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Mittlerweile haben wir Samstagmorgen. Gestern Abend sind wir bereits zurück nach Italien geflogen, da heute der Ball meines Vaters stattfindet. Greer habe ich zu mir bestellt, damit sie mir dabei hilft, mich fertig zu machen. Dazu brauche ich mal wieder Kontakt zu Menschen, die nicht den Namen James tragen.

Mein Verlobter hat uns in einem Haus seiner Familie untergebracht. Es ist genauso pompös, wie ich erwartet hatte. Dazu schwarz-weiß gehalten. Als James die Tür öffnet und ich Greer erblicke, fange ich direkt an zu lächeln. Ich mag dieses Mädchen wirklich gern.

Sie lässt sich von mir in eine herzliche Umarmung schließen, bevor wir uns in das mir zugewiesene Zimmer verziehen. Das Kleid, dass ich heute Abend tragen werde, wurde mir von meinem Vater zugesendet. Es ist von einem der teuersten Designer Italiens und ich möchte nicht wissen, wie viel Geld ich an meinem Körper tragen werde.

Als die Tür ins Schloss fällt, redet Greer direkt drauf los. Ihre Worte überschlagen sich regelrecht. "Und? Wie ist James so? Dass er heiß ist, brauchen wir gar nicht zu debattieren, das ist ein Fakt. Wie macht er sich als Verlobter?"

Ich lache kurz auf, da sie so aufgeregt ist. "Er ist kein schlechter Mann, nur ein wenig anstrengend. Sehr großer Beschützerinstinkt und ein Funken Naivität.", fasse ich kurz und knapp die letzte Woche zusammen. Wir haben nicht viel miteinander gesprochen. Wenn doch, haben wir gestritten. Das war eigentlich nicht mein Ziel, aber ändern lässt sich das gerade eben nicht.

"Ist denn schon was passiert? Immerhin werdet ihr heiraten. Gott, ihr wärt so ein süßes Pärchen.", schwärmt sie. Ich verziehe das Gesicht. "Das einzige was 'passiert' ist, waren Streit, Streit und habe ich Streit schon erwähnt?", antworte ich ironisch.

Greer schiebt ihre Unterlippe nach vorn und greift nach dem Lockenstab. "Ist es wirklich so schlimm? Ich meine, er hat dich aus den Fängen deines Vaters befreit und dich, nachdem ihr euch eine halbe Stunde kanntet, vor dem Tod bewahrt, weil dein Vater dich fast erwürgt hätte."

Wieso muss Greer immer so gute Argumente hervorbringen? Ich kann James nicht hassen, wenn er mir anscheinend doch ständig hilft. "Es kann ja sein, dass er mich aus der Scheiße gezogen hat, aber trotzdem passt die Chemie zwischen uns einfach nicht. Wir streiten uns wegen jedem Mist und selbst wenn es nur darum geht, dass niemand den Müll nach draußen gebracht hat.", erkläre ich ihr die Situation.

"Wer weiß. Meistens sind die besten Menschen im Leben die, von denen man es am Anfang am wenigsten erwartet hätte." Greer ist für ihr junges Alter ein wirklicher weiser Mensch, was ich sehr begrüße. Sie hatte schon früher immer den besten Rat in der Tasche, wenn ich aufgeschmissen war.

Ich genieße die Zeit mit ihr. Zwar habe ich sie nur eine Woche nicht gesehen, aber es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit.

Meine Locken und das Make-Up sind mittlerweile fertig, sodass nur noch das Kleid fehlt. Ich habe es noch nicht gesehen und hoffe einfach, dass es einigermaßen akzeptabel aussieht. Als ich den Schrank öffne, in dem das Kleid hängt, stockt mir der Atem. Mit meiner Hand verdecke ich meinen offen stehenden Mund und drehe mich mit großen Augen zu Greer um. Das Kleid ist wunderschön.

Das Oberteil ist mit Glitzer versehen und der Rock besteht aus Tüll und Glitzer. Das Kleid ist zwar schwarz, aber es sieht wirklich atemberaubend aus.

