105. Kapitel
Tia hörte sie, bevor sie sie sah, aber sie sah schon bald, dass sie umzingelt waren. Verhüllte Gestalten umringten sie, die Zauberstäbe erhoben und Tia war sich sicher, dass das die Falle war, auf die sie gewartet hatten.
„Es tut mir leid", wisperte Tia kaum hörbar, „Ich hätte sie früher hören sollen – es tut mir leid."
„Gib sie mir, Potter", verlangte einer der Todesser, die sie umzingelt hatten. Tia hatte noch nie Todesser gesehen, aber sie wusste instinktiv, dass das sie waren und Tia konnte sogar ein Gesicht erkennen, das sie an Draco Malfoy erinnerte. Das musste Lucius Malfoy sein.
„Gib sie mir", verlangte Malfoy wieder.
„Wo ist Sirius?", fragte Harry stur.
Die Todesser lachten hämisch und das bestätigte, was für Tia eigentlich schon lange klar gewesen war – Sirius war nie hier gewesen.
„Der Dunkle Lord weiß es immer!", rief eine Frau triumphierend.
„Immer", wiederholte Malfoy leise, „Jetzt gib mir die Prophezeiung, Potter."
„Ich will wissen, wo Sirius ist!"
„Ich will wissen, wo Sirius ist!", äffte die Frau ihn nach.
„Harry", flüsterte Tia leise, „Er ist nicht hier."
„Ihr habt ihn", widersprach Harry ihnen, „Er ist hier. Ich weiß es."
„Das tleine Beeby ist vor Angst auftewacht und hat tetglaubt, was es teträumt hat, ist waahr", verhöhnte die Frau ihn.
Neben Tia bereitete Ron sich wohl zum Angriff vor, aber Harry hielt ihn davon ab: „Mach nichts. Noch nicht –"
„Hört ihr ihn? Hört ihr ihn? Gibt den anderen Kindern Anweisungen, als ob er vorhätte, gegen uns zu kämpfen!", kreischte die Frau.
„Oh, du kennst Potter nicht, wie ich ihn kenne, Bellatrix", widersprach Malfoy ihr.
„Das ist beinahe unter unserer Würde", bemerkte eine andere Frau und Tia zuckte zusammen – diese Stimme war ihnen vertraut, aber doch nicht. Sie klang etwas rauer, aber dieselbe Melodie lag in der Stimme.
„Potter hat eine große Schwäche für Heldentum, Agnolia; der Dunkle Lord weiß sehr wohl darum. Jetzt gib mir die Prophezeiung, Potter."
Angnolia Tripe war hier – Agnes Tripes Mutter. Es war beinahe so, als hätte man Agnolia kopiert, wie Tia bemerkte, als sie den Kopf ein bisschen drehte, um Agnolia anzusehen.
Sie trug keine Kapuze, wie auch Malfoy nicht und Tia konnte ihre seltsame Schönheit bewundern. Askaban hatte sie verändert, aber noch immer lockten sich ihre weißblonden Haare würdevoll und in ihre elegante Frisur hatte sie schwarze Blumen eingeflochten. Sie sah Agnes so ähnlich, dass Tia für einen Moment sicher war, sie vor sich stehen zu sehen, aber Agnolias Blick war kühl und kalkulierend. Sie war würdevoll und hielt ihren Kopf hoch erhoben, ihre Haltung war gerade und sie war kaum größer, als Agnes, die selbst ziemlich klein war, aber dennoch schien sie alle in ihrer Umgebung in den Schatten zu stellen. Sie sah überlegen aus und Tia war sich sicher, dass sie es auch auf vielen Ebenen war – intelligent, begabt, kalt – die perfekte Todesserin.
„Agnolia Tripe", wisperte Hermine leise und Agnolia lächelte kühl.
„Oh, ihr müsst meine Tochter kennen", bemerkte sie, „Wie geht es Agnes?"
„Es könnte ihr besser gehen", antwortete Tia, obwohl ihr Herz in ihrer Brust wild klopfte, aber sie hatte das Gefühl, als dürfte sie vor dieser Frau keine Schwäche zeigen und sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie eine Kindheit bei dieser Frau gewesen sein musste. Agnes durfte niemals Schwäche zeigen und durfte nie Kind sein.
Agnolia verzog unzufrieden das Gesicht, aber sah noch immer elegant und schön aus. „Das habe ich mir schon gedacht", gab sie seufzend zu und hätte Tia nicht gewusst, zu was Agnolia in der Lage war, hätte sie ihren Ton schon beinahe mit mütterlicher Fürsorge verwechselt, „Aber ich habe meine Perle natürlich gerächt. Ich habe ihrem jämmerlichen Vater das gegeben, was er verdient hat."
