Hallo, William Turner!
Hallo, William Turner!
Mila öffnete die Augen und fühlte sich zum ersten Mal seit langem unglaublich ausgeschlafen. Sie streckte sich und ein Lächeln glitt ihr über die Lippen.
,,Guten Morgen Schwesterherz!", sagte Elizabeth und Mila sah zu ihr herüber.
Ihre Schwester grinste und war ebenfalls schon putzmunter.
,,Ja, ich habe ja auch gut geschlafen."
Die beiden hatten darauf bestanden, die Nacht zusammen in Elizabeths Zimmer zu verbringen, denn es folgte eine Nacht von Gesprächen und Gelächter. Die beiden Schwestern hatten lange miteinander gesprochen und sich Geschichten erzählt und je mehr Elizabeth erzählt hatte, desto bekannter waren sie Mila vorgekommen. Erinnern konnte sie sich zwar noch nicht wirklich, aber sie war überzeugt davon, dass es nur noch eine Frage der Zeit war. Plötzlich klopfte es an der Tür und die beiden sprangen fast gleichzeitig aus den Betten, als auch schon der Gouverneur hereintrat, von vier Zofen gefolgt.
,,Ah, na ihr Zwei! Noch im Bett zu dieser Stunde?", fragte er mit einem Lächeln.
,,Wir haben uns lange unterhalten, Vater!", erwiderte Elizabeth.
Die Zofen gingen zu den Fenstern und zogen die Vorhänge zurück. Geblendet vom Sonnenlicht, kniff Mila die Augen zusammen und atmete die frische Luft ein, als eine Zofe das große Fenster öffnete.
,,Ein herrlicher Tag! Ich habe ein Geschenk für euch beide.", sagte der Gouverneur.
,,Was denn für Geschenke?", wollte Mila wissen und als Antwort, kamen zwei Diener mit zwei Kartons herein.
Sie nahmen die Deckel ab und präsentierten den Schwestern jeweils ein Kleid, welche in den Kartons lagen. Elizabeth nahm ihr Kleid heraus und betrachtete es begeistert.
,,Das ist wunderschön!", sagte sie und verschwand augenblicklich hinter der Trennwand.
Mila nahm nun auch ihr Kleid heraus und musterte es. Es war cremefarben mit goldenen Verzierungen und trotz der Schlichtheit, strahlte es eine unglaubliche Eleganz aus.
,,Gefällt es dir, Mila?", wollte der Gouverneur wissen und Mila sah ihn lächelnd an.
,,Und wie! Vielen Dank, Vater!", erwiderte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. ,,Dürfen wir den Anlass erfahren?", fragte sie und ihr Vater zuckte mit den Schultern.
,,Braucht ein Vater einen Anlass, um in seine zwei wunderbaren Töchter vernarrt zu sein?", sagte er unschuldig und Mila begab sich ebenfalls hinter eine Trennwand, gefolgt von zwei Zofen.
Das gleiche Spiel von Aus- und Ankleiden wie gestern folgte und das war der einzige Punkt, den Mila absolut an ihrem neuen oder besser gesagt, wieder erhaltenden, Lebensstil bemängelte. Man konnte sich nie alleine umziehen.
Der Gouverneur knetete seine Hände und wartete, während seine Töchter hinter den Trennwänden von den Zofen in Beschlag genommen wurden.
Ach was soll's, dachte er sich. Die beiden würden es ja sowieso rausfinden.
,,Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, ihr beide würdet die Kleider bei der Zeremonie tragen.", ließ er verlauten und Mila dachte nach.
Was für eine Zeremonie? Hatte sie etwas nicht mitbekommen? Gut, sie war erst seit gestern hier, doch ihr Vater hätte ihr doch sicherlich erzählt, wenn etwas Wichtiges anstand. Ihre Schwester nahm ihr die Frage ab, denn die Stimme von Elizabeth ertönte über die Trennwand hinweg.
