4. Advent

Hier ist es sicherlich nötig, eine kleine Trigger Warnung anzusprechen. Ich bin keine Mutter, war dementsprechend noch nie schwanger. Und ich möchte hier keiner Mama oder einer baldigen Mama zu nahe treten.
Es passiert durchaus was sehr trauriges und es wird Stückchenweise davon erzählt. Und mir ist auch bewusst, das einige vllt davon ausgegangen sind, einen kitschig, fluffigen OS gepostet zu bekommen. Aber das Leben ist nicht immer fein und bunt, auch zur Weihnachtszeit nicht. Ich spreche aus Erfahrung. Wir haben heute das erste Weihnachten ohne meine Mama. 

Alles in dem OS entspricht reiner Fiktion.

Aber am Ende gibt es ein Happy End. Das Spoiler ich euch :-* Ich denke das ist besser.

Ich wünsche euch und euren Familien/Lieben schöne Weihnachtstage. Genießt die Zeit zum Ausruhen und neue Energie tanken. Lasst es euch schmecken und freut euch über die Geschenke <3

Meine Beta hat es nicht zeitig geschafft mit dem Korrigieren, weswegen sie fragte ob ich es vorerst ohne Korrektur hochladen könnte. Falls ihr Fehler findet, behaltet sie gerne. Die sind ganz lieb und umgänglich :-*

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„Nein!"

„Mr. Norris. Bitte, beruhigen Sie sich."

„Nein! Das ist unmöglich."

„Ich weiß Sie sind aufgebracht und haben Angst. Aber glauben Sie mir. Wir haben den Test dreimal machen lassen. Von drei unabhängigen Laboren. Es besteht kein Fehler."

Hektisch schüttelte Lando den Kopf, krallte sich dabei in die Lehnen des Stuhls, auf welchen er saß. Seine Atmung war alles andere als gesund, aber es war ihn unmöglich sich zu beruhigen.

„Mr. Norris soll ich Ihnen was zur Beruhigung geben?"

„Nein. Ich will nichts. Das...das schadet...schadet dem Baby..."

Es auszusprechen war unfassbar schwer. Es tat weh. Es machte alles nur realer. Mittlerweile konnte Lando die Tränen nicht mehr verbergen. Schluchzend versteckte er sein Gesicht in den Händen, wollte am liebsten in Erdboden versinken.

Im Grunde hatte ihm Dr. Anderson eine frohe Nachricht überbracht.

Nur wollte sein Kopf diese nicht realisieren, wusste dieser doch noch zu genau was vor mehr als 1,5 Jahren nach dieser frohen Nachricht geschehen war. Noch einmal würde er das nicht durchstehen können. Es war die Hölle, ein Alptraum aus dem Carlos und er nicht aufwachen konnten. Wie sollte sein Körper, seine Seele noch so einen schlimmen Verlust verkraften? Carlos und er wären an diesen Verlust fast zu dem Grunde gegangen, hatten sich fast verloren. Aber sie hatten gekämpft. Um sich. Um ihre Liebe.

„Mr. Norris, ich weiß das diese Nachricht sehr schwer für Sie ist. Und mir ist durchaus bewusst das Sie Angst haben."

„Ich habe...hab mein Baby verloren...ich...ich schaff das nicht nochmal."

Es zerbrach ihr das Herz den jungen Mann so leiden zu sehen, erinnerte sie sich doch nur zu gut an das fröhliche, strahlende Gesicht, als sie Lando und seinem Freund von der ersten Schwangerschaft erzählt hatte. Glücklich hatten diese Zukunftspläne geschmiedet.

Lando war bei weiten nicht ihr einziger männliche Patient, der mit einer Schwangerschaft bei ihr war. Immerhin war es in der heutigen Zeit nicht mehr so selten, dass es vereinzelt auch Männer gab, die Babys austragen konnten. Und Lando war mit seinen knappen 22 Jahren noch nicht mal der Jüngste Patient, hatte sie doch sowohl jüngere Frauen als auch Männer schon begrüßen dürfen. Und trotzdem waren Carlos und Lando anders als andere Paare die sie in ihrer langen Tätigkeit als Frauenärztin kennenlernen durfte.

„Es tut mir auch heute noch unendlich leid, dass Sie ihr Baby verloren haben. Ich weiß wie sehr Carlos und Sie sich auf das Baby gefreut hatten."

Bilder flackerten vor seinen inneren Augen. Bilder die er niemals vergessen würde.

Zusammen gekauert saß er in der Wohnung von Carlos auf dem Boden des Badezimmers. Unerträgliche Schmerzen hatten sich in seinem Bauch breit gemacht und bitterlich weinend hatte er seinen Freund angerufen, der zu diesem Zeitpunkt für ihn unterwegs war, um seine Schwangerschaftsgelüste zu stillen.

Die Nachricht das er ihr Baby in der 9 Woche verloren hatte, war ein Schlag ins Gesicht, hatte Carlos und ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Danach war sehr lange nichts mehr, wie es mal war. Ihr Umgang miteinander war zurückhaltender, seltener. Intim wurden sie kaum noch und beide flüchteten sie in ihre Arbeit.

Arbeiten mussten sie beide nicht wirklich, da sie aus wohlhabenden Häusern stammten und trotzdem hatten sie sich ein bodenständiges Leben aufgebaut. Carlos war ein erfolgreicher Anwalt, während Lando CEO einer eigenen Graphik und Design Firma war.

Erst Wochen nachdem sie ihr Baby verloren hatten, konnte Carlos und er darüber reden. Erst nur sie beide – was viele Tränen gegeben hatten – und dann hatten sie es nach und nach ihren Familien und Freunden erzählt, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal gewusst hatten, dass Carlos und er Nachwuchs erwartet hatten. Sehr lange hatte Lando die Schuld bei sich gesucht, weil er zum damaligen Zeitpunkt sehr viel Stress in der Firma hatte. Unzählige Aufträge waren eingeflogen und er wollte jeden Gerecht werden, weil er sich damals erst noch einen Namen in der Szene machen wollte.

„Lando. Soll ich Carlos anrufen?"

