[04] von regentropfen und der stadt um fünf uhr morgens
Luna Lovegood x Ginny Weasley - Von Regentropfen und der Stadt um fünf Uhr morgens
geschrieben von strawdrarry
»There's nothing prettier than a city at 5 am, with it's empty streets and it's cold wind.«
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Langsam fielen übriggebliebene Regentropfen von Blättern, Laternen oder Ampeln, auch wenn der Regen schon lange vorbeigezogen war. Auf den Straßen und Bürgersteigen waren mal große, mal schmale, mal tiefe, mal flache Pfützen, in welchen sich die Lichter der Großstadt spiegelten. Es war so unüblich still, wie man es in Muggel-London garnicht gewohnt war, aber eigentlich sollte es Ginny nicht wundern, schließlich war es fünf Uhr nachts und sie hatte vor einigen Minuten gemeinsam mit Luna einen Pub verlassen, in dem sie mit ihren Freunden feiern waren.
Auch wenn es schon so früh am Morgen war, waren Ginny und Luna eine der ersten, die die Party verließen. Schwankend gingen sie durch die Straßen, wechselten von Bürgersteig zu Bürgersteig, umgingen Pfützen und lenkten den Weg in Richtung Hotel, in dem sie zu übernachten planten. Für einen Außenstehenden sähe es vielleicht so aus als wären sie betrunken, doch das stimmte nicht. Beide hatten einfach gute Laune, lachten und Luna summte eine Melodie vor sich hin, zu welcher sie leicht tanzte. Lunas hellblaues Kleid mit vielen bunten Pailletten schimmerte magisch durch die Straßenlaternen und auch ihre geflochtenen Haare fielen wunderschön an ihrem Rücken herunter. Sie hatte mehrere regenbogenfarbene Bänder mit in ihren Zopf gebunden und ihn mit einer goldenen Schleife befestigt, welche so groß war, wie ihre beiden Hände zusammen. Sie trug silberne, sternförmige Ohrringe und ihre Nägel waren abwechselnd gelb und orange lackiert.
Ginny hatte das außergewöhnliche Mädchen schon immer bewundert, hatte sie für stark und eigensinnig gesehen und sie für mutig gehalten, denn trotz der Sticheleien ihrer Hausgemeinschaft war Luna sich selbst treu geblieben und hatte sich nicht für andere verändert. Ginny konnte dies leider nicht über sich selber sagen, denn sie hatte sich lange angepasst und hatte getan, was andere Mädchen in ihrem Alter mochten. Sie trugen Kleider, Ginny tat es auch. Sie fingen an sich zu schminken, Ginny tat es auch. Sie trugen Schuhe mit Absätzen, Ginny tat es auch. Sie gingen auf Dates mit den unterschiedlichsten Jungen, Ginny tat es auch. Doch als sie anfingen mit diesen Jungen intim zu werden, sich zu küssen, mit ihnen ins Bett zu steigen, wurde Ginny bewusst, dass sie anders war.
Und es machte ihr Angst. Sie hatte verdammt Angst davor, was mit ihr passierte, was die anderen möglicherweise über sie sagten, was ihre Familie von ihr halten würde, was ihre Freunde denken würden. Zum Glück hatte ihr damaliger Freund Harry ihre Sorgen gemerkt und sich angeboten, damit sie sich aussprechen konnte. Ginny hatte es nicht getan, mehrere Wochen nicht. Erst, als es ihr zu viel wurde, sie Nachts nicht mehr schlafen konnte und die Frage nach sich selbst immer präsenter wurde, gab sich Ginny geschlagen und sprach Harry darauf an. Nach vielen Stunden, in welchen Ginny Harry alles erzählte, ihre Gefühle bis aufs kleinste Detail erklärte, weinte, lachte und noch mehr weinte, kamen sie zum Entschluss, dass es besser wäre, wenn sie sich trennten und als einfache Freunde weiter machten, sich aber versprachen, einander immer zu unterstützen.
