9. Türchen
„Detective Styles?" Harry sieht auf. Ein Kollege steht im Durchgang zum Empfangsbereich. „Was gibt's?"
„Vorne steht ein Mann, der behauptet, etwas zu ihrem Fall zu wissen."
Louis schaltet sich sofort ein. „Vorgestern Abend war die Pressekonferenz."
Harry nickt und steht auf. Er folgt dem Officer nach vorne. Am Empfang steht ein junger Kerl. Er wirklich nervös und unbeholfen. Harry geht zu ihm. „Guten Tag, mein Name ist Detective Styles. Ich arbeite an den Mordfällen." Er mustert den Mann. Er ist so alt wie er, vielleicht ein bisschen jünger. Er scheint ein wenig durch den Wind zu sein, aber wenn er wirklich etwas weiß, kann man es ihm nicht verübeln. „Lassen Sie uns wo anders sprechen", beschließt Harry und bringt ihn in einen Konferenzraum. Ein Verhörraum könnte in dieser Situation zu einschüchternd wirken. Der Mann setzt sich und sieht sich um. Hier ist alles sehr funktional eingerichtet. Sehr kalt.
„Mein Name ist Mason Smith", fängt er an und räuspert sich. Er strafft die Schultern und Harry sieht ihm an, dass er seine Gedanken erst einmal ordnen muss. Zu allem Überfluss betritt jetzt auch noch Louis den Raum. Er stellt Mr Smith ein Wasser auf den Tisch und setzt sich neben Harry. Mr Smith sieht ihn kurz verwundert an.
„Das ist mein Kollege Detective Tomlinson", stellt Harry ihn vor. Louis hat ja offenbar nicht den Anstand das selbst zu tun.
Mr Smith nickt und fängt dann an zu sprechen. „Ich war vor ein paar Tagen unterwegs. Mir ging es nicht gut und ein Polizist hat mir geholfen. Mir wurde gesagt, er arbeitet hier. Er... äh... ist glaube ich Anfang zwanzig und groß und dünn. Er ist blond."
Harry sieht zu Louis und sagt leise: „Das könnte Miller sein."
„Ich hole ihn eben." Louis verlässt den Raum wieder. Sie warten, bis Louis mit Miller im Schlepptau wiederkommt. Dieser sieht ein wenig verwundert aus, erkennt den Mann aber augenscheinlich, als er den Raum betritt. Mr Smith nickt. „Ja, das ist er."
„Hi, mein Name ist Officer Miller. Wir sind uns vor ein paar Tagen begegnet, richtig?"
Mr Smith nickt. „Ja. Sie waren vor der Kneipe. Ich... nach diesem Bericht, ist mir gestern dieser Abend wieder eingefallen. Ich weiß nicht, ob es hilft, aber ich dachte, es wäre besser herzukommen."
Harry sieht Miller kurz an, aber dieser weiß offenbar nicht so ganz, was der besagte Abend mit dem Fall zu tun haben könnte.
„Sie haben in der Pressekonferenz gesagt, dass ein Mann mit großen Händen gesucht wird. Er hat zwei Studenten getötet, richtig?" Louis nickt stumm und lässt Mr Smith weitersprechen.
„In der Bar, in der ich war, sind viele Studenten. Das war, bevor diese Konferenz ausgestrahlt wurde. Ich war sehr betrunken. So ein Kerl, als mir immer wieder ein Bier ausgegeben. Ich dachte, er wäre einfach nur nett, weil er auch ein Manchester-Fan ist. Das hat er zumindest gesagt, nachdem ich erzählt habe, dass ich aus Manchester hergezogen bin fürs Studium. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich war ziemlich betrunken. Sie suchen jemanden, der unscheinbar ist, oder? Und sich auf eine Person konzentriert und große Hände hat. Jemanden der in East London unterwegs allein abends unterwegs ist. Keiner meiner Freunde und auch sonst niemand dort kannte diesen Kerl. Er saß allein an der Bar, als ich mein erstes Bier bestellt habe. Er hat nur Wasser getrunken, keinen Alkohol."
Harry sieht kurz zu Louis. Das ist zwar alles sehr wage, aber es passt.
„Er war charmant und hat vorgeschlagen, dass wir noch weiterziehen. Es kam ziemlich plötzlich und eigentlich hatte ich überhaupt nicht zugestimmt, aber irgendwie stand ich dann auf der Straße. Da sind Sie vorbeigekommen." Mr Smith sieht Miller an. „Da habe ich Sie gefragt, ob es Ihnen gut geht. Sie haben ziemlich getaumelt."
Mr Smith nickt. „Mir ging es überhaupt nicht gut. Ich weiß nicht, wie ich es in dieses Taxi geschafft hab."
„Ich habe es ran gewunken. Es ist zufällig vorbeigefahren", antwortet Miller. „Bei Ihnen war aber niemand."