,,Bei welcher Zeremonie?"
,,Captain Norrington's Beförderung.", war die Antwort.
,,Ich wusste es!", erwiderte Elizabeth und ihr Kopf kam zum Vorschein.
,,Der wird befördert? Als was denn?", fragte Mila nun über die Wand hinweg.
,,Commodore Norrington! Ein vornehmer Herr nicht wahr? Er hat Gefallen an dir, Elizabeth."
Mila wollte gerade etwas zu dieser Äußerung sagen, als sie plötzlich harsch die Luft anzog.
,,Aua!"
,,Mila, mein Schatz? Ist alles in Ordnung?", fragte der Gouverneur besorgt und Mila hatte das Gefühl zu ersticken.
,,Ja...ich kämpfe nur gerade mit diesem Korsett.", erwiderte sie und fragte sich, warum um Himmels Willen, man so etwas tragen musste.
,,Ich habe gehört, es sei die neueste Mode in London.", sagte ihr Vater und klang etwas zerknirscht.
Elizabeth schien ebenfalls die Luft abgeschnürt zu werden, denn auch bei ihr war das Ringen nach Luft zu hören.
,,Naja, die Frauen in London müssen gelernt haben, nicht zu atmen.", entgegnete sie.
,,Dann hätten sie diesen Lehrgang ja mal hierher verlegen können.", sagte Mila und der Gouverneur schmunzelte.
Mila hatte schon immer ihre Schlagfertigkeit gehabt und sie auch nie verborgen. Doch es war ihm egal, dass sie so war, denn er war einfach nur froh, dass er seine Tochter wieder sicher bei sich hatte.
,,Mylord...Ihr habt Besuch!", sagte ein Diener, der in der Tür stand.
Der Gouverneur verschwand und Mila zwang sich zu einem Lächeln, als die Zofe vor ihr, sie besorgt ansah.
,,Alles in Ordnung, Miss?"
,,Ja! Solange ich nicht versuche Luft zu holen, ist alles bestens.", erwiderte Mila.
Nach langem Kämpfen und unendlichen Schnüren, waren die beiden Geschwister endlich angekleidet und traten hinter den Trennwänden hervor. Das Kleid von Elizabeth war eine Mischung aus Grautönen und weiß und wirkte unglaublich festlich. Die Haare der beiden hatten die Zofen gelockt und zu aufwändigen Frisuren hochgesteckt. Elizabeth trug noch einen Hut, was Mila jedoch strikt verweigert hatte. Die beiden sahen sich an und grinsten über das ganze Gesicht.
,,Ihr seht bezaubernd aus, Miss Swann!", sagte Mila und verneigte sich ehrfürchtig vor ihrer Schwester.
,,Das Kompliment gebe ich gerne zurück, Miss Swann!", erwiderte Elizabeth und die beiden Schwestern fielen sich in die Arme.
Ein leises Schluchzen erregte ihre Aufmerksamkeit und sie sahen zu einer älteren Zofe, die sich die Tränen fortwischte.
,,Ist alles in Ordnung, Grace?", fragte Elizabeth besorgt und Grace nickte.
,,Ja, Miss alles in Ordnung. Es ist nur...es ist ein so schöner Anblick, die beiden Schwestern wieder vereint zu sehen. Ach, wenn Eure Mutter, Gott hab sie selig, das doch miterleben könnte.", erwiderte Grace und verließ dann mit den anderen Zofen das Zimmer.
Elizabeth und Mila sahen sich an und lächelten zaghaft. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn auch Rose Swann dabei sein könnte, doch das würde leider nicht passieren. Elizabeth löste sich aus der Starre und ging plötzlich zu ihrer Kommode, wo sie etwas aus der Schublade holte.
,,Hier, das ist für dich!"
Sie reichte Mila eine Schachtel und als sie sie öffnete, sah sie eine Kette mit dem Anhänger in Form eines kleinen Kompass. Mila strich mit ihrem Finger darüber und sah ihre Schwester glücklich an.