„Nein. Er weiß nicht das ich bei Ihnen bin. Er ist mit einem wichtigen Fall beschäftigt, den er vor Weihnachten unbedingt abschließen will. Wir wollten Weihnachten dieses Jahr groß feiern, mit unseren Familien und Freunden. Letztes Jahr war uns nicht nach feiern, wir haben uns abgekapselt und uns in unser Chalet in den Alpen zurückgezogen."

„Nachdem was Sie mir berichtet haben, deckt es sich mit den Ergebnissen aus dem Labor. Sie dürften ungefähr in der 10-12 Woche sein. Um Weinachten herum, sind Sie über den dritten Monat hinaus."

Zu wissen das er das kleine Wesen schon länger unter seinem Herzen trug als ihr erstes Baby, ließ Lando erneut erzittern und leise Schluchzen. Er trug dieses zerbrechliche Leben vielleicht schon drei Monate in sich und hatte so gut wie gar nichts mitbekommen. Bei der ersten Schwangerschaft hatte er alle typischen Symptome, aber bei der jetzigen konnte er fast an den Fingern abzählen, wie oft ihm am Morgen schlecht gewesen war. Und sonderlich seltsame Essgewohnheiten hatte er auch nicht an den Tag gelegt, beziehungsweise keine, die bei Carlos oder ihm hätten Fragen aufrufen können.

„Wenn Sie möchten, können wir zeitnah einen neuen Termin vereinbaren zu denen Sie Carlos mitbringen könnten."

„Nein, das muss ich allein machen. Ich weiß nur nicht wie. Carlos ging es damals schlecht, richtig schlecht. Ich glaube er hatte sich noch mehr auf unser Baby gefreut als ich. Nachdem ich es verloren hatte, war es sehr schlimm um unsere Beziehung und auch wenn Carlos es nie ausgesprochen hatte, glaubte ich sehr lange das er mir die Schuld dafür gegeben hat, weil ich bei der Arbeit nicht kürzergetreten bin und ihn immer wieder mit Floskeln abgefertigt hatte, wenn er es gut meinte und mich um ein wenig Zurückhaltung gebeten hatte."

Instinktiv legte Lando die Hände auf seinen Bauch, horchte in sich hinein.

„Ich lasse nicht zu, dass dein Papá noch einmal so leiden muss. Ich bin damals schon fast am Verlust unseres Babys zerbrochen und habe Carlos von mir gestoßen, als dieser meine Liebe und Hilfe mehr denn je gebraucht hatte. Das wir am Ende noch die Kurve bekommen haben, verdanken wir unseren Familien und Freunden, aber auch der gemeinsamen Therapie, die wir gemacht haben. Ich kann Carlos nicht verlieren. Er ist seit vier Jahren mein Leben, mein Mittelpunkt und alles, was ich im Leben gebraucht habe. Es ist mir egal, was ich alles machen muss. Aber bitte helfen Sie mir, dass ich dieses kleine Wunder nicht auch verliere."

+

„Lando, ist alles in Ordnung?"

„Sicher. Nur etwas müde."

Und das war er wirklich.

Seit er vor einigen Tagen bei seiner Frauenärztin gewesen war, zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er es Carlos sagen sollte. Sein Freund hatte absolut keine Ahnung das er nach Monaco geflogen war, um sich untersuchen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war Lando tatsächlich etwas froh darüber gewesen, das Carlos in diesen wichtigen Fall steckte und oft bis tief in der Nacht bei der Kanzlei seine Zeit verbrachte. Nicht förderlich für ihre Beziehung, sollte dies wirklich öfter vorkommen, aber sein Freund war nicht umsonst einer der besten Anwälte Madrids.

„Ist es wirklich in Ordnung, wenn Roberto und ich uns Treffen?"

Müde streckte Lando seinen Körper, schlug die Decke von sich und rappelte sich von der Couch hoch um lächelnd die Arme, um Carlos Hals zu legen. Sanft tupfte er den Älteren Küsse auf den Mund und die Nase.

„Carlos, du hast deinen Fall fast abgeschlossen. Diesen richtig, richtig großen und wichtigen. Roberto ist nicht nur ein Kollege, mit dem du die Strategie besprichst. Er gehört zu deinen engsten und besten Freunden. Ihr solltet heute Abend einfach einmal nicht an die Arbeit denken, sondern genießen. Ihr wolltet doch Essen gehen, oder?"

„Si. Und vielleicht noch etwas durch die Bars streifen. Aber ich fühle mich nicht wohl dabei, dich allein zu lassen. Durch meinen Fall haben wir die letzten Wochen kaum richtig Zeit füreinander gehabt und in zwei Wochen ist Weihnachten. Gefühlt lass ich dich doch mit allen allein. Das Dekorieren, die Auswahl des Essens, die Geschenke. Wir waren noch nicht mal am See zum Eislaufen, obwohl ich es dir Versprochen hatte, nachdem sicher war das man die Eisfläche betreten dürfte. Seit Jahren hatten wir hier in Spanien nicht mehr so schöne weiße Weihnachten. Ich wollte noch so viel mit dir Unternehmen. Eislaufen, auf den Weihnachtsmarkt gehen, zusammen Geschenke für unsere Nichten und Neffen Aussuchen und Kaufen. Dieses Weihnachten, es ist so viel mehr..."

Instinktiv suchte er mehr Nähe zu Carlos.

Ja, dieses Weihnachten war wirklich vielmehr als nur das zusammen kommen ihrer Familie und Freunde.

„Du hast bei der Auswahl des Menüs geholfen. Und was Dekorieren betrifft? Ganz ehrlich Carlos? Wir sind seit über vier Jahren ein Paar. Ich kann an einer Hand aufzählen, wann du dich um irgendwelche Dekoration gekümmert hast. Ganz ehrlich mi corazón. Ich liebe dich aus tiefsten Herzen, aber ein Auge oder Händchen für Dekorationen hast du so gar nicht. Aber das brauchst du auch nicht, weil ich immerhin nicht umsonst erfolgreicher CEO einer der hippsten und angesagtesten Graphik und Design Firmen bin. Und du mein Lieber kannst dafür mit deinem Verstand und Wissen glänzen und all den Menschen helfen, denen Unrecht angetan wurde. Wenn es um das Strafgesetzt oder Paragrafen geht, bin ich völlig hilflos. Aber so ergänzen wir uns eben auch sehr gut und das seit vier Jahren."

