09 | »Der 9. Dezember« von Julebb55

»Der 9. Dezember«

Eine Kurzgeschichte aus dem Genre Romantik von Julebb55

Triggerwarnungen: Keine

❄️ ❄️ ❄️ ❄️ ❄️

Ich beobachtete die kleinen Eiskristalle dabei, wie sie sich an der Außenseite meiner Scheibe bildeten. Meine Augen glitten immer wieder zu der Uhr, die über dem prasselnden Kamin hing. Der Zeiger zuckte im Sekundentakt, schneller konnte die Zeit nicht vergehen. Und trotzdem verging sie in dieser Nacht nie schnell genug. Für einige Minuten war noch der 8. Dezember. Doch es würde nicht mehr lange dauern, und das Datum würde sich ändern. Mein Herz hüpfte nervös und aufgeregt in meiner Brust. Nicht mehr lange und ich würde ihn wiedersehen. Zumindest hoffte ich das. Ich freute mich auf auf meine Familie, aber am meisten sehnte ich mich nach seiner Nähe.

Der 9. Dezember würde, wie jedes Jahr, der kälteste Tag im Dezember werden. Viele Leute von außerhalb hielten das für ungewöhnlich, die Erklärungsversuche dahinter glich mehr einem Märchen als der Realität. Dabei war es kein Märchen, es war die Realität. Und zwar meine. Die meines Dorfes. Hier, in unserem Dorf, wusste jeder darüber Bescheid. Jeder freute sich auf diese Nacht, fieberte auf sie hin. Doch niemand war jemals so aufgeregt wie ich. Selbst die Uhr schien immer nervöser zu werden, desto näher Mitternacht rückte. Ich warf einen Blick auf die Socken über die Kamin, auf die Plätzchen auf dem Tisch und den geschmückten Weihnachtsbaum in der hinteren Ecke des Zimmers. Das alles würde in exakt zwei Minuten noch immer genauso aussehen - mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass unser Dorf die nächsten zwölf Stunden nicht mehr existieren würde. Nun ja, zumindest nicht in der Welt, wie wir sie kannten.

Ich lebte hier, um den Winter zu beschützen. Um ihn besonders und magisch zu machen. Ebenso wie alle anderen Dorfbewohner. Das hier war eigentlich das zu Hause von keinem von uns, wir alle stammten aus einer anderen Welt. Aus einer magischen Welt. Doch die Jahreszeiten begannen sich zu verschieben, zu vermischen, und nach und nach ihren Glanz zu verlieren. Deswegen hatte mein Vater es zu unserer Aufgabe gemacht, unsere Jahreszeit zu behüten. Doch einmal im Jahr, am neunten Dezember, durften wir für zwölf Stunden wirklich nach Hause gehen. Dann wurden die Pläne ausgewertet, die Situation neu bewertet, wir durften unsere Liebsten sehen und sie für einen Moment im Arm halten, bevor die Nacht wieder vorbei war.

Die Uhr schlug zwölf. Sie klang in dieser Nacht immer freudiger als in jeder anderen, als wäre sie genauso aufgeregt auf unseren kleinen Ausflug.

Sobald es eine Sekunde nach zwölf war, rannte ich aus dem Haus. Schon vorher, in unserer Welt, hatte ich eine dicke Jacke, sowie meine Mütze und einen Schal angezogen, um mich warm zu halten. Doch nichts verbreitete gerade mehr Wärme in meinem Körper, als mein Herz selbst.

Der Schnee tanzte in kleinen Flocken über das Dorf, und auch wenn bei uns gerade tiefste Nacht gewesen war, war hier heiligster Tag.

Hier.

Mein zu Hause.

Zumindest für zwölf Stunden im Jahr. Es klang wenig, dass war es auch, doch es war alles was ich hatte. Also nutzte ich jede Minute intensiv aus.

Mein Blick glitt automatisch über jeden Mann, den ich sah. Eigentlich durfte er nicht einmal hier sein, doch ich wusste, er war es trotzdem.

"Skadi!", ich hörte meinen Namen, bevor ich die Person sah, die ihn rief.

Nevis hatte ihre Arme schneller um mich geschlungen, als ich überhaupt reagieren konnte. Doch trotzdem erwiderte ich ihre Umarmung sofort, genoss die herzliche und warme Umarmung meiner besten Freundin.

"Du bist zu Hause!", rief sie erfreut, wirbelte uns kurz umher, bevor sie sich wieder von mir löste. Ich schaute in ihre kristallklaren Augen. Das Lächeln auf ihren Lippen erreichte diese auf jeden Fall. "Es ist so schön dich zu sehen! Dein Vater wartet bereits auf dich." Ihre Hand umschloss die Meine, sie trug graue Handschuhe.

