7. Advent (Fledermaus) - Batman voraus!
Eine kleine Maus sieht, wie eine Fledermaus anmutig über sie hinwegfliegt. Sie fragt ihre Mutter ganz panisch: "Müssen wir jetzt sterben?" Diese sieht sie jedoch nur verwirrt an. "Wie kommst du denn darauf?" Die kleine Maus antwortet: "Naja, wenn sie nicht gefährlich ist, warum haben dann so viele Angst vor ihr? Und sind Fledermäuse nicht Vampire, die einem das Blut aus den Adern saugen? Sie sieht auch so gruselig aus..." Kopfschüttelnd erklärt die Mäusemutter: "Nein, das ist kein Vampir. Das ist... ein Engel." Die Fledermaus fliegt weiter, aber bevor sie am dunklen Nachthimmel nicht mehr zu erkennen ist, sieht es kurz so aus, als würde sie den beiden Mäusen freundlich zuwinken...
Eine kleine wirklich kurze Kurzgeschichte von mir. Ich hoffe, sie gefällt euch. Und, kurze Erinnerung im Advent: Beurteile niemanden nach seinem Aussehen oder danach, was andere über ihn sagen, ohne dir selbst ein Bild gemacht zu haben!
Hier geht's weiter mit einer wirklich wunderbaren Geschichte darüber, wie ein Kasten aufgebaut wird. Mehr verrate ich jetzt aber nicht, müsst ihr schon selber lesen!
AutorIn: LiatLichtenau
Batman
Ich war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen, als meine Nachbarin an der Tür klingelte und mir ein Paket überreichte. Ein paar Wochen zuvor hatte ich meinen ersten Job nach dem Studium angetreten und war dafür in eine neue Stadt gezogen. Meine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung lag in einem etwas älteren Haus im ersten Stock, direkt über einer Zoohandlung. Rechts von mir wohnte diese ältere Dame, die nach eigener Aussage oft Pakete für die Bewohner des Hauses in Empfang nahm. Ich bedankte mich höflich und schloss die Tür hinter mir.
Auch wenn in einigen Tagen Weihnachten war, erwartete ich keine Pakete. Die Adresse besagte, dass es von meinem Vater kam und in dicken roten Lettern stand darauf, dass es nicht vor Weihnachten zu öffnen sei.
Als ob ich mich um so etwas kümmern würde.
Ich riss das Geschenkpapier ab und fand darunter einen braunen Versandkarton, der geöffnet und danach wieder mit Paketklebeband verschlossen worden war. Auf das neue Band waren Tannenbäume gedruckt. Das hatte mit Sicherheit seine zweite Frau gemacht. Mein Vater selbst erinnerte sich nur sporadisch an mich. Gut, vielleicht lag das auch an mir, ich machte es ihm nicht unbedingt leicht. Wenn Mimi von ihm sprach, hatte ich oft das Gefühl, dass mein Vater und ihrer nicht der gleiche Mensch sein konnten.
Im Paket lag eine Karte. Die runde Handschrift meiner Stiefmutter wünschte mir Frohe Weihnachten und forderte mich zu einem Besuch auf. Er hatte immerhin seine Unterschrift noch eigenhändig darunter gesetzt. Unter der Karte befand sich eine ziemliche Menge schwarzer Kunststoffstücke, die mit Stoff verbunden waren. Ich zog das Zeug heraus und breitete es auf dem Fußboden aus.
Es war ein Batmankostüm mit passendem Helm. Ich seufzte und warf alles wieder in den Karton. Was glaubte der Mann, wie alt ich war? Vor zehn Jahren hätte er mir damit sicher eine Freude gemacht.
Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man Weihnachten abschaffen.
Ich finde, es ist ein beschissenes Fest, das nur dem Kommerz dient und überzogene Erwartungen bezüglich heiler Familie weckt, mit all diesen Werbefilmen von glücklichen Menschen, die in kitschig dekorierten Häusern sitzen, selbst gebackene Plätzchen essen und künstlich fröhlich feiern.
Die Realität ist doch viel trister. Was man im Rest des Jahres gut unter den Teppich des Alltagslebens kehren kann, ist an Weihnachten unübersehbar, weil die Beulen so groß sind, dass man bei jedem zweiten Schritt darüber stolpert wie Freddie der Butler über den Tigerkopf in Dinner for One. Weil man nicht drei Tage lang Harmonie heucheln kann, sondern zwischendrin vor lauter Lügen und Verschweigen einfach ausrasten muss.