„Zum Glück hat sie vieles von dir geerbt", bemerkte Bellatrix gackernd kichernd.
„Ja, zum Glück", schnaubte Agnolia, „Ist sie nicht zu einer wunderschönen, jungen Frau herangewachsen... wäre da natürlich nicht dieser Werwolf gewesen."
„Tia, was meint sie damit?", wisperte Hermine leise, aber die Todesser mussten sie trotzdem gehört haben und Bellatrix lachte wieder auf.
„Hat die kleine, liebe Agnes euch das nie erzählt?", fragte Bellatrix neckend, „Sie muss ja so beschämt sein."
„Natürlich ist sie beschämt", zischte Agnolia, „Unreines Blut – in meiner Familie! Aber keine Sorge, sie wird trotz ihres Problems schon wieder zur Familie finden. Sie hätte so viel Ehre der Familie gebracht, aber nach dem Biss..."
„Sie ist ein Werwolf", wisperte Harry, als er endlich die Beweise zusammenfügte.
„Genug davon!", befahl Malfoy, „Der Dunkle Lord hat deine Tochter schon in seinen Plänen im Sinn, aber jetzt... die Prophezeiung, Potter."
„Nein...", murmelte Harry. Sein Kopf schwirrte vor Verwirrung. Das waren zu viele Informationen für ihn und zu viel passierte im Moment... Sirius... Wo war Sirius... „Ich weiß, dass Sirius hier ist", bestimmte er, „Ich weiß, dass ihr ihn habt!"
Die Todesser lachten wieder, aber Bellatrix war die lauteste. Noch immer hatte Tia ihren Blick auf Agnolia fixiert und bemerkte, dass sie lachte. Sie schien zu würdevoll zu sein, um auch nur zu lachen, stattdessen lächelte sie nur kühl.
„Es ist an der Zeit, dass du den Unterschied zwischen Leben und Traum begreifst, Potter", meinte Malfoy, „Jetzt gib mir die Prophezeiung oder wir benutzen unsere Zauberstäbe."
„Dann nur zu", lockte Harry sie und hob seinen eigenen Zauberstab und seine Begleiter taten es ihm gleich.
Aber zu Tias Überraschung griffen die Todesser sie nicht an – noch nicht.
„Händige mir die Prophezeiung aus, dann muss keinem etwas geschehen", versprach Malfoy, aber Tia bezweifelte, dass er es ernst meinte.
Nun lachte Harry kühl. „Jaah, genau!", meinte er, „Ich gebe Ihnen diese – Prophezeiung, wie Sie es nennen? Und Sie werden uns einfach nach Hause abhauen lassen, ja?"
„Accio Proph–", kreischte Bellatrix ungeduldig, aber Harry schien darauf vorbereitet gewesen zu sein und schneller, als Tia hätte reagieren können konterte er: „Protego!"
„Oh, er kennt das Spiel, das klitzekleine Baby Potter", höhnte Bellatrix, „Nun gut, also dann –"
„NEIN, HAB ICH DIR GESAGT!", brüllte Malfoy Bellatrix an, „Wenn du sie zerschlägst –"
„Sprich nicht in so einem Ton mit meiner Schwester, Lucius", bat Agnolia ihn, aber in ihrer Stimme schwang eine Drohung mit und so, wie Malfoy sein Gesicht verzog, wusste er wohl, dass Agnolia nicht scherzte und ihre Drohung umsetzen würde, sobald die Zeit reif war. Agnolia war eine Frau, vor der sich sogar ihre Verbündeten fürchteten.
„Schon gut, Nolia", schnaubte Bellatrix und trat einen Schritt vor und nahm ihre Kapuze ab und nun konnte auch Tia ihr Gesicht sehen. Sie war zwar ebenso seltsam schön, wie Agnolia, auf eine Weise, die Tia bisher fremd war. Allein, wie sie sich hielt, voller Selbstvertrauen und Sicherheit, war sie schon einschüchternd und wie auch Agnolia schien sie einmal schön gewesen zu sein, bevor sie nach Askaban gekommen war und ihre Züge eingefallen waren und ihre Augen wahnsinnig glitzerten. Sie sah ihrer Schwester, Agnolia ähnlich, und so auch Agnes, aber ihre Haare waren dunkler, „Du musst noch ein wenig überzeugt werden?", fragte sie an Harry gerichtet, „Sehr schön – nehmt die Kleinste. Lasst ihn zusehen, wie wir das kleine Mädchen foltern. Ich werde es tun."