"Es ist auch schön dich zu - sehen!", mein letztes Wort ging in einen kleinen Schrei über, als sie mich an der Hand begann hinter sich herzuziehen. Sie wusste genauso gut wie ich, dass wir nicht viel Zeit hatten. Und das einen bestimmten Menschen gab, den ich in dieser Nacht unbedingt besuchen wollte.

Mein Vater hatte mir die Verantwortung in der Menschen Welt überlassen, und ich dankte ihm jeden Tag dafür, dass er an mich glaubte. Er sagte jedes Mal, nicht umsonst hatte er sich schon bei meiner Geburt für den Namen Skadi entschieden, die Göttin des Winters. Und das war ich, ich sorgte für Ordnung in der kalten Jahreszeit. Doch Verantwortung brachte es ebenso mit, dass ich mein zu Hause jedes Jahr schmerzlich vermissen musste.

"Was gibt es Neues? Bring mich auf Stand", bat ich Nevis, hatte sie mittlerweile eingeholt und lief neben ihr her. Mein zu Hause war zum Leben erwacht. Überall tummelten sich Menschen auf den Straßen, Kinder schmückten gerade die große Tanne mit Lichtern, bunten Kugeln und kleinen Anhängern. Sie alle strahlten, bewarfen sich mit Schnee oder alberten herum. Alle Ladentüren waren geöffnet, es roch nach Zimt, Rosine, Mandarinen und Lebkuchen. Es roch nach zu Hause. Mein Herz zog sich kurz schmerzlich in meiner Brust zusammen.

"Zu viel. Was dich aber besonders interessieren wird ist, dass dein Bruder bald heiraten wird. Oh - und ein gewisser Mann kann es überhaupt gar nicht mehr abwarten dich zu sehen. Er ist hier, ich habe ihn bereits gesehen!" Sie warf mir einen kurzen Blick zu, ihre Augenbraue dabei wissentlich in die Höhe gezogen. Augenblicklich breitete sich Röte auf meinen Wangen aus, die nicht von der Kälte kam. Mit schnellen Schritten überquerten wir den Marktplatz, standen vor dem großen, eisernen Palast in dem ich aufgewachsen war.

Ich sah bekannte Gesichter aus unserem Dorf, sie alle fielen ihren liebsten um den Hals.

"Skadi", schon wieder hörte ich meinen Namen, dieses Mal jedoch sanfter, also verharrte ich auf der mittleren Treppenstufe. Nevis schaute mir über die Schulter, dann glitt ihre Hand aus meiner.

"Ich gehe schon einmal vor und sage Bescheid das du gleich kommst. Tu nichts unüberlegtes", warnte sie mich leise. Dabei schossen mir allein bei seiner dunklen Stimme schon hundert Gedanken in den Kopf, die man als unüberlegt bezeichnen könnte. Schnell nickte ich, bevor ich mich umdrehte.

"Du bist gekommen." Mein Blick glitt zu dem schwarzhaarigen Mann, der am Ende der Treppe stand. Seine warmen, braunen Augen verwoben sich mit meinen Eisblauen. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie schmerzlich ich ihn vermisst hatte.

In der Nacht, in der unser Dorf zu diesem hier wurde, war es allen von Außerhalb nicht erlaubt, die Stadt zu betreten. In dieser Nacht wurden oft wichtige Entscheidungen getroffen, Geheimnisse und Strategien besprochen, die die anderen Jahreszeiten nicht erfahren durfte. Und als Sohn des Königs des Sommers, dürfte er nicht hier sein. Er würde Ärger bekommen, eine Menge. Und trotzdem schaffte er es jedes Jahr aufs neue, sich unbemerkt herzuschleichen, wenn ich hier war. Wegen mir.

"Elian", sein Name kam nur leise über meine Lippen, dabei hätte ich ihn am liebsten geschrien. Wie gerne wäre ich ihm um den Hals gefallen, hätte seine Lippen auf meinen gespürt.

"Sag mir, dass wir uns sehen, wenn du hier fertig bist. Ich brauche nicht viel Zeit, aber ich vermisse dich, schrecklich, mein Herz." Schneeflocken verfingen sich in seinem Haar, bildeten einen wunderschönen Kontrast zu der Dunkelheit. Ich legte den Kopf leicht schief, schluckte schwer. Das hier könnte wirklich, wirklich strenge Konsequenzen nach sich ziehen, und trotzdem konnte ich meinem Herz nichts verwehren, wenn es um ihn ging.