Harry nahm Ginny mit in die Muggel-Welt erzählte ihr von etwas, was die Muggel die LGBTQ+ Community nannten, besuchte gemeinsam mit ihr sogenannte Pride Parades, probierte verschiede Labels aus und zeigte ihr grinsend zwei Daumen nach oben, als sie zum ersten Mal mit einem weiteren Mädchen knutschte.
„...Ginny?", Lunas sanfte Stimme holte das andere Mädchen aus ihren Erinnerungen und sie merkte, dass sie etwas dümmlich neben der Bank stand, auf welcher es sich Luna gemütlich gemacht hatte und jetzt mit der Hand neben sich zeigte, damit sich Ginny zu ihr setzte.
„Ich mag dein Hemd", stellte Luna fest, als auch Ginny sich gesetzt hatte und spielte etwas mit dem Kragen. „Zwar mag ich lieber Farbenfrohes, aber weiß ist auch sehr schön."
„Danke", murmelte Ginny, nicht wagend, den Blick zu heben. Vor allem jetzt nicht, wo ihre Wangen warm wurden und die Stelle an ihrem Hals, an der Lunas zärtliche Finger die Haut streiften, angenehm zu prickeln begann.
„Hat es weh getan?", fragte Luna, aber Ginny schaute sie nur verwirrt an. „Das mit deinen Haaren. Die Muggel haben so brummende Wesen dafür, tut das nicht weh?"
Ginny konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich, als Luna sie mit so viel Sorge betrachtete und sie strich sich kurz über den Undercut, den sie sich vor zwei Wochen hatte machen lassen und heute mit einem Dutt für alle sichtbar machte.
„Nee, es werden ja nur die Haare etwas rasiert, das spürt man kaum. Es kitzelt sogar etwas."
Luna nickte nur und richtete ihren Blick wieder geradeaus, auf die Straßen und Häuser Londons, nass und von Laternenlicht beschienen. „Es gibt nichts schöneres, als eine Stadt um fünf Uhr morgens, mit ihren leeren Straßen und dem kalten Wind."
Ginny konnte nur zustimmen, doch dann fiel ihr etwas anderes auf. „Oh, warte, ist dir kalt?", noch während sie redete schlüpfte Ginny mit einem Arm aus dem Ärmel ihrer schwarzen Jeansjacke, welche sie mit dem weißen Hemd und einer an den Knien zerrissenen Jeans kombiniert hatte.
„Hier", lächelte sie und legte Luna die Jacke auf die Schultern, wie eine Decke. Vorsichtig holte sie den Zopf hervor und legte ihn über die Jacke, um ihn nicht zu beschädigen, denn sie wusste, dass Luna lange Zeit daran gesessen hatte.
„Danke, Ginny", Luna legte dankbar eine Hand auf Ginnys Oberschenkel und machte leichte kreisende Bewegungen mit dem Daumen, nicht merkend, wie Ginny der Atem stockte. Schon seit Monaten war der jüngsten Weasley klar, dass sie sich in Luna verliebt hatte, denn diese liebevolle, fürsorgliche, einzigartige Art des Mädchens, welches in ihrer eigenen Welt zu leben schien, hatte sie schon immer fasziniert. Wie die silbergrauen Augen praktisch anfingen zu funkeln, wenn sie über Dinge sprach, für die sie sich begeisterte, wie ihr komplettes Gesicht sich aufhellte, wenn ihr jemand ein Kompliment machte, wie sie abends ihre Frisuren entwirrte und ihre Haarpracht an ihr herunterfiel, wobei sie praktisch von der blonden, lockigen Mähne begraben wurde.