Instinktiv stellten sich alle vor Ginny und schützen sie so vor jegliche Angriffe, aber Tia bezweifelte, dass das gegen so viele Todesser nützen würde.
„Sir werden das hier zerschlagen müssen, wenn Sie auch nur einen von uns angreifen wollen", warnte Harry sie, „Ich glaube nicht, dass Ihr Boss sich besonders freuen wird, wenn Sie ohne es zurückkommen, stimmt's?"
Bellatrix starrte Harry an, aber er schien einen wunden Punkt getroffen zu haben. Offenbar hatte sie nicht mit solch einer Hinterlistigkeit gerechnet.
„Nun", Harry schien etwas sicherer zu sein, nachdem er bemerkte, was diese Kugel für die Todesser bedeutete, „um was für eine Prophezeiung geht es hier überhaupt?"
„Was für eine Prophezeiung?", wiederholte Bellatrix, „Du machst Spaß, Harry Potter."
„Von wegen, kein Spaß", versicherte Harry ihr und Tia fragte sich, warum er so mit ihnen sprach, als wären sie alte Freunde, „Weshalb will Voldemort sie haben?"
Tia zuckte zusammen – sie fand es nicht sonderlich klug, in der Situation, in der sie sich gerade befanden,seinen Namen zu nennen und das sahen die Todesser wohl auch so.
„Du wagst es, seinen Namen auszusprechen?", flüsterte Bellatrix.
„Ja", antwortete Harry ihr gleichgültig, „Jaah, ich hab kein Problem damit, Vol–"
„Halt den Mund!", kreischte Bellatrix, „Du wagst es, seinen Namen mit deinen unwürdigen Lippen auszusprechen, du wagst es, ihn mit deiner Halbblutzunge zu besudeln, du wagst es –"
„Wusstet ihr, dass er auch ein Halbbluter ist?", fragte Harry und Tia seufzte – das war kein guter Moment, um so etwas zu sagen. Sie bezweifelte, dass sie zu siebt gegen doppelt so viele Todesser ankommen könnten. „Voldemort? Ja, seine Mutter war eine Hexe, aber sein Dad war ein Muggel – oder hat er euch allen gesagt, er sei ein Reinblüter."
„STUP–", Bellatrix war bereit, sie anzugreifen, aber Malfoy ging dazwischen: „NEIN!" Malfoy lenkte den Strahl ab und so konnte dieser Harry nicht treffen, aber Tia war nun noch aufmerksamer. Die Todesser waren zu allem bereit, also mussten sie es auch sein.
Der Zauber traf ein Regel hinter ihnen und die Kugeln zerbrachen und Scherben fielen auf den Boden.
„NICHT ANGREIFEN! WIR BRAUCHEN DIE PROPHEZEIUNG!", brüllte Malfoy.
„Er hat es gewagt – er wagt es –", kreischte Bellatrix, „da steht er – dreckiges Halbblut –"
„WARTE, BIS WIR DIE PROPHEZEIUNG HABEN!", schnauzte Malfoy.
„Lucius", zischte Agnolia, „Wo liegt deine Loyalität? Du lässt doch nicht einen jämmerlichen Jungen so über den Dunklen Lord sprechen, oder?"
Tia horchte auf. Agnolia klang überzeugend und sie wunderte sich, ob Lucius ihr widerstehen konnte. Sie schien manipulativ zu sein und jetzt, wo Tia so daran dachte, fiel ihr auf, dass das wohl etwas war, dass auch Agnes ein bisschen von ihrer Mutter übernommen hatte.
Aber Lucius schüttelte den Kopf. „Wir warten", meinte er bestimmt, „Wenn der Prophezeiung etwas passiert..."
„Sie haben mir nicht gesagt, was so Besonderes an dieser Prophezeiung ist, die ich rausrücken soll", bemerkte Harry und Tia fragte sich, wie er auf die Idee kam, genau jetzt Smalltalk mit Todessern zu führen.
„Treib keine Spielchen mit uns, Potter", zischte Malfoy, der das offenbar auch dachte.
„Ich treibe keine Spielchen", versprach Harry und plötzlich holte hinter Tia Hermine pfeifend Luft und Tia sah sie besorgt an, aber ihr schien nichts passiert zu sein.
„Was?", flüsterte Hermine leise und ihr Blick huschte zu Harry, der sie wohl irgendwie auf sich aufmerksam gemacht haben musste, aber Harry antwortete ihr nicht, sondern führte lieber das Gespräch mit den Todessern fort.
