🎁10. Always by my side🎁


Irving zählte zu den fünf Auserwählten, die bei ihrer Geburt eine besondere Gabe geschenkt bekommen hatten und einer jahrelangen Ausbildung als 'Heldengruppe' unterzogen wurden. Er kann mit den Toten reden, was besonders schwer für ihn wurde, als einer seiner Mitstreiter selber verstarb. Selbst vier Jahre später noch.

Irving: braunhaarig, graue Augen, leichten Bartwuchs, 1.84m

Noah: schwarze Haare, grüne Augen, muskulös, 1.82m

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Irving torkelte leise fluchend durch die spärlich beleuchteten Straßen. Die Lippe aufgeplatzt, eine große Schürfwunde an seiner Schläfe und eine halbleere, billige Weinflasche in seiner rechten Hand. Er vernahm ein Seufzen hinter sich, doch ignorierte es gekonnt. Summte weiter eine ausgedachte Musik, zu der er sanft im Tankt tanzte.

"Irving."

Der Braunhaarige schnipste passend zu der Musik und drehte sich im Laufen einmal im Kreis, sein abgenutzter Mantel schwang dabei in der Luft herum.

"Irving!"

"Weißt du, das wäre ne echt gute Mucke für nen Song", sprach Irving beiläufig und nahm einen weiteren Schluck aus der Glasflasche. "Irving, ich schwöre bei Gott-"

"Vielleicht sollte ich ja Musiker werden, huh? So als Rockstar wäre ich bestimmt ne Granate. Meine Fans würden mir ihre Unterwäschen hinterher werfen."

"IRVING!"

"WAS?!"

Irving drehte sich gereizt um und blieb ruckartig stehen, musterte den jungen Mann hinter sich, der blickte ihn mindestens ebenso giftig an. "Was soll der Scheiß, Irving?", fragte dieser, die Hände in den Taschen seiner dunklen Kapuzenjacke. "Komm schon, die Melodie ist echt gut, Noah", Irving zuckte mit den Schultern und strauchelte ein wenig, fing sich allerdings an der Hauswand eines Ladens ab.

"Du weißt genau, was ich meine", seufzte Noah und trat näher an ihn heran, "weg mit dieser scheiß Flasche." Irving schnaubte laut, "lass mich doch ein wenig feiern! Hurra, hurra, wir haben die bösen Buben in die Flucht geschlagen. Außerdem bist du weder meine Mutter, noch am leben, also sag mir nicht, was ich zu tun habe."

"Echt jetzt?", kam es genervt von dem Schwarzhaarigen zurück, "spielst du immer noch die Nicht-Am-Leben-Karte? Wenn du feiern willst, warum gehst du dann nicht mit den andere? Du bist immer noch der einzige, der nicht in ihr Haus eingezogen ist. Stattdessen willst du lieber in dieser Bruchbude wohnen."

"Dann geh doch, wenn es dir nicht passt", murrte Irving und hielt dann inne, "ach nein warte, das geht ja nicht", Irving rappelte sich auf und fiel dabei fast zur Seite um. "Du hast zu viel getrunken", murmelte Noah dazu. "Anscheinend ja noch nicht genug, wenn du noch da bist."

"Irving, du hörst jetzt auf damit", Noah stellte sich vor den Größeren, als dieser weiter die Straße entlanglaufen wollte. "Uhhh, da krieg ich ja richtig Angst", spottete Irving leise lallend, "so als könnte ich ja auch gar nicht durch dich hindurch laufen", Irving stakste daraufhin einfach durch Noah hindurch und nahm einen Schluck vom Wein.

"Wieso tust du das alles?", fragte Noah verständnislos und eilte hinter ihm her, "du lässt dich immer mehr gehen. Noch mehr als... du weißt schon." Nun blieb Irving interessiert stehen, "noch mehr als was?", wollte er wissen. "Noch mehr als vor meinem Tod", beendete Noah den Satz zögerlich.

Irving stocke, sein Blick glitt zu Boden, ehe er weiter stolzierte, "in vier Jahren kann eben einiges Passieren. Wir sind keine Kinder mehr, Noah. Ich wohne wo ich will, ich trinke so viel ich will und tue das, was ich will."

