Kapitel 2
Nil führte Adora über den Platz für die Pferde zu einem großen Gebäude, das ähnlich gebaut war. Es war allerdings ein freistehendes, zweistöckiges Haus und gehörte nicht mehr zu dem Teil, in dem die Pferde untergebracht waren.
„Hier kannst du einige Zeit lang wohnen", sagte Nil zuvorkommend zu Adora, bevor er die Tür öffnete.
„Du bist ja schon wieder da", rief eine junge Frau und eilte in den Flur, den sie gerade betraten. Als die junge Frau jedoch sah, dass ihr Vater nicht allein war, blieb sie überrascht stehen. Ihre blonden Locken wippten auf und ab, während sich ihre grünen Augen leicht weiteten. „Ein neues Dienstmädchen?", fragte sie, als könnte sie es nicht ganz glauben.
„Cara, das hier ist Adora. Ich habe sie im Wald gefunden und sie hat ihr Gedächtnis verloren", erklärte Nil, während Adora sich weiter umsah. Der Flur war sehr elegant. In hellen Farben und mit vielen Blumen, aber auch Bildern. Zudem war der Teppich unter ihren Füßen sehr weich. Noch immer waren ihre Füße nackt.
Die junge Frau, die Nil Cara genannt hatte, gab einen überraschten Laut von sich. „Wirklich? Du arme. Du musst sicher Hunger haben und ein Bad könntest du auch gebrauchen", stellte Cara überfürsorglich fest und kam auf ihren Vater zugelaufen. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie Adora eine Hand auf die Schulter legte. „Ich kümmere mich um sie", sagte sie mit einem Lächeln.
Nil fuhr dich durch die Haare. „Sehr gut, ich muss mich noch um den Rest der Pferd kümmern. Zudem sollte ein Arzt sie untersuchen", meinte er, bevor er sich wieder der Tür zuwandte.
Adora wurde in dieser Zeit von Cara den Flur entlanggeführt. Als sie an einem Spiegel vorbeikam, blickte sie sich für einen Moment darin an.
Ihre braunen Haare hatten leichte Welle und fielen ihr ein Stück weit über die Schultern. Ihre Augen waren ebenfalls braun, doch viel intensiver, als sie angenommen hatte. Dazu kam ihre Haut, die sich von der leicht gebräunten Haut der anderen unterschied. Sie war viel heller als die von Nil, Rayan oder Cara. Zudem wirkte sie irgendwie seidig glatt.
Bevor Adora die Hand richtig heben und sich selbst über die Wange streichen konnte, um zu kontrollieren, was sie im Spiegel sah, wurde sie auch schon weitergezogen. „Komm, ich sorge dafür, dass unser Dienstmädchen dir ein Bad vorbereitet", sagte Cara, wobei sie sich irgendwie fröhlich anhörte.
Adora verstand nicht ganz, was sie sagte, nickte aber trotzdem. Sie hatte im Moment sowieso keine andere Wahl, als sich zu fügen. Die Idee, sich einfach umzudrehen und zu gehen, kam ihr nicht. Das fühle sich auch nicht richtig an.
Cara war so nett zu ihr, dass sie sogar leicht lächelte. „Setz dich", wies die junge Frau Adora an und drückte sie fast auf einen gemütlich aussehenden Sessel. Als Adora darauf sank, spürte sie, dass dem wirklich so war. Sie versank ein Stück darin und lehnte sich zurück, bevor sie die Augen schloss. Es roch sehr interessant, doch sie konnte nicht sagen, nach was.
„Hier, bitte", sagte Cara. Als Adora ihre Augen wieder öffnete, stellte die blonde Frau ein Tablett vor ihr ab, auf dem mehrere Dinge standen. Unter anderem ein Krug mit einer rötlichen Flüssigkeit.
Adora nahm diesen und roch daran. Es war ein fruchtiger, aber irgendwie auch süßer Geruch. Gemischt mit einer leichten Säure.
Sie runzelte die Stirn und nahm einen Schluck.