Vermutlich gibt es die meisten mentalen Zusammenbrüche an Weihnachten, weil man feststellt, dass das eigene Leben nicht in die Schablone passt, die das Fernsehen und Instagram uns aufdrängen. Und wahrscheinlich werden nie mehr Ehen geschieden als nach dieser zwangsverordneten Scharade des Familienglücks.
Auch die meiner Eltern.
Und natürlich haben auch sie versucht, das Theater weiterzuspielen. Meine kleine Schwester und ich haben in einer eisigen Atmosphäre unsere Geschenke geöffnet, die Eltern saßen dabei so weit wie möglich voneinander entfernt im Wohnzimmer. Dad schenkte sich alle paar Minuten Punsch nach und sagte praktisch nichts, während meine Mom die Stille mit möglichst viel sinnlosem Geplapper und unechter Begeisterung über die Geschenke zu übertünchen versuchte. Während meine Schwester gleich ihre neuen Spielfiguren auf dem Teppich ausbreitete, wussten sie nach der Bescherung nichts Besseres, als den Fernseher anzuschalten, bis wir schließlich ins Bett geschickt wurden.
Kurz danach begann das Geschrei im Erdgeschoss. Mimi, die eigentlich längst schlafen sollte, kam zu mir ins Bett geklettert und hielt sich die Ohren zu. Ich nahm sie in den Arm, wir lagen beide still da und lauschten auf die Geräusche von unten und die Angst kroch in uns wie das Geräusch von zerbrechendem Porzellan.
Am nächsten Morgen war alles sauber und aufgeräumt und mein Vater war weg. Mom hatte rote, verquollene Augen und nach dem Frühstück packte sie uns ins Auto und wir fuhren zu Oma. Dort setzten sie sich sehr lange in die Küche und redeten, während wir wieder vor dem Fernseher geparkt wurden. Danach ging Mom und ließ Mimi und mich bei Oma. Wir sahen ihr durch das Fenster nach.
Sie holte uns auch am Abend nicht ab und ich hatte Angst, sie würde vielleicht nie wieder kommen.
Wir hatten keine Übernachtungssachen eingepackt, aber Oma lachte, holte uns zwei ihrer T-Shirts, die wir als Nachthemden tragen konnten und sagte, dass sie immer neue, eingepackte Zahnbürsten im Haus hätte. Mimi war schnell eingeschlafen, aber ich lag ewig wach, bis ich zu Oma ins Wohnzimmer schlich und sie mir erlaubte, noch etwas fernzusehen.
Auf einem Kanal lief Batman, die Variante von Tim Burton aus dem Jahre 1989. Bei ihm war Batman das erste Mal keine knallbunte Comicverfilmung, sondern düsterer, dunkler. Ich saß mit offenem Mund vor dem Fernseher und fühlte, dass Batman mich in meinem Leben nie wieder loslassen würde.
Am Tag vor Heiligabend stand der Karton immer noch im Flur und störte. Ich war schon ein paar Mal darüber gestolpert und aus einer absurden Laune heraus beschloss ich, das Kostüm zumindest mal anzuprobieren und nahm es wieder heraus. Er fühlte sich gut an, nicht das billige Vollkunststoffmaterial aus Asien, das solche Kostüme üblicherweise haben. Ich streifte die Jeans ab und zog den Pulli aus. Der Stoff war sehr fest und trotzdem elastisch und ließ die Kunststoffstücke wie eine zweite Haut sitzen. Ich setzte den Helm auf und betrachtete mich im Spiegel. Ich fand, es sah überraschend cool aus. Die Fledermausohren wirkten wie Hörner.
Wenn ich es tragen wollte, müsste ich nur noch die Haut um den Augenausschnitt schwarz anmalen und ich sähe aus wie der dunkle Ritter.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Ich öffnete.
„Oh, ich dachte Halloween wäre schon vorbei."
Vor mir stand die Nachbarin, die das Paket angenommen hatte. Wir hatten ein paar Mal im Treppenhaus ein wenig Small Talk gemacht, eigentlich fand ich sie ganz nett. Ich zog den Helm wieder vom Kopf.