"Ich ertrag es nicht, dich so zu sehen."

Irving ballte die Hände und drehte sich schlagartig zu ihm um, "DANN GEH!", schrie er laut dem Toten entgegen, "geh doch endlich." Noah stockte daraufhin und sah ihn wortlos an.

"Nein", sprach er schließlich gefasst. Irving atmete laut aus und nahm einen weiteren, großen Schluck, "dann halt nicht."

"Rede doch endlich mal mit mir."

"Tu ich doch. Täglich sogar. Seit vier Jahren. Pass mal besser auf."

"Nein, tust du nicht", murmelte Ben, Irving hielt inne. "Was meinst du?", hauchte Irving verwirrt. Ben kratzte sich am Nacken, "Du redest ständig nur an mir vorbei. Die ganzen vier Jahre schon. Dabei sind wir doch wie eine Familie. Wir fünf."

Irving schnaubte und lief weiter, "Familie."

"Ja. Familie. Oder gehör ich seit meinem Tod für dich nicht mehr dazu?"

Irving blieb schnurstracks stehen, biss sich auf die Unterlippe und ging mit angespannter Haltung auf Noah zu, "sag so etwas nie wieder", knurrte er, sein Finger anschuldigend an Noah's Brust. Ihre Augen ineinander verhakt, der Alkohol wie verflogen. Noah musterte kurz Irving's Statur, ehe er den Blickkontakt wieder herstellte, "dann beweis es mir."

"Du-", Irving stockte, sein Gesicht verzog sich, "tu mir das nicht an."

"Was antun?", forderte Noah ihn heraus, "dich dazu zu bringen, mich endlich anzusehen?"

Irving's Gesichtszüge entglitten, ebenso wie sein Blick, der auf ihre Schuhe wanderte. Er schluckte einmal schwer, "genau."
Noah schüttelte den Kopf, "wieso tust du mir das an?", fragte er schließlich hauchdünn.

"Es tut weh", kam es von beiden gleichzeitig.

"Was?", brachte Noah heraus, "es tut dir weh?" Irving nickte mit dem Kopf und fuhr sich mit dem Handrücken einmal über seine Augen, "hab ich dir jemals gesagt, dass es mir leid tut?" Noah wollte ihm an die Wange fassen, doch seine Hand glitt einfach durch ihn hindurch, "wofür? Du musst dich für überhaupt nichts entschuldigen."

"Ich war zu langsam", platzte es aus Irving raus, sein Kopf hob sich und präsentierte seine gläsernen, roten Augen, "ich mein... wir waren alle zu langsam. Wir konnten nichts... tun. Für dich. Was hat mir diese scheiß Ausbildung gebracht? Dieses scheiß Training? Diese scheiß Gabe? Es hat nichts gebracht. Wir konnten nicht mal unseren eigenen Kollegen retten."

"Oh, Irving", seufzte Noah, er tat zumindest mit seinen Händen so, als würde er über Irving's Wangen streichen, "du bist so ein Idiot."

"Ja bin ich", stimmte Irving ihm zu, "wir kennen uns seit unserer Kindheit", er atmete tief ein, die Weinflasche fiel zu Boden. Entschlossen ergriff er Noah's Hände von seinen Wangen, um sie fest zu umschließen, "ich hatte so viele Jahre Zeit, Noah!", begann er, während Noah die Augen aufriss und wie ein Fisch auf dem Trockenen den Mund immer wieder öffnete und schloss.

"D-Das- Irving-"

"Nein, warte!", unterbrach der Größere ihn und fuhr mit seinem Daumen über Noah's weichen Handrücken, "du bist und warst für mich immer der wichtigste Teil unserer Familie. Du warst wirklich- wirklich immer für mich da und hast mich versucht aus sämtlicher Scheiße rauszuholen."

"Das ist ja sehr süß, Irving, aber-", Noah blickte immer wieder runter zu ihren Händen. Irvings begannen bläulich zu leuchten, ebenso wie seine sonst so blassen Augen, wie immer, wenn er seine Fähigkeit großflächig einsetzte. Nur diesmal schien er selbst es nicht zu bemerken.

