ist die Realität nicht mehr real genug für deine Zeichnungen."

Carla blätterte nachdenklich durch den Block, als sie auf die Seite mit der Veela stieß, die Tia in der Bibliothek gezeichnet hatte, als sie eigentlich einen Aufsatz hätte schreiben sollen.

„Eine Veela?", wiederholte Carla nachdenklich, „Davon habe ich schon einmal gehört..."

„Eine Veela ist eine wunderschöne Frau, die mit ihrem Aussehen Männer betören kann", erklärte Tia, die das schon mindestens hundert Mal von Professor Nogard gehört hatte, aber ihre Großmutter hörte gar nicht zu, sondern stand auf und ging zu dem Bücherregal im Zimmer nebenan, in dem die Fotoalben standen.

Dort gab es einige Alben von Tia mit Fotos aus ihrer Kindheit, aber Carla bewahrte auch Fotos von ihren Kindern und sich selbst auf, aber auch wenige von ihren eigenen Eltern und Vorfahren, die noch vorhanden waren.

Zielsicher zog sie ein besonders altes Album heraus und ging damit zurück in die Küche und ließ es vor Tia auf den Tisch fallen. Staub wirbelte auf und Tias empfindliche Nase begann sofort zu jucken.

Carla blätterte durch die Seiten, bis sie zu finden schien, was sie gesucht hatte.

„Hier ist es", rief sie begeistert und zeigte auf das Bild einer wunderschönen, jungen Frau.

Es war ein Schwarz-Weiß-Foto, also sah man nur Licht und Schatten darauf und keine Farben, aber man erkannte, dass sie ziemlich helle Haare zu haben schien und Tia fand sie wirklich sehr hübsch. Außerdem sah ihre Großmutter dieser Frau darauf ziemlich ähnlich, aber die Frau auf dem Foto hatte bestimmt hellere Haut und hellere Haare.

„Das ist meine Mutter", erklärte Carla und erstaunt sah Tia es sich genauer an.

Sie hatte eindeutig Ähnlichkeiten mit Carla, aber auf der anderen Seite sahen sie doch so verschieden aus.

„Deine Mutter?", wiederholte Tia und Carla nickte.

„Ich kann mich noch erinnern, wie sie mir von Hexen und Zauberern erzählt hat. Damals war ich ein kleines Kind und ich glaubte es ihr natürlich nicht, aber jetzt erinnere ich mich wieder daran und weiß, dass alles, was sie gesagt hat, wahr gewesen ist."

„Deine Mutter war eine Hexe?", fragte Tia verwirrt.

„Meine Mutter war eine Veela", verbesserte Carla sie und einen Moment wusste Tia nicht, was sie sagen sollte.

„Wirklich?", wisperte sie fassungslos und konnte nur auf das Foto starren – das Foto ihrer Urgroßmutter, die wohl eine Veela war.

„Ganz ehrlich", Carla nickte, „Sie hat es mir oft erzählt und ich habe es in der Schule in Spanien erzählt, aber die Kinder dort haben mich ausgelacht, also habe ich gedacht, meine Mutter hätte mich angelogen. Ich habe es vergessen und verdrängt, aber jetzt weiß ich, dank dir, dass sie immer die Wahrheit gesagt hat."

„Du erzählst mir also, dass ich einen Lehrer habe, der uns schon das ganze Jahr über nur über Veela etwas beibringt und plötzlich bin ich selbst zum Teil Veela?", fasste Tia zusammen.

„Natürlich bist du zum Teil Veela – wärst du sonst so hübsch? Wohl kaum. Die Schönheit unserer Familie kommt eindeutig von meiner Mutter", schnaubte Carla, „Aber erzähle das besser nicht deinem Lehrer – soviel du von ihm erzählt hast, wäre es besser, wenn er niemals herausfindet, dass du mit einer Veela verwandt bist."

„Da sind wir uns wohl einig."

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