„Dumbledore hat dir nie mitgeteilt, dass der Grund, warum du diese Narbe trägst, tief im Inneren der Mysteriumsabteilung verborgen liegt?", fragte Malfoy höhnisch.
„Ich – was?", Harry schien tatsächlich verwirrt zu sein, „Was ist mit meiner Narbe?"
„Was?", drängte Hermine ihn leise.
„Kann das denn wahr sein?", fragte Malfoy amüsiert und einige Todesser lachten ebenfalls. Harry nutzte diese kurze Ablenkung und wisperte kaum hörbar: „Regale zerschmettern –"
Hermine sah ihn fragend an – offenbar hatte sie ihn nicht verstanden, aber Tia hatte es und sie lehnte sie etwas zurück und flüsterte möglichst ohne ihre Lippen zu bewegen, wie Harry es getan hatte: „Regale zerschmettern."
Hermine riss die Augen auf, bevor sie leicht nickte und unauffällig die Nachricht an die anderen weitergab, während Tia versuchte, sie ein bisschen vor den Blicken der Todesser abzudecken.
„Dumbledore hat es dir nie gesagt?", wiederholte Malfoy, „Nun, das erklärt, warum du nicht früher kamst, Potter, der Dunkle Lord hat sich gefragt, warum –"
„– wenn ich jetztsage –", warnte Harry sie, ohne seine Lippen zu bewegen und dieses Mal waren alle aufmerksam gewesen und hatten ihn gehört.
„– du nicht angerannt kamst, als er dir in deinem Traum den Ort zeigte, wo sie verborgen liegt. Er dachte, die natürliche Neugierde würde in dir den Wunsch wecken, den genauen Wortlaut zu hören..."
„Tatsächlich?", fragte Harry und Tia hörte, dass er nicht wirklich überrascht war, sondern nur so tat, um die Todesser abzulenken, während seine Freunde die Nachricht weitergaben, „Also wollte er, dass ich komme und sie hole, ja? Warum?"
„Warum?", wiederholte Malfoy ungläubig, „Weil die Einzigen, denen es erlaubt ist, eine Prophezeiung aus der Mysteriumsabteilung zu entfernen, Potter, diejenigen sind, über die sie gemacht wurde, wie der Dunkle Lord feststellte, als er versuchte, andere dazu zu bringen, sie für ihn zu stehlen."
„Und warum wollte er eine Prophezeiung über mich stehlen?", fragte Harry.
„Über euch beide, Potter, über euch beide... hast du dich nie gefragt, warum der Dunkle Lord dich töten wollte, als du noch ein Baby warst?", fragte Malfoy.
„Harry", Agnolia trat einen Schritt vor und stand nun so im Licht, dass auch die anderen sie sehen konnten und Hermine holte zischend Luft, als ihr ebenfalls die Ähnlichkeit zu Agnes auffiel und Agnolia lächelte sogar leicht – sie sah Agnes so ähnlich, wären die Folgen von Askaban nicht mehr zu sehen. Aber sie wirkte nicht mehr kühl, sondern schon beinahe mütterlich, wie sonst Agnes, wenn sie wieder einmal Kekse an Erstklässler verteilte. Tia beunruhigte diese Ähnlichkeit immens und ihr fiel auch auf, wie sie Harry nicht „Potter" nannte, wie Malfoy es tat, sondern ihn bei seinem Vornamen ansprach, als wäre sie eine Vertrauensperson. „Harry, warum bist du kein braver Junge und gibst uns diese Prophezeiung", bot sie ihm lächelnd an, „Harry, du willst doch nicht, dass deine kleinen Freunde hier verletzt werden, oder? Wir wollen das auch nicht, aber wir werden euch sehr wehtun müssen, wenn du nicht brav bist. Willst du das?"
Tia stellte sich vor, wie Agnolia so nicht mit Harry sprach, sondern Agnes so manipulierte und sie hatte in diesem Moment den größten Respekt für Agnes Tripe, die als kleines Kind schon in der Lage war, sich von dieser ungesunden Beziehung zu lösen und ihren eigenen Weg gegangen war. Tatsächlich war Agnolia so gut, dass Tia befürchtete, dass Harry auf sie hereinfallen würde – Agnes sah ihrer Mutter so ähnlich, dass man sie verwechseln könnte und dadurch entstand noch ein größerer Effekt, wenn Agnolia sie manipulieren wollte.