Luna war wunderschön, von innen als auch von außen, fand Ginny. Nur leider waren auch andere dieser Meinung und Ginny erwischte sich nicht nur einmal dabei, wie sie besitzergreifend einen Arm um Lunas Hüfte schlang, wann immer irgendein Passant es nur wagte Luna einen begehrenden Blick zu zu werfen. Was Luna empfand war für Ginny ein Rätsel, denn sie schubste sie nie von sich, ging selber auf Berührungen ein, verbrachte freiwillig Zeit mit ihr, aber Luna war nun mal ein freundliches Mädchen. Ginny wusste nicht einmal, ob Luna auf Frauen stand oder generell wusste, dass Beziehungen nicht nur zwischen einem Mann und einer Frau sein mussten.
Ehe sie sich davon abhalten konnte, hatte Ginny eine Hand auf Lunas blasse Wange gelegt und ihren Kopf zu sich gedreht. Sie strich ihr sachte eine blonde Haarsträhne hinters Ohr und lehnte sich vor. Immer wieder ließ sie ihren Blick über Lunas Gesicht schweifen, um nach irgendwelchen Anzeichen für Abneigung oder Unbehagen zu suchen, doch als sie nichts außer Überraschung erkennen konnte, brachte sie ihre Lippen zusammen.
Der Kuss war unglaublich unschuldig und süß und so sanft, wie man es von Ginny garnicht erwartete, da sie nach außen hin so stark und selbstbewusst wirkte, doch in Wahrheit hatte sie Angst. Sie hatte Angst abgewiesen zu werden und ihr Herz gebrochen zu bekommen, ihre Freundschaft mit Luna beenden zu müssen und somit dieses fantastische Mädchen zu verlieren. Doch als Luna den Kuss erwiderte und ihre Lippen, zwar unsicher, aber zärtlich bewegte, hätte Ginny vor Freunde aufschreien und rumhüpfen können. Sie wusste nicht, dass sie die Erste war, die Luna jemals küsste.
„Warum?", fast überhörte Ginny die gehauchte Frage, als sie sich von einander lösen und die Stirnen aneinander lehnten. „Tut mir leid", flüsterte sie zurück, machte aber keine Anstalten den Körperkontakt abzubrechen.
„Nein, nein, es war... angenehm", Ginny grinste und auch Luna konnte sich ein kurzes Lächeln nicht verkneifen. „Aber mir wurde gesagt, man darf sowas nur, wenn man sich liebt."
Und in diesem Moment wurde Ginny alles klar: Luna hatte keine Ahnung, wie toll sie war. Sie wusste nicht, was Ginny für sie empfand. Sie konnte sich garnicht vorstellen, welchen Einfluss sie hatte oder dass sieht nur zu schnipsen brauchte und Ginny sofort an ihrer Seite wäre. Merlin, Ginny war wirklich Hals über Kopf in sie verliebt, aber Luna konnte es garnicht erahnen.
„Luna...", sie überlegte, welche Worte passend wären „Ich liebe dich doch". Luna wich etwas zurück und runzelte die Stirn.
„Natürlich, wir sind schließlich Freunde, nicht?"
Nervös rutschte Ginny auf der Bank herum und kratzte sich gespannt im Nacken: „Ja, schon, aber ich mag dich mehr als... als nur freundschaftlich"
„Oh"
War das alles, was Luna dazu sagen konnte? Ginny konnte es nicht einschätzen. War Luna abgeneigt? Angewidert? Hatte Ginny ihre Freundschaft zerstört? War es zu spät um den Kuss auf den eigentlich nicht vorhandenen Alkoholkonsum zu schieben? Wie konnte sie sich anderweitig rausreden?
Alle Bedenken wurden jedoch ganz schnell verworfen, als Luna ihren Kopf leicht auf Ginnys Schulter anlehnte, ihre Hand sanft in Ginnys legte und kaum hörbar flüsterte:
„Ich mag dich auch mehr als freundschaftlich"
Und so saßen sie da, Hand in Hand, aneinander gekuschelt und genossen die friedliche Stille, während übriggebliebene Regentropfen langsam von Blättern, Laternen oder Ampeln fielen, auch wenn der Regen schon lange vorbeigezogen war.
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