"Wir sehen uns dort, wo wir uns immer sehen. Warte auf mich, und lass dich nicht erwischen", sagte ich leise, schaute ein letztes Mal in sein wunderschönes Gesicht, bevor ich mich umdrehte und in meinem Haus verschwand. Mein Herz hämmerte in meiner Brust.

Es war eine blöde Idee gewesen, sich in den Feind zu verlieben.

Wirklich toll gemacht, Skadi.

Mein Papa saß bereits mit einer Kanne Tee und zwei Tassen vor dem prasselnden Kamin, über dem genau die gleichen Socken hingen wie auch in meinem kleinen Haus. Das brachte mich automatisch zum Grinsen. Er schaute mich mit seinen weisen, dunklen Augen an, und begann dann ebenfalls über beide Wangen zu strahlen.

"Meine Schneeflocke, wie schön, dich endlich wiederzusehen", sagte er liebevoll, klopfte auf den freien Platz neben sich, und goss mir dann eine Tasse von dem weihnachtlich duftenden Tee ein.

"Ich freue mich auch so, dich zu sehen, Papa. Wie geht es dir? Wo ist Yuki?", fragte ich, stülpte mir die Handschuhe ab und wärmte mich stattdessen an dem verzierten Keramik.

"Er wird es leider nicht schaffen, zu kommen. Er und Lucia bereiten alles für die Hochzeit vor. Ich würde dich dazu gerne freistellen - wenn du magst. Ich kann nicht das ganze Dorf einladen, es reicht schon, dass das einmalige verschwinden im Jahr so viele Fragen aufwirft, aber dich bekomme ich unbemerkt hier her." Er legte den Kopf leicht schief, ich hingegen wäre am liebsten aufgesprungen vor Freude. "Ist das dein Ernst?" Natürlich war ich traurig, dass ich Yuki nicht sehen würde, aber ich durfte bald noch einmal nach Hause kommen. Und vielleicht würde ich es schaffen, dann auch Elian noch einmal zu sehen. Schnell verbannte ich diesen Gedanken jedoch wieder aus meinem Kopf. Es reichte, ihn einmal im Jahr in Gefahr zu bringen.

"Gerne, Papa. Das wäre wirklich toll. Ich wäre so gerne dabei." Sein Grinsen wurde weicher, denn er wusste, wie viel es mir bedeutete hier zu sein. Welche Last ich auf meinen Schultern tragen musste, und wie sehr mein Herz manchmal schmerzte, wenn mir alles über den Kopf zu wachsen schien.

"Ich freue mich, Skadi. Ich vermisse dich oft zu hause. Aber gleichzeitig bin ich unendlich stolz auf dich. Und ich hoffe, du bist es ebenso. Und jetzt, erzähl mir alles!"

Vater und ich unterhielten uns eine Ewigkeit, aber schließlich war auch genau das der Grund, wieso ich überhaupt hier sein durfte. Irgendwann kamen einige Generäle dazu, ebenso wie Freunde aus meinem Dorf. Wir schmiedeten neue Pläne, wie wir unsere Grenzen aufrecht erhalten konnten, wie der Winter wieder drei Monate bleiben konnte, ohne von den anderen Jahreszeiten verdrängt zu werden. Und auch wenn der Frühling und der Herbst viel gefährlicher für uns waren, sprach mein Vater am verächtlichsten über den Sommer, über Elian.

Über meinen Elian.

Als ich den Palast wieder verlassen durfte, Nevis sich verabschiedet hatte und mein Vater der Meinung war er hatte mich lange genug im Arm gehalten, wütete draußen ein Schneesturm. Es war schon viel Zeit vergangen, doch es blieb trotzdem gerade noch genug. Zumindest redete ich mir das gerne ein, denn die Zeit mit ihm war eigentlich nie genug. Die Straßen waren wie leergefegt, doch überall leuchteten weihnachtliche Lichter. Der Tannenbaum erstrahlte dieses Jahr in hellblauem Glanz. Jedes Jahr bekam er eine andere Farbe, über die die Kinder, die den Baum dann auch schmückten, abstimmen durften. Ich liebte diese Tradition, es war Veränderung und Beständigkeit zur gleichen Zeit.

