13 | »Die Dunkelheit in dir« von Della_Kaya
»Die Dunkelheit in dir«
Eine Kurzgeschichte aus dem Genre Romantik von Della_Kaya
Triggerwarnungen: Keine
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In Liebe geboren
Durch Raum und Zeit hallt der Ruf
Dunkel verlangt nach Licht
Licht verlangt nach Dunkel
Wer wertet?
Kampf, Widerstand, kaskadierend in Schuld
In Liebe gewoben.
Gondelbahn, 01. Dezember
Schon seit seiner frühsten Kindheit fürchtete Draven sich vor genau diesem Augenblick. Natürlich hätte er damals nicht ahnen können, dass dieser in einer kleinen Berggondel mitten im Nirgendwo stattfinden würde. Aber, dass er sein würde, das wusste er.
Ein Blick auf ihr hellblondes, bis zur Taille fallendes Haar genügte ihm. Sofort teilten sich seine Gefühle. Sein Herz begann zu rasen und eine ihm nie gekannte Wärme breitete sich in seiner Brust aus. Zeitgleich ergriff ihn die kalte Hand der Angst. Die seltsame Hitze teilte sich mit der unglaublichen Kälte seinen Körper. Beide arbeiteten sich abwechselnd in Wellen durch ihn hindurch.
Es war genau dieser Moment, als sie sich – wie von einer fremden Macht geführt – zu ihm umdrehte. Ihre hellblauen Augen fixierten seine Dunklen. Alles um ihn verschwand; er nahm nur noch dieses helle und dennoch warme Blau wahr.
«Ich bin Elara, könntest du mir mit meinem Gepäck helfen, wenn wir oben ankommen? Ich habe etwas zu viel dabei», drang ihre glockenklare Stimme an seine mit Watte gestopften Ohren.
Elara, so heisst sie also..., dröhnte es lediglich in seinem Kopf.
«Geht es dir nicht gut?» Ihre Besorgnis konnte er klar in ihrer Stimme erkennen.
«Ehm...ja, bitte entschuldige. Hattest du mich etwas gefragt?», brachte er endlich einige Worte über seine Lippen und Elara begann zu strahlen. Sie hatte schon befürchtet, dass es ihm nicht gut ginge oder er in der Höhe panische Ängste ausstand. Wobei er sich diese Reise bestimmt nicht freiwillig antun würde, wenn dem so wäre, schoss es ihr kurz durch den Kopf.
«Ich hatte gefragt, ob du mir mit meinem Gepäck helfen könntest, wenn wir oben sind. Ich habe etwas zu viel eingepackt. Ich bin noch nicht sicher, wie lange ich hier bleiben möchte. Ehrlich gesagt, wurde mir zu Hause alles ein wenig zu viel – der Lärm – du weisst schon. Deshalb wollte ich den Dezember mal mitten im Nirgendwo verbringen. Wieso reist du nach Lonely Mountain?»
Noch immer mit seinen überwältigenden Empfindungen ringend, versuchte er, ihrem Wortschwall zu folgen. Zu seinem Erstaunen fühlte er, wie sich ein Lächeln in seinem Gesicht festsetzte.
«Ich lebe seit einigen Jahren hier», antwortete er leise und deutete damit auf seinen Tagesrucksack, welcher alles war, was er dabei hatte.
«Oh, das erklärt es natürlich», staunte sie und musterte ihn genau. Ihr gefielen seine dunklen Augen und die Locken, die ihm in die Stirn fielen, es passte zu dieser tiefen und dennoch wohlklingenden Stimme. Der leichte Dreitagebart stand ihm ebenfalls verboten gut – etwas das sie an Nick nie mochte. An diesem Punkt brach sie ihre Gedanken abrupt ab. Dieses Kapitel war nun endgültig Vergangenheit.
«Ich bin übrigens Draven», holte seine Stimme sie aus ihrer Welt.
«Freut mich, dich kennenzulernen, Draven. Ich heisse Elara.»
«Das hatte ich schon gehört», erwiderte er grinsend, wobei seine Augen zu leuchten begannen, «ich werde dir natürlich mit deinem Gepäck helfen. Wir sind bald da.»
Abends lag Elara noch lange wach und starrte die Zimmerdecke in der kleinen Pension an. Das schnelle Pochen ihres Herzens dröhnte in ihren Ohren und sie konnte den leicht schnelleren Atem hören. War es denn möglich?, fragte sie sich schon zum gefühlt hundertsten Mal. Ihren Erinnerungen und Gedanken folgend, schweifte sie in ihre Vergangenheit ab, wobei es ein wenig seltsam war, es überhaupt als solche zu bezeichnen.