„Ich wollte fragen, ob du kurz mal mit rüber kommen könntest. Mein Enkel baut einen Schrank für mich auf und braucht jemandem zum Halten. Ich bin zu klein dafür."
Ich wusste nicht, dass wir uns duzten. Wahrscheinlich schaute ich auch nicht gerade begeistert aus, denn sie fügte noch hinzu: „Dauert auch nicht lange."
„Also gut. Ich zieh nur schnell was anderes an."
„Nicht nötig, das dauert nur ein paar Minuten und was immer das ist, es sieht an dir wirklich fesch aus." Sie grinste und ließ ihren Blick von oben nach unten über mich wandern. Na gut, wenn sie meinte.
Ich griff nach meinem Schlüssel und folgte ihr hinüber in ihre Wohnung. Die Frau war wirklich klein und dazu sehr drahtig, mit kurzen Haaren, die so eisgrau waren, dass die Farbe unmöglich echt sein konnte. Dazu trug sie dezentes Make-up, sehr stylishe Hosen und eine schicke Bluse. Auch ihre Wohnung war überraschend modern und minimalistisch eingerichtet. Bei meiner Oma hätte es nie so ausgesehen.
Die Nachbarin brachte mich ins Schlafzimmer. Ein Typ kniete zwischen diversen Kartons eines bekannten Möbelhauses.
Er sah zu mir und ein leicht schiefes Grinsen schlich sich in sein Gesicht.
„Hallo Batman", sagte er.
Wenn man schon albern aussah, dann sollte man wenigstens cool bleiben. „Hallo Robin", antwortete ich.
Er sah mich überrascht an. „Woher....", dann kam ihm die Idee. „Klar, Batmans Helferlein hieß Robin."
„Und du offensichtlich auch." Ich musste lachen.
„Ja, heißt er!", rief seine Oma hinter mir aus der Küche, sie hatte offensichtlich zugehört.
„Könntest du das hier mal halten?" Robin drückte mir ein Stück Schrankwand in die Hand und griff nach einem Schraubendreher.
„Ist Batman nicht einfach nur eine billige Kopie von Iron Man?"
Er begann, die Beschläge festzuschrauben. „Die sind sich schon verdammt ähnlich, beide keine Superkräfte, dafür aber eine eigene Firma, unverschämt viel Geld und geile Technik?"
Ich seufzte, weil ich diese ewige Rivalität zwischen Marvel und DC scheiße fand. Ein Dude war cool oder eben nicht, egal welche Firma ihn vermarktete. „Wohl eher umgekehrt, Batman gibt es seit 1939, Iron Man alias Tony Stark stammt aus den Sechzigern."
„Oh, du kennst dich aus." Robin schraubte weiter. „Ich wusste echt nicht, dass Batman schon so alt ist."
Eigentlich stimmte das mit der Superkraft nicht so ganz, da gab es schon etwas. Ich zögerte einen Moment, weil ich nicht wusste, ob er es verstehen würde, dann antwortete ich mit einem Zitat aus Batman: „Ich habe eine Kraft. Ich gebe niemals auf."
Robin überlegte einen Moment, dann stellte er sich in Pose: „Sie sind ja noch ziemlich rüstig für ihr Alter. Wie machen Sie das? Pilates?"
Das sagte Tony Stark zu Captain America in The Avengers. Offensichtlich wollte er mich herausfordern. „Ich glaube, alles was einen nicht tötet, macht einen komischer", zitierte ich den Joker aus Dark Knight.
Robin lachte wieder. Er ging in die Knie um die unteren Beschläge festzuschrauben. „Das klingt geradezu philosophisch. Stehst du deswegen auf die Fledermaus?"
Nein, auch wenn ich es gut fand, aber warum mich Batman von Anfang an fasziniert hat, war, weil er ein gebrochener Mann ist und das akzeptiert. Es gibt genau ein Zitat, das für mich diesen Abgrund auf den Punkt bringt. Bruce Wayne, der Milliardär hinter Batmans Maske, fragt seinen Butler Alfred: „Du hast also Angst, dass ich, wenn ich zurückkehre, scheitern werde?"
Dieser antwortet gewohnt lakonisch: „Nein, ich habe Angst, dass Sie genau das wollen."