„Harry, das ist nicht Agnes", wisperte Tia ihm zu, „Hör nicht auf sie."
„Tia", tadelte Agnolia sie streng, „Das ist doch dein Name, oder? Tia – ein schöner Name. Wir wissen doch beide, dass du eigentlich nicht in der Position bist, Harry hier etwas zu befehlen, oder? Sieh es doch ein, du wirst niemals an ihn herankommen – dafür bist du doch nicht wirklich geeignet, oder?"
Tia verstummte – sie wusste nicht, woher Agnolia das hernahm, aber ihre Worte trafen sie.
„Tia hat Recht", meinte Hermine zu Tias Überraschung, „Hör auf Tia."
Und erst das schien Harry wirklich zu überzeugen, dass Agnolia ihn anlog, obwohl sie doch so freundlich wirkte im Gegensatz zu ihrer Schwester, Bellatrix und sie sah Agnes doch so ähnlich, die zu einer Vertrauten von Harry geworden war, aber das war nicht Agnes, wie Tia schon gesagt hatte.
„Jemand hat eine Prophezeiung über mich und Voldemort gemacht?", fragte Harry und ignorierte Agnolia, die überhaupt nicht zufrieden damit aussah, „Und er hat mich gezwungen, herzukommen, damit ich sie für ihn hole? Warum konnte er nicht selbst kommen und sie holen?"
„Sie selbst holen?", kreischte Bellatrix und lachte gackernd, „Der Dunkle Lord soll einfach ins Zaubereiministerium spazieren, wo sie doch seine Rückkehr so hübsch ignorieren? Der Dunkle Lord soll sich den Auroren offenbaren, wo sie ihre Zeit im Moment doch mit meinem lieben Cousin verschwenden?"
„Also hat er euch dazu gebracht, die schmutzige Arbeit für ihn zu erledigen?", fragte Harry, „Wie er auch versucht hat, Sturgis dazu zu bringen, sie zu stehlen – und Bode?"
„Sehr gut, Potter", lobte Malfoy ihn, „sehr gut... Aber der Dunkle Lord weiß, dass du nicht unintell–"
„JETZT!", brüllte Harry und Tia hatte sich selten so bemüht, einen Zauber auszuführen.
„REDUCTIO!", schrie sie zusammen mit den anderen und die Flüche trafen die Regale um sie herum, aber der Zauber von Tia war um einiges schwächer, als die der anderen und nur wenige Kugeln flogen auf den Boden, aber zusammen reichte es, um die Todesser wenigstens kurz zu überraschen, als die Regale und Kugeln zerbrachen und die Welt in eine Scherbenwelt verwandelten.
„LAUFT!", schrie Harry und das ließ sich Tia nicht zweimal sagen.
Tia packte die ersten beiden, die sie erwischen konnte, die zufällig Ginny und Luna waren, bevor sie einfach nur losrannte und Ron dicht hinter sich hörte. Ihre Sinne waren angespannt und sie horchte auf alles, aber zugleich hatte sie kaum Zeit, um einen klaren Gedanken zu fassen, sondern dachte nur an ihre Flucht.
Plötzlich war direkt vor ihnen ein Todesser und jede andere Hexe hätte einen Zauber gesprochen, aber Tia bekam kaum im ruhigen Zustand einen einfachen Zauber hin, also gab sie es sofort aus und warf sich kreischend auf ihn, schubste ihn gegen eines der Regale und sah dabei zu, wie er von einigen herunterfallenden Glaskugeln begraben wurde.
„Weiter!", rief Ginny ihr zu und Tia folgte ihnen schnell.
Ron schrie auf, als vor ihm ein anderer Todesser auftauchte und Ginny, Luna und Tia schlugen schnell einen anderen Weg ein, während Ron ihn mit einem Zauber aufhielt, bevor er ihnen folgte. Tia war davon ausgegangen, dass Harry, Neville und Hermine ihnen folgten, aber als sie zurücksah, waren sie weg und sie fluchte auf Spanisch, als sie auch noch schwere Schritte hinter sich hörte – Schritte, die bestimmt nicht von Harry, Hermine oder Neville waren, die trugen nämlich keine Stöckelschuhe, wie sie wusste. Was sie noch mehr beunruhigte war, dass sie genau wusste, welche Todesser Schuhe mit Absätzen trugen – die beiden Schwestern Agnolia und Bellatrix.
„Ginny!", schrie Tia ihr zu und ihre Stimme war vor Panik bestimmt eine Oktave höher, aber im Moment hatte sie andere Sorgen, „Ihr lauft weiter – ich halte sie so lange ich kann auf."