„Das ist sehr guter Wein", erklärte Cara, die zufrieden lächelte. „Schmeckt er dir?"
Adora wusste nicht genau, was sie damit meinte, nickte aber. War es denn wichtig, dass ihr das Trinken schmeckte?
Ihr Körper wirkte nicht, als würde er es brauchen und trotzdem tat ihr die Flüssigkeit irgendwie gut.
Sie stellte den Krug zurück und besah sich den Rest auf dem Tablett. Da war ein Teller mit einer Pastete.
Zögerlich nahm sich Adora eine der Scheiben, die bereits abgeschnitten wurde.
Es fiel ihr nicht leicht, mit der Gabel umzugehen und doch wusste sie instinktiv, wie sie diese nutzen musste. Gleichzeitig gab ihr Körper ihr aber auch das Gefühl, dass sie noch nie eine Gabel gehalten hatte. Ihre Bewegungen mussten sehr unkoordiniert wirken, doch Cara sagte nichts.
Als sie das Stück, das sie abgeschnitten hatte, zu ihrem Mund führte, roch sie Geflügel. Es löste ein leichtes, unwohles Gefühl in ihr aus. Allerdings so gering, dass sie es trotzdem in den Mund steckte. Es war lediglich die Vorstellung, dass dieses Tier einmal gelebt hatte, was sie zögern ließ. Nun war es jedoch bereits tot. Es sollte wenigstens einem anderen Leben dienen.
Der Geschmack, der sich auf ihrer Zunge verbreitete, war gar nicht schlecht. Irgendwie gefiel es ihr.
Adora aß, bis der Teller leer war. Allerdings hatte sie nicht das Gefühl, satt zu sein. Genauso wenig, wie sie das Gefühl hatte, Hunger zu haben. Sie wusste zwar, dass es so sein musste, doch wie es sich anfühlte, war ihr unklar.
Cara strahlte sie an. „Sehr gut, jetzt kannst du ins Bad. Ich schaue, ob ein Kleid von mir, dir passt. Du musst nicht dieses Ding tragen", versicherte sie, packte Adoras Hand und zog sie schließlich hoch und mit in einen Raum, in dem ein großer, runder Holztrog stand. Darin lag ein weißes Tuch, das die Ränder schützte. Im Inneren war dampfendes Wasser.
„Zieh dich aus", wies Cara Adora an, die sich langsam wieder aus dem Kleid schälte. Warum hatte sie es überhaupt angezogen?
Cara reichte ihr die Hand und half Adora, in den Waschzuber zu steigen.
Das warme Wasser ließ Adora leise seufzen. Es fühlte sich gut auf ihrer Haut an. Zudem konnte sie riechen, aber auch spüren, dass man Kräuter ins Wasser gemacht hatte.
Kaum saß sie, wurde von Cara ein Brett über den Rand geschoben, sodass es auf dem Zuber lag. Darauf befanden sich allerlei Dinge. Ein Schwamm und auch einige Stückchen, das aussah wie Seife.
Adora griff danach und tauchte den Schwamm nachdenklich ins Wasser. „Soll ich ein Dienstmädchen holen, damit es dich waschen kann?", fragte Cara, als wüsste sie nicht genau, ob Adora es selbst hinbekam.
Zögerlich schüttelte Adora mit dem Kopf. Sie ahnte, was sie tun musste, wusste aber nicht, ob sie das überhaupt wollte. Ihr Körper schien einige Dinge machen zu können, ohne, dass sie richtig sagen konnte, woher sie das wusste. Vielleicht, weil es einfach alltägliche Dinge waren, die sie schon oft getan hatte.
Cara nickte langsam. „Gut, dann lasse ich dich jetzt allein", sagte sie mit einem Lächeln. „Hier hängt ein Handtuch, ich bringe dir ein Kleid."
Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Raum und ließ Adora allein zurück.
Diese genoss die einsetzende Still, das warme Wasser und den angenehmen Dampf. Der Geruch der Kräuter hatte etwas Befreiendes und erinnerte sie an die Lichtung im Wald und den Blumenduft.