Tief inhalierte er den so vertrauten Geruch seines Freundes, wäre dabei am liebsten direkt mit Carlos verschmolzen. Gerne hätte er die freie Zeit seines Freundes mit diesem verbracht, wusste aber auch sehr genau das Roberto und Carlos seit Wochen nur geschäftlich Zeit miteinander verbrachten. Außerdem war es eine Art Ritual der beiden Spanier sich immer vor Weihnachten ein schönes Restaurant zu suchen, etwas durch die Bars zu streifen und dabei einfach nur relaxen zu können. Wenn er Glück hatte, würden die beiden in den nächsten 2-3 Tagen den Fall abschließen und dann hätten Carlos und er immer noch genügend Zweisamkeit bis Weihnachten.

„Ich weiß du machst dir Gedanken und vielleicht hast du auch Angst. Aber du kannst mich wirklich allein lassen. Ich sag nicht, dass es mir zu 100% gut geht. Das wird wohl noch eine Zeitlang dauern, aber dieses Jahr empfinde ich schon Vorfreude auf Weihnachten, auf das leckere Essen, die Musik, die bunte und leuchtende Dekoration. Unser Anwesen sieht aus wie ein Winter Wonderland. Unser kleines Sternchen wird immer den Platz in unseren Herzen haben. Aber du darfst nie vergessen, was wir in der Therapie gelernt haben und was wir uns geschworen haben."

Es hatte sehr lange gedauert, bis Lando überhaupt dazu in der Lage gewesen war über ihr Baby reden zu können. Anfangs war da nur purer Schmerz und Qual, viele Tränen und Selbstvorwürfe. Nur sehr langsam hatten Carlos und er es geschafft ihr kleines Sternchen zu erwähnen, hatten zugelassen das dieses immer Teil von ihnen sein würde, auch wenn sie nie Chance gehabt hatten sich kennenzulernen.

Eine warme Hand legte sich auf seinen Bauch und Lando zuckte erschrocken zusammen.

„Disculpe. No quería..."*

„No Carlos. Me lo perdi. Se siente bien cuando tienes la mano ahi."**

Ob Carlos vielleicht was mitbekommen hatte? Oder war es nur purer Zufall das dieser ausgerechnet heute seine Hand so vertraut auf seinen Bauch legte? Schon bevor er damals schwanger wurde, hatte Carlos es geliebt seinen Bauch zu küssen, zu streicheln und zu liebkosen und mit der Schwangerschaft wurde es noch intensiver, zärtlicher und liebevoller. Nachdem er ihr Baby verloren hatte, war er es gewesen der Carlos auf Abstand gehalten hatte. Die ersten Wochen hatte er die Berührungen des Älteren nicht ertragen und diesen regelmäßig von sich gestoßen, bis er einen weiteren Zusammenbruch hatte und Carlos einfach da war.

Sein Freund war da.

Wie die ganzen Wochen davor und danach aus.

Stundenlang hatte er in den Armen des Spaniers gelegen, geweint, geflucht und sich so sehr gewünscht aus dem Alptraum aufzuwachen. Nach dieser Nacht hatten sie sich richtige Hilfe gesucht und neu gelernt miteinander umzugehen, zu Kommunizieren und vor allem sich zu lieben und zu vertrauen.

Streicheleinheiten wurden wieder öfter verteilt.

Kleine Küsse.

Gemeinsames Baden.

Und irgendwann hatten sie auch wieder Sex. Der erste Sex nach so langer Zeit war komisch, fast seltsam. Und es war ungewohnt mit Kondom Sex zu haben, was sie vorher nie gewollt hatten. Aber der Gedanke einer erneuten Schwangerschaft war zu groß, genauso wie die Panik das sie erneut ein Baby verlieren könnten.

Nach und nach hatte sich auch ihr Sexleben wieder eingespielt und sie genossen ihre Intimitäten sehr, bis sie vor wenigen Wochen beschlossen hatten auch kein Kondom mehr benutzen zu wollen.

„Vielleicht rufe ich ja mal bei Alex und George durch. Bei Max habe ich mich auch schon länger nicht gemeldet. Du machst dir mit Roberto einen schönen Abend und dann gewinnt ihr glorreich euren Fall. Danach haben wir dann Zeit für uns und können noch auf den Weihnachtsmarkt und Schlittschuhlaufen."

+

„¡Maldito Roberto! Tranquilizarse. Lando ya está dormido."***

Ihr Haus war alles andere als klein und neben den Gästezimmern, war auch ihr Schlafzimmer im oberen Geschoss. Und trotzdem machte sein Freund Lärm wie eine ganze Horde Elefanten. Es wäre schon ein Unding, wenn Lando sie nicht hören würde.

„Sorry."

Stolpernd versuchte Roberto leise zu sein, während er Carlos stolpernd über den großen Eingangsbereich folgte. Bewusst steuerten sie den Weg in den Keller an, in welchen Carlos sich eine große Bar hatte einbauen lassen. Hier würden sie Lando nicht stören.

Dass sie sich für dieses große Haus etwas außerhalb von Madrid entschieden hatten, hatte Carlos eine Menge Überredung gekostet. Es war nicht so, das Lando nicht nach Spanien Ziehen wollte. Immerhin konnte sein Freund seine Onlinefirma von überall leiten. Aber Lando war nicht der Typ Mensch der großen, pompöse Häuser und Anwesen brauchte. Und er brauchte sie selbst auch nicht. Zwar waren sie beide in großzügigen Häusern mit viel Grundstück groß geworden, hatten sich aber während der Uni beide in verschiedenen WGs ein Zimmer genommen und die ersten beiden Jahre ihrer Beziehung auch eine verhältnismäßig kleine Wohnung gehabt.

