15 | »White Abyss« von SgtDumpling
»White Abyss«
Eine Kurzgeschichte aus dem Genre Science Fiction von SgtDumpling
Triggerwarnungen: Keine
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Es gibt einen Grund dafür, warum der Mensch schon immer mit Faszination und Bewunderung in den Himmel geblickt hat - es ist derselbe Grund, warum wir Stunde um Stunde auf den unendlich weiten Ozean schauen können.
Die tiefe Sehnsucht nach dem Unbekannten ist Teil unserer DNA.
Es ist das, was uns menschlich macht.
Die USS Andromeda, ein Raumschiff der Galaxy-Klasse und der Kreuzer, auf dem ich diene, befindet sich seit nun mehr als zwei Jahren auf einer Expeditions-Mission in den Tiefen des Gamma-Quadranten. Mit einer 230 Kopf starken Mannschaft wurden wir beauftragt, Teile dieses Abschnitts zu kartographieren und habitable Planeten ausfindig zu machen, um Ressourcen zu bergen oder Kolonien zu errichten, um neuen Lebensraum für die ständig wachsende Menschheit zu erschaffen. Vorausgesetzt, keine andere Spezies bevölkert diesen Planeten bereits. Allerdings war der Mensch schon immer gut darin, sich solcher 'Widrigkeiten' zu entledigen.
Vor nicht einmal achtundvierzig Stunden erschien ein Planet auf unserem Radar, der uns bisher völlig unbekannt war. Seit zehn Stunden umkreisen wir nun seine Umlaufbahn. Als er das erste Mal auf unseren Bildschirmen erschien, stockte mir der Atem.
Eis.
Die gesamte Oberfläche des Planeten ist in eine strahlend weiße Schicht aus Schnee, Eis und Kälte gehüllt, während zwei Zwillingssonnen dafür sorgen, dass es niemals Nacht wird.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das Ding einfach nur verzeichnet und wären weitergeflogen, doch ich hatte meine Rechnung ohne Dr. Rodriguez gemacht, einer sehr engagierten und wissbegierigen Biologin unseres Wissenschafts-Teams. Sie hatte meinen Lt. so lange bearbeitet, bis dieser klein bei gegeben und grimmig zugestimmt hatte, einen kleinen Expeditionstrupp in diese Eiswüste zu schicken.
Und dreimal dürft ihr raten, wer auch unter den Glücklichen ist: richtig, ich.
Zähneknirschend und widerwillig füge ich mich also dem mir erteilten Befehl und besteige das kleine Expeditions-Shuttle, das Platz für eine Crew aus maximal fünf Personen bietet.
Unser Team besteht aus exakt drei Leuten: Lt. Philipp Campbell, Dr. Giulia Rodriguez und mir, Sgt. Derek King.
Was ein vorzüglicher Spaß.
Als das Shuttle mit einem dumpfen Knall auf der eisigen Oberfläche des Planeten aufsetzt, umhüllt uns umgehend eine unheimliche Stille. Während die Maschinen langsam verstummen, bleibt nichts als das Rauschen und Heulen des peitschenden Windes, der über die zerklüftete Oberfläche jagt.
"Was erhoffen Sie sich hier zu finden, Doc?", frage ich murrend an Rodriguez gerichtet, deren tiefbraune Augen vor Faszination und Erwartung leuchten, während sie ungestüm, beinahe hektisch, in ihren Raumanzug schlüpft. Ihre dunklen Locken hüpfen dabei wild um ihr Gesicht, das ein strahlendes Lächeln ziert.
"Die Frage ist, was ich nicht erwarte zu finden, Sgt. King. Selbst auf einem auf den ersten Blick leblosen Planeten, wie diesem hier, gibt es neue Daten zu sammeln. Neue Erkenntnisse, die essentiell sein könnten, um das Überleben der Menschheit zu garantieren. Unbekannte Mikroorganismen, tief verborgene Wassermassen....man weiß nie auf was man stößt und genau das, macht es ja so verdammt faszinierend."
Sie setzt sich ihren Helm auf und kämpft ein wenig mit dem Verschluss, weshalb ich mich leicht nach vorne lehne und zu ihr herunterbeuge.