"Und dann brauchtest du ausnahmsweise mal jemanden, der dich aus der Scheiße rausholt und dann hab ich- versagt. Einfach versagt und du bist gestorben und ich konnte mich nicht mal dazu bringen, mich dafür jemals bei dir zu entschuldigen. Du warst- nein bist der wichtigste Mensch für mich und ich konnte dir niemals richtig sagen, dass ich dich-"

"Irving!", unterbrach Noah endlich das nervöse Geschwafel und nickte in Richtung ihrer Hände, "guck doch!"

Irving kräuselte die Stirn, zog seine schniefende Nase nach unten und bemerkte nun auch endlich, dass sie gerade gegenseitige ihre Hände hielten. "Noah", hauchte er fassungslos und strich über die Haut, "Deine- das- eigentlich geht das doch garnicht!"

"Ich weiß!", antwortete Noah ebenso verwundert, jedoch breit grinsend. Er entzog ihm vorsichtig seine Hände und startete dann einen zweiten Versuch. Irving's tränengefüllte Augen leuchteten nach wie vor. Diesmal fanden Noah's Hände jedoch an Irving's geröteten Wangen Platz. Beide grinsten von einem Ohr bis zum anderen.

"Noah, deine Hände-"

"Ich weiß."

"-Sind arschkalt."

Daraufhin konnten sie sich ein Lachen nicht nehmen lassen. Irving wischte sich die letzten Tränen weg und griff dann vorsichtig nach Noah's Jacke, die er auch ergreifen konnte.

"Ich kann's... nicht glauben", gab Irving zu und fühlte den harten Stoff. Noah nickte zustimmend und zog den Größeren schließlich in eine feste Umarmung, "das wollte ich schon lange tun. Ich hab dich so sehr vermisst."

Irving erwiderte natürlich sofort die Geste und fiel ihm bereits vollen Vertrauens in die Arme, "ich dich auch. Definitiv. So sehr. Bitte lass das ewig anhalten." Noah nickte daraufhin nur, sein Gesicht in Irving's Nacken vergraben.

"Ich glaub, ich muss kotzen."

Noah seufzte, ein Lächeln auf den Lippen, "da ist ne Seitengasse. Wir sollten dich dann aber auch mal langsam nachhause bringen."

"Jaja", murrte Irving und löste sich von Noah, ehe er sich an die Hauswand abstützte und tatsächlich in der Seitengasse verschwand. Noah musterte seine Hände, konnte immer noch nicht glauben, dass er eben zum ersten Mal seit vier Jahren Körperkontakt hatte.

Ein lautes Würgen erklang, Noah lehnte sich am Eingang der Seitengasse gegen die Wand und wartete geduldig auf ihn, "Du warst übrigens noch nicht mit deiner Rede fertig", erinnerte er Irving. Dieser stöhnte gequält und torkelte wieder aus der Gasse heraus.

"Lass mal stecken. Erinner' mich morgen nochmal dran", nuschelte er und ergriff Noah am Handgelenk, "los jetzt, mein Bett ruft bereits nach mir."

Noah musterte ihn von hinten, während er sich wortlos die Straße entlang schleifen ließ, "ich glaub, ich weiß was du mir sagen wolltest."
"Mh? Na dann muss ich's ja nicht erzählen."

"Als ich starb, habe ich am meisten von allem bereut, dass ich es dir nie vorher gesagt hatte. Ich liebe dich auch", Noah bemerkte das kurze Stocken seines Freundes, ebenso wie das abgehackte Atmen. "Idiot", murmelte Irving, der sich auf die Unterlippe biss, um nicht in einem fetten Grinsen zu enden.

Noah löste sein Handgelenk und lief neben ihm, anstatt wie üblich hinter ihm her zu rennen. Sein Arm legte sich stützend um Irving's Seite, damit dieser nicht ständig zur Seite kippte, "ja, aber ich bin ein Idiot, den du liebst."

"Warts ab, bis ich nüchtern bin, dann wollen wir mal sehen, wie viele dumme Sprüche du herausbringen kannst", drohte Irving ihm grinsend und schnipste ihm gegen die Schulter. Noah lachte leise und zog ihn näher zu sich, "ich kann's kaum erwarten."

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