,,Vielen Dank, Elizabeth! Die ist wunderschön."
,,Sie hat dir gehört. Unsere Mutter hat sie dir geschenkt, weil du immer nach Abenteuern gesucht hast. Sie sagte, solange du diese Kette hast, würdest du immer nach Hause zurückfinden."
Noch einmal umarmten sich die beiden, als sie Schritte hörten und nun David mit Kate im Schlepptau das Zimmer betrat. David war heute in dunkelblau gekleidet und Kate trug ein Kleid in einem tiefen Dunkelrot. Es passte perfekt zu ihrem unbändigen Temperament und ihre blonden Haare, hatte sie zu einem seitlichen Zopf geflochten.
,,Wow, ihr zwei seht unglaublich aus!", sagte David und sah auf die Kleider der Schwestern.
,,Danke! Die sind von unserem Vater.", erwiderte Mila.
David grinste. Er musste sich noch daran gewöhnen, dass Mila tatsächlich zu dieser Familie gehörte, aber sie war so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Und als sein Blick wieder zu Elizabeth schweifte, schlug sein Herz schneller. Sie war so wunderschön und sie strahlte förmlich von innen heraus. Zwar schien Elizabeth im Gegensatz zu Mila, ruhiger zu sein, doch das störte David nicht. Im Gegenteil! Es machte sie nur interessanter.
,,Dein Kleid sieht auch toll aus, Kate!", sprach Elizabeth und sah die beste Freundin ihrer Schwester an.
,,Dankeschön! Ich wollte zwar eigentlich keins haben, aber die Zofen meinten, wir müssten zu einer Zeremonie und da sollen wir anständig aussehen.", sagte sie und musterte wieder skeptisch ihren Anblick.
,,Ja, heute ist doch die Beförderung von diesem Norbert.", sagte David.
,,James Norrington! Er wird zum Commodore.", erklärte Elizabeth.
,,Na, super. Für den werfen wir uns so in Schale?", entgegnete Kate und Mila sah sie drohend an.
,,Kate, bitte sei heute freundlich. Ich kann ihn auch nicht leiden, aber tu es für mich.", bat Mila sie und Kate gab sich geschlagen.
,,Na, gut! Aber sein Benehmen von gestern wird er noch bezahlen.", erwiderte sie.
,,Danke, du bist die Beste!", sagte Mila und Kate zuckte mit den Schultern.
,,Wofür hat man Freunde?!"
***
Die Vier verließen den Raum und hörten Stimmen von unten. Mila und Elizabeth drehten noch einmal um, weil sie etwas vergessen hatten, doch David und Kate begaben sich nach unten, wo sie Gouverneur Swann mit einem fremden jungen Mann entdeckten. Der Fremde hantierte gerade elegant mit einem Schwert und hielt dem Vater von Mila und Elizabeth nun den Griff der Klinge entgegen, der sie lachend ergriff.
,,Beeindruckend, wirklich sehr beeindruckend. Commodore Norrington wird damit sehr zufrieden sein. Ah, David und Kate! Schön, dass ihr da seid. Ich möchte euch William Turner vorstellen. Er ist der Waffenschmied unserer Stadt.", sagte er und die Freunde traten an William heran.
Er hatte braune Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren und war natürlich auch wie alle Männer hier in Port Royal in Kniebundhosen gekleidet. Seine Jacke und das Hemd waren jedoch um einiges schlichter und alles in Einem machte der Waffenschmied einen eher braven und unschuldigen Eindruck, was Kate schon eher langweilig fand. Sie mochte lieber Männer, die außergewöhnlich waren. Doch sie setzte ein höfliches Lächeln auf.
,,Guten Tag! Mein Name ist Kate Summer. Und das ist mein bester Freund David Avery.", stellte sie sich und David vor, der höflich nickte.
