7. Türchen
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7.
Yoongi Min zu treffen ist wie der kälteste Schwall Wasser, den man abbekommen kann – sprich: eisig. Und das einzig Gute daran ist: man gefriert.
Jeongguk hat den Tag eingefroren hinter sich gebracht, vor allem die Doppelstunde Zaubertränke, in der sie natürlich nicht zusammengearbeitet haben, sondern viel mehr so weit wie möglich voneinander entfernt. Den fragenden Blick von Yoongi Min hat Jeongguk nicht einmal wahrgenommen, so sehr war er damit beschäftigt, ihm aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass der andere Schüler aktiv auf ihn zugekommen wäre. Nachdem sich Jeongguk in Zaubertränke demonstrativ neben Namjoon gesetzt hat (obwohl der Stuhl neben Yoongi noch frei war), gab es, bis auf diesen einen Blick, keine weitere Interaktion zwischen ihnen.
Nach dem Abendessen (und es ist erstaunlich, dass er es überhaupt so lange ausgehalten hat) hat Jeongguk sofort das Büro von Professor Dumbledore aufgesucht oder wohl besser formuliert – gestürmt.
„Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Lord Voldemort in meinem Jahrgang ist?", verlangt er fassungslos zu wissen und ist dabei so gefroren in seiner Wut und seinem Schock, dass ihm nicht mal jetzt sein eigener Denkfehler auffällt.
„Lord Voldemort? Würden Sie mich erleuchten, von wem Sie sprechen, Mister Jeon?"
Du-weißt-schon-wer, will Jeongguk antworten, der, dessen Name nicht genannt werden darf. Aber langsam dämmert ihn, dass Professor Dumbledore wohl auch nicht wissen kann, wen er damit meint, wenn er schon mit der Bezeichnung Lord Voldemort nichts anfangen kann.
Der bürgerliche Name dann also.
„Min", spuckt er aus, „Yoongi Min."
„Sie meinen unseren Schülersprecher? Nennt er sich so - Lord Voldemort?" Keine unbedeutende Menge Neugierde schwingt in seiner Stimme mit. Dann - und es ist wirklich nur der Bruchteil einer Sekunde, so bemerkenswert ist das Gehirn seines Professors, legen bei Dumbledore mehrere Schalter gleichzeitig um und er versteht (vermutlich mehr, als Jeongguk selbst). Er sagt: „Es scheint, als hätten Sie eine gemeinsame Vergangenheit miteinander. Entschuldigung, Zukunft, meine ich."
„Das haben wir. Und sie ist nicht schön."
„Sie wissen, dass Sie mir nichts darüber erzählen dürfen", mahnt Dumbledore und Jeongguk weiß nicht, ob er das schafft.
„Aber ich muss mit jemanden darüber reden. Ich kann das nicht für mich behalten."
"Sie müssen."
Tja, nur weil man manche Dinge muss, heißt es nicht, dass man es auch kann. Jeongguk kann es nicht. "Es ist... schrecklich", versucht er so vorsichtig wie möglich zu formulieren. „Yoongi Min ist gefährlich. Man muss ihn aufhalten."
„Ich darf mit Ihnen nicht darüber reden", erklärt Professor Dumbledore nachdrücklich und mustert ihn über den Rand seiner Brillengläser hinweg nachdenklich. "Aber ich sehe auch, dass Sie dieses Thema sehr belastet und ich gehe davon aus, dass es besser ist, wenn Sie mit mir darüber sprechen, als mit einem anderen Schüler."
"Auf jeden Fall!"
"Dann würde ich würde vorschlagen, dass Sie sich erst einmal setzen, Mister Jeon, und wir bei einer Tasse Tee über die Dinge reden, über die wir reden können." Der ungewöhnlich strenge Tonfall des Professors ist weiterhin vorhanden.
Jeongguk zuckt schuldbewusst zusammen, verbeugt sich entschuldigend und schließt hastig die Bürotür hinter sich. Fawkes gibt wieder dieses begrüßende Gurren von sich, welches auch beim zweiten und dritten Mal wie ein Hallo klingt, und Jeongguk erwidert die Begrüßung ebenso gurrend. Professor Dumbledore lächelt ihn daraufhin warm an, als hätte das Geräusch ihn auch besänftigt, während er mit einer kleinen Zauberstabbewegung das Teeservice zu ihnen herüber fliegen lässt.
Es ist der Moment, in dem sie beide noch einmal ihre Gedanken sammeln können. Jeongguk weiß und versteht, dass es keine Option ist, den Professor vollständig über die Zukunft aufzuklären. Vermutlich würde er ihn stummhexen, noch bevor Jeongguk es versuchen kann. Vielleicht denkt er, dass Jeongguk dadurch etwas kaputt machen kann. Er versteht nicht, dass die Zukunft bereits kaputt ist. Dass es schlimmer, als es jetzt ist, nicht werden kann.