Meine Beine führten mich wie von allein zu der alten Scheune, die ein wenig Abseits stand. Da sie immer noch zur Lagerung diente, war sie zum Glück beheizt. Das war der einzige Ort in der Stadt, wo wir hinkonnten. Und wenn sie irgendwann nicht mehr sein würde, weil man sie nicht mehr benötigte, wusste ich nicht, wo ich Elian sonst treffen konnte.

Leise öffnete ich die Tür, lauschte kurz, doch es war nichts zu hören. Mein Herzschlag beschleunigte sich. War er gegangen, hatte ich zu lange gebraucht? Oder hatte man ihn erwischt? Wenn man ihn erwischt hatte - mein Körper begann zu zittern. Doch dann hörte ich Heu rascheln, auf der hinteren Seite. Dann ein kleines Licht.

Meine Beine führten mich wie von allein zu der alten Scheune, die ein wenig Abseits stand. Da sie immer noch zur Lagerung diente, war sie zum Glück beheizt. Das war der einzige Ort in der Stadt, wo wir hinkonnten. Und wenn sie irgendwann nicht mehr sein würde, weil man sie nicht mehr benötigte, wusste ich nicht, wo ich Elian sonst treffen konnte.

Leise öffnete ich die Tür, lauschte kurz, doch es war nichts zu hören. Mein Herzschlag beschleunigte sich. War er gegangen, hatte ich zu lange gebraucht? Oder hatte man ihn erwischt? Wenn man ihn erwischt hatte - mein Körper begann zu zittern. Doch dann hörte ich Heu rascheln, auf der hinteren Seite. Dann ein kleines Licht.

Beim Himmel, er war noch hier. Er hatte gewartet, als diese Stunden. Obwohl, was waren diese Stunden, wenn wir jedes Jahr aufs neue ein ganzes Jahr aufeinander warteten, nur um für wenige Stunden das zu sein, was unsere Herzen sich wünschten?

Wir hatten uns bei einem Besuch kennengelernt, dem mein Vater dem Sommerreich abgestattet hatte. Damit wollte er mir zeigen, wieso wir uns gegen dieses Reich auflehnten, wie gemein und grausam ihr König war. Doch ich hatte das nie so gesehen. Dort herrschte keine Grausamkeit, nur ein König der genauso für sein Land da sein wollte, wie mein Vater auch. Am ersten Abend hatte ich Elian kennengelernt, und ich hatte mich auf Anhieb noch nie so gut mit jemandem verstanden, wie mit ihm. Wir konnten gemeinsam lachen, weinen, reden, schweigen. Es war ganz egal, Hauptsache wir waren beisammen. Doch dann hatte mein Vater das Sommerreich offiziell als Feind deklariert, und nun ja, seitdem waren wir ganz gut im Versteckspielen geworden.

"Skadi?" Da war sie wieder, die Stimme die meine Welt bedeutete. Meine Beine trugen mich schnell in die hintere Ecke der Scheune, wo er mit einem wunderschönen Strauß Eisblumen auf mich wartete.

"Mein Herz", flüsterte er, streckte seine Hand nach mir aus. Seine Haut auf meiner zu spüren sendete kleine Stromstöße durch meinen kalten Körper. Augenblicklich zog er mich an sich, schloss seine Arme um meinen Körper. Mit Leichtigkeit hob er mich hoch, wirbelte mich einmal im Kreis. "Ich habe dich unendlich vermisst", hauchte er in mein Ohr, bevor er sich wieder von mir löste, mir die Blumen reichte. Dass war das, worauf ich mich in dieser Nacht immer am meisten freute. Auf ihn.

"Sie sind wunderschön. Und ich habe dich auch unendlich vermisst", erwiderte ich, schaute in seine braunen Augen. Ich dachte immer, dieser Ort war mein zu Hause, aber wenn ich in diese Augen schaute, wusste ich jedes Mal aufs Neue, das ich mich irrte. Er war mein zu Hause.

Behutsam legte ich die Blumen zur Seite. Ich liebte sie, doch meine volle Aufmerksamkeit sollte dem Mann vor mir gelten. Seine Hand legte sich auf meine Wange, sanft strich sein Daumen über diese. Dann über meine Unterlippe. Wie erstarrt wartete ich seine Bewegungen ab, ertrank in dem Gefühl, dass er in mir auslöste. So oft hatte ich nach Wegen gesucht, ihn öfter zu sehen, doch es gab keine. Keinen einzigen, verdammten Weg. Wieso brachte das Schicksal zwei Menschen zusammen, und stellte ihnen dann jegliches Hindernis in den Weg, dass man sich nur vorstellen konnte? Ich wusste es nicht.