Sie hatten das Anwesen gekauft, als er einen besonders guten Fall abgeschlossen hatte und es mit Landos Firma richtig steil nach oben ging. Aber sie hatten es auch gekauft, weil hier sehr viel Platz für Kinder war. Tatsächlich hatten sie auch schon eins der Zimmer als Kinderzimmer ausgesucht, nachdem sie wussten, das Lando Schwanger war. Aber es hatte alles anders kommen sollen.

„Bereust du es, das Haus gekauft zu haben?"

„Wie kommst du darauf?"

„Du guckst so traurig. Und das kann nicht an der Weihnachtsdeko liegen, mit der Lando sich wirklich sehr übertroffen hat. Schon der Tannenbaum im Eingangsbereich ist eine Wucht. Ich mag die Farbkombination. Mal was komplett anderes. Soll das Orange sein?"

„Nein. Nennt sich wohl Papaya. Und Lando fand das Rot perfekt dazu passt und ich muss sagen, damit hatte er vollkommen Recht. Es ist alles wunderschön hergerichtet und dekoriert. Er hat Talent dafür."

„Ich hatte wirklich damit gerechnet das ihr Haus wieder Verkaufen würdet, nachdem ihr euer Baby verloren hattet. Jeder hätte es verstanden."

Traurig blickte Carlos in das Glas Wein, schwenkte dieses etwas hin und her, bevor er einen kleinen Schluck nahm.

„Wir hatten damals noch kein Kinderzimmer eingerichtet, nur überlegt welches der vielen Zimmer in Frage kommen würde. Direkt neben unserem Schlafzimmer hätten wir es eingerichtet. Und neben dem Kinderzimmer hätten wir das Spielzimmer und die Ankleide eingerichtet. Wir wollten Verbindungstüren zwischen Schlafzimmer und Kinderzimmer einsetzen lassen. Aber ja. Es ist alles anders gekommen."

Schon vor ihrem gemeinsamen Studium hatte er Carlos gekannt, war mit diesem schon zur Schule gegangen. Sie kannten sich eine Ewigkeit in der vieles passiert war. Aber nie würde er den Schmerz vergessen, der in den Augen von Carlos schimmerte, als dieser ihn offenbarte das Lando Schwanger gewesen war und ihr gemeinsames Kind verloren hatte. Noch nie hatte er bei einem Menschen so einen Schmerz gesehen und diesen physisch fast selbst spüren können. Er empfand den höchsten und tiefsten Respekt gegenüber Carlos und Lando, für deren Stärke, aber auch Mut.

Mut sich nicht aufzugeben.

Mut darüber zu reden. Nicht nur mit Familie und Freunden.

Stärke, um für ihre Liebe zu kämpfen.

Stärke den anderen in den Arm zu nehmen und sich nicht gegenseitig die Schuld zu geben.

„Ich kann mir nicht ansatzweise vorstellen, was ihr damals habt durchmachen müssen, kann euren Schmerz nicht annährend fühlen. Aber ich kann behaupten, dass mir im Leben nicht oft so starke Persönlichkeiten begegnet sind."

Es war verdammt schwer und am liebsten wollte Carlos nicht mehr an die Vergangenheit denken, aber sie gehörte zu Lando und ihm und sie hatten über lange Monate gelernt diese zu Akzeptieren.

„Lass uns bitte das Thema wechseln. Wir wollten doch Feiern. Spaß haben. Unsere glorreichen Siege vor Gericht zelebrieren."

„Entschuldige du hast Recht. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen."

Mehr als ein leichtes Nicken hatte Carlos nicht über, als er sein Glas Wein diesmal mit einem einzigen Schluck leerte. Roberto gehörte zu den wenigen Menschen, die alles wussten. Zwar hatte er auch einige Wochen nach dem Verlust ihres Sternchens mit seinem langjährigen Freund geredet, aber dafür war die Zeit etwas häufiger. Nicht regelmäßig, aber schon vermehrt. Gerade wenn er Lando nicht zu sehr belasten wollte, oder spürte das es diesem nicht gut mit diesem Thema ging, war es Roberto gewesen mit dem er geredet hatte. Zwar sprach er auch mit seinen Eltern und Schwestern, aber selbst da waren die Gespräche kurzgehalten.

+

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm das es kurz nach vier Uhr morgens war. Gähnend streckte Lando sich, als er die Decke von sich schlug die Beine aus dem Bett schob und müde zum Badezimmer schlurfte.

Das Kleine machte sich schon bemerkbar, obwohl es wenige Wochen in seinem Bauch lebte.

„Hm. Geht es dir gut da drin?"

Eine Wölbung konnte man noch nicht sehen, egal wie sehr er sich vor dem großen Spiegel im Badezimmer drehte. Sein Bauch sah genauso flach aus wie immer. Im Grunde wusste Lando nur durch die Untersuchungen und das Ultraschallbild, das er Schwanger war, ansonsten gab es so gut wie keine Anzeichen.

„Wir müssen es deinem Papá bald sagen. Aber wie?"

Nachdem er sich noch einige Minuten im Spiegel betrachtet hatte, schlurfte Lando zurück ins Schlafzimmer, stoppte aber kurz vor dem Bett, als er von unten Stimmen wahrnahm.

Carlos und Roberto schienen zu Hause zu sein.

Das sein Freund nicht neben ihm gelegen hatte, war nicht überraschend da Lando eh davon ausgegangen war das Carlos ziemlich lange unterwegs sein würde und die Nacht vielleicht sogar bei Roberto verbringen würde.

„Gratulation."

„Danke."

„Wieso habt ihr nichts gesagt? Raffaela und du wünscht euch doch schon länger ein Kind."

Leise schlich Lando näher an die Tür zum hinteren Teil des Hauses. Carlos und Roberto hatten sich in das gemütliche Familienzimmer zurückgezogen, oder vielmehr ihr quasi eigener Kinosaal mit gemütlichen Sitzmöglichkeiten, Bar und Küche. Durchaus war Lando bewusst das es sich nicht gehörte zu Lauschen.

„Wir...wir wollten euch nicht zu nahetreten. Lando und du habt so lange unter dem Verlust gelitten und euch nur langsam zurück an ein normales Leben gewöhnen können. Wir wollten euch einfach keinen neuen Schmerz zufügen."