„Nein, Tia –", wollte Ginny widersprechen, aber Ron zerrte sie mit sich.
„Tia", rief er ihr zu, ohne stehen zu bleiben, „Komm mit! Hier entlang! Wir können zusammen wegkommen!"
Aber Tia folgte ihnen nicht mehr, sondern blieb stehen und stellte sich bereit mit ihrem Zauberstab in der Hand hin. Sie hörte, wie die Schritte ihrer Freunde leiser wurden und die Schritte ihrer Verfolger näher kamen und ihr Herz raste.
Sie hatte furchtbare Angst und sie hatte auch Angst vorm Sterben, aber es war ihre Schuld, dass sie in diese Lage gekommen waren. Wenn ihr doch nur die Zeichen früher aufgefallen wären – wenn sie die Todesser doch nur früher gerochen oder gehört hätten, hätten sie entkommen können, aber nicht einmal dafür war sie zu gebrauchen. Vermutlich war es besser, wenn Tia allein zurückblieb, statt Ginny, Ron oder Luna in Gefahr zu bringen.
Agnolia und Bellatrix rannten um die Ecke, aber als sie Tia erblickten, wurden sie langsamer und Bellatrix lachte gackernd und wahnsinnig auf.
„Sieh mal, Nolia", kicherte sie, „Das kleine Schlammblut will eine Heldin sein."
„Bellatrix", warnte Agnolia ihre Schwester scharf, bevor sie sich an Tia wandte, „Du willst deine Freunde schützen, Tia?", ihre Stimme war sanft und beinahe hätte Tia aufgeschluchzt, aber sie schluckte schwer und nickte nur tapfer, obwohl sie sich überhaupt nicht tapfer fühlte. Sie hatte noch nie verstanden, warum der Sprechende Hut sie nach Gryffindor geschickt hatte – besonders in Momenten wie diesen war sie sich sicher, dass sie dort auf gar keinen Fall hinpasste.
„Bellatrix", Agnolia sah ihre Schwester nicht an, „Verfolge die anderen – ich kümmere mich um die hier."
Bellatrix grinste und Tia hob drohend ihren Zauberstab. „Nein!", schrie sie mutig und wollte einen Zauber sprechen, aber ihr fiel keiner ein.
„Wer wird mich aufhalten?", grinste Bellatrix, als sie einfach an Tia vorbeiging und diese nichts tun konnte, als Bellatrix direkt neben ihr stehenblieb – kaum einen Meter entfernt und sie neckend ansah.
Und Tia tat das, was sie besser konnte, als Zaubern – sich prügeln. Zwar konnte sie das auch nicht wirklich, immerhin war sie eigentlich eine friedliche Seele, aber in Situationen wie diesen war es nicht ratsam ein Pazifist zu sein.
Sie wollte sich auf Bellatrix stürzen, aber Agnolia hielt sie davon ab: „Crucio!"
Plötzlich schoss furchtbarer Schmerz durch Tia – alles tat ihr zugleich weh. Es war, als würden sich tausende Messer in ihr Fleisch bohren und der Schmerz wurde immer stärker und stärker. Sie schrie und kreischte, aber niemand war da, um ihr zu helfen.
Als Agnolia sie von dem Fluch befreite, blieb sie weinend und verletzt auf dem Boden liegen und Bellatrix lachte wieder gackernd.
„Die Kleine ist eine Kämpferin!", kicherte Bellatrix, „Ein jämmerliches, unnützes Schlammblut."
Mit diesen Worten ging Bellatrix einfach an ihr vorbei und Tia konnte nichts tun – sie war noch immer wie paralysiert.
„Tia", summte Agnolia schon beinahe mit sanfter Stimme, „Geht es dir gut?"
„Mir geht es ausgezeichnet", zischte Tia sarkastisch und Agnolia lachte hell auf. „Also doch eine Kämpferin", meinte sie mit stolz in der Stimme, „Weißt du, Agnes, meine kleine, süße Agnes ist auch eine Kämpferin. Schon immer gewesen, aber ich habe sie auch gebrochen. Denkst du, du wärst stärker, als sie."
„Nein", brachte Tia heraus und versuchte, sich aufzusetzen, obwohl sich ihre Glieder nach dem Cruciatus-Fluch noch immer zerschunden anfühlten und sie zitterte stark, aber sie sah sich schon wieder nach ihrem Zauberstab um, der ihr aus der Hand gefallen war.