"Wie geht es dir?" Seine Stimme war sanft, aber dunkel. Das Feuer in seinen Augen loderte hingegen hell.

"Ich will nicht reden", erwiderte ich, meine Stimme hatte etwas neckisches.

"Mir würde da auch etwas besseres einfallen, aber lass mich zumindest wissen wie es dir geht."

Ich schmiegte mich an seine Brust, genoss es, seinen Herzschlag zu spüren, der ein wenig aus dem Takt geraten war. Wegen mir.

"Mir geht es immer gut, wenn ich bei dir bin."

"Das ist schlecht, wenn man bedenkt wie selten wir uns nur sehen."

"Können wir darüber bitte nicht sprechen? Ich will das hier einfach nur genießen. Dich, deine Nähe, deine Wärme. Lass es mich genießen."

"Wie du möchtest, mein Herz. Alles, was dich glücklich macht."

Er legte seine Hand unter mein Kinn, zwang mich dazu ihn anzusehen.

"Du machst mich glücklich, Elian", flüsterte ich, konnte jedoch nicht verhindern das sich eine einzige Träne den Weg über meine Wange suchte. Doch er fing sie auf, er fing sie immer auf, egal wie viele es waren. Und so oft ich mir vornahm nicht zu weinen, scheiterte ich doch jedes Mal.

"Nana, nicht weinen. Nicht wegen mir. Wir werden einen Weg finden, dass verspreche ich dir." Bevor ich etwas erwidern konnte, spürte ich seine Lippen auf meinen. Sie waren warm, weich - und Himmel, voller Sehnsucht nach mir. Ich erwiderte seinen Kuss im selben Atemzug, klammerte mich an seinem Hemd fest, als wäre ich das Schiff und er mein Anker. Und eigentlich war er das auch. Ohne ihn wäre ich schon viel zu oft abgetrieben.

Meine Hände fuhren durch sein dunkles Haar, über seinen Hals, seinen Rücken.

Ich wusste, dass wir das hier eine ganze Weile tun würden. Uns küssen, uns spüren, schließlich musste es reichen, für eine viel zu lange Zeit.

Irgendwann, wenn uns nicht mehr viel Zeit bleiben würde, würden wir uns nebeneinander legen. Er würde mir durch die Haare streicheln und mich ansehen. Seine Augen würden ein wenig Trauer zeigen, aber sie würden auch voller Liebe und Zuneigung sein. Die Uhr würde ticken. Nicht freudig, so wie noch vor einigen Stunden, sondern sentimental, so als hätte sie Mitleid mit den zwei Liebenden. Mit uns.

Er würde mir sagen, dass er auf mich warten würde, ein Leben lang, wenn es sein musste. Das keine andere Frau jemals meinen Platz einnehmen würde und das unsere Väter sich irgendwann gut stellen mussten miteinander. Das wir irgendwann Herrscher dieser Reiche sein würden und uns dann niemand mehr aufhalten konnte. Aber das lag unendlich weit in der Zukunft.

Dann, kurz bevor die Uhr Zwölf schlagen würde, Mitternacht, obwohl es Mittag sein müsste, würde er mich sanft küssen, und mir sagen, dass ich die Augen schließen solle.

Seine Lippen würden von meinen, über meine Wange wandern, bis zu meinem Ohr. Er würde die empfindliche Haut hinter ihm küssen.

"Ich liebe dich, Skadi. Du weist, du nimmst mein Herz jedes Mal mit, wenn du gehst."

Dann würde die Uhr schlagen, es würde klingen wie ein Seufzer. Und wenn ich dann meine Augen öffnen würde, wäre er verschwunden - und ich immer noch in einer Scheune, doch nicht mehr in derselben.

Unser Dorf würde wieder auf der Landkarte erscheinen, mit all den Bewohnern, die dafür sorgten, dass der Winter Winter sein durfte. Und ich würde Elian wieder 365 Tage lang nicht sehen, sondern nur vermissen.

Das war mein Schicksal.

Nein, das war unser Schicksal. So war es jedes Jahr aufs Neue.

Doch es würde mich nicht davon abhalten, jeden Tag an ihn zu denken, ihn zu vermissen und zu Lieben. Es würde mich nicht davon abhalten, einen Weg zu finden, wie wir zusammen sein konnten. Wieder im Hier und Jetzt, konzentrierte ich mir nur auf seine Lippen.

Nur auf die Liebe meines Lebens. Alles andere würde noch früh genug kommen.

Und wer weiß, vielleicht hielt Weihnachten ja dieses Jahr ein kleines Wunder für uns bereit.

ENDE

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