„Das ist wirklich rücksichtsvoll von euch. Aber du sagst das Raffaela schon im sechsten Monat ist? Haben wir sie deswegen schon länger nicht gesehen?"

Mehr als ein leichtes Nicken bekam Roberto nicht zu standen. Seine Frau und er selbst wollten einfach keine Wunden aufreißen, die noch frisch waren. 1,5 Jahre mochten für andere eine lange Zeit gewesen sein, aber für wiederum andere Menschen war das eben eine kurze Zeit.

„Raffaela wäre gerne vorbeigekommen, aber je größer der Bauch wurde, je unsichere wurden wir. Bezüglich Lando wollten wir es einfach nicht riskieren, dass er in ein schwarzes Loch fällt. Und dir ging es mit dem Verlust auch nicht so gut."

„Natürlich ging es mir nicht gut. Ich habe mein Baby verloren und fast meinen Freund. Das waren die schlimmsten Momente und Zeiten meines Lebens."

„Kannst du...kannst du dir überhaupt vorstellen vielleicht Papá zu werden, oder wollt Lando und ihr es nicht mehr versuchen?"

„Ich weiß es nicht. Zu sehen, wie schlecht es Lando ging, hat mir das Herz zerrissen. Er war am Boden zerstört und wir hätten uns fast in dem Schmerz um den Verlust unseres Sternchens verloren. Ich habe weder Lando noch mir die Schuld gegeben, weiß aber das Lando sie oft bei sich gesucht hat oder auch dachte, ich würde ihm die Schuld geben."

Seufzend fuhr Carlos sich durch die Haare. Verbal hatte Lando ihm nie einen Vorwurf gemacht, aber die Blicke und Gesten des Jüngeren hatten oft mehr als 1000 Worte gesagt. Ärzte hatten ihnen genausten erklärt, warum und wieso Lando ihr Baby verloren hatte. Und man hatte auch noch mal deutlich klar gemacht, dass es NICHT Landos schuld gewesen war, aber eben auch nicht seine.

„Ihr wärt großartige Eltern. Und ihr seid beide noch jung. Ihr habt beide großartiges Jobs, das nötige Kleingeld, Familie und Freunde, die euch unterstützen. Und wer weiß? Es ist Weihnachten. Vielleicht passiert ein kleines Wunder."

Das Lächeln wollte seine Augen nicht ganz erreichen.

Ein kleines Wunder?

Wenn es nach ihm gehen würde, hätte er nichts dagegen es wirklich zu versuchen. Nicht planen, sondern wirklich einfach versuchen. Immerhin schliefen sie jetzt seit einigen Wochen wieder ohne Kondome, waren sich sexuell wieder nähergekommen und hatten auch wirklich Spaß im Bett. Ein Umstand der für viele Monate kaum zu denken gewesen war.

„Habt ihr schon darüber geredet?"

„Nein. Ich weiß auch nicht wie. Ich würde gerne ein Kind haben, aber niemals Lando dazu nötigen. Es ist sein Körper, der das Kind austragen wird und es war sein Körper, der das Leid ertragen musste. Wir sind gerade beide so erfolgreich in unseren Jobs. Wäre es richtig zum jetzigen Zeitpunkt eine Familie zu gründen? Würden wir unserem Kind gerecht werden? Ich bin international als Anwalt unterwegs. Was wäre ich für ein Papá, wenn ich ständig in anderen Ländern wäre?"

So leise wie möglich verließ Lando seinen Lauschposten, hielt sich die Hand vor den Mund, um keinen verräterischen Ton von sich zu geben.

Hatte er doch für einen kurzen Moment richtige Glückshormone gespürt, als Carlos meinte er könne sich eine Familie vorstellen, wurden diese kaum Sekunden später wieder im Keim erstickt.

Aber was hatte er auch erwartet? Carlos hatte hart für seinen Traumjob geschuftet, hatte Bücher gewälzt und sich Schritt für Schritt einen richtig guten Namen gemacht. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis eine richtig große Kanzlei nach seinem Freund fragen würde oder dieser sich selbstständig machen würde.

Statt nach oben ins Schlafzimmer zu gehen, führte ihn sein Weg in den hinteren Teil des Hauses, wo er durch die Terrassentür nach draußen schlüpfte. Angesichts der Tatsache das es mitten in der Nacht oder eben sehr früh morgens war und es auch in Spanien Minustemperaturen gab, war es nicht vom Vorteil Barfuß und nur mit leichtem Schlafshirt und Boxershorts die Flucht in den Garten zu suchen.

Fröstelnd rieb Lando sich über die Arme, schaute schniefend in den sternenklaren Himmel, während eine Hand sich vorsichtig auf seinen Bauch schob. Was sollte er jetzt machen? Er konnte Carlos doch nicht einfach die Pistole auf die Brust setzten.

Job oder Kind.

Aber er wusste genau, dass er die Schwangerschaft nicht allein durchstehen würde, sollte diese nicht auch vorzeitig ein Ende finden. Und wenn er es schaffte, was war nach der Geburt? Konnte er ihr Kind allein großziehen?

„Dios Lando! Was machst du hier draußen? Es ist arschkalt."

Der Damm brach, als Carlos die Arme um seinen Bauch schlang. Heftig schluchzend presste er seine Hand fester gegen den Bauch, spürte wie Angst seinen Körper erfasste. Angst ihr Baby zu verlieren. Angst allein gelassen zu werden.

„Lando? Mi amor?"

Unsicher drehte er den Jüngeren in seinen Armen, hatte kurz vorher den Schock des Lebens bekommen, als er seinen Freund barfuß und nur in Schlafsachen auf der Terrasse erblickt hatte. Und das auch nur durch puren Zufall, nachdem er Roberto ins Gästezimmer gebracht hatte und sich selbst noch, was zu Trinken holen wollte.

„Mi corazón...du musst rein. »

Rasch führte er Lando wieder ins Warme, rieb fest über dessen Arme und Rücken, nachdem sie erstmal in der Küche standen. Voller Sorge betrachtete er seinen aufgelösten Freund. Was war passiert?

