11.12.2016
Wie immer kam er gerade dann an, wenn sie den täglichen Text gerade hochgeladen hatte. Zu zweit setzten sie sich, wie es schon fast Ritual der beiden war, in den Pausenraum, und, zu ihrer Überraschung, zog er eine große Thermosflasche mit heißem Kakao und einige Mandarinen aus seine Tasche hervor.
Sie wollte gerade irgendwas à la "das wäre doch nicht nötig gewesen!" hervorquetschen, doch er würgte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung seinerseits ab.
Er war ein interessanter Gesprächspartner. Zu ihrer eigenen Überraschung erzählte sie ihm von sich, was sie zuvor noch keinem anvertraut hatte, auch ihren besten Freunden nicht. Von ihm erfuhr sie, dass er, Johannes, sich absichtlich von allem losgesagt hatte, obwohl er nichts hatte, was Unabhängigkeit erstrebenswert machte, im Gegensatz zu ihr, als sie damals dieselbe Entscheidung getroffen hatte.
Unausgesprochen stand die Schlussfolgerung zwischen ihnen, die beide dachten, und von der beide wussten, dass der jeweils andere sie auch kannte: Er hatte nichts zu verlieren. Sie hatte schon beschlossen, alles aufzugeben, war erhobenen Hauptes ins Grab gestiegen, anstatt einen anderen Weg zu versuchen. Für ihn war Unabhängigkeit ein Versuch, für sie das einzige Ziel, nachdem sie jetzt nach und nach alles weggeschmissen hatte, was diese Erstrebenswert machen könnte.
Während sie mit aller Kraft mit dem Kopf durch die Wand wollte - und sie sah, was sie sie sich antat, sie war realistisch anstatt ein Brett namens "schützende Unwissenheit" vor dem Kopf mit sich herumzutragen; hatte er ein Ziel, investigativer Journalist wollte er werden, und Dinge zutage fördern, an die sich sonst keiner rantraute; er zählte eine Reihe Namen auf, es waren die, deren Träger seine Vorbilder waren, sie erkannte nur einen von ihnen: Edward Snowden.
Die heiße Flüssigkeit schien das gefühllose Wesen, das in den vergangenen Tagen immer stärker Besitz von ihr ergriffen hatte, aufzulösen, und durch etwas warmes, angenehmes, ja, aufregendes zu ersetzen. Wenn er von seinen Zielen sprach, wollte sie auf einmal auch hoch hinaus, auf einmal glaubte sie wirklich, etwas erreichen zu können, sein Optimismus, ja, sien Idealismus war es, der von ihre Besitz ergriff.
Sie erzählte ihm von dem neuen Gedanken. Noch ein sinnloser Job? Wozu denn? Studieren? Wofür? Einen Radiosender gründen? Warum nicht, sagte er schulterzuckend, aber nicht überzeugt. Eine unabhängige Nachrichtenplattform? Hmm. Warum, fragte er, werde sie nicht auch Journalistin?
Ja, warum eigentlich nicht?
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