24. Türchen
Harry zuzuhören wäre schöner, wenn er nicht mit diesem Kerl reden würde. Louis dreht sein Handy in seinen Fingern. Wieso bleibt Harry dort drin, wenn er weiß, dass Jack es nicht ist? Louis wettet, dass Harry einfach nur nicht unfreundlich sein möchte. Louis sieht nach draußen. Er kann den Eingang der Kneipe sehen. Es passiert nicht viel. Einige Menschen gehen rein, einige andere wieder raus. Sie sind schon fast zwei Stunden hier. Gerade, als er wegschauen möchte, verlässt wieder jemand die Kneipe. Louis sieht genauer hin. Es ist der Barkeeper, mit dem sie vor einigen Tagen gesprochen haben. Hat er schon Feierabend? Louis weiß nicht, woran es liegt, aber es kommt ihm komisch vor. Er betrachtet den Barkeeper ganz genau. Er ist groß und breit gebaut. Nicht auffällig breit, aber durchaus kräftig. Dann versteht er, wieso er dieses Bauchgefühl hat. Der Barkeeper trägt einen grün-schwarzen Schaal. Louis kann von hier aus nicht sagen, ob er aus Seide ist, aber er sieht, dass der Schal mit Garantie teuer war.
Der Kerl zieht seine Autoschlüssel heraus und geht zu einem Wagen. Als er losfährt, stockt Louis. Es ist ein alter Ford Fiesta. Sofort startet er den Wagen. SO unauffällig wie möglich folgt er ihm. „Harry? Hörst du mich?" Keine Antwort. Fuck, er ist zu weit weg. Er kann Harry nicht Bescheid sagen.
„Harry! Sag was!", versucht er es noch einmal, vergebens. „Fuck!", flucht er laut. Die ganze Zeit bleibt er zwei oder drei Wagen hinter dem Ford. Nur nicht auffallen.
Der Barkeeper fährt nicht weit. Es ist ein Reihenhaus mit einer Garage. Es sieht ganz normal aus. Er bleibt stehen und steigt aus. Louis kann nicht direkt halten. Er fährt weiter, anstatt in die Straße abzubiegen.
„Zentrale. Detective Tomlinson hier." Er gibt die Adresse durch. „Ich glaube, ich habe ihn. Sagen sie Detective Styles Bescheid und schicken sie Unterstützung. Unauffällig und ohne Blaulicht. Er weiß noch nicht, dass ich hier bin und ich bin nicht sicher, ob er das nächste Opfer schon bei sich hat." Rein rechnerisch müsste es so sein. Er sieht auf die Uhr. Es ist kurz nach elf.
„Auf wen ist das Haus der Adresse gemeldet?", will er von der Zentrale wissen. Er ist von der anderen Seite in die Straße gefahren und hat einige Häuser weiter geparkt. Die Waffe kontrolliert er gerade. Es ist dumm, allein in das Haus zu gehen. Er weiß es. Aber er muss es tun. Er könnte sich nicht verzeihen, wenn dort wirklich jemand drin gefangen gehalten wird.
„Auf ein Unternehmen, die in Irland gemeldet ist."
„Irland? Wer ist der Geschäftsführer? Gibt es eine Verbindung zu jemandem der Morris heißt?"
„Die Firma ist gemeldet auf Josefine Ashin."
Louis wettet, dass Josefine Ashin genau die gleiche Person war wie Josefine Morris. Deswegen haben sie keine Adresse zu Flynn Morris gefunden. Er ist hier nirgendwo gemeldet.
„Ich gehe rein," sagt er Bescheid und steigt aus dem Wagen. Er schnappt sich die Weste aus dem Kofferraum und geht im Schatten der Häuser und Bäume auf das Haus zu. Es brennt Licht in der Küche und er sieht, dass Flynn dort gerade etwas macht. Er schleicht sich an die Garage. Das Schloss zu knacken ist leicht. Er schiebt das Tor leise und langsam hoch, nur ein Stück.
