19. Türchen
⊱ ────── ⋅ ۞⋅ ───── ⊰
19
Am nächsten Tag spielen die Gemüter in Hogwarts verrückt.
„Was zur Hölle ist los heute?", will Jeongguk deswegen besorgt wissen, als er sich zum Abendessen neben Christopher an den Haustisch der Gryffindors setzt. Taehyung und Namjoon sitzen ihnen gegenüber.
„Was meinst du?"
„Heute Morgen haben Rufus und Filius Ewigkeiten im Bad gebraucht, nur um dann von einer Parfümwolke umgeben und steinernen Gesichtern herauszukommen. In jeder Unterrichtsstunde waren unzählige Pergamentschmetterlinge (das magische Pendant zu Zettel schreiben im Unterricht) unterwegs. Manche haben regelrecht auf mir gecampt, als wäre ich 'ne verdammte Blumenwiese. Die Stimmung in den Gängen ist irgendwo zwischen hysterisch und depressiv. Ich höre immer nur Gekicher oder Geheule und eben im Gemeinschaftsraum saßen sieben (!!) Mädchen, die geweint haben. What the fuck?"
„Ahhh, das meinst du", gibt Christopher mit wissendem Lächeln von sich.
„Das sind die Hormone", versucht Taehyung zu erklären. „Die drehen alle durch."
Es erklärt gar nichts. Jeongguk wendet sich mit hilfesuchendem Blick an Namjoon, der solche Dinge in der Regel besser erklären kann als die anderen Beiden.
„Morgen ist der Weihnachtsball", zuckt Namjoon mit den Schultern. „Es haben noch nicht alle eine Verabredung."
„Ooooh...", versteht jetzt auch Jeongguk.
Und dann: „Ich hab' auch noch keine Verabredung."
Die entsetzten Blicke der anderen sind sprechend. Grillen zirpen (quasi – im übertragenen Sinne – in der Großen Halle ist es natürlich zu laut, als dass man sie tatsächlich hören könnte). Taehyung schwingt seinen Zauberstab und murmelt leise einen Verstärkungszauber. Nun hört man die Grillen wirklich.
„Entschuldige Jeongguk", beginnt Christopher, als würde er mit einer geistig sehr verwirrten Person sprechen (und vermutlich ist Jeongguk das sogar, man kann schließlich nicht behaupten, dass seine letzten Handlungen sonderlich zurechnungsfähig waren), „hast du auch nur einen der Schmetterlinge gelesen, die man dir geschickt hat?"
„Mir? Die waren nicht für mich. Ich hab' alle weitergeschickt."
„Hast du nicht gesagt, sie haben regelrecht ein Picknick auf dir veranstaltet?"
„Ja?"
„Und das hat dir nicht zu denken gegeben???"
Wenn Namjoon es so formuliert...
„Mhm... vielleicht waren doch ein paar Nachrichten an mich adressiert."
„VieLLeiChT", betont Taehyung. „Aber wirklich nur viELleIcHt."
„Ja ja, ist ja gut...", winkt Jeongguk ab. „Ende vom Lied bleibt trotzdem gleich. Ich hab' keine Verabredung. Ist das schlimm?"
„Sozialer Rufmord", antwortet Christopher eisig. „Nur absolute Loser haben keine Verabredung."
„Deswegen sind auch alle so aufgeregt", ergänzt Taehyung. „Niemand will am Ende allein dastehen."
„Ist es wirklich so schlimm?", fragt Jeongguk wieder Namjoon, der nun mal der Einzige in ihrer Runde ist, der seine Antworten nicht ständig dramatisch ausschmücken muss.
„Nein", bestätigt dieser auch, „so schlimm ist es nicht." Und mit einem Zwinkern führt er an: „Wir würden trotzdem noch mit dir rumhängen. Auch wenn alle anderen denken, du bist ein Loser, der keine Verabredung abbekommen hat."
Jeongguk lässt mit einem tiefen Stöhnen den Kopf auf den Tisch fallen. „Ich hasse Gruppenzwang."
Taehyung und Christopher klopfen ihm von jeweils einer Seite aufmunternd auf den Rücken. „So schlimm ist es nicht", versuchen sie ihn zu trösten. „Es ist nur Tratsch und Gerede. Es hält die Stimmung oben. Und es gibt immer noch genug ohne Verabredung – hast du doch mitbekommen. Sieh' es also als Chance, noch 'ne gute Tat zu begehen."
„Mhm...", nuschelt Jeongguk in sich hinein. So betrachtet gefällt es ihm tatsächlich viel besser. Er hebt seinen Kopf langsam, die Arme lässt er auf dem Tisch verschränkt. „Ihr meint, ich soll eines der Mädchen fragen, ob sie mit mir gehen will? Oder... darf man mehrere fragen? Ich könnte alle fragen, die eben geweint haben..."
