22. Türchen
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22.
In den Weihnachtsferien ist es erstaunlich leicht, sich in den Gemeinschaftsräumen von Gryffindor zu verkriechen. Jeongguk versucht es zumindest und ohne seine drei besten Freunde, Namjoon, Taehyung und Christopher, gibt es auch niemanden, der ihn mit aller Macht nach draußen zwingt. Generell ist das Schloss leer wie immer über die Weihnachtsferien. Draußen ist es trüb, grau, wird niemals zu keiner Zeit richtig hell.
Eine Zeit, in der es wirklich leicht ist, in dunklen Gedanken zu versinken. Und davon hat Jeongguk mehr, als ihm lieb ist.
Grundsätzlich ist es ein Problem, dass Yoongi wirklich undurchschaubar ist. Vermutlich so, wie es sich für einen Dunklen Lord gehört. Man weiß nie, wo man dran ist, was die Absichten sind und was Intrigen, ob es irgendwo auch Ehrlichkeit gibt und die Wahrheit oder immer nur dieses Pokerface aus Gelassen- und Allwissenheit, die nicht stimmen kann. Oder doch?
Wusste er, dass ich aus der Zukunft bin? Aber warum hat er dann gefragt? Wollte er es von mir selbst hören? Oder hat er die ganze Zeit nur geblufft?
Was wollte Yoongi mir zeigen? Den Raum der Wünsche? Etwas im Raum der Wünsche? Oder war es eine Falle? Ein cleverer Schachzug? E wusste, dass ich ein Geheimnis habe... War das alles nur - der Ball, die Tänze, die schönen Worte... – alles nur gespielt, damit er meine Geheimnisse erfährt?
Und was jetzt? Professor Dumbledore hat ihn gewarnt, vor dem Spiel mit der Zeit und dem gefährlichen Wissen um die Zukunft. Was wird jetzt passieren, jetzt, wo Yoongi weiß, woher Jeongguk stammt?
Habe ich die Zukunft zerstört? Und wenn ja, ist das eine gute Entwicklung? Oder habe ich dafür gesorgt, dass die Zukunft so wird, wie sie wird? Sie noch dunkler gemacht?
„Eine Galleone für deine Gedanken."
„Zehn für deine."
Es ist nicht mal überraschend, dass Yoongi plötzlich auf dem Sessel neben dem Kaminfeuer sitzt. Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, obwohl er ein Slytherin ist. Jeongguk hat damit gerechnet. Es war nur eine Frage der Zeit. Die Variable, auf die irgendwie immer alles zurückkommt.
„Das ist viel Geld. Ich fühle mich geehrt."
Da ist es wieder, dieses selbstgefällige Grinsen auf Yoongis sonst so unbewegtem Gesicht.
„Wie bist du hier reingekommen?"
„Ich bin der Schulsprecher. Ich kenne alle Passwörter."
„Natürlich tust du das." Aber Jeongguk muss zugeben, dass es eine erstaunlich harmlose Erklärung ist und er mit weitaus schlimmeren gerechnet hat.
Was hast du denn gedacht? Dass er einen hilflosen Erstklässler gefoltert hat, bis er ihm das Passwort verrät?
Möglich wäre es...
„Also? Kommen wir ins Geschäft?", versucht Yoongi es erneut. „Ich erhöhe auch mein Angebot. 10 Galleonen für deine Gedanken."
„Warum plötzlich so geschäftstüchtig? Hast du eingesehen, dass du mit Legillimens nicht weit kommen wirst?"
„Warum denkst du so negativ von mir, Jeongguk Jeon? Hast du schon darüber nachgedacht, dass ich es lieber freiwillig von dir hören würde?"
Es gibt keine Antwort, die Jeongguk auf diese Frage geben kann. Keine, die ungefährlich ist oder ungenau oder nicht viel zu viel über die Zukunft verraten würde. Also nimmt er die einzige Option, die übrigbleibt. Er schweigt.
„Die Zukunft, mhm?", bestätigt Yoongi sich selbst. „Die Zukunft scheint recht viel Aufschluss über meinen... Charakter... zu geben."
Jeongguks Blick ist leer. Er geht an Yoongi vorbei (bringt es nicht übers Herz ihn anzusehen und die roten Abdrücke um seinen Hals, von denen er weiß, woher sie stammen), aus dem Fenster heraus und rein in die dunklen Wolken über dem Gryffindorturm. Dort ist es ganz leicht nur grau zu sehen, nicht schwarz, nicht weiß, sondern irgendwas dazwischen. Vielleicht hätte Jeongguk mit Professor Dumbledore reden sollen. Ihm erzählen, dass er sich Yoongi gegenüber „verplappert" hat. So ungefähr zumindest. Vielleicht wäre er dann auf dieses Gespräch hier besser vorbereitet.
„Kennen wir uns in der Zukunft?"
„Jeder kennt dich."
Jeongguks Magen dreht sich um, dreht gefährliche Schleifen beim Anblick von dem zufriedenen Glühen in Yoongis Augen bei dieser Aussage.
„Und jeder fürchtet mich", schlussfolgert Yoongi wieder selbst. „Das ist der Grund, warum du Angst vor mir hast. Und warum du mich im Auge behalten hast, seitdem du hier bist."
„Bist du nur hier, um dich selbst sprechen zu hören?", fragt Jeongguk weniger patzig als geplant, sondern viel mehr leer, verloren, aufgegeben. Er hat noch keine Kraft für dieses Gespräch. Es ist viel zu früh dafür.