Der Anblick ist schlimm. In der Mitte der Garage steht ein Holzstuhl. Ein junger Kerl sitzt darauf. Sein Kopf ist nach unten gekippt und er atmet flach. Er trägt kein Shirt mehr und einige Schnitte sind darauf zu sehen. Manche tiefer als andere. Neben dem Stuhl an der Wand steht ein tisch mit verschiedenen Küchenmessern. Alle recht groß. Außerdem hängt an der Tür ein Maleranzug und Masken. Handschuhe dort auch. Louis ist in der Garage eines Sadisten. Fuck. Auf der anderen Seite ist ebenfalls ein Tisch. Dort liegt ein Fotobuch. Es ist aufgeschlagen, aber er kann nicht erkennen, was die Bilder zeigen. Es sind alte Polaroids. Sie kommen direkt aus der Kamera, die daneben liegt. Flynn ergötzt sich an seinen Opfern. Das Groteske dabei ist, dass daneben ein Bild einer Frau steht. Es ist Josefine Morris, seine Mutter. Von seinem Vater sieht man kein Foto.
Solange er bewusstlos ist, kann Louis ihn hier nicht leise rausbringen. Er sieht sich um. Am liebsten hätte er jetzt etwas stark Riechendes. Er findet Desinfektionsmittel und – Jackpot. Aceton. Er nimmt die Flasche und hält sie dem Kerl unter die Nase. Es klappt.
„Shht!", sagt Louis sofort leise. „Ich bin Polizist, ich hole sie hier raus. Wie heißen Sie?"
Der Kerl sieht ihn blinzelnd an. Er zieht die Luft ein und hustet, als er versucht zu antworten.
„Ich heiße Louis. Sie müssen leise sein, okay?"
Er nickt. „Ross", bringt er heraus.
„Okay Ross, ich schneide dich los. Kannst du laufen?"
„Weiß ich nicht", presst er heraus. Louis öffnet die Fesseln. Sie sind ziemlich fest und haben schon die Haut darunter abgescheuert. Er bewegt seine Handgelenke, als Louis gerade die Füße losmacht.
„Du kannst das Ross. Versprochen", flüstert er und hört dabei die ganze Zeit, ob jemand kommt. Noch scheint Flynn in der Küche zu sein. Er macht sich an den letzten Knöchel. Sie müssen hier raus. Louis' Herz schlägt ihm bis zum Hals. Wie gerne hätte er gerade Unterstützung. Viel lieber hätte er mit einer ganzen Truppe das Haus gestürmt. Er schafft das auch so.
„Das würde ich sein lassen."
Louis hält in der Bewegung inne. Das darf nicht wahr sein. Wie konnte er das nicht hören?
„Umdrehen."
Louis steht auf. Er blickt Flynn direkt ins Gesicht. Er sieht dem Täter ins Gesicht, den er sogar schon befragt hat. Fuck. Flynn steht wenige Meter von ihm entfernt und hat ein Messer in der Hand. Louis kann nicht schnell genug seine Waffe greifen. Das wird nicht klappe. Er geht einen Schritt rückwärts. Er braucht Zeit.
„Flynn Morris."
„Detective. Was hat mich verraten?"
„Der Schal", antwortet Louis und atmet ruhig. Er stand schon Mördern gegenüber. Aber noch keinem Serientäter. Ross bleibt ruhig. Louis ist ihm sehr dankbar dafür. Er kann ihm gerade keinen Blick zuwerfen. Er muss Flynn im Auge behalten.
„Er ist von Ihrer Mutter, richtig?"
„Woher wissen Sie das?"
„Es ist Seide. Weder ein Student noch ein Barkeeper kann ich so etwas leisten. Es tut mir leid, dass sie gestorben ist."
„Sie kannten sie nicht."
„Ich weiß, dass sie ein guter Mensch war. Erst nach Ihrem Tod hatten sie keinen Anker mehr, richtig? Erst danach haben sie wieder diesen Drang verspürt. So stark, dass sie nicht widerstehen konnten."
„Ich wollte mich nicht mehr verstellen." Er wedelt mit dem Messer herum. Louis fokussiert ihn. Er muss den richtigen Moment finden, um seine Waffe zu greifen.
„Als sie Tod war, war ich wieder ich selbst."