Tony Stark dagegen hat absolut nichts Düsteres. Dieser Robin mit dem Schrank hier übrigens auch nicht.
Viel zu offenes Lächeln. Und dazu noch Grübchen auf den Wangen, damit wirkt man immer optimistisch, ob man will oder nicht. Ich dachte bisher, ich fände die mysteriösen Typen sehr viel anziehender.
Ich antwortete auf seine Frage mit einem weiteren Zitat. „Warum Fledermäuse? Sie machen mir Angst. Es ist Zeit, dass meine Feinde meine Angst teilen."
Robin, immer noch auf den Knien vor mir und dem Schrankteil in meiner Hand, schaute an meinem Kostüm von den Beinen aus langsam nach oben und blieb an meinem Gesicht hängen. Ich mochte seine Augen.
Eine letzte Schraube später richtete Robin sich wieder auf, griff nach neuen Schrauben und musterte mich: „Wird man lieber gefürchtet oder respektiert? Ich frage mich: Ist es zu viel verlangt, beides zu wollen?"
„Ist das alles? Billige Tricks und lausige Sprüche?", gab ich zurück, und dieses Mal zitierte ich Marvel.
„Sweetheart, das wäre ein guter Titel für meine Autobiografie", vervollständigte Robin. Er hatte das Sweetheart am Anfang des Zitates stehen gelassen. War das Absicht?
Robin griff nach der Aufbauanleitung und blätterte auf der Suche nach dem nächsten Arbeitsschritt darin herum.
„Tony, wir brauchen einen Plan", griff ich die offensichtliche Vorlage auf.
Er warf mir wieder einen schnellen Blick zu. „Ich habe einen Plan. Weiter schrauben."
Das war leicht abgewandelt. Ich denke nach.
„Oh, du glaubst Dunkelheit ist deine Verbündete, für Dich ist Finsternis eine Waffe. Ich wurde in ihr geboren, in ihr geformt. Ich habe das Licht erst erblickt, als ich bereits ein Mann war; damals hat es mich nur ... geblendet",
„Du stehst echt auf das Morbide an Batman."
„Ja, das tue ich. Deswegen ist Christian Bale für mich auch der perfekte Batman. Ich sehe in sein Gesicht und da ist immer dieser Rest von ‚American Psycho' in ihm."
„Wie gruselig."
„Wahnsinn ist wie Schwerkraft: Man braucht nichts weiter als einen kleinen Schubs." Ich wollte, dass meine Stimme düster und geheimnisvoll klingt, aber mein Mund war plötzlich so trocken, dass ich nur flüstern konnte.
„Worüber redet ihr da nur?" Robins Oma stand plötzlich in der Tür und warf uns einen forschenden Blick zu.
Wir sahen uns an und lachten beide, weil es für sie vermutlich bescheuert klang.
„Möchtet ihr eine Tasse Punsch? Oder lieber ein Bier? Und in einer halben Stunde ist das Essen fertig. Es gibt Gulasch. Das gilt auch für dich, Batman." Sie lachte und verschränkte die Arme.
„Bier", sagte Robin. „Aber erst später zum Essen."
„Ich schließe mich an." Ich hatte wirklich Lust, noch zum Essen zu bleiben.
„Gut." Die Oma verschwand wieder.
Sie war so ganz anders als meine Oma. Nach der Trennung meiner Eltern haben Mimi und ich wirklich viel Zeit bei ihr verbracht. Sie war rundlich, gutmütig, ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen und verzieh uns alles. Eine echte Bilderbuchoma. Bis sie am Zweiten Weihnachtsfeiertag einen Herzinfarkt erlitt und starb. Meine Mom versuchte mir einzureden, dass es an ihrer fatalen Vorliebe für Sahnetorten gelegen hätte, aber in mir hielt sich der hartnäckige Verdacht, dass es an Weihnachten lag.
Robin und ich positionierten die obere Schrankplatte auf die Seitenwände, dann hielt ich fest und er verschraubte wieder alles.
„Wer von uns in diesem Raum steht A: in 'nem todschicken Kostüm hier und ist B", er machte eine kleine Pause und warf mir einen verschmitzten Blick zu, „eigentlich ganz hilfreich?"
Das war jetzt nicht das Originalzitat, das hätte heißen müssen: total überflüssig. Aber es gefiel mir, dass er es geändert hatte.