„Suchst du das hier?", Agnolia bückte sich elegant und hob Tias Zauberstab auf, „Das ist deiner? Er ist hübsch, oder? So hübsch, wie du."
Tia verstand nicht, wie Agnolia ihr Komplimente machen konnte, obwohl sie, wie Bellatrix schon gesagt hatte, ein Schlammblut war, aber sie wusste, dass sie Agnolia nicht vertrauen konnte.
„Wundert es dich eigentlich nicht, dass du überhaupt einen Zauberstab bekommen hast?", fragte Agnolia sie scheinbar so nebenbei, aber ihre Worte trafen Tia, „Ich meine... der Zauberstab sucht sich den Zauberer aus... in meiner Familie gibt es schon seit Generationen Hexen und Zauberer – reines Blut, wie andere es bezeichnen würden. Eine Versicherung, dass talentierte Hexen und Zauberer aus dieser Blutlinie kommen würde –" Sie trat einige Schritt näher an Tia heran und sah sie scheinbar liebevoll von oben herab an, sodass Tia sich trotzdem klein und unbedeutend fühlte. „Aber in deiner Familie – zu viel unreines Blut. Zu viele andere Faktoren, die deine Magie unterdrücken, oder nicht?"
„Nein", wisperte Tia, hauptsächlich um sich selbst zu überzeugen.
„Doch", widersprach Agnolia ihr und ihr Gesichtsausdruck war mitleidig, aber Tia wusste, dass sie so etwas wie Mitleid nicht fühlen konnte – Agnolia war schon lange wahnsinnig. „Doch, Tia. Du weißt es doch selbst, oder nicht? Oder ist es nicht so? Bist du nicht immer die schlechteste in allen Zaubern? Bist du nicht immer diejenige, die in der Klasse am weitesten hinten ist, am meisten Hilfe braucht und trotz Übung und Lernen niemals so gut sein wird, wie die anderen?"
Agnolia hatte Recht und das wusste Tia tief im inneren, aber jetzt durfte sie nicht aufgeben.
„Nein", Tia versuchte aufzustehen, aber Agnolia ließ sie noch nicht: „Crucio!"
Schreiend brach Tia wieder zusammen, als der Schmerz wieder einsetzte und dieses Mal stärker und intensiver, als davor und Agnolia ließ sie nicht mehr so schnell loskommen. Tia meinte schon, vor Schmerzen sterben zu müssen und sie dachte an ihre Familie – an ihre abuelita, die in Spanien erst spät davon erfahren würde. An Remus, der sie verlor – was würde er von ihr denken? Wäre er enttäuscht, weil sie sich von einer Todesserin überwältigen lassen hat? Wäre er enttäuscht, weil sie kaum dagegen ankämpfen konnte?
Und dann hörte der Schmerz wieder auf, aber Tia blieb weinend liegen und hörte, wie Agnolia näherkam und sich tatsächlich neben sie hinkniete.
Ihr Zopf musste sich gelöst haben, wie Tia auffiel und die Haare fielen ihr ins Gesicht. Agnolia strich ihr über die Haare und beruhigte sie: „Shh... alles wird gut. Alles wird gut."
Tia glaubte ihr natürlich nicht, aber sie wollte ihr glauben. Sie wollte, dass sie keine Schmerzen mehr hatte. Sie wollte das alles nicht mehr. Sie war nicht Harry oder Hermine oder Ron – sie war nicht Agnes, die einen Werwolfangriff überstanden hatte. Sie war Tia – schwache, kleine Tia, die keine Schmerzen mehr haben wollte.
„Bitte", schluchzte Tia, „Hören Sie auf, bitte."
„Aber Tia", tadelte Agnolia sie, „Befiel mir nichts. Crucio!"
Tia kreischte und schlug um sich, aber Agnolia wich ihr lächelnd aus.
Keuchend lag Tia auf dem Rücken und starrte zur Decke hoch – sie blinzelte die Tränen aus den Augen – sie wollte nicht schwach sein, aber sie wollte einfach keine Schmerzen mehr haben. Sie dachte an George. Was würde er sich denken? Wäre er traurig? Vielleicht einige Zeit, aber er würde über sie hinwegkommen. Sie waren jung und sie hoffte, er würde jemand anderen finden. Jemanden, der besser war, als sie. Vielleicht Angelina... Angelina war stark und mutig, außerdem verstand sie sich gut mit den Zwillingen.
„Tia", summte Agnolia sanft, „Tia, kannst du mich hören?"
Tia antwortete nicht, sondern starrte nur weiter hoch auf die Decke.
„Crucio!"
