🕯🕯🕯🕯 Japan - Traditions Part I
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- Traditions -
💫~Pornocchio~💫
"Traditions touch us,
they connects is,
and they expand us."
Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie eine kleine und zierliche Japanerin in Windeseile auf mich zugestürmt kommt. Sie hat dasselbe Ziel wie ich: Eins der wenigen Taxen am Kensai Airport zu erwischen. In den letzten dreißig Minuten habe ich vergeblich versucht eins zu erwischen. Als Tourist wird man hier offensichtlich nicht vorrangig behandelt, sondern vielmehr ignoriert.
Meine rechte Hand ist mittlerweile an meinem Koffergriff festgefroren, so eisig ist es hier heute. So kann mir wenigstens niemand heimtückisch mein Gepäckstück stehlen. Wenn, dann hat der Dieb mich mit im Schlepptau und das kann wohl keiner wollen.
Schneeflöckchen rieseln mir unaufhörlich in den Kragen und schmelzen zu flüssigen Tropfen, die nun geradewegs an meinem Rücken herabrinnen. Tief atme ich die eiskalte Luft ein und wappne mich zu einem finalen Sprint. Nochmal lasse ich mir das Taxi nicht vor der Nase wegschnappen.
Mein Koffer lässt sich nur widerwillig durch den Schnee ziehen, der sich stetig mehr um meine Kofferrollen sammelt. Ich habe das Gefühl kaum Halt auf dem Boden zu finden, denn ich schlittere mehr als das ich laufe. Immerhin komme ich halbwegs voran.
Auf wundersame Weise erreiche ich vor der Japanerin das Taxi und reiße schwungvoll die Beifahrertühr auf. Der Geruch von frittiertem Hühnchen kommt mir entgegen. Auf dem Beifahrersitz entdecke ich einen riesigen Partyeimer von Kentucky Fried Chicken. Fürsorglich wurde er sogar angeschnallt.
Der Taxifahrer schreit mich in seinem schönsten Japanisch an und deutet auf die Rückbank. Seltsam. Ich dachte bisher, dass es nur höfliche japanische Taxifahrer gibt. Beim meinem letzten Besuch hier hatte mein Taxi sogar automatische Türen. Dieses hier wirkt sehr in die Jahre gekommen.
Egal. Eilig nicke ich schließe die Tür wieder, um stattdessen auf der Rückbank Platz zu nehmen. Scheinbar wird einem hierzulande nicht mal mehr mit dem Gepäck geholfen. Schwerfällig hieve ich meinen schneebedeckten Koffer und Rucksack auf den Rücksitz und atme erleichtert auf, als ich alles verstaut habe.
Wutenbrannt hämmert die kleine Japanerin, die leider unseren Wettstreit verloren hat, gegen die Fenstertür. Ihre zornigen Worte verstehe ich glücklicherweise nicht. In dieser Welt muss man manchmal selbstsüchtig sein, um zu überleben. Ich bin mir sicher, dass das nächste Taxi ihres sein wird.
Ich reiche dem Fahrer einen Zettel mit meiner Zieladresse. Prompt gibt er sie in sein Navi ein und startet den Motor seines Wagens. Obwohl es nur zwanzig Minuten vom Flughafen bis zu meinem Bruder Cole nach Osaka sind, brauchen wir fast eine Stunde, um uns durch den Verkehr zu kämpfen.
Das Radio schnarrt unaufhörlich, was dem brummigen Fahrer nicht zu stören scheint. Vom Hühnchengeruch ist mir mittlerweile schlecht und die Lüftung des Wagens pustet gefühlt nur kalte Luft, statt wohlig warme. Alles in allem eine gelungene Ankunft in Osaka.
Ich schreibe zwischenzeitlich Cole, dass ich mich zum Weihnachtsessen verspäten werde. Als Antwort erhalte ich lediglich einen grinsenden Emoji, was auch immer mir das jetzt sagen soll. Hat er schon ohne mich angefangen? Überraschen würde es mich nicht.