„Ich trage eine Maske und diese Maske soll nicht verbergen wer ich bin, sondern erschaffen, was ich bin", zitiere ich wieder, aber originalgetreu.
Robin unterbrach seine Schrauberei und dachte einen Moment sichtbar nach. Dann kam er einen Schritt näher und sagte mit herausfordernden Augen: „Ein großer Mann in einer Rüstung. Lassen Sie sie weg, was sind Sie dann?"
Ich antwortete: "Ingenieur, Filmfan, Eishockeyspieler, Misanthrop...."
Ich verstummte und ließ den Moment wirken, dann fügte ich hinzu: „Aber was man im Inneren ist, zählt nicht. Das was wir tun, zeigt, wer wir sind."
Robin wiegte den Kopf hin und her und zögerte. „Das ist schwer zu kontern."
„Welcher Film war das?", wollte ich wissen, weil ich es nicht zu ordnen konnte.
„Der letzte große Blockbuster in dieser Reihe. Batman und Robin retten den Schrank der Oma."
„Oh, der! Ich finde, das war bisher mit Abstand der aufregendste Film."
Die großen Teile waren alle festgeschraubt. Wir stellten den Korpus auf. Was jetzt kam, war nur noch Kleinkram. Fächer, Schubladen, Kleiderstangen und solche Dinge. Das meiste hatte Robin schon vorbereitet. Eigentlich bräuchte er mich jetzt nicht mehr. Aber ich wollte nicht gehen. Außerdem war da noch das Gulasch, dessen Geruch schon seit einer ganzen Weile ins Schlafzimmer zog, und so blieb ich.
Robin kramte in einem Karton nach den Griffen für die Schubladen und warf mir die Tüte zu. Ich fing sie instinktiv auf.
„Willst du weiter die Wand anstarren oder an die Arbeit gehen? Ich mein', die Wand ist ziemlich interessant..."
Das war ganz klar ein Zitat, aber aus welchem Film stammte das noch mal? Ich kam gerade nicht drauf. Ich brauchte eine Antwort, wenn's ging sogar eine gute. Aber ich sagte nur das, was mir als erstes in den Sinn kam. Es war natürlich Batman.
„Es gibt Menschen, die an logischen Dingen nicht interessiert sind. Zum Beispiel Geld. Man kann sie nicht kaufen, einschüchtern, sie zur Vernunft bringen oder mit ihnen verhandeln. Einige Menschen wollen die Welt einfach nur brennen sehen."
Robin sah wieder zu mir, mit einem halb amüsierten Blick, den ich buchstäblich fühlen konnte.
„Tag 11, Versuch 37, Konfiguration 2.0. Weil mir eine Alternative fehlt, müssen wir immer noch die Fledermaus als Feuerwehrmann verwenden. Wenn sie mich noch mal löscht, ohne dass ich in Flammen stehe, verschenk' ich sie an ein College." Er lächelte auf eine verschmitzte Art und Weise.
„Sag rechtzeitig Bescheid, wenn du wirklich in Flammen stehst."
Robin schloss die Augen und drehte den Kopf weg, aber seine Mundwinkel zogen sich nach oben und zeigten seine regelmäßigen Zähne.
„Solange die Welt noch nicht untergegangen ist, verhalten wir uns so, als würde sie sich weiter drehen", antwortete er mit gepresster Stimme.
Ich war mit dem letzten Griff an der Schublade fertig. Robin schob sie in die Schienen und prüfte, ob sie richtig schlossen. Ich beobachtete ihn dabei.
„Essen ist fertig", meldete sich die Oma und tauchte auch gleich in der Tür auf.
„Kommt ihr?"
Sie hatte den Tisch gedeckt, die Schüsseln dampften und ich merkte plötzlich, dass ich richtig Hunger hatte.
„Nehmt euch doch schon mal was", forderte sie uns auf, während sie Bier in Gläser einschenkte.
„Die Flasche hätte doch ausgereicht", rief Robin, aber sie schüttelte den Kopf.
„Für dich vielleicht, aber nicht für mich."
Sie stellt die Gläser neben uns. „Ich finde es sehr nett von euch, dass ihr den Schrank für mich aufgebaut habt. Ich muss ihn jetzt also nur noch auswischen und dann kann ich heute Abend gleich meine Sachen einräumen."