Sie hatte Nick geliebt, von ganzem Herzen und als er ihr den Antrag machte, konnte sie sich nicht vorstellen, jemals glücklicher zu sein. Unter Tränen sagte sie Ja. Wie beinahe jede Frau die seit ihrer Kindheit von diesem Tag träumte, begann sie umgehend mit der Planung. Beim Gedanken an das wundervolle Kleid, welches sie sich extra hatte machen lassen, schossen ihr selbst jetzt noch die Tränen in die Augen.
Alles war gut in ihrer Welt, der grosse Tag rückte immer näher und sie fragte sich noch immer, wie sie übersehen konnte, dass sie allein in dieser Glücksblase war. Zwei Tage vor der Hochzeit, sie waren bereits im Luxusresort, gestand Nick ihr dann seine wahren Gefühle. Von Gewissensbissen geplagt, brachte er es nicht über sich, den hinterhältigen Plan durchzuziehen.
«Weisst du Elara, ich mag dich einfach zu sehr. Du bist so ein guter Mensch. Es ist nicht fair, wenn Bri und ich dir das antun. Egal, wie vermögend du bist, ich schäme mich überhaupt daran gedacht zu haben.»
Für Elara brach die Welt zusammen. Da sie weder eine Familie hatte, zu der sie in so einem Moment flüchten konnte, noch sonst jemandem, dem sie so unter die Augen treten wollte, kehrte sie in ihr Luxus Apartment in Seattle zurück. Doch die Erinnerungen drohten sie zu erdrücken – und mit ihnen die allgegenwärtige Einsamkeit. Also buchte sie sich ein Zimmer am letzten Ort der Welt, an dem sie von jemandem erkannt werden würde, geschweige denn jemanden kennenlernen könnte.
Als sie in der Gondel jedoch plötzlich ihr Herz schneller schlagen fühlte und ihr angenehme Schauer über den Rücken wanderten, musste sie sich umdrehen. Da stand er. Sie wusste einfach, dass er es war und gleichzeitig kroch die Angst in ihr empor. Mit einem tiefen Atemzug beruhigte sie sich und entschied sich, ihn anzusprechen.
Nun, hier liegend, konnte sie ihn fühlen. Sein kleines Haus stand abseits des Dorfes in einem kleinen Hain aus Lärchen und Birken. Doch es fühlte sich an, als ob er direkt hier neben ihr sein würde.
Pension, 2. Dezember
Nachdem sie am folgenden Tag gefrühstückt hatte, trat ihre Gastgeberin in den kleinen Salon und lächelte sie freundlich an. Sie war ein mütterlicher Typ und Elara fühlte sich sofort wohl bei ihr.
«Mein Kind, du hast Besuch», sagte sie freundlich und trat zur Seite. Elara hätte den Blick nicht heben brauchen, um zu wissen, von wem sie sprach. Ihr Körper verriet es ihr bereits. Dennoch wanderten ihre Augen über ihn.
«Guten Morgen, ich dachte, dass du vielleicht die Gegend ein wenig erkunden möchtest.» Seine Augen strahlten, und dennoch schien etwas düsteres darin zu liegen. Elara liess diesen Eindruck mit der Welle ihrer Empfindungen davontreiben.
«Das wäre sehr schön.»
Der tiefe Schnee nahm ihre Schritte in Empfang – mit seiner ganz eigenen Melodie. Draven führte sie schweigend durch die Winterlandschaft und wies nur hin und wieder auf Spuren oder kleine Vögel in den Bäumen. Schliesslich durchbrach sie die zauberhafte Ruhe dann doch.
«Wieso lebst du hier Draven?»
«Ich dachte, dass ich hier sicher bin.»
«Wie meinst du das?» Er drehte sich abrupt um, von dieser plötzlichen Bewegung überrascht stiess sie gegen seine Brust. Seine Arme hielten sie sanft zurück und seine dunklen Augen gruben sich in ihre Hellen.
«Sicher vor dir.»
«Wie...», stammelte sie leise von seinen Worten und seiner Nähe gleichermassen überwältigt.
«Du bist mein Licht Elara – und damit der Beginn meiner Dunkelheit», raunte er leise. Nach Luft schnappend und die Verwirrung im Verstand fühlend, konnte sie dennoch erfassen, was er ihr damit zu sagen versuchte. Schnell abkühlende Tränen liefen über ihre Wangen. Sanft und mitfühlend trocknete er sie.
«Was geschieht mit dir?», hauchte sie.