Die Fahrt kosten mich 5000 YEN. Unglücklicherweise habe ich vorab den Wechselkurs nicht genauestens geprüft, glaube aber noch unter fünfzig Dollar zu liegen. Gutgläubig zücke ich meine Kreditkarte und reiche sie dem Fahrer. Trinkgeld gibt's bei nicht gewährtem Kundenservice nicht, auch wenn heute Weihnachten ist. Dieser Taxifahrer sollte ernsthaft an seiner Arbeitsmotivation arbeiten.
Durchgefroren, erschöpft und hungrig stehe ich vor der Haustür meines Bruders und warte ungeduldig darauf, dass er mir öffnet.
Ich bin etwas nervös und weiß nicht, wie es sein wird das erste Mal Weihnachten ohne Mom zu feiern.
Ich wollte mich nicht, wie ein kleines und bockiges Kind benehmen, als sie mir vor kurzem mitteilte, dass sie mit ihrem neuen Freund Mason über die Feiertage wegfahren möchte. Ich freue mich, dass sie der Liebe noch eine Chance gibt und weiß, dass sie meinen Vater nie vergessen wird.
Also beschloss ich dieses Jahr Weihnachten mit meinem Bruder zu verbringen. Der Haken war allerdings, dass ich dafür 6500 Meilen nach Osaka fliegen musste. Als er vor zwei Jahren beschloss, unser schönes Chicago für einen lukrativen Job bei einer angesagten japanischen Software-Firma zu verlassen, war ich tieftraurig. Insgeheim wusste ich schon früher, dass es einmal so kommen musste.
Cole war schon als kleines Kind fasziniert vom fernen Osten und hat sich unaufhörlich Dokumentationen oder Martial-Arts-Filme reingezogen. Für die meisten Filme war er oftmals noch viel zu jung.
Seit jeher waren mein großer Bruder und ich ein unzertrennliches Gespann, bis er sich für ein neues Leben entschied und mich einfach zurückließ. Es war ja nicht so, dass ich ihn jederzeit mal schnell besuchen konnte. Es graute mir schon jetzt vor dem bevorstehenden Jetlag.
"Hey!", begrüße ich Cole erleichtert, als er mir die Tür öffnet und mich mit einem breiten Lächeln empfängt.
"Sei gegrüßt, Brüderchen. Du siehst furchtbar aus, wenn ich das bemerken darf", entgegnet er schmatzend.
"Na wenn das kein herzlicher Empfang ist. Ich musste eine halbe Stunde in der Eiseskälte warten, bis ich ein Taxi bekommen habe. Zu meinem Glück habe ich dann auch noch einen miesgelaunten und unhöflichen Fahrer erwischt", erzähle ich meinem Bruder die ganze Tortur meiner Anreise.
Viel Mitgefühl hat er nicht für mich übrig, denn er lacht amüsiert.
"Was bitte ist daran so witzig?"
"Ich kenne keinen einzigen unhöflichen Taxifahrer in Osaka", äußert er sich grüblerisch.
"Ja, das dachte ich mir auch, obwohl ich noch nicht vielen begegnet bin."
"Welche Farbe hatte das Kennzeichen?", will er von mir wissen. Mit einem Achselzucken erwidere ich: "Keine Ahnung. Ich glaube Weiß."
Klatschend gratuliert mir mein großer Bruder und sorgt nicht gerade dafür, dass sich meine Stimmung hebt.
"Herzlichen Glückwunsch, Brüderchen. Das klingt mir ganz nach einem Betrügertaxi. Die offiziellen Taxikennzeichen sind nämlich dunkel. Wie viel hat die der Fahrer abgeknöpft?"
"5000 YEN", antworte ich ihm grummelnd, mit der einkehrenden Erkenntnis viel zu viel bezahlt zu haben.
"Na ein Schnäppchen war das ja nicht. Normalerweise zahlt man um die 3500 YEN. Ich hoffe doch, du hast nicht auch noch Trinkgeld gegeben", kommentiert er meine Geschichte.
"Natürlich nicht."
Ein vertrauter Geruch steigt mir in die Nase, der mich zugleich an die Taxifahrt hierher erinnert. Misstrauisch beäuge ich Cole, dessen Kiefer sich verdächtig bewegt."