„Ich könnte den Sitz der Türen noch mal überprüfen", meinte Robin nachdenklich.
„Das reicht doch sicher auch nach dem Essen."
Das Gulasch schmeckte lecker und war überraschend pikant gewürzt. Ich dachte immer, dass so alte Leute wie Robins Oma wegen der Verdauung vorsichtig mit scharfem Essen sein müssen. Aber da sie selbst reichlich davon aß, schien das für sie nicht zu gelten.
„Was machst du so an Weihnachten?", fragte mich die Oma.
„Ich werde wohl übermorgen mal zu meiner Mom fahren."
Bei meinem Vater hatte ich abgesagt, es wäre von meinem neuen Wohnort aus zu weit und dass ich noch keinen Urlaub hätte, wegen der neuen Stelle, aber wir wussten beide, dass das Ausreden waren. Und wie schon gesagt, ich mag Weihnachten nicht besonders.
„Kann ich mich bei dir noch irgendwie bedanken?", fragte die Oma, als wir aufgegessen hatten. „Möchtest du noch ein paar selbst gemachte Plätzchen mitnehmen?" Sie drückte mir ein schon vorbereitetes Tütchen in die Hand.
„Ich werde doch noch mal schnell die Türen prüfen", sagte Robin etwas unvermittelt. Ich stellte die Plätzchen auf den Tisch. „Ich werde dir helfen."
Ich folgte ihm ins Schlafzimmer. Robin griff nach dem Schraubendreher und sah mich an. Wären wir beim Eishockey, würde ich denken, er spielt mir den Puck zu, damit ich einen Spielzug einleiten kann. Dann drehte er sich um und öffnete die Schranktür, als ob man die Scharniere nachstellen müsste.
„Sag mal, hat dein Blockbuster von vorhin eigentlich einen zweiten Teil?", fragte ich in gedämpften Ton, damit die Oma es nicht hörte. „Vielleicht so was wie: Batman und Robin schauen sich nach dem Aufbau des Schrankes noch einen Film an?"
Robin schloss die Tür und lächelte mich an. „Mit dem Titel wird das nie ein Blockbuster. Aber ich denke, nach der Inhaltsangabe wäre das Thema ausbaufähig."
„Dann sollten wir den Titel überarbeiten."
„Was ist dein Lieblingsfilm?", fragte Robin.
„The Dark Knight", antworte ich ohne Zögern. „Und deiner?"
„Guardians of the Galaxy."
„Nicht einer aus der Iron Man Serie?" Ich war erstaunt.
„Nö", sagte er. „Ich finde die Guardians am coolsten." Irgendwie passte es zu ihm, er hat auch so etwas Leichtes, Helles an sich.
Er legte das Werkzeug unbenutzt zurück in die Kiste.
„Oma?", rief er in Richtung Küche. „Ich gehe noch mit rüber zu Batman."
Die Oma wischte sich die Hände am Küchentuch ab und sagte etwas das klang wie: „Ist gut, sagt Bescheid, wenn ihr wach seid, dann mache ich euch morgen ein schönes Weihnachtsfrühstück."
„Habe ich sie jetzt richtig verstanden?", fragte ich Robin, als ich die Wohnungstür hinter uns zuzog.
Er lächelte etwas entschuldigend. „Das ist irgendwie ganz typisch für meine Oma. Fühl dich zu nichts verpflichtet."
Das würde ich nicht, es fühlte sich von ganz alleine richtig an. Obwohl es schon fast Weihnachten war und ich Weihnachten eigentlich nicht mochte.
Vielleicht sollte man diese blöden, alten Klischees einfach alle über Bord kippen und sich nicht von der Gesellschaft und der Werbung zu etwas drängen lassen. Ich konnte mir neue Traditionen ausdenken, zum Beispiel zu Weihnachten immer Batmanfilme sehen, lange schlafen und Fledermäuse statt Sterne aufhängen. Oder Elefanten. Oder Bilder von Sternnebeln und Galaxien. Und wenn mir danach ist, gibt es doch wieder goldene Kerzen und hölzerne Nussknacker.
Es lag nur an mir, die Festtage genau so zu verbringen, wie ich es wollte und mit der Bedeutung zu versehen, die für mich richtig war.
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