„JA!", kreischte Tia, „ICH HÖRE SIE! Ich höre Sie..."
„Warum nicht gleich so?", fragte Agnolia zufrieden, „Tia, schau mich an."
Tia drehte ihren Kopf und sah Agnolia an, die Agnes so ähnlich war, aber nicht Agnes war. Agnolia lächelte kühl.
„Tia", begann sie, „Wir sind und doch einig, dass du keine Hexe bist, oder? Jedenfalls keine richtige. Und deswegen..." Plötzlich sah Tia dabei zu, wie Agnolia direkt vor ihren Augen ihren Zauberstab zerbrach. Einfach so. Es war ein bisschen so, als hätte sie einen alten Freund verloren. Der Zauberstab war schon seit Jahren ihr Begleiter und obwohl sie ihn kaum benutzen konnte, war er doch immer die letzte Hoffnung für sie gewesen und Agnolia hatte ihn einfach so zerbrochen und damit auch Tia gebrochen.
„So", Agnolia lächelte wieder, „Du stimmst mir doch zu, oder?"
Tia zögerte einen Moment. Dann nickte sie.
„Gut", Agnolia lächelte breiter und jetzt sah Tia doch die Ähnlichkeit zu Bellatrix – im Inneren waren die beiden doch ganz gleich wahnsinnig und verrückt. Agnolia griff sich mit behandschuhten Händen ins Haar und zog eine schwarze Blume heraus – es war keine Rose, aber Tia hatte von schwarzen Blumen schon gehört. Ein Fluch lag auf ihnen, die alle umbrachten, die sie berührten.
„Tia", meinte Agnolia sanft, „Ich will dir die Chance geben. Du kannst diese Blume hier nehmen – sie würde dir gehören."
„Nein", wimmerte Tia, „ich will nicht sterben."
„Niemand will sterben", stimmte Agnolia ihr zu, „Aber manchmal wählt man lieber das kleinere Übel. Du kannst sie also nehmen, oder ich werde dir wehtun. Du hast die Wahl."
„Nein", zischte Tia und versuchte sich wieder aufzusetzen, obwohl vor ihren Augen schwarze Punkte tanzten.
„Okay", meinte Agnolia und seufzte enttäuscht, „Dann... Crucio!"
Tia kreischte und schrie, aber schon bald wurde der Schmerz zu groß, um sich zu bewegen, zu schreien oder sich zu wehren. Und Tia dachte an ihre Familie, an George, an ihre Freunde. Was würden Leanne und Katie wohl denken. Die beiden wären vermutlich sogar traurig und Tia war froh, dass sie wenigstens noch sich gegenseitig hatte. Zusammen würden sie schon über ihren Tod hinwegkommen. Zusammen konnte jeder seine Trauer überstehen.
Und dann dachte Tia wieder an ihre Großmutter. Carla hatte zwar in Remus einen Freund gefunden, aber sie würde doch Tia verlieren. Ihre Enkelin – mit ihrer Tochter hatte sie kaum noch Kontakt. Wie würde Carla Eva wohl beibringen, dass ihre erste Tochter verstorben war? Vermutlich gar nicht und Eva würde es gar nicht auffallen. Vielleicht würde sie in zwei oder drei Jahren wieder einmal nach Tia sehen und dann erfahren, dass sie schon lange fort war.
Aber Tia wollte noch nicht gehen. Tia wollte ihre Großmutter noch einmal sehen. Sie wollte Remus noch einmal sehen – ihren Vater, den sie erst seit Kurzem kannte und sie hatte noch gar nicht die Chance, ihn wirklich kennen zu lernen.
Sie wollte noch nicht sterben, das wusste Tia.
Und plötzlich schien von Tia aus eine Schockwelle auszugehen, die die Regale umriss und die Glaskugeln hinunterwarf und Agnolia wurde mehrere Meter einen Gang hinunter geschleudert, bevor sie vermutlich schmerzvoll gegen ein anderes Regal krachte und von Glaskugeln und Scherben überschüttet wurde.
Tia wurde von mehreren Scherben aufgeschnitten und spürte das Glas überall auf sich, aber dieser Schmerz war kaum mehr als ein Streicheln, im Gegensatz zu den Qualen, die sie unter dem Cruciatus-Fluch erlebt hatte. Sie konnte sich nicht einmal fragen, woher diese seltsame Schockwelle gekommen war und sie sah sich nicht einmal um, ob Agnolia den Sturz überlebt hatte, sondern sie kauerte sich nur zusammen und blieb schluchzend liegen.
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