"Na los, probier' es an.", gibt mir Greer einen Schubser in die richtige Richtung.

Das Kleid sitzt wie angegossen. Es wird denke ich maßgeschneidert sein. Durch die lange Schleppe könnte man denken, es wäre sehr schwer, aber es ist wirklich leicht zu tragen. Dazu schmeichelt es meinen Kurven am Oberkörper und zeigt einen tiefen Ausschnitt. Es betont genau jene Körperstellen, die ich liebe.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Stoff bis zum Boden reicht, denn so kann ich Turnschuhe tragen und muss keine High-Heels anziehen, die einem die Füße sowieso nur kaputt machen. Ich liebe vielleicht pompöse Kleider, aber ein Fan von hohen Schuhen bin ich keineswegs.

Greer legt mir noch meine Kette um, welche ich eigentlich immer bei mir trage. An ihr ist ein kleiner silberner Mond befestigt, welcher für meine Mutter steht. Sie liebte den Mond und ich saß, als ich kleiner war, im Sommer abends mit ihr oft im Garten und ließ mir unter dem Sternenhimmel, im Licht des Mondes, Geschichten und Märchen von ihr erzählen.

Am liebsten mochte ich die Geschichte vom kleinen Prinzen, welcher mit seinem Fuchs im Weltall die Planeten bereist hat uns seiner Rose immer wieder Briefe geschrieben hat. Früher habe ich immer behauptet, ich wäre in den kleinen Prinzen verliebt und so getan, als hätte er mir einen Brief geschrieben.

"Du denkst wieder an sie oder?", reißt mich Greer aus meinen Gedanken. Noch immer ein wenig abwesend nicke ich. Meine Freundin zieht mich nur wortlos in eine feste Umarmung. Diese Eigenschaft mag ich besonders an ihr. Ich muss mich nicht erklären und über nichts reden, wenn ich nicht möchte, aber sie ist immer für mich da und gibt Umarmungen, die sich nach Zuhause anfühlen. Denn ein Zuhause muss nicht immer ein Ort sein.

Ein Klopfen ertönt und kurze Zeit später öffnet sich die Tür, hinter der James erscheint. "Können wir dann los? Dein Vater wartet sicher scho-", er unterbricht sich selber, als ich mich umdrehe. Seine Augen gleiten über meinen Körper und ich meine gesehen zu haben, dass er schlucken musste. "Du siehst wunderschön aus, Adelaide.", bringt er hervor.

"Aber etwas kleines fehlt noch. Greer? Würdest du uns einen Moment allein lassen?", fragt er. Greer nickt stumm und verlässt den Raum, bevor sie die Tür leise hinter sich schließt und ihre leisen Schritte sich entfernen. "Ich habe noch etwas für dich.", führt James fort und bittet mich, meine Augen zu schließen.

Skeptisch tue ich, was er verlangt. Seine Hände greifen mein Handgelenk und etwas kaltes wird drumherum gelegt. Als ich meine Augen wieder öffnen darf, erblicke ich ein silbernes Armband. Ein kleine Platte wird von einem filigranen Kettchen an meinem Handgelenk gehalten. Darauf ist ein 'Marcini' eingraviert.

"Dieses Armband beweist, dass wir einander versprochen worden sind. Es dient sozusagen deinem Schutz und die höheren Tiere wissen, auch wenn sie die Gravur nicht lesen, welcher Familie du angehörst. Das Armband dient einfach deinem Schutz und beugt nervige Anmachen von alten, schmierigen Herren vor. Ich hoffe nur für dich, dass du dich benehmen kannst und meine Familie nicht blamierst, wenn du es trägst.", scherzt er zum Ende hin.

Ich lächele James leicht an und bedanke mich.

Jetzt kann es losgehen.

Wenn ich doch nur an diesem Abend schon gewusst hätte, dass dieser Ball mein Leben noch mehr umkrempeln und auf den Kopf stellen würde, als nur der Heiratsvertrag und mein überstürzter Umzug

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