"Ihr Wort in Gottes Ohr, Dr. Rodriguez. Auch wenn ich schlecht glauben kann, dass uns ein extraterrestrischer Mikroorganismus im Falle des Falles retten wird", erwidere ich und grinse sie dabei schräg durch das Visier meines Helmes an, während ich ihren sorgfältig verschließe.
Leutnant Campbell steigt als Erster aus, seine schweren Stiefel knirschen auf dem gefrorenen Boden unter unseren Füßen. Er betrachtet die trostlose Landschaft vor uns- nichts als endlose weiße Weiten, die sich in alle Richtungen erstrecken und nur durch zerklüftete Eisformationen unterbrochen werden, die wie skelettierte Finger nach dem Sternenhimmel greifen.
Dr. Rodriguez stürzt ihm hinterher und rutscht dabei beinahe auf dem Ausstieg unseres Shuttles aus. Ich bekomme noch gerade so ihren Arm zu fassen und kann somit schlimmeres verhindern.
Ihre Augen sind hinter ihrem Helmvisier vor Aufregung weit aufgerissen, ihr Mund leicht geöffnet, während sie ihren Blick über das Ödland vor uns schweifen lässt.
"Unglaublich!", ruft sie über die Kommunikationseinheit in ihrem Helm, ihre Stimme so schrill, dass das Gerät mit einem unangenehmen Rauschen kapituliert.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht stapfe ich hinter ihr her, mein Plasmagewehr immer im Anschlag.
"Von dem Tinitus werde ich noch die nächsten Tage etwas haben, danke Rodriguez", gebe ich mit einem Seufzer von mir, während ich meine Augen über die weiße Hölle vor uns schweifen lasse.
"Die Reinheit dieser Eiskristalle ist anders als alles, was ich je gesehen habe!", raunt diese beinahe ekstatisch vor Begeisterung, während sie sich bereits in den Schnee gehockt hat und eifrig Proben sammelt.
Ich verdrehe die Augen und blicke zu Campbell.
Der Mann mit dem akkurat gestutzten Bart schenkt mir ein grimmiges Nicken, sein Atem beschlägt das Visier seines Helmes, während er mit seinem Zeigefinger in die Ferne deutet. "King, gehen Sie zu dem Punkt. Wir werden der Kammlinie da drüben folgen."
Ich bestätige den Befehl mit einem kurzen Nicken, meine behandschuhte Hand ruht auf dem Griff meines Plasmagewehrs, als ich vorsichtig über die eisige Oberfläche laufe. Die beißende Kälte dringt umgehend durch die dicke Isolierung meines Anzugs und lässt mich unwillkürlich zittern. Ich suche systematisch den Horizont ab, schaue nach Anzeichen von Bewegung oder potenziellen Bedrohungen, die sich in der kargen, weißen Landschaft verbergen könnten. Ein plötzlicher Windstoß peitscht über die leere Ebene und lässt einen Wirbel aus Eiskristallen gegen mein Visier prallen. In der Ferne ragt die von Campbell angedeutete Kammlinie auf, die Gipfel in den wirbelnden Nebel gehüllt. Mit einem Knacken schalte ich mein Kommunikationsgerät ein, meine Augen fest auf die Felsformationen vor uns gerichtet.
"Lt., mir gefällt das Aussehen dieses Ortes gar nicht. Viel zu exponiert...Als ob wir beobachtet werden würden."
Leutnant Campbell entlässt ein grimmiges Grunzen. Der Wind heult traurig über das Eisfeld und bringt ein fast greifbares Gefühl der Isolation und Angst mit sich.
"Ich spüre es auch, King", lässt er mit angespannter Stimme über das Kommunikationsgerät verlauten, während er meinen besorgten Worten zustimmt. "Aber vergessen Sie nicht unsere Mission. Dr. Rodriguez braucht diese Proben."
Die Wissenschaftlerin selbst ist schon ein gutes Stück weiter von uns entfernt, ihr Probensammler surrt gegen das Heulen des eisigen Windes, während sie Messungen an den kristallinen Strukturen vornimmt, die aus dem Eis ragen. Sie scheint sich der bedrückenden und angespannten Atmosphäre nicht bewusst zu sein und ist vollkommen in ihrem wissenschaftlichen Eifer versunken.
Während ich sie beobachte, frage ich mich, ob sie immun gegen die beißende Kälte ist, denn trotz der dicken Isolierung meines Raumanzuges, kann ich meine Finger beinahe kaum noch spüren.