«In knapp 23 Tagen, an Weihnachten, versinkt meine Seele vollständig in der Dunkelheit.»
«Aber wieso?»
«Es ist der Fluch des Erstgeborenen in meiner Familie. Er existiert seit vielen Jahrhunderten. Aktiviert wird er, wenn derjenige seinem Licht begegnet.»
«Ich bin dein Licht?»
«Und ich bin deine Dunkelheit.»
«Deswegen hast du dich hierhin zurückgezogen? Damit du mir nicht begegnest?» Er nickte sanft, ohne sie loszulassen und ohne den Blick abzuwenden. «Doch ich bin zu dir gekommen», hauchte sie leise, «gibt es nichts, was wir dagegen tun können?» Bei diesen Worten wendete er seinen Blick nun doch ab und Elara konnte die Kälte über sich hereinbrechen fühlen.
«Es gibt Gerüchte...», flüsterte er und sie konnte seiner Stimme entnehmen, dass er nicht daran glaubte. «Ich habe gesehen, was aus meinem Onkel wurde. Elara, du musst diesen Ort verlassen, jeden Tag werde ich ein wenig meines Selbst verlieren.» Mit ihren dicken Handschuhen konnte sie seine Haut und seinen Bart nicht fühlen, doch der sanfte Druck reichte aus, dass er sie wieder ansah.
«Ich werde nicht weggehen und ich gebe dich nicht auf.»
«Aber...»
«Ich bin hierhergekommen, weil ich meiner Einsamkeit entfliehen wollte und in einem einsamen Dorf fällt Einsamkeit nicht so auf. Mein ganzes Leben war ich allein und als ich einmal glaubte, ich wäre es nicht...» Ein Schatten huschte über ihr sonst so kristallklares Gesicht und verpasste ihm damit einen Stich ins Herz. Sie war verletzt worden und nun würde er sie weiter verletzen. Egal wie das alles weiterging, wenn sie überlebte, würde sie wieder alleine sein.
Vorsichtig umfasste er ihr Gesicht. Ihre Atemwölkchen vereinten sich zu einem und die Sonne glitzerte orangegolden im Schnee. Dort wo sie ihr Haar berührte, leuchtete dieses beinah genauso golden auf. Er hatte sie nicht küssen wollen, hatte sie gar nicht wiedersehen wollen. Doch seine Füsse brachten ihn am Morgen von selbst zur Pension. Genauso übernahm nun sein Körper.
Langsam senkte er sein Gesicht dem ihren entgegen, nicht einmal brach er den Augenkontakt ab und darüber versuchte er ihr alles zu sagen, alles zu teilen, was er nicht in Worte fassen konnte. Sie verstand und als er plötzlich nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht verharrte, kam sie ihm den letzten Rest entgegen.
Noch nie hatte es sich so gut angefühlt, noch nie hatte sie sich so vollständig gefühlt. Das leichte Kratzen seines Bartes prickelte und verführte sie dazu, sich seinen Lippen noch schneller zu öffnen. Sein Geschmack war ihr zu Hause, endlich wusste sie, wie es sich anfühlte, eines zu haben.
Everlight-Hütte, 13. Dezember
Bereits in den wenigen Tagen hatte Draven sich sichtlich verändert, er versuchte es vor Elara zu verbergen, doch sie konnte es fühlen, als wären es ihre eigenen Schatten. Immer tiefer gruben sie sich in ihn hinein und peinigten sein wundervolles Wesen. Unzählige Telefongespräche mit seiner Familie hatten sie bereits geführt – allesamt ohne Erfolg.
Elara brach es das Herz, wenn sie die liebevolle Stimme von Dravens Mutter hörte und diese nicht minder liebevoll ihr gegenüber war. War es doch wegen ihr, dass sie ihren Sohn so bald verlieren würde. Tränen traten in ihre Augen und kurz wünschte sie sich, sie könnte zu dieser Familie gehören.
Doch wie sollte sie ihnen jemals gegenübertreten? Sie war es, die ihren Sohn in diese Lage gebracht hatte. Sie war es, die sich dieses verdammte Dorf ausgesucht hatte, um sich ihrer Einsamkeit hinzugeben. Wie hätte sie damit rechnen können? Die Fragen und Selbstzweifel dröhnten in ihr, während sie auf Dravens Gesicht seinen inneren Kampf beobachtete.
Hilflos strich sie sanft über die gespannten Muskeln und versuchte ihn leise murmelnd zu beruhigen. Als er die Augen aufschlug, stand das Grauen darin und Elara war es kaum möglich, einen Funken des Mannes darin zu erkennen, den sie so schnell, so sehr lieben gelernt hatte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sein Gesicht langsam zu ihr.