Während er darüber noch grübelt, ist Professor Dumbledore der erste von ihnen, der wieder das Wort ergreift: „Ich muss zugeben, dass ich mir bereits in den letzten Jahren die ein oder andere Sorge um Mister Min gemacht habe."
„Zurecht", weiß Jeongguk zu bestätigen und ein ungewohnt strenger Blick erinnert ihn erneut daran, dass sie sich noch auf gefährlichem Terrain bewegen und jede Aussage von Jeongguk mit Bedacht gewählt sein sollte.
„Ich muss allerdings deutlich klarstellen, dass der Mister Min aus unserer Zeit noch nicht der Mister Min ist, den Sie in fünfzig Jahren kennenlernen. Ich möchte Sie deswegen darum bitten, die Beiden nicht miteinander zu verwechseln."
„Wie soll das gehen?", will Jeongguk wissen. „Es ist die Person, die er sein wird."
„Sind Sie die gleiche Person, die Sie vor zehn Jahren waren?", stellt der Professor die Gegenfrage.
Vor zehn Jahren war Jeongguk acht Jahre alt. Er hat wie jedes Kind bei seinen Eltern gelebt und es kaum erwarten können, in drei Jahren endlich Hogwarts besuchen zu können. Seine größten Probleme bestanden darin, seine Weihnachtswunschliste so klein zu halten, dass er alles davon bekommen kann, und Bauchschmerzen vorzuspielen, wenn er seine nervige Tante nicht sehen wollte. Von diesem Kind ist nichts mehr übriggeblieben. Die Machtergreifung von Lord Voldemort hat alles und jeden verändert.
„Nein", gibt Jeongguk daher kleinlaut zu.
„Was führt Sie also zu der Annahme, dass Mister Min heute schon derjenige ist, der er in fünfzig Jahren sein wird?"
Weil ein Monster sich nicht ändern kann, weil Lord Voldemort schon vor Jahren versucht hat, die Kontrolle über die magische Welt zu erlangen und –
Jeongguk muss zugeben, dass selbst die ersten Jahre von Voldemorts Schreckensherrschaft, bevor Harry Potter ihn wie durch ein Wunder besiegt hat und zum Jungen-der-lebt wurde, von hier aus noch etwa fünfzehn Jahre in der Zukunft liegen.
Jeongguks Schweigen scheint Professor Dumbledore zu bestärken. „Was für eine fürchterliche und traurige Annahme wäre es", beginnt er, „wenn wir nicht daran glauben würden, dass der Mensch sich verändern kann."
„Kann er das?", will Jeongguk geschlagen wissen und ist sich wirklich nicht sicher, ob diese Aussage auch für Monster – Schlangen – gilt.
„Sind Sie nicht der lebendige Beweis dafür? Bin ich es nicht? Sollten wir auch in der Zukunft das Vergnügen eines Kennenlernens gehabt haben, gehe ich davon aus, dort vermutlich auch anders gewesen zu sein, als ich es jetzt bin."
„Nicht so anders, wie Sie denken."
„Das ist durchaus beruhigend", antwortet Dumbledore mit einem leichten Grinsen, „aber trotzdem höre ich heraus, dass es doch Unterschiede gab."
Jeongguk zuckt mit den Schultern. Professor Dumbledore wertet es als die Zustimmung, die es ist, und setzt fort: „Es ist vermutlich schwer, Mister Jeon, und ich kann mir nicht ausmalen, was Sie in der Zukunft erlebt haben. Aber ich bitte Sie darum, verurteilen Sie Mister Min nicht jetzt schon für Taten, die er bislang noch nicht begangen hat. Nehmen Sie ihm nicht die ach-so-menschliche Chance, sich verändern zu können. Sie habe doch nach einem Grund gesucht, warum der Raum der Wünsche Sie in der Vergangenheit gebracht hat, einen Grund gesucht, warum Sie hier sind. Vielleicht haben Sie ihn hiermit gefunden."
Damit ich Lord Voldemort verändern kann? Wie soll das gehen?
Jeongguk zweifelt nicht daran, dass Menschen sich ändern können. Er zweifelt nur daran, dass Lord Voldemort ein Mensch ist oder jemals ein Mensch war. Er weiß also nicht, ob man ihn überhaupt verändern kann, aber sollte das nicht funktionieren –
- dann kann ich zumindest versuchen, ihn aufzuhalten.
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