Leider wehrte die Stille nicht lang, denn jemand kam zurück in den Raum.
Adora öffnete die Augen und blickte zu einer älteren Dame, die ein Kleid in den Händen hielt. „Meine Dame hat mir aufgetragen, Euch dieses Kleid zu bringen. Ich heiße Estrella", sagte sie höflich, während sich Lachfältchen an ihren Wangen bildete. Das machte sie irgendwie sympathisch.
Adora sagte nichts, sondern schloss die Augen wieder. Dabei hoffte sie, dass die Frau schnell wieder gehen würde, doch stattdessen hörte Adora nur, wie sie das Kleid an eine Stange hing und sich dann ihr widmete. „Ich wasche Euch die Haare", entschied die Frau, ohne vorher zu fragen. „Sie sind voller Blätter."
Statt etwas zu sagen, blieb Adora einfach so, wie sie war. Sie stimmte weder zu, noch lehnte sie es ab. Was auch damit zusammenhing, dass es ihr eigentlich egal war.
Damit schien sie die Frau jedoch nicht zu verunsichern, denn diese füllte einen Krug mit Wasser und goss diese über Adoras Haare. Dabei darauf bedacht, nicht ihr Gesicht nass zu machen.
Zuerst fühlt es sich seltsam an, doch dann begann Adora sogar, es irgendwie zu genießen. Die ältere Dame massierte ihren Kopf, nutzte die Kräuterseife, die so gut roch, und spülte ihre Haare dann wieder gründlich aus.
„Jetzt sind sie wieder so schön, wie sie sein sollten", brachte die Frau zufrieden hervor. Damit holte sie Adora wieder aus ihrer Ruhe und sie öffnete die Augen, um die Frau kurz anzusehen. Diese schlang ihr ein Handtuch um die nassen Haare, bevor sie ein weiteres nahm. „Komm raus, mein Kind", sagte sie und hielt das Handtuch hob, als wolle sie Adora darin einwickeln. „Das Wasser wird bereits kalt."
Langsam erhob sich Adora aus der Badewanne und bemerkte dabei den Blick der Frau. Er ging über ihren Körper. als würde sie Adora eingängig mustern. Jedoch schlang sie ihr schnell das Handtuch um den Körper. „Wie fühlt Ihr Euch?", fragte die Dienerin höflich.
Adora blickte sie für einen Moment an. „Ich weiß nicht", gestand sie, denn sie hatte nicht das Gefühl, etwas zu spüren.
„Ist Euch kalt?", wollte sie wissen, während sie Adora die Haare leicht trockenrieb.
„Nein", antwortete Adora, denn sie spürte weder die Kälte noch die Wärme.
Die Kammerdienerin schob sie förmlich zum Kleid und nahm ihr das Handtuch weg, als sie Adora trockengerieben hatte. Schließlich half sie ihr in das Kleid.
Es war dunkelrot und hatte einen sehr weiten Rocken, der mehrere Laken besaß. Zudem gab es goldene Stickereien.
Adora erinnerte es an eine wunderschöne Blume, was ihr sehr gut gefiel.
„Es steht Euch wunderbar", sagte Estrella sehr zufrieden und schob sie sanft vor den Spiegel. Darin betrachtete sich Adora nachdenklich. Mit ihren nassen Haaren sah es seltsam aus, doch trotzdem schön.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem vorsichtigen Lächeln.
„Setzt Euch", sagte Estrella, bevor sie Adora zu einem Hocker führte. Dort ließ diese sich nieder, bevor das Dienstmädchen begann, ihr die Haare zu kämmen.
Als sie ihr einige Zöpfe geflochten und diese wie eine Krone um ihren Kopf gelegt hatte, nickte die Dienerin zufrieden. „Jetzt seid Ihr bereit. Der Prinz möchte Euch sehen", sagte sie.
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Danke fürs Lesen. Würde mich sehr über Kommentare und Votes freuen.
Wie findet ihr Cara und Estrella?
Was glaubt ihr, was der Prinz von Adora will?
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