18 - Krähenbühl

Achtung - der heutige Text ist wohl nichts für schwache Nerven. Mord und Totschlag passen nicht wirklich in die Adventszeit. Obwohl: Das tun die Kriege in der Ukraine und in Israel auch nicht. Dagegen ist meine erfundene Geschichte aus dem ansonsten friedlichen Emmental direkt wieder harmlos.

Heute gibt es den Prolog zum zweiten Krimi mit Patrizia Stettler und Ueli Suter - meinem erfolgreichen Ermittlerduo aus Schangnau.

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Prolog

Er saß einfach nur da. Am Waldrand. Im Kopfhörer donnerte Robbie Williams mit 'Let me entertain you' auf seine Ohren. Er schmunzelte - wie passend; Entertainment würde es tatsächlich geben. Weit unten, auf der Wiese mähte der Schönling das Gras.

Im hintersten Emmental waren die Hänge steil, die Arbeit auf den Wiesen, gestaltete sich mühsam und oftmals auch gefährlich. Bauer Fredi Siegenthaler wusste das; seit er gehen konnte, bewegte er sich auf den Weiden. Manchmal mit den Kühen, manchmal um das Gras zu mähen, so wie heute. Sorgfältig hatte er mit der Sense die steilsten Stellen von Hand gemäht, mit geübtem Schwung, ohne auch nur einmal nachschlagen zu müssen. Der kräftige, großgewachsene Mittvierziger wurde im Schangnau als Traumschwiegersohn gehandelt. Vor einigen Jahren war er sogar im Bauernkalender abgebildet gewesen, für den Monat Juni, mit der Sense neben einem Heustock und ohne T-Shirt, damit die Betrachterinnen seine stahlharten und fein definierten Muskeln sehen konnten. Er erinnerte sich schmunzelnd an die Aufnahmesession und vor allem an die vielen Briefe, welche er von den jungen Frauen aus der Region, die ihn selbstverständlich erkannt hatten, erhalten hatte.

Er war zufrieden, wie er sein Leben führte. Insgeheim hatte er sich bereits eine Frau ausgesucht, sie jedoch noch nie angesprochen. Was wollte er auch als Bauer mit einer Polizistin, die zudem noch um einiges jünger schien als er. Doch jedes Mal, wenn er ihren Wagen ins Dorf fahren sah, hoffte er, sie möge ihn befragen kommen oder ihn auf den Posten mitnehmen. Manchmal überlegte er sich sogar ein kleines Verbrechen, welches er begehen könnte, damit die Polizistin ihn verhaften möge; doch dann erinnerte er sich daran, dass sie für Leib und Leben arbeitete und nur auftauchte, wenn es eine Leiche gab; und morden wollte nicht, dafür liebte er das Leben zu stark. Und Patrizia - doch das war sein Geheimnis.

Die starke, geländegängige Maschine hatte Siegenthaler sorgfältig gesichert, den Seilzug um eine gesunde Tanne geschwungen. Mit dem breiten Rechen begann der braungebrannte Bauer das getrocknete Gras zu langen Würmern anzuhäufen, damit er es später mit dem Heulader aufsammeln konnte. Er bewegte sich dabei sehr sicher.

"Der Idiot wird unvorsichtig, bewegt sich unterhalb seiner schweren Lademaschine. Dann lass uns die Unterhaltung beginnen", murmelte er zu sich selbst und schlich zur Tanne, um die das Stahlseil geschwungen war. Das Seil stand nicht unter Zug, noch nicht. Er nahm sein gewaltiges Schneidegerät und verletzte das Stahlseil knapp unterhalb der Schlaufe, dort, wo der Zug am stärksten sein würde. Er achtete darauf, das Seil nicht vollständig zu kappen - es sollte nach Unfall aussehen, das war der Plan.

Danach schlich er zur Maschine. In der Kabine löste er die Stellbremse, bewegte den Schalthebel in die Neutralposition. Die schwere Maschine ruckte nach unten, wurde nur noch vom Seil zurückgehalten. Der arbeitende Bauer hatte davon nichts mitbekommen. Der Mann stieg im toten Winkel hinter der Maschine wieder zur Tanne hoch. Dort stellte er zufrieden fest, dass das Seil sich bewegte, sich wand und drehte; es würde nicht mehr lange halten. Höchste Zeit also, sich in Sicherheit zu bringen. Am Waldrand nahm er wieder seine Beobachtungsposition ein.

Dann erfolgte ein Knall, der sich am Berg an der gegenüberliegenden Talseite als Echo spiegelte. Eine Lademaschine mit roter Kabine donnerte talwärts, überrollte einen arbeitenden Bauern, kippte zur Seite, überschlug sich mehrfach. Das Heu stob nach allen Seiten, legte sich friedlich auf die blutrote Wiese. Krachend fiel die schwere Maschine auf die Straße und blieb dort liegen. Ruhe und Staub.

Auf der Wiese lag reglos ein rotes Knäuel, das, vor einigen Jahren im Bauernkalender abgebildet, einst ziemlich attraktiv ausgesehen hatte, musste er sich zugestehen. Nun erinnerte es ihn mehr an ein Schaf, das von einem Wolf gerissen worden war. Zufrieden verstaute er den Seitenschneider in seiner Tasche, stand auf und verschwand wie ein scheues Reh im Wald.

Die ersten Menschen, welche den Lärm gehört hatten, rannten derweilen aus ihren Häusern auf die zertrümmerte Maschine zu. Zwei Männer standen bereits oben bei der Leiche und wehrten alle anderen ab; zu abscheulich war der Anblick, den sie niemals wieder vergessen würden.

***

Na? Zu viel versprochen? War harter Tobak, ich weiß; sorry - es ist nun mal ein Krimi. Und ja, es ist hart, den schönen Mann nur so kurz auftreten zu lassen. In Rückblenden werdet ihr ihn aber einige Male sehen können - bestimmt, und ziemlich sexy ...

"Räbloch" steht kurz vor der Möglichkeit zur Veröffentlichung und ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass es klappt. Falls dem so ist, habe ich den Schuh an einem gaaaanz wichtigen Ort drin - also wünscht mir Glück.

Auch deshalb arbeite ich fleißig an einem zweiten Fall des Ermittlerduos - denn ich werde nachliefern müssen. Drum bin ich euch unendlich dankbar für eure Feedbacks - um zu sehen, ob meine Idee des zweiten Falles ankommt. Patrizia verliert hier einen Verehrer - was wohl dahintersteckt?

Ich wünsche euch eine tolle letzte Adventswoche - hab euch alle lieb und feiere mit euch.

Bruno

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