Plötzlich ertönt ein tiefes Grollen unter unseren Füßen, das von Sekunde zu Sekunde lauter und eindringlicher wird. Der Boden beginnt bedrohlich zu beben und Risse breiten sich wie feine Spinnennetze über die gefrorene Oberfläche aus.
„Äh, meine Herren?" , fragt Dr. Rodriguez mit zitternder Stimme, ihre beschleunigte Atmung ist deutlich hörbar.
Mein Herz hämmert gegen meine Brust, während der Boden unter uns mit immer stärkerer Intensität zu beben beginnt. Instinktiv duckte ich mich und stützte mich mit einer Hand auf das Eis, um mich zu stabilisieren. Das Grollen wird stärker und ich beobachte entsetzt, wie riesige Eisbrocken beginnen, sich von der Kammlinie abgespalten und mit donnerndem Poltern in die aufgewühlte Tiefe darunter stürzen.
"Dr. Rodriguez, kommen Sie JETZT hierher zurück!" ,belle ich über die Kommunikationseinheit, meine Stimme ein rauer Befehlston. "Schnell, verdammt!"
Ich sprinte auf die Wissenschaftlerin zu, meine Stiefel hämmern gegen das gebrochene Eis. Um mich herum explodieren ganze Eisplatten, während kleinere Stücke Eis, wie tödliche Kristalle, von oben herabregnen. Der ganze Planet scheint zu stöhnen und zu ächzen, wie ein schlummerndes Tier, das aus einem langen Winterschlaf erwacht.
Als ich Dr. Rodriguez erreiche, packe ich sie grob am Arm und reiße sie von der instabilen Kante weg.
Die schmale Frau stolpert, als ich sie von der bröckelnden Klippe wegziehe und verliert auf dem tückischen Eis fast den Halt. Ihr Probensammler entgleitet ihr, rutscht über die gefrorene Oberfläche und verschwindet schließlich in einer neu entstandenen Gletscherspalte.
"Nein! Meine Ausrüstung!", schreit sie panisch und versucht tatsächlich, ihrem Spielzeug hinterher zu stürzen. Ein erneutes Beben reißt uns beide von den Beinen und ich lande stöhnend auf der harten Eisfläche.
So eine verdammte Scheiße.
Leutnant Campbell rennt herbei, seine Stirn hinter seinem Visier vor Sorge und Anspannung in tiefe Falten gelegt.
"Rodriguez, vergessen Sie die Ausrüstung! Wir müssen hier augenblicklich weg! Am besten auf eine höhere Ebene!".
Er deutet auf eine relativ stabil wirkende Erhebung in einiger Entfernung, die sich wie ein Leuchtturm der Sicherheit über das Chaos erhebt. Überall um uns herum bricht und kollabiert das Schelfeis weiter, das Geräusch fallender Trümmer ist ohrenbetäubend.
Ächzend und schwer atmend rapple ich mich auf und ziehe Dr. Rodriguez mit einem kräftigen Ruck hoch. Ihre Beine schwanken unsicher, Schock und Trauer zeichnen sich auf ihrem Gesicht ab, während ihr Blick immer noch auf den klaffenden Abgrund hinter uns gerichtet ist. Ich habe keine Zeit dafür, sie über den Verlust ihrer wertvollen Ausrüstung zu trösten - der Boden unter unseren Füßen gibt nach, zerbricht immer weiter, splitterndes Eis und knirschende Gletscher.
„Bewegen Sie Ihren Arsch, Doc!", knurre ich ruppig und schleife sie weiter unsanft hinter mir her, in die vermeintliche Sicherheit des Vorgebirges, das sich vor uns erstreckt. „Oder ich lasse Sie hier zurück, gemeinsam mit Ihrem schicken Spielzeug!"
Während wir weiterrennen, riskiere ich einen Blick über meine Schulter und sehe mit morbider Faszination zu, wie das einst feste Schelfeis vor unseren Augen zerfällt. Klaffende Abgründe öffnen sich und verschlucken ganze Abschnitte des kargen, gefrorenen Ödlands.
Dr. Rodriguez murmelt empört in die Kommunikationseinheit, mein grober Ton scheint ihr nicht zu gefallen. Allerdings widerspricht sie mir auch nicht, da sie sich des Ernstes der Lage durchaus bewusst zu sein scheint. Sie taumelt neben mir her, ihr Atem ein panisches Keuchen, wodurch das Visier ihres Helmes immer mehr beschlägt.