„Wann haben Sie gemerkt, dass Sie anders sind?", will Louis wissen. „War es der Hamster?"
„Der Hamster... ja." Flynn lacht und schüttelt den Kopf. „Es war das Stück Dreck von Vater."
„Er ist durch einen Schlaganfall gestorben", sagt Louis. Natürlich weiß er, dass das nur bedingt stimmt. „Zumindest sagt das der Autopsie Bericht. Man hätte ihn retten können, oder? Sie haben ihn getötet. Es war Ihr erstes Mal bei einem Menschen", spricht Louis weiter. „Und er war es, der Sie dazu gebracht hat, sich in der Uni einzuschreiben. Sie sind Barkeeper, weil sie Geld brauchen und dadurch nicht auffallen, aber diese ganzen erfolgreichen Studenten, die sie immer sehen... die waren perfekt, richtig? Die perfekten Opfer, weil sie sowieso nicht verdient haben, so erfolgreich zu sein. Sie sollten so erfolgreich sein, oder? Ohne Studium hat man schließlich keinen Erfolg, das ist es doch, was ihr Vater Ihnen gesagt hat. Immer wieder, als er sie geschlagen hat. Ausbildung und Schule ist wichtig. Sonst wird aus Ihnen nichts. Deswegen haben Sie all die Leute ins Wasser gelegt. Sie wollten Sie genauso ertränken, wie Sie es bei Ihrem Vater getan haben. Sie sollten ersticken, richtig? Deswegen haben Sie sie hier gewürgt und später in die Parks gebracht."
„Woher wissen Sie das alles?"
„Das ist mein Job, Flynn. Legen Sie das Messer weg."
Er erkennt es in seinem Blick. Flynn wird das Messer nicht weglegen. Im Gegenteil. Er will ihn umbringen. Louis greift nach seiner Waffe, aber er ist nicht schnell genug. Er spürt die Klinge an seiner Wange. Gleichzeitig ertönt ein Schuss, der von den Wänden laut widerhallt. Es ist ohrenbetäubend.
Flynn fällt um und das Messer fällt zu Boden. „Fuck!", flucht er laut und hält sich die Schulter. Dann hört er, wie das Garagentor aufgeschoben wird.
„Louis!"
Er glaubt, er kann wieder atmen. Harry ist hier. Harry hat geschossen. Er hat unter dem Spalt hindurchgeschaut. Er war hier. Oh Gott, was wäre passiert wenn... nein. Er denkt nicht daran.
Sanitäter kommen rein und laufen zu Ross. „Vielen Dank, Detektives", sagt er erstaunlich gefasst und ihm wird auf die Trage geholfen.
„Geht es dir gut? Verdammt, wieso hast du nicht Bescheid gesagt?! Ich war schon auf dem Weg zur Wache!", meckert Harry. Louis lächelt. „Ich wollte, aber ich war zu weit weg." Sie sehen zu Flynn. Quentin hat ihn festgenommen und führt ihn mit zwei Kollegen ab. Miller ist auch dabei.
Sie verlassen die Garage. Harry mustert Louis. Er hofft, dass der Schnitt nicht allzu tief ist. „Mir geht es gut", betont Louis noch einmal und greift instinktiv nach Harrys Hand. Dieser drückt sie kurz und führt ihn zu einem der Sanitäter. Es sollte zumindest desinfiziert werden.
„Flynn Morris sitzt im Wagen." Quentin ist zu ihnen gekommen. Sein Blick schweift zu den Händen. Ihre Finger sind immer noch miteinander verschränkt. „Ah ja."
„Ja", sagt Harry lediglich. Louis weiß genau, was er meint. Und Harry weiß, dass Louis es weiß. Harry fährt sie zur Wache.
„Es ist Mitternacht", bemerkt er, als sie das Büro betreten.
„So war es abgemacht", antwortet Louis und lehnt sichgegen ihn. Harry schließt die Arme um ihn und drückt ihm einen Kuss auf dieHaare. Ihm ist egal, dass die ganze Nachtschicht sie ansieht.
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That's it. Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und hoffe, euch hat der Adventskalender gefallen :)
Love, L
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