„Lando rede mit mir. Bitte."

„Ich...ich schaff...das nicht allein..."

„Was schaffst du nicht allein?"

Sein Blick war durch die Tränen vollkommen verschleiert, weswegen er Carlos auch nicht richtig sehen konnte. Aber er konnte schemenhaft die besorgten braunen Augen sehen, die auf ihn lagen. Würde Carlos keine Familie haben wollen? War diesem die Karriere im Job wichtiger? Oder traute sein Freund ihn nicht zu, eine zweite Schwangerschaft ohne Komplikationen durchzustehen?

„Lando?"

Es war Carlos anzumerken wie verzweifelt er war. Noch bis vor ein paar Minuten hatte er gedacht sein Freund wäre im Bett und friedlich schlafen, diesen aber weinend vor sich zu haben, nachdem er diesem aus den frostigen Minusgraden wieder ins Haus geholt hatte, machte ihn fertig. Schon lange hatte er Lando nicht so verzweifelt weinend gesehen.

„Raffaela...ist schwanger. Ich...ich habe euch gehört."

Oh. Daher wehte der Wind.

„Oh Lando. Sie wollen uns damit nicht weh tun, deswegen haben Roberto und Raffaela so lange nichts gesagt."

„Aber...aber du willst kein Kind...nicht mit mir...du willst deine Karriere..."

Erschrocken schüttelte Carlos den Kopf, führte Lando zur Kücheninsel und brachte seinen Freund dazu sich hinzusetzen. Hatte Lando wirklich so viel von ihrem Gespräch mitbekommen? Und wenn ja, wieso hatte dieser gelauscht und sich nicht bemerkbar gemacht?

„Mi amor, nichts sehnlicher als ein Kind möchte ich mit dir haben. Unsere eigene kleine Familie."

„Aber...aber du hast..."

„Lando, ich habe Angst. Angst um dich."

„Warum?"

„Als du unser Sternchen verloren hast, war nichts mehr von dem frechen jungen Mann übrig, welcher mein Herz gestohlen hatte. Es gab so viele Momente, wo ich Angst hatte auch dich zu verlieren. Du hast unser Sternchen unter deinem Herzen getragen. Du musstes den Schmerz im Körper ertragen, ich konnte nur zugucken und versuchen für dich da zu sein. Ich hätte gerne so viel mehr getan und mich oft dafür gehasst, dass ich dich nur halten konnte und gut zureden. Ich habe einfach Angst, dass du eine zweite Schwangerschaft vielleicht nicht so positiv gegenübertreten kannst, weil im Hinterkopf die Vergangenheit geistert."

Schniefend zog Lando die Nase hoch.

Das hörte sich plausibel an und wahrscheinlich hatte Carlos mit seiner Vermutung gar nicht so unrecht. Wäre er direkt nach dem Verlust wieder schwanger geworden, hätte er dies sicher nicht so gut ertragen können.

„Ich...ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mir war bewusst, dass auch du gelitten hast, aber dass du so eine Angst um mich hattest war mir nicht klar. Entschuldige, dass ich dir so was Blödes unterstellt habe."

„Wir haben in der Therapie über vieles geredet. Aber eben auch nicht über alles. Ich habe dir gegenüber immer das Bedürfnis dich zu schützen, auch wenn ich weiß, dass du dazu selbst in der Lage bist. Wir haben beide beschlossen, dass wir unser Leben nicht von dem schmerzlichen Verlust bestimmen lassen werden. Ich weiß, dass dies gerade am Anfang verdammt schwer für dich gewesen war zu akzeptieren. Deswegen war ich auch dankbar, dass uns der Doc mit anderen Paaren zusammengebracht hat, die das gleiche Schicksal durchmachen mussten. So konnten wir uns austauschen und uns damit auseinander setzen das nichts unsere Schuld war und dass wir trotzdem weiterhin am Leben teilnehmen dürfen. Das wir auch wieder glücklich sein dürfen."

Liebevoll lächelte er den Jüngeren an, strich Lando die Tränen von den Wangen, bevor er die Arme beschützend um diesen legte und an sich zog.

Die Therapie war verdammt hart und voller Tränen gewesen. Und gleichzeitig war sie so verdammt wichtig für Lando und ihn gewesen, für ihre Beziehung. Aber auch für ihr Sternchen.

„Ich bin schwanger."

„¿Qué?"

„Estoy embarazada." 

Die Umarmung wurde fast schon schmerzlich, aber irgendwie konnte er Carlos verstehen. Beruhigend legte er nun seinerseits die Hände auf den Rücken seines Freundes, strich kreisend über diesen.

Minutenlang hielten sie sich nur in den Armen.

Lando hatte schnell gemerkt, das Carlos bebte. Tränen durchnässten sein Schlafshirt und er presste den Spanier noch fester an sich.

„Du...du bist schwanger?"

„Si."

„Wann? Wie lange? Woher..."

„Ich war in Monaco bei meiner Frauenärztin, weil ich so ein komisches Gefühl hatte. Ich weiß nicht, wie ich es Beschreiben soll, weil ich eben auch nicht diese Essgelüste hatte. Aber irgendwas war mit meinem Körper. Bei der Untersuchung kam heraus, dass ich wohl so im dritten Monat sein dürfte."

Es kam nicht oft vor, dass Carlos so herzzerreißend weinte und sich an ihn klammerte. Im Grunde gab es nur diesen einen schrecklichen Moment, aber den wollten sie beide nicht die Macht über ihr Leben geben. Und nachdem er ein paar Tage für sich hatte und ausführlich mit seiner Ärztin gesprochen hatte, fühlte Lando sich zwar noch immer unsicher und ängstlich, aber er würde nicht in eine Schockstarre fallen und monatelang nichts unternehmen, nur um ihr Baby nicht zu gefährden.