"Was verdammt isst du da? Doch nicht wohl unser Weihnachtsessen?", frage ich meinen Bruder direkt.
"Die leckersten Hähnchenschenkel der Welt", klärt er mich auf und nimmt mir mein Gepäck ab, nur um es in die nächstgelegene Ecke zu befördern. Er hat Glück, dass sich nichts Zerbrechliches darin befindet.
"Verdirbst du dir damit nicht den Appetit auf den Truthahn?"
"Welchen Truthahn?", fragt er verdutzt und folgt mir ins Wohnzimmer. Mir schwant nichts Gutes, als ich mich in Coles Wohnung umsehe. Nichts deutet darauf, dass heute Heiligabend ist. Kein Weihnachtsbaum, keine funkelnden Lichter. Ich könnte heulen.
"Deinen Truthahn. Du hast gesagt, du besorgst alles!", erinnere ich Cole mahnend und drehe mich fassungslos zu ihm herum. Er scheint sich keiner Schuld bewusst zu sein.
"Wir haben vor zwei Wochen telefoniert, Cole. Du wolltest ganz nach Mutters Tradition ein Weihnachtsessen kochen."
"Du weißt doch, dass ich es nicht so mit Kochen habe. Außerdem dachte ich, wir haben nur herumgealbert", redet er sich heraus.
"Du verarscht mich doch gerade."
"Ich fürchte nicht", entgegnet mein Bruder lässig und lässt sich auf seine überdimensionale Couch nieder. Galant winkt er mir zu und deutet mir an, mich zu setzten.
"Beruhige dich erstmal. Du bringst mein inneres Chi durcheinander."
Weihnachten war immer unser allerliebster Feiertag gewesen. Wieso machte er ihn jetzt kaputt? Ich verlangte ja nicht, dass er seine Wohnung in ein Winterwunderland verwandelte, aber ein wenig Weihnachtszauber durfte ich doch erwarten.
"Keine Sorge, kleiner Bruder. Wir werden schon nicht verhungern. Ich habe schon vor Monaten ein klassisches Weihnachtsmenü bei Kentucky Fried Chicken bestellt."
"Oh, so etwas bieten die an?", erkundige ich mich überrascht und mit einem letzten Hoffnungsschimmer. Vielleicht lag ich mit meinen Anschuldigungen falsch.
"Ja, das ist hierzulande gute alte Tradition. Man muss sich ja anpassen", erklärt er mir.
"Warte, woraus besteht dieses Weihnachtsmenü?"
"Natürlich aus einem Partyeimer mit paniertem Hühnchen... Reichlich davon. Das reicht also locker für uns Zwei. Den Schokokuchen als Dessert habe ich allerdings nicht bestellt, schließlich muss ich auf meine Figur achten", klärt mich Cole auf.
"Du willst mir also sagen, dass unser Weihnachtsmenü lediglich aus frittierten Hühnchenschenkeln besteht?! Oh mein Gott!" Ich kann es nicht glauben. Mein Bruder ist gerade auf dem besten Weg unser gemeinsames Weihnachten zu versauen.
"Jetzt spiel dich mal nicht auf wie eine Diva. Mein Land, meine Traditionen."
"Du lebst Zeit zwei Jahren hier und du bezeichnest diese Hähnchenschenkel als japanische Tradition? Das kann doch nicht dein Ernst sein!", schreie ich ihn an. Okay, vielleicht übertreibe ich wirklich ein wenig oder der Jetlag fordert gerade seinen Tribut.
"Doch, in der Tat. Das ist Weltkulturerbe", witzelt Cole.
"Du laberst so einen Mist." Verzweifelt laufe ich in seinem Wohnzimmer auf und ab und überlege wie ich Weinachten noch retten kann.
"Okay, es ist ja noch etwas Zeit bis Heiligabend . Die Läden haben hier doch sicherlich eine Weile auf, oder? Dann können wir noch fix alles einkaufen", schlage ich hoffnungsvoll vor.
"Die Läden haben ganz normal geöffnet. Heute ist kein offizieller Feiertag. Aber sag mal: Bist du irre? Weißt du, was in den Läden los ist?"
