13. Türchen
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„Fühlst du dich zu mir hingezogen?", gibt Yoongi die Frage gelassen zurück. Im Gegensatz zu Jeongguk wirkt er nicht so, als würde ihm das Herz gleich aus der Brust springen, weil es überlegt wegzulaufen.
„Nein."
„Lügner."
Yoongi steht in einer fließenden Bewegung auf, elegant, grazil und so schnell, dass Jeongguk der Bewegung kaum folgen kann. Seine Augen können ihn erst wieder scharfstellen, als er dicht (zu dicht) vor ihm stehenbleibt.
„Ich verlange, dass du die Wahrheit zu mir sagst."
„Und ich verlange, dass du Abstand zu mir hältst", gibt Jeongguk trocken zurück und tritt auch einen Schritt zurück, um Yoongi zu entkommen, der schon wieder viel zu nah in seinen persönlichen Bereich eingedrungen ist. Vielleicht kann er den anderen von seinen Gedanken fernhalten, aber sein Körper spricht eine ganz andere Sprache...
Yoongi tritt unbeeindruckt einen weiteren Schritt auf ihn zu, sieht ihn autoritär und von oben herab an, obwohl er kleiner ist als Jeongguk. Es ist seine Aura, seine Präsenz. Sie lässt ihn viel größer wirken, als er eigentlich ist.
„Sieht so aus, als würden wir beide nicht bekommen, was wir wollen...", gibt Jeongguk leise zu, dem dieses Katz-und-Maus-Spiel langsam über den Kopf wächst. Er ist – trotz allem – nur ein normaler Teenager, der gerade dem größten schwarzen Magier aller Zeiten gegenübersteht. Es fühlt sich seltsam verwirrend an.
„Das heißt, du gibst zu, dass du nicht ehrlich zu mir bist?"
Sein Blick ist hypnotisierend. Jeongguk will wegsehen, aber kann es nicht. Warum hat er nur das Gefühl, dass sie nicht mehr nur über die (nicht vorhandene) Anziehung zwischen ihnen sprechen?
„Ja..."
„Mhm", gibt Yoongi ein zufriedenes Geräusch von sich. „Dann sieht so aus, als würde ich am Ende doch bekommen, was ich will..."
Yoongi bricht den Blickkontakt zwischen ihnen, um auf Jeongguks Lippen zu schielen. Ihm ist bewusst, was diese Geste bedeutet, aber er will sie nicht wahrhaben. Will nicht wahrhaben, was sie in ihm auslöst.
Ich muss hier weg, ich muss...
„Du bekommst also immer alles, was du willst?", fragt Jeongguk, heiser, irgendwie. Sein Kopf, seine Gedanken sind ein einziges lautes Brummen. Er kann nicht mehr denken.
Ich sollte nicht. Ich kann nicht. Ich... will.
„Ja."
Für Yoongi Min ist die Antwort einfach. Für ihn ist alles einfach, weil alles ein Spiel ist. Andere Menschen sind Spielzeuge und Jeongguk ist nicht mehr wert, nicht in seinen Augen, und es ist ihm bewusst, dass es so ist, aber trotzdem steht dort das schönste Raubtier der Welt vor ihm und sieht ihn hungrig an.
Jeongguk zwingt seine Füße dazu, einen Schritt zurückzugehen.
Komm schon Jeongguk, das kannst du nicht tun. Das ist ein ganz anderes Level von Dummheit.
„Schon mal, was vom persönlichen Raum gehört? Du überschreitest die Grenze immer wieder."
Yoongi grinst ihn nur an, nicht mehr gelassen, sondern diabolisch diesmal, beinahe boshaft. „Willst du damit sagen, dass du es nicht genießt?"
„Offensichtlich tust du es", echauffiert sich Jeongguk, so gut er kann, und versucht mal wieder einer Frage auszuweichen, auf die es keine Antwort gibt. Zumindest keine richtige.
„Und du nicht?" Yoongi streitet es nicht einmal ab.
„Aber wir haben doch eben schon festgestellt, dass ich die Wahrheit von dir verlange, Jeongguk Jeon. Ich toleriere es nicht, angelogen zu werden."
Der dominante Tonfall in seiner Stimme lässt Jeongguks Knie weich werden. Er zwingt sich dazu, an Voldemort zu denken. An sein blasses Gesicht, die roten, verrückten Augen, das schrille Lachen und das grüne Licht.
„Du wirst bald nachgeben", bestimmt Yoongi. „Ich weiß, dass du es willst."
„Ich weiß, dass du verrückt bist."
„Ich bekomme immer, was ich will."
Seine Stimme ist selbstgefällig und wissend, als könnte er in Jeongguks Kopf blicken, auch ohne Legilimentik, als würde ein Blick in seine Augen genügen. Und Jeongguk sieht ihn an, versucht Voldemort zu sehen, ein Gesicht, so anders als das von Yoongi.
„Das hatten wir schon."
„Stimmt. Und ich mag es nicht, mich wiederholen zu müssen."
„Dann tu es nicht."
„Dann lern schneller."
Grünes Licht. Die Schreie. All die Toten.
Reiß dich zusammen, Jeongguk.
„Du bist lächerlich", fasst er die Situation schließlich zusammen. Nimmt noch einen Schritt Abstand und diesmal folgt Yoongi ihm nicht. Die körperliche Distanz zwischen ihnen lässt ihn endlich wieder freiatmen. Der Bann, die Faszination, die Yoongi auf ihn ausübt, ist leichter mit Abstand zu ertragen. Jeongguk versucht Yoongis Pose zu imitieren, versucht überheblich zu wirken, obwohl er sich überhaupt nicht so fühlt. „So viel Spaß, wie das auch gemacht hat", sagt er mit einem Kopfnicken auf den Korb, den Yoongi auf der Lichtung hinter sich zurückgelassen hat und der überquillt mit Blumen, die nur im Abendlicht blühen. Mittlerweile ist es Nacht geworden. „Lass uns gehen."
„Spaß?", wiederholt Yoongi spottend. „Ich würde eher sagen, es war erleuchtend."
Jeongguk spart sich eine Retourkutsche, die ohnehin zu schwach wäre und nie so über seine Lippen kommt, wie er sie sich ausmalt. Stattdessen dreht er sich um, lässt einen letzten Blick über die Lichtung streifen, die Bäume und das Sternenlicht, das kaum durch ihre Kronen fällt. Gänsehaut breitet sich auf seinem Körper aus. Und während sie zurückgehen, schweigend, zum Glück, und mit viel Abstand zwischen sich, wird Jeongguk das Gefühl nicht los, dass er nicht nur einen Schritt zu weit gegangen ist und viel zu wenige zurück.
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