„Wowowowow", stoppt ihn Christopher mit einem gutmütigen Lacheln, „mach' mal halblang, Casanova. Nein, man darf nicht mehrere fragen. Man geht mit genau einer Person zum Weihnachtsball. So will es die Tradition."
„Traditionen sind scheiße..."
„Traditionen haben ihren Grund", mischt sich eine neue Stimme in ihr Gespräch ein. Jeongguk muss sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihm steht. Natürlich tut er es trotzdem.
„Und welchen?", will er trotzig wissen.
„Sicherheit. Stabilität. Das Gefühl zusammenzugehören. Gemeinsame Erinnerungen. Das Ehren der Vergangenheit. Such' dir einen aus."
„Warum wundert es mich nicht, dass du Traditionen hochhältst, Yoongi?"
„Und warum wundert es mich nicht, dass du es nicht tust, Jeongguk?"
„Bist du hier, um klugzuscheißen?", entgegnet Jeongguk wieder mit einer Gegenfrage. Es ist wirklich leichter als Yoongi zu antworten. Das hat er schon herausgefunden.
„Nein, durchaus nicht", antwortet Yoongi und blickt sich kurz in der Großen Halle um. Jeongguk folgt seinem Blick und bemerkt ohne große Überraschung, dass der Großteil der Gespräche verstummt sind und ihnen unangemessen viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Jeongguk schluckt trocken. Selbst am Lehrertisch streckt Professor Slughorn den Hals, um zu ihnen herüberzusehen. Professor Dumbledores Augen funkeln erneut außerordentlich vergnügt hinter seiner halbmondförmigen Brille.
Jeongguk blickt hilfesuchend zu Taehyung und Namjoon, die ihm nur Daumen noch oben zeigen.
Yoongi räuspert sich, um Jeongguks Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Sein Gesichtsausdruck ist gelassen und ruhig, wie immer. Den Kopf erhoben, beinahe überheblich, aber eigentlich nur selbstbewusst. Seine Augen sind fest auf Jeongguk gerichtet, wach diesmal durch und durch, und er leckt sich über die Lippen, sodass die Feuchtigkeit ihren schmollenden Charakter nur noch mehr betont. Er ist wirklich... ein Anblick.
Jeongguks Herz rutscht ihm in die Hose.
„Ich bin hier, um dich zu fragen, ob du mit mir zum Weihnachtsball gehen möchtest." Yoongis Stimme ist gefasst und laut genug, dass alle umgebenden Schüler:innen ihn hören können. Jeongguks Herz rutscht noch tiefer. Von der Hose in den Boden, durch ihn hindurch und verschwindet und Jeongguk wünscht sich, er könnte folgen.
Boden tu dich auf und verschling mich, Lord Voldemort fragt, ob ich mit ihm zum BALL gehen möchte....
Es ist so leise in der Halle, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Jeongguk ist froh darüber, dass Taehyung seinen Grillen-Zirp-Zauber beendet hat. Es würde die Situation nur noch absurder machen. Es scheint, als würden alle den Atem anhalten und auf Jeongguks Antwort zu warten.
Aber der ist fix und fertig. Ohne Herz in der Brust, das schlägt, zirkuliert auch kein Blut mehr und das würde den leeren Zustand in seinem Gehirn erklären und den dauerhaften Tinnitus, der seine Gedanken lahmgelegt hat.
Ein fester Tritt gegens Schienbein befördert ihn zurück ins Hier und Jetzt. Taehyung grinst entschuldigend und deutet mit einem fordernden Kopfnicken zurück auf Yoongi.
Der steht weiterhin unbewegt hinter Jeongguk, das Sinnbild von Entspannung und Gelassenheit, und wartet in aller Seelenruhe auf seine Antwort.
„Öhm..."
Eine Antwort, Jeongguk! JA oder NEIN, komm, so schwer ist das nicht, du schaffst das...
Sein Herz springt zurück in seine Brust und übernimmt durch den plötzlichen Überraschungsangriff die Kontrolle über Jeongguks Körper. Seine Lippen formen das Wort: „Ja", es ist sehr leise, aber laut genug in der noch leiseren Halle und sein Herz klopft siegreich davon.
„Gut", ist alles, was Yoongi dazu sagt.
Dann dreht er sich um und verlässt hoch erhobenen Hauptes die Große Halle. Zahlreiche bewundernde Blicke folgen ihm.
Es ist genau die Art von großem Auftritt, die ein Lord Voldemort liebt...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top