🕯🕯🕯🕯🕯 Japan - Traditions Part II

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-Traditions-

von

💫~Pornocchio~💫

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"Komm schon, nicht bummeln kleiner Bruder!", ruft mir Cole entgegen und hetzt mit schnellen Schritten voran zum Osaka Sky Building, an dem ein zauberhafter Weihnachtsmarkt mit einem riesigen Lichterbaum angrenzt. Ich staune nicht schlecht, als ich mich ganz verzückt umsehe und endlich den Zauber von Weihnachten spüren kann.

"Du hast Glück, dass die Weihnachtsmärkte bei uns bis zum 25. Dezember geöffnet haben. Hier bekommst du köstliche Snow Puffs - vegane und typisch japanische Plätzchen, gebrannte Mandeln, Schmalzkuchen und andere Weihnachtsleckereien, so weit das Auge reicht. Und der überdimensioniale Weihnachtsbaum unweit vor uns, gehört übrigens zu den größten Künstlichsten weltweit", erzählt mir Cole stolz. Er scheint sich wirklich vorgenommen zu haben, mir ein traditionelles Weihnachtsfest zu bieten.

"Ich habe mich letztes Jahr mal mit einem der treuen Standbesitzer unterhalten. Dieser Weihnachtsmarkt wird von deutschen Schaustellern betrieben und verfügt an vielen Ständen sogar über zweisprachiges Personal", fährt er weiter fort.

"Wahnsinn, ich bekomme hier ja heute richtig was geboten, sogar mit richtiger Guide-Tour", witzle ich und sehe ganz genau, wie Cole neben mir die Augen verdreht.
"Such dir einfach aus, was du essen möchtest und dann lass uns schnell wieder nach Hause gehen. Mir ist arschkalt."

'Wer auf einem Weihnachtsmarkt friert, ist selbst schuld', denke ich mir und schleife Cole zielsicher zum nächsten Glühwein-Stand. Ich genieße den vertrauten Geruch der fruchtig-süßen Aromen, auch wenn der Glühwein hier etwas anders schmeckt, als ich ihn kenne. Doch anders ist nicht unbedingt schlechter.

Nach und nach klappern mein Bruder und ich jeden einzelnen Stand ab und greifen sowohl bei den süßen als auch bei den herzhaften Köstlichkeiten ordentlich zu. Man hat es sich auf diesem Weihnachtsmarkt nicht nehmen lassen, sogar Entenkeule mit diversen Beilagen anzubieten. Als wir dann auch noch alles auslaufsicher mitnehmen können, grinse ich übers ganze Gesicht.

Am letzten letzten Stand kauft Cole für uns die hierzulande typische Weihnachtstorte „kurisumasu keki",
einen Erdbeerkuchen, der aus Biskuitteig, frischen Erdbeeren und viel Schlagsahne zubereitet wird, wie er mir beiläufig erzählt.

Die Einheimischen scheinen doch die ein oder andere Weihnachtstradition zu zelebrieren. Gerade in einem Land mit etlichen kulturellen Bräuchen wie Japan, hätte es mich arg gewundert, wenn man hier so gar nichts für Weihnachten übrig hätte. Dennoch sehe ich ein, dass dieser Feiertag eine vollkommen andere und weniger wichtige Bedeutung hat als bei uns daheim.

"Sag mal, Cole. Weshalb bin ich eigentlich vollgeladen wie ein Packesel und schleppe all unsere Sachen?", frage ich ihn direkt, als er mir die Tüte mit dem Weihnachtskuchen reicht.
Bewusst weicht er meinem durchdringenden Blick aus und nuschelt: "Ich brauche meine beiden Hände noch", erwidert er ausweichend. Etliche Fragezeichen tauchen vor mir auf und mir schwant nichts Gutes.

Mittlerweile hat sich die Nachmittagsonne verabschiedet und der Dämmerung Platz gemacht. Erst jetzt kommen die etlichen warmweißen Lichter wirklich zur Geltung. Santa Kurôsu, der Weihnachtsmann hierzulande, verteilt kleine Präsente an kleine Kinder und für einen Moment bin ich neidisch auf diese Sonderbehandlung. Kind müsste man nochmal sein.

Kurz bevor Cole und ich den Ausgang des Weihnachtsmarktes erreichen, dreht er sich verdächtig zu allen Seiten um. Ich kenne meinen Bruder - der plant doch etwas. Zu seiner Linken erspäht er einen kleinen Weihnachtsbaum mit roten Schleifen und weißen Papierornamenten mit japanischen Schriftzeichen verziert.
Ich brauche nicht lange, bis mir dämmert, was sich mein Bruder in den Kopf gesetzt hat.
"Nein, vergiss es!", rufe ich ihm mahnend zu.

Zu meinem Leidwesen kann ich ihn nicht einmal aufhalten, weil ich all unsere Einkäufe schleppe.
"Ach komm. Wenn wir schnell sind, wird das gar keiner mitbekommen", versichert mir Cole völlig entspannt.
"Weil es ja auch so unauffällig ist, mit einem geschmückten Baum durch Osaka zu rennen", widerspreche ich mit mangelnder Begeisterung. "Hast du das schon mal gemacht, hier einen Baum geklaut?", will ich wissen.
"Natürlich nicht", lügt er wie gedrückt. Pornocchio wäre stolz auf ihn, oder hieß er Pinocchio - egal...

Mein Bruder lässt sich nicht aufhalten und umgreift den Stamm der kleinen Tanne, mit der anderen Hand umfasst er die Mitte. "Glaub mir, hier passiert ständig irgendein verrückter Unsinn. Außerdem stehen die hier eh nur herum. Ohnehin finde ich das Schicksal eines jeden Weihnachtsbaums bedauernswert."

Fassungslos starre ich meinen Bruder an, der gerade dabei ist einen Baum vom Weihnachtsmarkt zu stehlen.
"Na dann ist da natürlich völlig in Ordnung!" Ungläubig schüttle ich den Kopf und sehe mich nun selbst nach potenziellen Zeugen um. 'Was für eine Strafe bekommt man wohl für den Klau eines Baums aufgebrummt?'

"Da bin ich vollkommen deiner Meinung. Schön, dass wir uns da einig sind, Brüderchen", erwidert Cole salopp und verlässt mit dem Baum den Weihnachtsmarkt. Verdattert starre ich ihm hinterher bis sich endlich meine Beine in Bewegung setzen und ihm eilig folgen.

"Ich fasse es nicht!", zische ich ihm zu und wundere mich gleichzeitig, dass uns keiner der entgegenkommenden Passanten argwöhnisch mustert.
"Entspann dich mal!", weist er mich an und zwinkert mir zu. Prompt breche ich in lautes Gelächter aus, weil diese ganze Aktion so absurd ist.

Cole lässt sich von meinem Lachen mit anstecken und entgegnet: "Da siehst du mal, wie lieb ich dich habe, wenn ich für dich sogar zu einem Dieb mutiere - damit du ein perfektes Weihnachten hast." Prompt bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wegen der ganzen Sache so ein Theater gemacht habe. Letztlich ist die Zeit mit meinem Bruder doch viel kostbarer als jede Tradition dieser Welt.

Meine Mimik scheint Bände zu sprechen, denn Cole knufft mir mit dem Ellbogen in die Seite und lächelt liebevoll.

"Merii Kurisumasu, kleiner Bruder."

The End.

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Ich wünsche euch allen zauberhafte und erholsame Weihnachtstage mit euren Liebsten. Bleibt gesund und kommt gut ins neue Jahr! 🍀

Eure Helen

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