Lt.Campbell geht voraus, seine großen Schritte verschlingen die Distanz zum Vorgebirge. Ohne Rodriguez wäre ich genauso schnell, allerdings muss ich auf die deutlich kleinere Wissenschaftlerin Acht geben.
Als wir uns endlich dem Fuß der rettenden Felsformation nähern, zerteilt ein ohrenbetäubender Knall die Luft. Die riesige Eisplatte direkt vor uns bricht plötzlich auseinander, ein klaffender Riss entsteht, Eisbrocken lösen sich und fallen ungebremst in die tiefe Dunkelheit.
"Springt!", brüllt Campbell, ohne seine Schritte zu zügeln. Er beschleunigt noch einmal und springt über die immer größer werdende Lücke. Um Haaresbreite schafft er es auf die andere Seite. Schwer atmend dreht er sich um und streckt eine Hand aus, um mir und Dr. Rodriguez hinüber zu helfen.
Das Schelfeis um uns herum ächzt bedrohlich, das ekelerregende Geräusch nimmt an Tonhöhe und Lautstärke immer weiter zu.
Ohne zu zögern packe ich Dr. Rodriguez' Handgelenk mit eisernem Griff und treibe sie ungestüm vorwärts.
"Los, los, los!", schreie ich, meine eigene Stimme vibriert in meinen Ohren, während ich sie mit all meiner Kraft über den klaffenden Spalt schleudere. Sie fliegt durch die Luft, Campbell bekommt sie an ihrem Unterarm zu packen und zieht sie in Sicherheit.
Ich atme tief durch, ehe ich einige Schritte rückwärts trete, sprinte und dann springe. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, während ich über den gähnenden Abgrund gleite. Für einen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlt, schwebe ich mitten in der Luft, während der eisige Wind an mir vorbei peitscht.
Ich spüre, dass ich es nicht schaffen werde. Der Abstand war einfach zu groß.
Doch dann schließt sich Campbells andere Hand um meinen Anzug, auf Höhe meiner Brust. Mit angespanntem Gesichtsausdruck starrt er mich an, während er mich auf festen Boden zieht.
Keuchend drehe ich mich zu dem immer weiter kollabierenden Spalt hinter uns, meine Augen weiten sich vor Unglauben und Restangst.
"Was zum Teufel hat Ihre Mutter Ihnen gefüttert, King? Sie verdammter Riese! Beinahe hätten Sie mich mit in den Abgrund gerissen, verdammte Scheiße!", flucht der ebenfalls schwer atmende Campbell, während er seine Hand von meinem Anzug löst.
Nachdem wir ohne weitere Zwischenfälle die Erhöhung erklommen haben, lassen wir den Blick über die katastrophale Szene schweifen, die sich vor uns abspielt. Das einst mächtige Schelfeis ist zu einer albtraumhaften Landschaft aus Brüchen, Rissen und tosenden Abgründen geworden. Riesige Eisbrocken splittern von den Gebirgen und stürzen mit donnernden Spritzern in die schäumende und aufgewühlte See darunter, wodurch Gischtwolken mehrere hundert Meter hoch in die Luft geschleudert werden.
"Mein Gott", flüstert Dr. Rodriguez, ihre Stimme zittert vor Schock und Ehrfurcht. "Es ist beinahe so, als würde sich der ganze Planet selbst auseinanderreißen."
Sie schwankt auf ihren Füßen, sichtlich erschüttert von dem grausamen Anblick, der hektischen Flucht und dem Verlust ihrer wertvollen Proben. Lt. Campbell stützt sie mit einer festen Hand, ohne den Blick von der sich vor uns entfaltenden Katastrophe abzuwenden.
Ich stehe starr da, gebannt von dem apokalyptischen Spektakel, das sich vor uns abspielt. Die kakophonische Symphonie aus ächzendem Eis, splitterndem Gestein und aufgewühltem Wasser dringt in meine Ohren, sogar gedämpft durch meinen Helm jagt es mir einen Schauer nach dem Nächsten über meinen Rücken. Angesichts solch katastrophaler Urkräfte fühle ich mich völlig unbedeutend. Wie eine Ameise, die von einem Kind mit einem Brennglas malträtiert wird.
