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Die Schritte vor der Tür werden langsam leiser und verschwinden dann ganz. In der Ferne höre ich, wie jemand den Motor eines Autos startet und dann weg fährt. Ich nehme an, dass die Person, die gerade gegangen ist, mich hierher gebracht hat. Ich weiß immer noch nicht, wo ich bin, bemerke aber einen Block und einen Stift vor mir. Daneben stehen ein paar Wasserflaschen. Wenigstens will man mich hier nicht verdursten lassen, denke ich. Aber was soll ich mit dem Stift und dem Block? Etwa die Tage zählen, die ich hier drin verbringe?

Ich sehe mir den Block genauer an und entdecke auf der ersten Seite einen kurzen Text. Es ist ziemlich dunkel, also kann ich nicht erkennen, was dort steht. Der Text scheint ziemlich unordentlich geschrieben zu sein. Wahrscheinlich war der Verfasser unter Zeitdruck. Ich lege den Block also wieder weg und stehe langsam auf. Mein Schädel brummt immer noch von dem Schlag und dem Aufprall auf den Boden und meine Wange tut noch ziemlich weh. Wieso musste ich auch aus Versehen all meine Schulsachen im Wohnzimmer vergessen? Das passiert mir doch sonst nicht. Aber hätte mein Vater die Sachen dann nicht auch schon gestern sehen müssen? Was sie jetzt wohl damit machen. Ich hoffe nur, dass sie nicht herausfinden, dass ich mit Amelie lerne, sonst werden sie sie auch bestrafen und das will ich nicht, denn sie hat überhaupt keine Ahnung.

Ich gehe zum kleinen Fenster, das an der Wand rechts neben der Tür ist. Draußen ist eine Straße und sonst nur Bäume. Ich vermute ich bin in diesem kleinen Haus im Wald, das unbewohnt ist und wo es eigentlich auch keine Tür oder überhaupt etwas zum Abschließen gibt. Anscheinend hat man das hier ein wenig renoviert, damit ich früher oder später hierher gebracht werden kann. Ist es überhaupt für mich gemacht worden?

Ich schaue mich genauer im Raum um und sehe noch eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Sofort gehe ich auf sie zu. Zu meinem Glück ist sie nicht verschlossen und führt zu einem Flur mit drei weiteren Türen. Am Ende ist ein größeres Fenster, was den Flur erhellt und auch dort draußen sieht man nur sehr viele Bäume. Dieser Ausblick bestätigt meine Annahme in diesem Häuschen im Wald zu sein. Wieso genau bin ich hier?

An der einen Tür links hängt ein Toilettenschild. Ich gehe hinein und schaue mich um. Es ist nicht viel Platz, aber es sind helle, freundlich wirkende Fliesen an den Wänden und es gibt sogar eine Dusche und einen Spiegel. Plötzlich vibriert etwas in meiner Hosentasche und ich merkte, dass es mein Handy ist. Aber ich habe es doch in meinem Zimmer gelassen, bevor ich runter gegangen bin. Wie lange war ich eigentlich ohnmächtig und was ist in der Zeit passiert? Wer hat mich her gebracht und wieso hier hin? Ich habe Tausende Fragen und ein wenig Angst vor den Antworten. Was, wenn mein Vater mich entführt hat und nun hier festhält? Lebe ich überhaupt noch oder ist es vielleicht sogar nur ein Traum?

Ich gehe weiter durchs Haus und finde eine Küche mit funktionierendem Herd, Kühlschrank und Ofen, und ein Schlafzimmer mit Bett, Kleiderschrank und einem Schreibtisch, auf dem alle meine Schulsachen liegen. Wer um alles in der Welt war das? Meine Eltern kann ich nun ausschließen, denn sie würden mich nie freiwillig lernen lassen. Amelie kann es auch nicht gewesen sein. Sie weiß doch überhaupt nichts von dem wie es mir geht, oder?

Ich gehe wieder zurück in den dunklen Raum zur Eingangstüre. Ohne große Hoffnungen drücke ich die Klinke, doch zu meinem Erstaunen ist sie nicht verschlossen und ich kann hinaus gehen. Wenn jemand eine böse Absicht gehabt hätte, hätte er doch sicher abgeschlossen oder etwa nicht? Ich gehe einmal ums Haus herum und gehe wieder hinein. Dann hole ich mein Handy heraus und sehe, das ich eine Nachricht von Amelie bekommen habe:

Amelie (18:30): "Hey Lisa, kommst du morgen mit auf eine Shoppingtour? Du darfst ja Sonntags raus... Hab dich Lieb! Amelie"

Stimmt, normalerweise darf ich Sonntags raus, aber ich fürchte morgen wird das nichts. Ich bin mitten im Wald in einem winzigen Haus und weiß weder wer, noch warum er oder sie mich hier her gebracht hat.

Lisa (18:42): "Tut mir Leid, aber ich kann nicht. Ich muss noch was anderes erledigen.", lüge ich.

Ich kann ihr ja nicht die Wahrheit sagen, sonst müsste ich ihr alles erklären, was die ganzen Jahre über passiert ist.

Amelie (18:32): "Ok, schade. Wir sehen uns Montag!."

Mist, was mache ich denn dann? Egal, mir fällt schon noch etwas ein. Ich hab ja noch etwas Zeit. Ich antworte also nicht, sondern stecke mein Handy wieder in meine Tasche und mein Blick fällt wieder auf den Block mit dem Text.
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Danke fürs Lesen dieses Kapitels! :)
789 Wörter

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