Tribute der Gefühle

Tribute der Gefühle

Es waren bereits ein paar Stunden vergangen und sie hatten einen ordentlichen Fußmarsch zurückgelegt, als ein Unglück geschah. Scrum und die anderen Piraten stolperten, sodass die gläserne Zelle mit der Meerjungfrau zu Boden stürzte und das Glas in tausend Stücke zerbrach.

Philip zog Kate von den Scherben zurück, als ihre Blicke auf die Meerjungfrau fielen. Diese rutschte auf den Waldboden und ihre Flosse zitterte merkwürdig, was Kate überrascht feststellte. Und wie durch ein Wunder verwandelte sich die Flosse auf einmal in ein Paar Menschenbeine, was die Meerjungfrau in die Gestalt einer jungen Menschenfrau wandelte. Beschämt und verängstigt, schlang die Frau ihre Arme um ihren nackten Körper, als Philip sich kurzer Hand zu ihr runter beugte und ihr sein Hemd um die Schultern legte.

,,Du wirst laufen!", ordnete Blackbeard der Frau an und sie stand langsam auf.

Doch als sie die ersten Schritte tun wollte, stürzte sie wieder zu Boden und Kate empfand Mitgefühl für die Frau, die bis eben gerade noch eine Meerjungfrau gewesen war.

,,Ich kann das nicht!", brachte sie mit zittriger Stimme hervor, doch Blackbeard bliebt hart.

,,Lauf oder stirb!"

Um die Drohung deutlich zu machen, zog der Quartiermeister kurz darauf sein Schwert und näherte sich der Frau. Kate starrte Blackbeard entgeistert an, als Philip jedoch reagierte und sich neben die Frau kniete.

,,Leg deine Arme um mich."

,,Ich will nicht, dass mir jemand hilft.", entgegnete sie jedoch trotzig, aber Kate warf ihr einen eindringlichen Blick zu.

,,Tu es. Sonst wird es dein Tod sein."

Die Frau blickte zu Kate auf und legte schließlich doch ihre Arme um Philip. Dieser griff unter ihre Kniekehlen und hob sie kurzer Hand hoch. Kate kam nicht drum herum, Philip für seine heldenhafte Ader zu bewundern und sie ertappte sich selbst dabei, wie sie ihn anstarrte. Augenblicklich wandte sie den Blick von ihm ab, als Philip sich unterdessen an Captain Blackbeard wandte.

,,Wir haben es eilig, oder?"

,,Bleibt nicht zurück!", erwiderte dieser tonlos und drehte sich um.

Die Truppe ging weiter und Philip trug die menschliche Meerjungfrau, während Kate ihnen folgte. Ihre Gedanken wanderten zu David und Jack und die blonde Piratin hoffte, dass ihre Suche von Erfolg gekrönt war.

Als sie eine Pause einlegten, stand Kate abseits von der Gruppe. Allerdings spürte sie die wachsamen Blicke des Quartiermeisters, die auf ihnen lagen und sie verdrehte kaum merklich die Augen. Sie hasste es als Druckmittel zu benutzt werden und noch mehr, vollkommen machtlos zu sein.

Sie hoffte umso mehr, dass sich ihr Gefühl nicht täuschte und ihr Vater ihnen wirklich auf den Fersen war. In England hatte sie seine Maskerade sofort durchschaut, doch waren ihr seine wahren Pläne ein Rätsel. Warum stand ihr Vater im Dienste der Krone? Was brachte es ihm?

,,Vater...was hast du nur vor?", murmelte Kate vor sich hin und merkte nicht, dass sie beobachtet wurde.

,,Wie ist Euer Name?"

Die Piratin drehte sich um und erkannte die Meerjungfrau, welche sie fragend ansah. Zuerst zögerte Kate, denn sie vertraute ihr nicht, obwohl sie ganz und gar nicht gefährlich wirkte. Doch die Piratin hatte gelernt, dem Schein nicht zu trauen.

,,Ich...ich bin Kate!", erwiderte sie und legte den Kopf etwas schräg. ,,Und wie heißt Ihr?"

,,Ich?"

,,Ja! Ihr habt doch sicher einen Namen.", meinte Kate und die Meerjungfrau sah sie etwas schüchtern an, ehe sie antwortete.

,,Mein Name ist Syrena!"

Kate nickte kaum merklich, während sie wieder gedankenverloren vor sich hinstarrte. Sie fühlte sich zutiefst unwohl in der Gesellschaft von Blackbeard und dessen Crew, sowie Angelica. Sie sehnte sich nach der Freiheit und ihren Freunden, sogar ihren Vater Barbossa begann sie zu vermissen.

,,Ihr wirkt sehr verloren.", entgegnete Syrena und Kate sah sie irritiert ein.

,,Verloren?"