"Das ist verrückt", murmle ich, meine Stimme ist angespannt, getränkt in Adrenalin und Angst. "Was zum Teufel hat das verursacht, Doc? Irgendeine Art von Beben?"
Dr. Rodriguez holt tief Luft, ihre behandschuhten Hände zittern und sie scheint innerlich mit sich zu ringen, bevor sie mir schlussendlich antwortet.
"Die Wahrheit ist, King, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber basierend auf den vorläufigen Daten der seismischen Untersuchungen, die ich noch auf der Andromeda durchgeführt habe und den Eiskernproben, die ich analysieren konnte..."
Sie hält inne und ihr Blick wandert abwesend zurück zu den einstürzenden Gletschern, als suche sie inmitten des Chaos nach der richtigen Antwort.
"Ich vermute, dass auf diesem Planeten eine Art unterirdische Lebensform beheimatet ist. Etwas sehr großes, massives, möglicherweise sogar intelligentes Leben. Aber was auch immer es ist, es scheint...zu erwachen."
Die Implikationen hängen schwer in der Luft, unterbrochen vom anhaltenden Grollen und Knacken des instabilen Eises. Während ich versuche, diese Offenbarung zu verarbeiten, dreht Lt. Campbell seinen Kopf herum, seine Augen verengen sich hinter seinem Visier.
"Erwachen?", wiederholt er, sein Tonfall ist harsch und scharf vor Unglauben und wachsendem Unbehagen.
Mir gefriert das Blut in meinen Adern, als die Worte von Dr. Rodriguez langsam zu mir durchdringen, in meinen Verstand sickern, wie tödliches Gift. Ein Schauer, der nichts mit den beißenden arktischen Windböen zu tun hat, läuft meinen Nacken herunter, während ich sie einfach nur mit leicht geöffneten Mund und weit aufgerissene Augen durch das Visier meines Helmes anstarrt, noch immer versuche ich, die Ungeheuerlichkeit ihrer Aussage zu begreifen.
"Du meinst ... es könnte sich gerade eine Art riesiges Monster unter unseren Füßen befinden?", frage ich mit trockener Kehle und meine Stimme wird immer lauter, als Panik einsetzt. "Wie ein Lovecraft-Horror direkt aus einem schlechten Science-Fiction-Film? Willst du mich verarschen, Doc?"
Ich blicke auf das ächzende Eis unter meinen Stiefeln und fühle mich plötzlich so verletzlich, wie schon lange nicht mehr. Als Soldat habe ich gelernt, die Angst anzunehmen, aber nicht meine Gedanken von ihr kontrollieren zu lassen. Angesichts der eventuellen Monstrosität unter unseren Füßen, die soeben das Landschaftsbild des Planeten verändert hat, fühle ich mich allerdings vollkommen hilflos und entblößt. Meine Gedanken rasen vor Bildern von Abscheulichkeiten und unheimlichen Schrecken, die aus der Tiefe hervorbrechen, um uns alle zu verschlingen.
"Das...das ist verrückt", murmele ich und schüttle ungläubig den Kopf. "Wir müssen verdammt noch mal von hier verschwinden. Jetzt!"
Lt. Campbell nickt grimmig, seine sonst so entschlossenen Augen vor Schreck geweitet, seine Kiefer so fest aufeinander gepresst, dass sich sein Mund zu einer schmalen Linie verzogen hat.
"Verstanden, King. Die Situation hat sich von schlimm zu verdammt katastrophal entwickelt. Aber leider können wir nicht einfach gehen. Unser Shuttle wurde zerstört und ein Rettungstrupp wird frühestens nach vierundzwanzig Stunden losgeschickt. Wir sollten versuchen, weitere Informationen zu sammeln, um herauszufinden, womit wir es hier zu tun haben."
Er wirft einen Blick auf Dr. Rodriguez, deren Pupillen wie zwei Ping Pong Bälle hin und her springen, während ihre Gedanken zu rasen scheinen. "Ich weiß Sie haben einen Teil Ihrer kostbaren Ausrüstung verloren, aber könnten Sie eventuell dennoch ein paar schnelle Analysen der seismischen Aktivitäten und Probendaten durchführen? Versuchen Sie herauszufinden, ob es irgendetwas Konkretes gibt, das auf die Existenz dieser...Kreatur hinweist."