«Du musst weg von hier, du darfst nicht hier sein...ich weiss nicht, wie lange ich es noch kontrollieren kann», sprach er gehetzt und wenig bei sich.
«Liebling, wir hatten das besprochen, ich bleibe bei dir. Nichts was du sagst oder tust, wird daran etwas ändern.» Kurz flammte nochmals ein Schatten in seinem Gesicht auf und ihr Herz begann panisch zu pochen. Doch Sekunden später verschwand er und endlich kehrte ihr Draven zurück.
«Konntest du etwas herausfinden, Mum?», fragte er und seine Mutter zog nur die Stirn in Runzeln.
«Nicht wirklich mein Schatz, die Angaben sind alle so vage und du weisst, wie dein Grossvater ist. Auf die Hälfte der Dinge, die er von sich gibt, kannst du dir keinen Reim machen.»
«Aber hat er irgendetwas gesagt?» Seine Stimme wurde drängend und Wut bahnte sich ihren Weg nach oben. Am liebsten würde er diese Frau schütteln, damit sie endlich auf den Punkt kam, war ihm doch klar, dass sie etwas Neues in Erfahrung gebracht hatte.
«Ist ja gut, atme, mein Schatz», drang die einfühlsame Stimme seiner Mutter aus dem Telefon. Sie kannte ihren Sohn so gut, dass sie seine Empfindungen sogar über den kleinen Handybildschirm von seinem Gesicht lesen konnte. Wenn auch diese Gefühle sonst nie in seinem Gesicht zu sehen waren. «Nun keine Garantie, dass das eine echte Erinnerung war, aber er meinte sowas wie...»
'Nicht dein Dunkel, doch ihres nur
Muss sie erfassen, sucht sie Azur
Nur wo Schatten im Licht sich eint
Im Herzen die beiden ereint.'
Einen Augenblick herrschte Stille. Draven dachte angestrengt nach, während die Wut noch immer in ihm pulsierte. Diesmal richtete sie sich allerdings auf seinen Grossvater, der so wirr war, dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn seine Mutter genau die richtigen Zeilen aus seinem Geschwätz gepickt hätte.
«Es tut mir leid, aber mehr konnte ich nicht aus ihm herausbringen und du weisst, dass die Aufzeichnungen grösstenteils vernichtet wurden.»
«Ja, schon gut. Danke Mum. Ich hab dich lieb.»
«Ich dich auch, mein Schatz, melde dich nochmals, wenn es geht. Ich wünschte, ich könnte euch mehr helfen...»
Lonely Mountain, Waldweg, 15. Dezember
«Wenn ich doch nur wüsste, was mit diesem Azur gemeint ist, ich habe das Gefühl, es bringt mich noch schneller um den Verstand, als die Dunkelheit selbst», redete Draven frustriert vor sich hin, während Elara nur mit Mühe Schritt hielt. Komplett ausser Atem war es ihr weder möglich zu antworten, noch die wundervolle Winterlandschaft zu geniessen. «Beeil dich mal...», drang seine gereizte Stimme zu ihr und erschreckte ein paar kleine Maisen.
Ihren Blick schnell hebend, versuchte sie sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Sie konnte seine Wut in sich hämmern fühlen und es bereitete ihr eine Heidenangst. Was wenn bald nur noch dieser Draven vorne war?
Augenblicke später wechselte sein Gesichtsausdruck und wurde ganz sanft. Sofort schloss sie die paar Schritte auf und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Seine Arme legten sich schützend um sie. Als sie zu ihm hoch sah, erkannte sie das Glitzern von Tränen in seinen so wundervollen Augen. Schnell schob sie sich ihm entgegen und fühlte sogleich seine Lippen zärtlich auf ihren.
Everlight-Hütte, 23. Dezember
Elara sass eingekuschelt und sichtlich müde auf dem gemütlichen Sofa. Draven, er hatte wie durch einen Segen erneut ein paar gute Stunden, bat sie, hier auf ihn zu warten. Bleierne Schwere lag auf ihr und es wäre ihr nicht möglich gewesen, aufzustehen, auch wenn sie gewollt hätte.
Kurz musste sie eingeschlafen sein, denn als sie Dravens Schritte hörte, schreckte sie aus düsteren Bildern hoch. War das ein Traum? Aber, was? Woher kamen diese Bilder?