„Der Kerl war hinter mir. Ich sollte ihn James nennen. So hieß das zweite Opfer, oder?"
„Ja. Allen James", antwortet Louis. Mr Smith stockt kurz, bevor er weiterspricht. „Dieser Kerl meinte, er wäre Fischer. Er sei kein Student, sondern würde fischen. Josh Fisher war das erste Opfer, oder?"
„Ja, das stimmt." Harry schreibt die ganze Zeit mit und spannt sich nun an. „Was hat er noch zu Ihnen gesagt?"
„Nicht viel. Er sagte, er wäre neu in der Stadt und deswegen allein dort. Ich dachte, da wäre nichts dabei."
„Sie müssen sich keine Vorwürfe machen", sagt Louis sofort. Sie konnte das nicht wissen. Es leben Millionen Menschen in London. Sie hätten nicht damit rechnen können, so jemandem zu begegnen."
„Ich weiß nicht, ob es überhaupt hilft, was ich sage. Am Ende beschuldige ich jemanden, der überhaupt nichts getan hat. Als ich Ihre Beschreibung gesehen habe, musste ich an den Abend denken." Er sieht zu Miller. „Und ich möchte Ihnen danken. Sie waren noch in Uniform und vielleicht hat es diesen Kerl verschreckt. Wenn er es wirklich war."
Miller nickt leicht. „Natürlich. Ihnen ging es nicht gut. Das hätte ich auch getan, wenn ich keine Uniform angehabt hätte." Er versucht sich zusammenzureißen, aber der Gedanke daran, dass er möglicherweise einem Mörder über die Füße gestolpert ist, hat ihn bleich werden lassen.
„Es hätte längst nicht jeder getan. Wenn Sie nicht gewesen wäre. Wer weiß, vielleicht wäre ich jetzt genauso tot, wie die anderen beiden", erwidert Mr Smith und Miller nickt.
„Mr Smith, wir würden diese Aussage gerne aufnehmen. Dazu bräuchten wir noch einige Daten, ist das okay?", fragt Harry ihn und er stimmt sofort zu. „Natürlich, wenn es Ihnen hilft, diesen Mann zu fassen, auf jeden Fall."
Louis hat bereits alles notwendige mitgebracht, als er Miller holen war. Er schiebt ihm einen Block zu. „Schreiben Sie bitte alles auf, was sie von der Nacht noch wissen. Es ist egal, wie unwichtig es Ihnen erscheint. Es könnte wichtig sein."
Mr Smith nickt und nimmt sich den Block und den Stift. Harry wendet sich Louis zu. „Bleibst du kurz hier? Ich gehe mit Miller einen Moment vor die Tür."
Louis nickt. „Klar."
Miller folgt Harry mit weichen Knien. „Ich wusste nicht... hätte ich ihn erkennen sollen? Ich wusste, worauf man achten muss und...", stottert er vor sich hin. „Machen Sie sich keine Vorwürfe", widerspricht Harry ihm. „Im Gegenteil. Möglicherweise haben Sie Mr Smith das Leben gerettet. Das ist etwas Gutes. Niemand glaubt, auf dem Weg nach Hause einem Mörder zu begegnen."
Miller nickt stoisch. „Ich habe ihn nicht gesehen. Jemand hat die Tür der Kneipe aufgehalten glaube ich, aber ich habe nicht darauf geachtet. Vielleicht hätte ich sein Gesicht sehen können, aber ich weiß es nicht mehr."
„Seien Sie nicht zu hart mich sich", betont Harry noch einmal. „Sie hätten Ihn an diesem Abend so oder so nicht festnehmen können. Mit welchem Grund hätten Sie einfach so einen Mann aus einer Bar abführen sollen? Weil er große Hände hat und nicht von hier ist? Wohl kaum."
Miller nickt und atmet tief durch. „Stimmt. Und ich habe diesen Mann gerettet." Er denkt kurz nach. „Dann müsste der nächste Mord in sechs Tagen geschehen." Harry sieht ihn fragend an, worauf hin er erklärt: „Zwischen den Morgen von Josh Fisher und Allen James waren sieben Tage, richtig? Drei Tage wurden beide festgehalten. Wenn man davon ausgeht, dass danach vier Tage lang Pause ist, bis das nächste Opfer entführt würde und Mr Smith theoretisch Opfer Nummer drei gewesen wäre, müsste es sechs Tage dauern, bis die nächste Leiche gefunden wird", erklärt er. „Mr Smith ist vor vier Tagen aus dieser Kneipe gekommen. Es passt ins zeitliche Muster."
Verdammt, fluchtHarry innerlich. Wenn das stimmt, entführt der Täter das nächste Opfer in dreiTagen. Er geht zurück zu Louis. Mr Smith ist fast fertig mit der Aussage. Siemüssen gleich dringend reden.
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