,,Ich kann es Euch ansehen. Aber Ihr scheint auch anders als die anderen Piraten zu sein. Ich sehe Mut, Selbstlosigkeit und Sinn für Gerechtigkeit...Ihr strahl es mehr aus, als Ihr vielleicht selbst merkt."

Syrena musterte Kate und diese staunte nicht schlecht über die Worte der Meerjungfrau. Es kam ihr komisch vor, dass ihre Eigenschaften offensichtlicher waren, als sie selbst es ahnte. Da war es auch kein Wunder mehr, dass Philip sie so leicht durchschauen konnte, wenn es selbst Syrena mit wenigen Blicken gelang.

,,Kann sein...womöglich!", gab Kate zu und Syrena warf ihr einen regelrecht traurigen Blick zu.

,,Ihr vertraut mir nicht...ich kann es spüren."

,,Naja...sagen wir so, ich vertraue Meerjungfrauen nicht. Aber ich scheine nicht die Einzige zu sein, die anders ist.", erwiderte Kate und die Miene von Syrena hellte sich ein wenig auf.

Einen Moment sagten sie nichts, aber Kate entspannte sich langsam, denn Syrena machte auf sie nicht gerade den Eindruck, als würde sie sie hintergehen. Und Kate spürte, dass sie ihr langsam vertrauen konnte.

,,Warum ist jemand wie Ihr auf der Suche nach der Quelle der ewigen Jugend?", wollte Syrena wissen und Kate seufzte.

,,Das bin ich nicht. Ich bin eine Gefangene...wie Ihr."

,,Warum?"

,,Weil ich Jack Sparrow nahe stehe...deswegen. Wenn man mit ihm unterwegs ist, dann muss man darauf gefasst sein, öfters in Schwierigkeiten zu geraten.", erklärte Kate und Syrena schmunzelte ein wenig.

,,Er scheint Euch sehr am Herzen zu liegen."

Kate sah zu Syrena und antwortete nicht, denn sie brachte die Antwort nicht fertig. Jack war ihr wichtig...sehr wichtig sogar, aber sie konnte nicht vergessen, was zwischen ihm und Angelica gelaufen war oder womöglich immer noch lief. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Piratin noch Gefühle in Jack hervorrufen konnte.

,,Verzeiht...ich wollte Euch nicht zu nahe treten.", sagte Syrena und Kate winkte ab.

,,Schon gut! Ihr könnt nichts dafür. Entschuldigt mich."

Kate entfernte sich von Syrena und begab sich in eine abgelegene Ecke, wo sie sich auf einen umgefallenen Baumstamm setzte. Ihr Gesicht verbarg sie in ihren Händen und sie spürte, wie sich ihr Herz schmerzhaft verkrampfte. Es reichte schon aus, nur an Jack zu denken und sie wurde zurück in den Schmerz katapultiert.

Die Piratin strich sich ihre blonden Haare zurück und gab sich die größte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. Aber dann ärgerte sie sich darüber, dass sie so sensibel war, wenn es um Jack ging und wurde wütend auf sich selbst.

,,Ist alles in Ordnung, Kate?", erklang die Stimme von Philip und sie sah auf, ehe sie kaum merklich nickte.

,,Ja...es geht schon. Syrena hat nur ein Thema angesprochen, was ich am liebsten vergessen würde."

Philip sah sie an, ehe er sich neben sie setzte und Kate ließ es zu. Der junge Mann musterte sie einen Moment, ehe er verständlich nickte.

,,Es geht um Jack, nicht wahr?"

,,Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Einerseits liebe ich die Abenteuer mit Jack...aber ich weiß nicht..."

,,Ob du ihm noch weiter folgen sollst?", vollendete Philip ihren Satz und Kate nickte traurig. ,,Naja...ich habe dir ja schon einen Rat gegeben. Vielleicht solltest du ihn befolgen."

Kate warf Philip einen zweifelhaften Blick zu, doch dann starrte sie auf den Boden. Hatte Philip Recht? Wäre es besser, wenn sie nicht länger an der Seite von Jack sein würde? Und selbst wenn, wäre sie stark genug, um diesen Schritt zu gehen?
Als hätte Philip ihre Gedanken gelesen, schien er ihr die Zweifel anzusehen. Denn er legte kurzer Hand eine Hand auf ihre Schulter und schenkte Kate einen zuversichtlichen Blick.

,,Du bist stärker als du glaubst, Kate. Und wenn du noch daran zweifelst, dann vertrau auf meine Worte. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen...auch du."

,,Das...klingt logisch. Aber wahrscheinlich ist es nicht so einfach, wie es sich anhört.", erwiderte Kate, woraufhin Philip leicht lächelte.

,,Der richtige Weg ist niemals einfach, Kate. Und ganz gleich, wie schwer es auch sein wird...am Ende von jeder Dunkelheit ist auch Licht. Und der Herr wird mit dir sein."