„Ich bin hier, um dich reden zu hören", stellt Yoongi sofort richtig. „Aber wie sich herausstellt, scheinst du heute nicht sonderlich gesprächig zu sein."
„Ich wäre lieber allein."
„Warum, mein lieber Jeongguk? Denkst du nicht, wir haben uns eine Menge zu erzählen?"
„Ich darf dir nichts über die Zukunft erzählen."
„Hat Professor Dumbledore dich dazu angewiesen? Deswegen die regelmäßigen Besuche in seinem Büro? Er weiß, dass du aus der Zukunft bist."
Und wieder ein Detail, von dem Jeongguk sich nicht bewusst war, dass es Yoongi bekannt ist. Wie sich nun herausstellt, weiß Yoongi immer mehr, als er bereit ist zuzugeben.
Jeongguk nickt, weil es keinen Sinn macht, Tatsachen abzustreiten.
„Er hat mich davor gewarnt, zu viel über die Zukunft zu erzählen. Es sei zu gefährlich."
„Bedauerlich", gibt Yoongi zu. „Zutiefst bedauerlich... Mich würden einige Dinge interessieren... Ich habe so viele Fragen..."
„Ich kann sie nicht beantworten."
Yoongi lässt sich davon nicht beirren. Jeongguks (viel zu schwachen) Widerstand hat er schon immer nieder gewälzt wie eine Lawine. Warum sollte es diesmal anders sein?
„Hast du denn keine Fragen, Jeongguk?", möchte Yoongi mit lockendem Unterton wissen. „Nichts, was dich ebenfalls interessiert?"
„Schlägst du mir einen Deal vor, Yoongi?"
„Einen Handel. Korrekt, korrekt... Eine Wahrheit... für eine Wahrheit."
Aber mit wem soll Jeongguk da handeln? Mit Yoongi oder mit Lord Voldemort? Dem Nachfahren von Slytherin, dem dunkelsten Magier von allem?
„Woher soll ich wissen, dass du mich nicht anlügst?"
„Vertrau mir", wiederholt Yoongi die Worte, mit denen er Jeongguk zum Raum der Wünsche gelockt hat. Sie haben ihren Reiz verloren, der Feuerwhiskey verschleiert sie nun nicht mehr. Übrig bleibt nur ihr grotesker Charakter.
„Ich kann dir nicht vertrauen..."
„Schade", entgegnet Yoongi knapp und emotionslos. „Aber damit war zu rechnen. Ich habe deswegen... eine Absicherung dabei. Für uns beide."
Und er zieht aus der Tasche seiner Robe eine kleine Phiole hervor. Die Flüssigkeit darin ist klar und durchzeitig. Glitzert ganz leicht im Schein des Kaminfeuers.
„Veritaserum?"
„Veritaserum", bestätigt Yoongi. „Selbst gebraut", erklärt er so stolz, als wäre es ein Qualitätsmerkmal. Was es vermutlich auch ist. Nur, dass es Jeongguk noch mehr Angst macht.
Trotzdem ist es auch verlockend...
Ich wollte wissen, was Yoongi über mich denkt. Ich wollte erfahren, ob er jetzt schon das Monster ist, dass ich in der Zukunft kennengelernt habe. Das ist meine Chance. Wenn ich die Antworten habe, kann ich ihn aufhalten... Ich kann danach immer noch mit Professor Dumbledore sprechen und wir können ihn aufhalten. Ist die Zukunft nicht ohnehin schon verloren? Kann sie schlimmer werden als sie ist?
„Eine Wahrheit für eine Wahrheit?", erkundigt sich Jeongguk. „Quid pro quo?"
Anstatt einer Antwort schnippst Yoongi mit dem Finger und auf dem kleinem Tisch zwischen ihnen erscheint eine Karaffe Wasser mit zwei Gläsern. Er entkorkt die Phiole in seiner Hand und mischt das Veritaserum mit dem Wasser. Dann schenkt er ihnen ein und bietet Jeongguk ein Glas an.
Der nimmt es ihm aus der Hand. Jeongguk geht Yoongi jetzt nicht mehr aus dem Weg, er begegnet sogar seinem Blick, der müde aussieht und wach. Sieht in Augen, die wieder rot leuchten, aber diesmal, denkt Jeongguk zumindest, ist es nur die Spiegelung des Feuers.
„Quid pro quo."
Ihre Gläser berühren sich in der Luft. Yoongis Finger streichen hauchzart über Jeongguks Handrücken, lassen sich die Gelegenheit einer Berührung nicht entgehen. Sie beide heben ihr Glas an die Lippen, leeren es in einem einzigen Zug. Lassen sich dabei gegenseitig nicht einen Moment aus den Augen.
Veritaserum hat keinen Geschmack. Es ist ein Gefühl.
Das Gefühl, dass das Herz auf die Zunge aufsteigt und darauf liegenbleibt. Man kann nicht mehr lügen.
„Wie heißt du?", will Yoongi wissen. Nur ein Test, ob es funktioniert hat.
„Jeongguk Jeon", antwortet Jeongguk wahrheitsgemäß. Immerhin dabei musste er noch nie lügen. „Wie heißt du?"
Und wieder antwortet Yoongi nicht. Mit einem Fingerschnipsen erscheinen Buchstaben in der Luft zwischen ihnen. Sie sortieren sich und bilden einen Satz.
„Yoongi Marvolo Min ist... Lord Voldemort."
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