02 Dem Schneemann wird langweilig

Die Sonne steigt langsam über die letzten Schneewolken, die sich vor dem azurblauen Himmel tummeln. Goldenes Licht lässt den pulvrigen Neuschnee glitzern wie eine Piratenkiste voller Diamanten. Schwer beladen biegen sich die Äste der Bäume, sie stöhnen und knarren. Dann und wann fällt ein Stück Schnee herunter, wirbelt eine weisse Wolke auf, wenn es dumpf zu Boden fällt. Alles ist ruhig, der Schnee schluckt Lärm wie ein Hamster sein Futter; nichts klingt mehr, alles ist wattenweich verpackt.

Flocki, ein Schneemann, steht am Ufer des dampfenden und gurgelnden Baches, der wild sprudelt. Es wäre ein friedliches Bild, wenn da nicht diese unendliche Langeweile wäre. Nichts bewegt sich, keine Tiere suchen nach Futter, alle haben sich in ihre Höhlen verkrochen und warten auf wärmere Temperaturen. Der Schneemann schaut sich um, er sucht Ablenkung. Ein Eisvogel flitzt über den Bach, doch er ist zu schnell weg.

"Ach, wie toll wäre es doch, eine Schneefamilie zu haben", denkt sich Flocki. Auf seinem Arm spürt er kleine Füßchen, die vorsichtig tippeln. Als er den Kopf dreht, erkennt er eine kleine Elfe, die ihn mit freudig funkelnden Augen anblinzelt.

"Was hast du da eben gedacht, lieber Flocki?", fragt ihn die Elfe mit ihrer munteren Singstimme.

"Mir ist langweilig. Ich dachte über eine Familie nach. Eine Schneefrau und viele kleine Schneekinder. Das wäre romantisch und viel interessanter, als alleine hier am Bach zu stehen."

"Aber vielleicht kommen ja die Menschenkinder wieder, die dich gestern gebaut haben. Dann kannst du mit ihnen spielen." Die Elfe versucht, Flocki zu beruhigen.

Doch der Schneemann lässt seine orangefarbene Rübennase hängen. "Die Kinder sind grob zu mir. Sie schlagen mir die Arme ab und treten mich mit ihren Schuhen. Es ist ein Wunder, dass ich den Abend überlebt habe." Seine schwarzen Steine, die als Augen dienen, hängen traurig im Gesicht.

Die Elfe hat Erbarmen und lässt mit ihrem Elfenstab eine glitzernde Wolke entstehen, belgeitet von einem eiskalten Windstoß. Flocki schließt seine Augen, doch im Herzen kribbelt es ihn vor Freude. Als die Wolke sich verzogen hat, ist auch die Elfe verschwunden. Flocki blickt sich vorsichtig um. Neben ihm stehen eine süße Schneefrau und zwei kleine Schneekinder. Sie bewegen sich noch nicht. Erst langsam bemerkt Flocki, wie sie aus ihrer Winterstarre erwachen.

"Wer seid ihr?", fragt Flocki erfreut.

"Ich weiß es nicht." Die Stimme der Schneefrau klingt warm und liebevoll. "Wer bist du?"

"Mein Name ist Flocki", erklärt er strahlend. "Ich werde dich einfach Schneestern nennen, weil du mich an einen Glitzerstern des kalten Schnees erinnerst. Die kleinen nennen wir Freeze und Glitter. Was meinst du dazu?"

Schneestern lächelt. Sie betrachtet die Schneekinder, welche sich langsam zu bewegen beginnen. Als erster fällt der kugelige Freeze auf seine Rübennase; unter lautem Gelächter seiner Schwester. Glitter verliert gar ihren Hut, weil sie sich vornüberbeugt. Flocki versucht unterdessen, dem armen Freeze zu helfen. Schneestern stülpt Glitter den Hut wieder auf.

"Wir sollten von hier verschwinden, da drüben kommen Kinder angerannt!" Freeze zeigt mit seinem Stock auf eine Gruppe kreischender Kinder, welche über das Feld angerannt kommen. Die Kinder freuen sich über den Schnee, doch Flocki weiß, wie das enden wird. Seine neue Familie rennt weg. Die Kinder bleiben einen Moment stehen, weil sie nicht begreifen können, was hier gerade geschieht. Dann aber nehmen sie den Wettbewerb an und rennen hinter der Schneefamilie her. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt. Die Schneefamilie bewegt sich wie schwebend über die Schneedecke, eine hohe Staubwolke hinterlassend. Die Kinder haben Probleme, das Tempo zu halten und sind bald ausser Atem. Sie bleiben keuchend stehen.

"Wie kann das sein? Schneemänner können sich nicht bewegen!" Enttäuscht über ihr Versagen drehen die Kinder um und beginnen, sich gegenseitig mit Schneebällen zu bewerfen. Die geflohenen Schneemänner sind nicht mehr interessant.

Flocki und seine Familie sind unterdessen auf einer Lichtung im Wald angelangt. Dort wagen sie erst, sich nach den Verfolgern umzudrehen. Sie stellen fest, dass die Kinder die Verfolgung aufgegeben haben. Lachend bleiben sie stehen. Schneestern schlägt vor, ein Iglu zu bauen, damit sie vor dem nächsten Schneesturm geschützt sein können. Voller Begeisterung beginnen die Kinder mit dem Bau, Flocki hilft ihnen dabei.

Die Langeweile ist weg, Flocki ist glücklich. In Gedanken dankt er der kleinen Elfe für die magische Familie. Sie kann beginnen, die Frohefamilienvorweihnachtszeit.

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Der Schnee ist zwar für den Moment schon wieder weg, doch das Glitzern und Funkeln der vielen kleinen Lichter vermittelt ein ähnliches Gefühl. Ja, ich bin ein Fan von Weihnachtsbeleuchtung; aber dezent. Alles warm-weiß und ohne zu blinken. Keine Show, nur Glow. Wie habt ihr es so mit "Weihnachts-Kitsch"? Ich lieb's.

Dementsprechend war auch mein Stand am "Winterlesezauber" dekoriert ...

Habt einen wunderschönen zweiten Dezember - euer Bruno

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