Z E H N T E S ✉️ T Ü R C H E N

„Haz?
Wir gehen dich jetzt gleich wieder besuchen. Wie ich dir gestern Abend noch berichtet habe, haben wir nun einen Weihnachtsbaum. Der steht zwar noch nicht in unserer Wohnung, aber er gehört und schon. Und was ich dir noch erzählen wollte: Ich habe einen neuen Füller. Liam hat mir ja selber einen Adventskalender gemacht. Und heute war neben der Schokolade auch noch ein Füller darin. Ich mag den Füller. Irgendwie kann ich damit voll schön schreiben. Endlich komme ich mir nicht mehr so schäbig vor, wenn ich dir Briefe schreibe. Alle schreiben immer am Computer, aber ich weiß, dass du das nicht allzu sehr mochtest. Und die Briefe sind ja schließlich für dich.
Weißt du was mir noch aufgefallen ist? Meine Entwicklung geht in die richtige Richtung. Ich fange an mich wieder wohl in meiner Haut zu fühlen. Noch nicht ganz, aber manchmal. In den letzten Monaten hatte ich das Gefühl, eine lebende Hülle meiner selbst zu sein. Ein Schatten, höchstens. Ich war nicht mehr wirklich da. Aber langsam komme ich zurück. Mein Lächeln bildet sich wieder auf meinen beinahe eingefrorenen Lippen. Das Strahlen reicht bis zu meinen trostlosen Augen. Mein Lachen erfüllt den Raum mit Wärme, wobei meine bloße Anwesenheit seit du mich verließest sonst immer für Kälte sorgte.
Diesen Brief packe ich dir auch noch ein, die Seite ist fast voll. Auf die nächsten musst du wieder eine Woche warten. Ich denke wir werden gleich losgehen.
Ich hoffe, dass es dir gut geht. Dass du immer noch Lächeln kannst und allen deine Grübchen zeigst. Verlier deine Charme niemals. Ich weiß, dass du auf mich wartest, das hast du mir versprochen. Und ein Harry Styles bricht niemals seine Versprechen.
Ich werde dich niemals vergessen und warte mit Ungeduld auf den Tag, an dem ich dich wieder in meine Arme schließen darf.
In Liebe,
dein Niall"

Ich legte meinen neuen Füller zu dem alten, faltete das Papier in zwei und legte den Brief zu den anderen. Schniefend griff ich zur Taschentuchpackung und putzte mir meine Nase.

„Kommst du, Nialler? Ich wäre soweit", fragte Liam, als er in mein Zimmer kam. Sofort nickte ich und zog mich warm an, dieses Mal warm genug, sodass Liam nichts zu meckern hatte.

„Ich komme mir immer böse vor, wenn ich dich anmeckere", hatte er mir gestern gebeichtet. Ich hatte ihn beruhigt, dass er dazu gar keinen Grund hatte. Er wollte mich schließlich bloß schützen.

Mit jedem Schritt, den wir uns dem Friedhof näherten, wurde mein Fokus verschwommener. Ales was ich war nahm war Harry, Harry und auch meinen besten Freund, welcher seine warme Hand fest mit meiner verschränkt hatte. Ich merkte nichts mehr, wusste nicht mehr wo wir waren. Meine Orientierung war komplett verschwunden. Alles was zählte war Harry und meine unendliche Trauer um ihn. So sehr ich es in den letzten Monaten gelernt hatte, meinen Alltag auch ohne ihn zu leben, so sehr riss es mich auch runter hier zu sein. Hier, wo ich ihm am nächsten war. Auch wenn ich viele seiner persönlichen Gegenstände bei mir lagerte, seine Fotoalben in meinem Schrank und sein Parfüm in meinem Bad lagen, war sein Körper immer noch hier. Und hier spürte ich auch die größte Trauer. Wieder lotste Liam mich zu seinem Grab, durch meinen Tunnelblick wusste ich nicht einmal wo dieses stand. Und wieder ging Liam für eine kurze Zeit. Ich weinte und weinte. Meine Nase lief, doch es war mir egal. Meine Hände zitterten, aber auch dies interessierte mich nicht. Alles was zählte war das Grab vor mir, oder besser gesagt der unter der Erde liegende.

„Ich liebe dich", schluchzte ich. Mehr sagte ich nicht. Ich wartete stumm, bis mein bester Freund wieder kehrte. Mein Blick starr auf die wenigen Zahlen und Buchstaben vor mir gerichtet.

Als Liam wieder kam tauschte er das Teelicht in der Kerze aus, zündete diese wieder an. Er wechselte die Blumen und tauschte die Zettel aus. Was er mit meinen alten Briefen machte, wusste ich nicht. Doch es war mir egal. Harry hatte sie gelesen und das war das wichtigste.

„Komm, du bist schon ganz blass und deine Lippen schon leicht blau. Wir gehen wieder, ja?", sprach Liam leise und hob mich nach meinen kleinen Nicken hoch. Er trug mich nach Hause, wärmte mich auf. Liam machte mir einen Kakao und wickelte mich in eine Decke ein. Er sorgte für mein Wohlergehen, bis der Nebel aus meinem Kopf irgendwann wieder verschwand.

„Danke", hauchte ich.

„Für dich immer", antwortete er und nahm mich in den Arm.

-748 Wörter.

-> Was habt ihr heute so gemacht?

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