,,Jetzt klingst du wahrhaftig wie ein Priester.", schmunzelte Kate und Philip grinste.

,,Das bin ich ja auch. Und Gott steht dir zur Seite...welche Entscheidung du auch triffst. Denn jede Seele kann gerettet werden...auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so aussieht."

Kate dachte über die Worte von Philip nach und verinnerlichte sie. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr war sie der Ansicht, dass Philip Recht hatte. Und ihr kam ein Gedanke, der sie wie der Blitz traf.

,,Philip...kann ich dich etwas fragen? Etwas...was möglicherweise verrückt klingt?", brachte sie hervor und Philip zuckte mit den Schultern.

,,Ich befinde mich mit Piraten auf der Suche nach einer Quelle, die ewiges Leben schenkt, habe leibhaftige Meerjungfrauen gesehen und bin mir nicht einmal sicher, ob ich selbst diese Reise überlebe...also ich glaube, mich kann so schnell nichts mehr umhauen. Was möchtest du denn wissen?"

,,Mal angenommen, jemand ist durch einen Fluch dazu verdammt, sein Leben auf See zu verbringen. Nur alle 10 Jahre könnte derjenige für einen einzigen Tag an Land gehen und um zu überleben, musste ihm das Herz herausgeschnitten werden. Glaubst du, es würde eine Möglichkeit geben, um denjenigen zu retten?"

Erwartungsvoll sah Kate Philip an, der mit jedem ihrer Worte nachdenklicher geworden war. Und Kate brannte förmlich auf seine Antwort, denn er wusste als Priester möglicherweise Dinge, von denen sie nie zuvor gehört hatte.

,,Theoretisch kann jeder Mensch gerettet werden, Kate. Auch, wenn ich nicht an Flüche glaube...jeder Fluch kann meines Wissens nach gebrochen werden. Man muss nur genügend über ihn in Erfahrung bringen, um seine Schwachstelle zu erkennen.", erklärte Philip und Kate hatte sich so eine Antwort erhofft, was ihre Stimmung augenblicklich hob. ,,Aber warum fragst du, Kate? Ich meine, so ein Fluch existiert doch nicht wirklich, oder doch?"

Kate bemerkte, wie Philip sie äußerst skeptisch ansah und zögerte. Sollte sie ihm von Will erzählen? Sie war sich zuerst nicht sicher, aber sie konnte Philip vertrauen...das spürte sie mehr denn je. Und aus diesem Grund traf sie auch ihrer achtens nach die richtige Entscheidung.

,,Doch...den gibt es, Philip.", entgegnete sie und er starrte sie erstaunt an.

,,Wirklich? Das...das ist...unglaublich, aber offensichtlich wahr. Wer steht unter diesem Fluch? Wen willst du retten? Denn angesichts der Tatsache, dass du mich nach einer Lösung gefragt hast, gehe ich mal davon aus, dass du denjenigen retten willst."

,,Ja...ich kenne ihn...in der Tat. Es ist der Mann meiner besten Freundin. Ich weiß nicht, ob David dir vielleicht mal von ihm erzählt hat. Sein Name ist William Turner und er ist der Captain der Flying Dutchman.", sagte sie und Philip sah noch erstaunter aus, wenn das überhaupt möglich war.

,,Die Flying Dutchman? Sie existiert?"

,,Ja...das tut sie. Und Will ist durch seinen Fluch an sie gebunden...für alle Zeit. Es sei denn, wir finden einen Weg, um ihn davon zu erlösen. Und ich hoffe sehr, dass wir das können.", sagte Kate und seufzte.

Nichts wünschte sie sich mehr, als Mila und Will wieder miteinander zu vereinen. Philip schien zu merken, wie wichtig ihr das war, denn er warf ihr auf einmal einen entschlossenen Blick zu.

,,Kate...sollten wir diese Reise hier überleben...dann verspreche ich dir, dass wir einen Weg finden, um den Fluch über William Turner zu brechen. Zwar sind mystische Flüche nicht gerade mein Fachgebiet...aber auf meine Hilfe kannst du zählen."

Kate hob den Kopf und sah ihn für einen Moment sprachlos an, doch dann glitt ihr ein Lächeln über das Gesicht und sie schenkte Philip einen dankbaren Blick.

,,Danke, Philip! Weißt du, du besitzt mehr Selbstlosigkeit und Güte als die meisten Piraten zusammen. Und diese Menschen sind es, die das Gute wirklich ausmachen. Die niemals die Hoffnung verlieren und für nichts eine Gegenleistung erwarten. Und du bist Einer von ihnen.", sagte sie, woraufhin er lächelte und ihr anerkennend zunickte.

,,Auch du gehörst zu ihnen, Kate. Dir ist es nur noch nicht bewusst."

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