,,Guten Tag!", erwiderte William höflich und als ein Lachen den Raum ertönte, drehten sich alle zu der Treppe.
Elizabeth und Mila kamen herunter und als sie hinunter sahen, wo alle sie anstarrten, hielten sie ihr Lachen zurück. Der Gouverneur war begeistert von dem Aufzug seiner Töchter.
,,Oh...Mila...Elizabeth, ihr seht einfach hinreißend aus.", brachte er hervor und konnte den Blick nicht von ihnen wenden.
,,Vielen Dank, Vater! Hallo, Will!", sagte Elizabeth und begrüßte den Waffenschmied mit einem höflichen Nicken.
Er erwiderte es und Elizabeth erinnerte sich daran, als sie und ihr Vater Will vor 8 Jahren aus dem Wasser gezogen hatten. Damals waren sie mit James Norrington auf einem Schiff gewesen und Elizabeth wusste als Einzige, dass Will in Wirklichkeit ein Pirat war. Da er dies aber selbst nicht wusste und Piraten verabscheute, hatte sie es ihm nie offenbart und ihm auch das Medaillon nicht zurückgegeben, welches sie damals um seinen Hals gefunden hatte. Aber Will machte auf sie, sowieso eher den unscheinbaren Eindruck und deshalb hatte sie auch nicht viel mit ihm zu tun.
,,Mr. Turner, Elizabeth kennt Ihr ja bereits. Ich möchte Euch Milena Swann vorstellen, ebenfalls meine Tochter. Sie ist vor 10 Jahren einst verschwunden, doch wir haben das große Glück gehabt, dass das Schicksal sie wieder zu uns gebracht hat. Milena, das ist William Turner, unser Waffenschmied von Port Royal.", brach er Gouverneur schließlich das Schweigen und Mila lächelte dem Waffenschmied freundlich entgegen.
Er machte einen unglaublich sympathischen Eindruck und er hatte die wunderbarsten braunen Augen, die Mila je bei einem Mann gesehen hatte.
,,Es freut mich, Euch kennenzulernen, Mr. Turner. Aber mich könnt Ihr gerne Mila nennen.", erwiderte sie und Will lächelte.
,,Die Freude ist ganz meinerseits, Miss Swann."
Die beiden sahen sich an und Mila hatte das Gefühl, dass sie etwas Magisches an ihm anzog. Sie fühlte sich mit ihm verbunden und hatte das plötzliche Bedürfnis, mehr über den Waffenschmied zu erfahren. Doch ihr Vater hatte ein unglaubliches Talent dafür, Momente zunichte zu machen und so war es auch diesmal.
,,Oh, wir sollten uns beeilen. Mr. Avery und Ms. Summer, warum gehen Sie nicht schon einmal vor?", fragte er und David verneigte sich.
,,Ganz wie Ihr wünscht, Mr. Swann."
,,Mr. Avery! Ich glaube, ich muss Euch unterrichten. Es heißt immer noch Gouverneur Swann!", erwiderte Kate und machte einen unglaublich ernsten Gesichtsausdruck.
,,Oh, ich bitte um Verzeihung! Natürlich, Gouverneur.", erwiderte David und die beiden gingen lachend in Richtung Kutsche.
Der Gouverneur schüttelte den Kopf, während Elizabeth an ihm vorbeiging und sich zu David und Kate gesellte. Mila sah noch einmal zu Will, der sie immer noch ansah und schenkte ihm ein sanftes Lächeln, ehe auch sie nun eine vornehme Haltung annahm.
,,Auf Wiedersehen, Mr. Turner!", sagte sie und folgte dann ihrem Vater nach draußen.
,,Komm, mein Kind!", rief der Gouverneur Mila zu und half ihr in die Kutsche. Als sich die Kutsche in Bewegung setzte, sah Mila noch einmal zum Haus, wo Will am Eingang stand und sie vernahm noch seine letzten Worte.
,,Auf Wiedersehen...Mila Swann!"
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