+

„Hijo, ¿está todo bien entre Lando y tú ?"****

„Si. ¿Por qué lo preguntas?"***** 

Vielleicht hätte Carlos sich wundern sollen, dass seine Mamá unbedingt mit in die Küche wollte, als es darum ging das schmutzige Geschirr wegzuräumen. Weder Lando noch er hatten dies gewollt, da ihre Familien zu Gast in ihrem Haus waren, aber seine Mutter hatte sich nicht Abbringen lassen und Carlos wurde nun auch bewusst warum.

„Ihr seid so angespannt und wirkt sehr nervös. Wir wissen alle das Lando zappelig sein kann. Aber heute wirkte er regelrecht hippelig, dann wieder schrecklich unsicher. Und ständig hattet ihr Blickkontakt. Und nein Junge, ich rede nicht davon das ihr als Paar sowieso Blickkontakt habt. Das war ein anderer Blickkontakt. Cisca ist das auch aufgefallen."

Ein gütiges Lächeln zierte seine Lippen. Mütter waren wahrlich mit magischen Kräften ausgestattet. Aber irgendwie war es vielleicht auch gar nicht so überraschend, da Cisca und seine Mamá ja selbst Kinder bekommen hatten. Vielleicht gab es da irgendein Zeichen, eine Deutung der Mimik von der Lando und er noch nichts wussten. Aber hätten ihre Mütter das damals bei ihrem Sternchen nicht auf erahnen müssen? Immerhin hatten erst alle von ihrem Sternchen erfahren, als sie es verloren hatten.

„Du musst dir keine Sorgen machen Mamá. Bei Lando und mir ist alles in Ordnung. Die letzten Tage vor Weihnachten haben wir beide in Ruhe genossen. Mein Fall war abgeschlossen und Lando hatte für die Festlichkeiten schon alles durchgeplant und organisiert. Also haben wir etwas entspannt."

Liebevoll nahm er seine Mutter in die Arme, küsste sanft ihre Stirn.

Sie hatten vereinbart nicht direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, wollten ihre Familien bei der Bescherung überraschen. Für Lando und seine Familie war tatsächlich heute schon Weihnachten und es störte Carlos nicht im Geringsten, das er dieses Fest als Spanier in Spanien vorzog. Seine Landsleute und er würden erst am 6 Januar ihr Fest haben. Aber schon früh hatten Lando und er ihre eigene Tradition beschworen und feierten die besinnliche Weihnachtszeit nach ihren Wünschen.

Während Carlos seiner Mutter hoch und heilig versprach, dass wirklich alles in Ordnung sei, hatte Lando genau das gleiche Gespräch mit seiner Mutter.

„Mom. Wirklich. Es ist alles in Ordnung. Carlos und ich sind nicht getrennt, haben es auch nicht vor und haben auch keine Krise. Wir freuen uns einfach das ihr alle hier seid. Seit unser Sternchen nicht mehr da ist, haben wir beide dieses Jahr wirklich Freude und Lust auf Weihnachten."

Besorgt scannte Cisca ihren Sohn ab. Aber Lando schien wirklich glücklich. Das Lächeln, was ihr zweitältester auf dem Gesicht trug, sprach Bände und trotzdem waren ihre Mutterinstinkte aktiviert, eigentlich schon seit ihrem Eintreffen in Alarmbereitschaft.

Carlos und Lando hatten wirklich ein bezauberndes, wunderschönes Ambiente im und um ihr Haus geschaffen. Alles sah aus wie in England, nur ohne Schnee. Natürlich war es etwas ungewohnt, hatte aber sein Flair. Auch das Essen was ihr Sohn und Schwiegersohn ausgesucht hatten, schmeckte fantastisch. Aber ihr sechster Sinn täuschte sie einfach nicht, als sie das Gefühl nicht loswurde, das Lando noch unruhiger und zappeliger als sonst war.

Anfangs hatten Adam und sie wirklich gedacht, dass die beiden sich nur zusammennahmen, um den Schein zu trügen, aber es wirkte nicht so, als wären Lando und Carlos zutiefst traurig, depressiv oder schlechter Stimmung. Anders als noch vor einem Jahr, wo beide niemanden bei sich haben wollten.

„Du weißt das du mit mir reden kannst? Immer und zu jeder Zeit."

„Ja Mom. Es geht uns gut. Wirklich. Mach dir keine Sorgen. Carlos und ich haben sehr viel durch die Therapie gelernt und es auch angenommen. Auch heute schmerzt uns der Verlust von unserem Sternchen noch sehr, aber wir haben gelernt das unsere Leben weiter gehen, aber Sternchen immer ein Teil von diesem sein wird. Wir wollen nach vorne schauen."

Durch ihren ältesten Sohn waren Adam und er schon zweifache Großeltern und sie hätten sich sehr gefreut ein weiteres Enkelkind in ihrer Familie begrüßen zu dürfen. Es war ihr kaum möglich sich vorzustellen, wie schlimm es Lando ging, nachdem Carlos und er sein erstes Kind verloren hatten. Dieser Verlust würde ein Leben lang präsent sein und sehr lange hatten Carlos Eltern und Adam und sie sehr viel Angst das ihre Söhne daran zu Grunde gehen würden. Über Wochen hatten beide niemanden an sich herangelassen und waren selbst kurz davor ihre Beziehung und Liebe zu verlieren, weswegen sie alle heute um so glücklicher waren Lando und Carlos lächelnd und guter Laune zu sehen. Beide hatten gekämpft und einen großen Teil dieses Kampfes gewonnen.

+

„Nachdem alle gesättigt sind, wollen Carlos und ich euch was sagen. Es ist eine Vorbescherung."

„Sowas gibt es?"

Lachend nickte Lando.

„Ja Flo, sowas gibt es. Bei Carlos und mir."

Sie hatten sich auf dem Teppich vor dem Tannenbaum hingesetzt und verfolgten gespannt dem was kommen sollte.

„Richtet mal euren Blick bitte auf den Beamer."

Mit zwei kleinen Handgriffen ließ Lando die Leinwand hinunterfahren, dämmte das Licht und startete den Beamer.

„Hallo Familie."

Lächelnd winkte Carlos und Lando in die Kamera, gaben aber von der Umgebung nicht viel preis, was sich aber änderte als Carlos das Handy etwas schwenkte.