Verstört hob sie den Blick und sah in die dunklen Augen, die sie so liebte und sie all die Erlebnisse mit Nick so schnell hatten vergessen lassen. Doch fragte sie sich, ob es sein konnte, dass er auch neue Erinnerungen in ihr hervorgeholt hatte? Sie glaubte, dass sie sich im Schmelztiegel des Menschenmöglichen befand, als sie hierher kam. Doch nun mussten diese ganzen Ereignisse der letzten Tage Tore in ihr geöffnet haben, von deren Existenz sie nicht mal wusste.
«Alles in Ordnung, mein Licht?», fragte Draven besorgt, als er den Schatten in Elaras Gesicht sah. Angst feuerte sein Herz an.
«Ja, ich hatte nur so einen seltsamen Traum...»
«Möchtest du mir davon erzählen?»
«Nein, lieber nicht, ich möchte die Zeit mit dir noch geniessen.» Die Tränen in ihrer Stimme waren nicht zu überhören und Draven wollte ihr den Wunsch erfüllen.
«Hier, das ist ein Familienerbstück. Ich möchte, dass du es bekommst.» Er öffnete die kleine Schatulle und heraus kam ein wunderschöner Anhänger. Ein in eine aufwendige rosegoldene Fassung gearbeiteter azurblauer Stein. «Es ist ein Lapislazuli», flüsterte er leise.
«Er ist wunderschön...» Vorsichtig legte er ihr das Schmuckstück um.
Irgendwo in Lonely Mountain, 24. Dezember
«Draven...Draven...wo bist du?», war die zarte Stimme Elaras weit zu hören, dennoch bekam sie keine Antwort. Panisch versuchte sie sich im schwindenden Licht zu orientieren. Seine Lieblingsorte hatte sie längst abgesucht. Es konnte doch nicht sein; es war zu früh...
«Du darfst noch nicht verschwunden sein...», wimmerte sie leise. Erschöpft liess sie sich unter einer Lärche auf eine Holzbank sinken. Die Kälte des Schnees interessierte sie nicht mehr. Sie fühlte seit Stunden nichts mehr. Kurz atmete sie durch und schloss die Augen. Sofort brachen wieder die Bilder der Nacht über ihr Zusammen und sie klammerte sich hilfesuchend an ihre Kette.
Der Lapislazuli glühte warm in ihrer Hand und langsam arbeitete sich eine Stimme in ihr empor. Nicht dein Dunkel, doch ihres nur...Was wenn ich gemeint bin? Mein Dunkel, doch ich habe keine Dunkelheit. Muss sie erfassen...Was wenn doch? Ich weiss nichts über mich! Azur...der Lapislazuli...
Mit beiden Händen drückte sie den Stein auf ihr Herz, tief atmend versuchte sie, ihren Puls ruhig zu bekommen. Die Bilder ihrer Träume zogen an ihr vorbei. Ich weiss doch etwas von mir, ich bin wütend, so wütend, dass sie mich allein gelassen haben, alle lassen mich allein.
Ohne ihn kontrollieren zu können, arbeitete sich ein wutverzerrter Schrei in ihr empor. Durch die Stille hallte er weit, doch es war ihr gleichgültig, konnte sie doch zum ersten Mal das Ausmass ihres Schmerzes fühlen. Ihre Wut und ihre Einsamkeit, all das, was sie als Kind so fein säuberlich von sich geschoben hatte. Weggedrückt, in die hinterste Ecke ihres Seins, um zu überleben. Doch sie war nicht mehr das kleine Mädchen von damals. Sie hatte einen Menschen gefunden, der alles dafür gegeben hätte, bei ihr zu bleiben.
Sie würde in ihren Spiegel schauen müssen, dahin, wo sie nie gesehen hatte.
Die Welt verschwand um sie und sie verlor jegliches Zeitgefühl. Welle um Welle arbeitete sich durch ihren Körper und ihren Geist. Kein Stein blieb auf dem anderen, während sie einfach die Tür offen hielt, die Tür zu ihren Schatten.
???, 25. Dezember
Das weiche Lacken unter ihr roch vertraut. Langsam regte sie sich. Wie war sie ins Bett gekommen?
«Bist du endlich wach, mein Engel?»
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, bevor sie ihre Augen öffnete und in die seinen blickte.
«Wie?», hauchte sie.
Seine Augen strahlten, als er sich zu ihr auf das Bett setzte und antwortete:
In Liebe geboren
Durch Raum und Zeit hallt der Ruf
Dunkel verlangt nach Licht
Licht verlangt nach Dunkel
Im Spiegel erkannt, zur Einheit geschmolzen
In Liebe gewoben.
ENDE
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