Dr. Rodriguez nickt, ihre Hände greifen nach dem Rucksack auf ihrem Rücken. "Daran habe ich auch gedacht, Leutnant. Aber wir sollten einen Unterschlupf finden, einen stabilen Ort. Diese Erhebung wird nicht mehr lange standhalten."
Sie zeigt auf einen nahegelegenen Höhleneingang, der teilweise von einem Vorhang aus fallenden Eiskristallen verdeckt ist, die in der Sonne irisierend glitzern. Beinahe idyllisch, wenn um uns herum nicht die Apokalypse stattfinden würde.
Ich folge Dr. Rodriguez' Blick zum Höhleneingang, mein Puls beschleunigt sich erneut. Der Gedanke, tiefer ins Unbekannte vorzudringen, möglicherweise zum Versteck einer uralten Bestie, löst in mir ein ungutes Gefühl aus. Aber die Alternativen - von einem kollabierenden Gletscher zerquetscht zu werden oder in dieser klirrenden Kälte vor die Hunde zu gehen - sind kaum reizvoller.
"Gehen Sie voran, Doc. Ich folge Ihnen", sage ich widerstrebend und setze mich in Bewegung. "Ich hoffe nur, dass das, was auch immer uns da unten erwartet, keine Vorliebe für Menschenfleisch hat."
Ich habe meine Waffe fest umschlossen, während das Gewicht meines Rucksacks sich tief in meine Schulterblätter gräbt und mich dabei an die begrenzten Vorräte erinnert, die wir für diese unglückselige Expedition mitgebracht haben.
Dr. Rodriguez schreitet voran, ihre Schritte hallen von den eisigen Wänden wieder und wir schalten die Leuchten an unseren Helmen ein. Je tiefer wir in die Dunkelheit vordringen, desto kälter wird die Luft um uns herum, dennoch bleibt unser Tempo konstant. Lt. Campbell bildet die Nachhut, die flackernden Lichter unserer Helmleuchten werfen unheimliche Schatten auf die vereisten Höhlenwände, während wir immer tiefer in die labyrinthartigen Gänge vordringen.
"Jesus, hier ist es kälter als in einem verdammten Gefrierschrank", fluche ich, während meine Zähne unwillkürlich klappern.
Plötzlich hält Dr. Rodriguez inne, ihre Stiefel scharren über den eisigen Boden, als sie hektisch nach ihrem Rucksack greift und ihr Datenpad herauszieht. Sie schaut nach oben, ihr Gesicht wird nur von dem schwachen Schein ihres Displays beleuchtet, dann nickt sie nach vorne, weiter in den Tunnel. "Gentleman, wir haben hier eine vielversprechende Anomalie. Nur wenige Meter vor uns." Ihre Stimme, die einen nachdenklichen Ton angenommen hat, ist durch ihren Helm leicht gedämpft. "Seismische Messwerte deuten auf einen großen, geschlossenen Raum vor uns hin. Könnte eine Art Höhle sein."
Campbell stellt sich an ihre Flanke, sein Plasmagewehr im Anschlag, während er die Dunkelheit vor sich absucht.
"Dann gehen wir vorsichtig vor. Bleiben Sie wachsam, Doc. Wir wissen nicht, was uns erwartet."
Ich nicke zustimmend und schließe meinen Finger fester um den Abzug meines eigenen Gewehrs. Die Aussicht, auf eine versteckte Bedrohung zu stoßen, ist alles andere als verlockend.
"Ja, wirklich vorsichtig", murmle ich sarkastisch, aber unter dem Sarkasmus versteckt sich ein Unterton echter Besorgnis. Ich atme tief ein und versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen, während ich zu Campbell aufschließe.
Je tiefer wir in den Tunnel vordringen, umso leiser wird es. Die Stille ist bedrückend und wird nur durch unsere eigenen Schritte und das Geräusch unserer Atemzüge in den Kommunikationseinheiten unterbrochen. Ich halte meine Sinne in höchster Alarmbereitschaft und strenge mich an, jede Andeutung einer Bewegung wahrzunehmen.