'Vermutlich nicht weniger, als bei uns Zuhause' , denke ich mir. Es ist Weinachten. Klar, dass da die Geschäfte gestürmt werden.
"Die sind alle noch auf der Suche nach einem Geschenk für ihren Partner. Weihnachten ist für die Japaner der romantischste Tag des Jahres, sowas wie Valentinstag bei uns in den Staaten. Also wirklich das Fest der Liebe", klärt mich Cole mit einem genervten Unterton auf. Vielleicht ist er einfach nur schlecht drauf, weil er noch keinen Partner fürs Leben gefunden hat.
"Erzähl mir mehr", verlange ich und setzte mich seufzend zu meinem großen Bruder.
"Von mir aus. Man feiert eher hier eher das gemeinsame Glück statt die Geburt Christi. Ich glaube in Japan sind weniger als ein Prozent Christen. Das habe ich zumindest mal irgendwo gelesen. Ich glaube, hierzulande gibt es sogar einen speziellen Tag fürs Schenken, eine Art japanisches Wichteln."
Das klingt alles so anders, als bei uns Zuhause. Ich weiß, anderes Land, andere Sitten. Dennoch wurmt es mich tierisch, dass Cole Weihnachten offensichtlich nichts mehr zu bedeuten scheint.
"Du wusstest das ich komme und hieltest es nicht mal für möglich dir ein wenig Mühe zu geben", werfe ich meinem Bruder vor.
"Wenn dir das hier nicht passt, kannst du gern wieder gehen. Du tust so, als wäre ich der Grinch, dabei hatte ich einfach keine Lust auf diesen übertriebenen Kitsch!", fährt er mich plötzlich wütend an.
"Übertriebener Kitsch? Es ist Weihnachten, unser Lieblingsfeiertag." 'Hat er das etwa vergessen?'
"Das war es. Ohne Dad ist es nicht mehr dasselbe", gesteht er mir flüsternd, kann mich dabei aber nicht absehen. Ich spüre einen alten Schmerz in meiner Brust, der noch immer nicht verheilt wird und auf ewig eine Narbe hinterlassen wird.
"Ich vermisse ihn", gebe ich zu und atme schwer aus. Schlürfend trabe ich in den Flur, um meinen Koffer und meinen Rucksack zu holen. Schneller als, ich gucken kann, steht Cole hinter mir. "Was machst du da?", fragt er mich verwirrt.
"Ich fliege wieder nach Hause." Das war ein verdammt teuer und kurzer Besuch bei meinem Bruder, aber das ist mir gerade herzlich egal.
"Was?! Weil ich keinen verdammten Baum und einen Truthahn für dich habe?, brüllt er mich an und reißt mir mein Gepäck aus den Händen. Tränen, gezeugt aus Wut und Trauer, sammeln sich in meinen Augen.
"Nein, weil du denn Zauber und Sinn von Weihnachten vergessen hast."
Ruppig packt mich Cole und zieht mich in eine feste Umarmung, aus der ich mich trotz höchstem Bestreben nicht befreien kann.
"Lass mich los!", murre ich schniefend. Beruhigend streicht er über meinen Rücken und versucht mich zu besänftigen. Es klappt.
"Du bist so ein sturer Esel."
"Das liegt wohl in der Familie", kontere ich keck und genieße Coles Nähe.
"Fein! Dann besorgen wir dir deinen verdammten Baum und alles was du brauchst, um dich bei mir wie zu Hause zu fühlen", beschließt er entschlossen und löst sich wieder von mir. Skeptisch lasse ich das Gesagte auf mich wirken. "Ist das jetzt die Stelle, wo der Grinch doch beschließt, Weihnachten zu retten?", frage ich ihn mit hörbare Skepsis.
"Man sollte den Abend nicht vor dem Morgen loben. Es gibt noch viel zu tun. Also los, Brüderchen!"
to be continued...
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Ich wünsche euch allen einen zauberhaften 4. Advent und erholsame Festtage mit euren Liebsten!
Eure Helen 🤶
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