„Wir wussten nicht genau, wie wir euch mitteilen sollten, was es Aufregendes gibt. Also haben wir entschieden euch mitzunehmen. Oder vielmehr euch dieses Video an Weihnachten zu zeigen. Also seid ihr dabei, nur einige Tage später."

Ein leises Raunen ging durch das Wohnzimmer, weil offenkundig Reyes und Cisca schon eine Vermutung hatten, um was es sich Aufregendes handeln könnte.

„Carlos. Schön Sie zu sehen."

„Dr. Anderson."

„Und fühlen Sie sich bereit? Alle beide?"

„Und wie. Carlos soll unser kleines Wunder auch sehen. Außerdem glauben wir, dass unser Sternchen sich freuen wird, ein Geschwisterchen zu bekommen. Wo immer unser Sternchen ist, wird es sehr gut auf seine kleine Schwester oder kleinen Bruder aufpassen."

Die Aufnahmen waren etwas wackelig, was wohl der Freude und Nervosität von Carlos zu verschulden war, der wie gebannt auf den Bauch von Lando filmte und wenig später auf den Monitor, wo man ihr kleines Wunder sehen konnte.

Nachdem ihr kleiner Film geendet hatte, war es still. Verdammt still.

„Baby. Lulu hat Baby im Bauch."

Es war, als würden Tonnen von Steinen seine Schulter herab rauschen, als er seine kleine Nichte auf den Schoss hob.

„Genau Mila. Lulu hat Baby im Bauch."

Tränen schimmerten in seinen Augen, als er seiner Nichte auf die Stirn küsste. Die kleinen Ärmchen legten sich um seinen Hals und sofort flossen noch mehr Tränen.

„Mi Hijo."

Carlos Senior schien den Bann zu brechen, indem er vom Boden aufstand und Carlos fest an sich zog, wenig später hatte er auch Lando an sich gezogen, hielt sich aber zurück da dieser noch immer Mila auf dem Arm hatte.

Glückwünsche wurden ausgesprochen und Tränen liefen in Strömen, nachdem sie alle aus ihrer kleinen Schockstarre kamen.

„Ihr werdet Großeltern. Und Tanten, Onkel und Cousinen."

„Das sind die schönsten Nachrichten und das schönste Weihnachtsgeschenk."

Keiner fragte mehr an diesem Abend um die Ängste die Lando und Carlos wahrscheinlich hatten. Alle freuten sie sich über die Nachricht der Schwangerschaft und das kleine Wunder, welches sich bei Lando eingenistet hatte.

Irgendwann würden Lando und Carlos selbst von sich aus erzählen, was sie alles mit Dr. Anderson besprochen hatten, welche Schritte und Vorsorgeuntersuchungen sie beanspruchen würden, um ihrem kleinen Wunder alles so gut wie möglich zu gewährleisten, damit es groß und stark werden würde.

Die Freude über das kleine Wunder war groß und ließ sie alle noch glücklicher die Bescherung zelebrieren. Es wurde gelacht, etwas geweint und schief gesungen, als Mila danach fragte. Wo noch vor einem Jahr alles trist und schwarz verhangen war, schien dieses Jahr Weihnachten das Licht mit Carlos und Lando um die Wette. Immer wieder streichelte Carlos den Bauch seines Freundes oder sie tauschten zärtliche Küsse und Liebkosungen aus.

„Ich liebe dich mi amor. Die Jahre mit dir, gehören zu den schönsten meines Lebens. Wir haben viel erlebt, gutes wie schlechtes. Und wir sind an dem Schmerz, den wir erlebt haben, gewachsen. Unser Stern wird immer ein Teil von uns sein und wir werden es lieben und ehren, genauso wie unser kleines Wunder. Nichts kann mich glücklicher machen, als dich an meiner Seite und zu wissen, dass du unter deinem Herzen ein Wunder trägst."

Still und heimlich hatten sie sich kurz von ihren Familien abgekapselt, welche damit beschäftigt waren, die neuen Spielsachen von Mila auszuprobieren.

Sie hatten sich ihren Weg in den Garten gesucht, eingepackt in dicken Jacken und Mütze standen sie vor dem geschmückten Garten, blickten beide in den Himmel, als eine Sternschnuppe den Himmel streifte.

„Siehst du mi amor? Sternchen ist immer bei uns und wünscht uns alles Gute."

Rasch wischte Lando sich unter den Augen entlang. Er glaubte nicht an Fügung oder Zeichen, aber diese Sternschnuppe nahm er als Zeichen ihres Babys war. Und es berührte sein Herz zutiefst, daran zu glauben das ihr Sternchen ihnen mit dieser Sternschnuppe Hallo und alles Gute sagen wollte.

„Feliz navidad."

Flüsterte Lando leise, während eine von Carlos und seinen Händen sich auf seinen Bauch legten und er sich an seinen Freund lehnte. Gemeinsam schauten sie noch minutenlang in den Himmel und ließen alles auf sich wirken.

„Ich liebe dich auch. Ich habe dir nie richtig gedankt. Du warst es der mich gerettet hat, als ich dachte am Ende zu sein. Ich kann dir nicht Versprechen, dass dieses Mal alles gut werden wird, aber ich kann dir Versprechen das ich alles dafür geben werde, dass wir unser kleines Wunder in ein paar Monaten in den Armen halten dürfen."

Ein wahrer Sternschnuppenschauer durchzog den Himmel, als ihre Lippen sich zu seinem zaghaften Kuss verbanden. Ihnen war bewusst, dass es nicht einfach werden würde, sie aber alles tun würden, um ihre Wunder ein Leben zu ermöglichen, ohne sich dabei zu sehr von der Vergangenheit beeinflussen zu lassen.

ENDE

++-+-+-+-

*Entschuldige. Ich wollte nicht...
** Nicht Carlos. Ich habe das vermisst. Es fühlt sich schön an, wenn du deine Hand dort liegen hast.
*** Verdammt Roberto. Sie leise. Lando schläft schon.
****Sohn, ist allein in Ordnung zwischen Lando und dir?
*****Ja. Warum fragst du?

https://youtu.be/EKkzbbLYPuI

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