Ich blicke zu Dr. Rodriguez, ihr Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Faszination und Besorgnis. Ich fühle mit ihr. Unsere Situation scheint ausweglos, die Isolation dieses lebensfremden Ortes geht immer mehr an unsere Substanz. "Konnten Sie schon eine Wärmesignatur oder Energiewerte erfassen?", frage ich und versuche, meine Stimme ruhig zu halten, obwohl die Kälte erbarmungslos in meine Knochen eindringt. "Irgendetwas sagt mir, dass wir hier unten nicht ganz allein sind."
Die zierliche Frau schüttelt leicht ihren Kopf, während sie weiterhin auf ihr Datenpad schaut. "Noch nicht, aber diese Messwerte sind inkonsistent. Es ist, als würde sich das, was dieses Signal erzeugt, bewegen und knapp außerhalb der Reichweite bleiben." Sie runzelt ihre Stirn und kaut sich nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. "Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass wir es mit einer Art biologischem Wesen zu tun haben. Etwas, das seine Körpertemperatur regulieren und möglicherweise seine Energieabgabe maskieren kann."
"Großartig, wir jagen also einen Geist im Schnee. Genau das, was wir brauchten, um diese Mission noch angenehmer zu gestalten." Lt.Campbell schüttelt mürrisch mit dem Kopf, bis er plötzlich innehält, die Augen fest nach vorn gerichtet. "Moment mal...hört ihr das?"
Ich spitze meine Ohren und vernehme ein schwaches, rhythmisches Pochen, das durch die Höhle hallt.
"Ja, ich höre es", bestätige ich und der Griff um mein Gewehr wird fester. "Klingt wie eine Art Herzschlag oder Puls. Was auch immer dieses Geräusch macht, es ist verdammt groß."
Ich schaue zu Dr. Rodriguez und sehe die Aufregung in ihrem Gesicht aufflackern.
"Doc?"
Bevor sie antworten kann, wird das Pochen lauter, unterbrochen von gelegentlichen Knacken oder Stöhnen des sich bewegenden Eises. Der Boden unter unseren Füßen beginnt wieder zu vibrieren und ich spüre, wie sich die kleinen Haare in meinem Nacken aufrichten. "Was zum Teufel kommt da auf uns zu?"
Dr. Rodriguez' Augen leuchten mit einer Mischung aus Angst und Hochgefühl, während sie zusieht, wie sich die seismische Aktivität kontinuierlich verstärkt.
"Es ist definitiv nicht natürlich", flüstert sie mit beschlagener Stimme. "Was auch immer das ist, es ist nicht vollkommen biologisch."
In der Ferne ertönt ein leises Grollen, das mit jeder Sekunde lauter wird. Der Boden bebt heftig und ich muss einen Ausfallschritt machen, um das Gleichgewicht zu halten.
Plötzlich taucht eine riesige Gestalt aus der Dunkelheit auf, beleuchtet vom Schein unserer Helme.
Mein Mund öffnet sich unwillkürlich vor Ehrfurcht und Entsetzen, als die Kreatur vor uns auftaucht und ihre unnatürliche Form sich jeglicher Beschreibung entzieht.
Es ist anders als alles, was ich jemals gesehen habe. Die kolossale Kreatur scheint eine Verschmelzung organischer und anorganischer Komponenten zu sein. Ihr Körper ist eine Masse aus pulsierendem, biolumineszierendem Gewebe, bedeckt mit schillernden Schuppen, die das schwache Licht unserer Helmleuchten brechen. Leuchtend rote Kugeln dienen dem Wesen als Augen, die es aufmerksam auf uns richtet.
Das Blut gefriert mir in meinen Adern, meine Atemzüge kommen stoßweise, während sich kalter Angstschweiß auf meiner Stirn bildet.
"Heilige Scheiße", hauche ich, während mein Finger zitternd über dem Abzug meines Gewehrs schwebt. Trotz des überwältigenden Drangs, das Feuer zu eröffnen, zögere ich und bin mir nicht sicher, ob dieses Wesen eine Bedrohung darstellt oder einfach nur kommunizieren möchte.
"Sieh dir seine Augen an", flüstere ich Campbell zu und nickte in Richtung der leuchtend roten Kugeln. Sie scheinen eine Intelligenz zu besitzen, eine Art Bewusstsein, das mir Gänsehaut bereitet.
Ich habe es schon mit vielen feindseligen außerirdischen Spezies zu tun bekommen, aber noch nie mit einer, die mich derart überwältigt hat.
Werden diese leuchtend roten Augen das Letzte sein, was ich sehen werde?
ENDE
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