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Am nächsten Morgen sitze ich zusammen mit James am Tisch und esse Frühstück. Er hat Pfannkuchen gemacht und ich habe mich um den Kaffee gekümmert. Das Ganze verlief schweigend. Niemand wusste, was er sagen soll, gerade auch wegen dem Vorfall von gestern Abend.

Ich beschließe aber trotzdem, das Schweigen zu brechen.

"James?", frage ich. Er sieht von seiner Kaffeetasse zu mir und brummt. "Was war das gestern Abend?", falle ich direkt mit der Tür ins Haus. Er zuckt mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, Adelaide. Gestern habe ich noch lange überlegt, ob es hier Feinde von mir gibt, aber niemand meiner Leute hier hat jemanden gesehen, mit dem ich ein Problem habe. Wie das bei dir ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat dein Vater hier jemanden, der noch offene Rechnungen mit ihm hat?", wirft er in den Raum.

Ich kenne nicht alle Kontakte meines Vaters, aber einige. Normalerweise haben die Leute, die sich mit Gabriel anlegen, nicht mehr die Chance, das Land oder die Stadt zu verlassen, bevor eine Waffe auf sie abgefeuert wird.

"Ich kenne nicht alle Kontakte, die mein Vater hat, aber eigentlich sind alle seine Feinde unter der Erde oder in unserem Keller. Derjenige müsste mächtiger sein als mein Vater, was aber kaum möglich ist. Ich meine wer ist noch mächtiger als unsere Väter? Gerade wenn sie jetzt noch eine Ehe zwischen uns ins Leben rufen wollen. Dann sind sie so gut wie unbesiegbar.", teile ich meine Gedanken mit meinem Gesprächspartner.

James' Gesicht verzieht sich zu einer Miene, welche widerspiegelt, dass er nachdenkt. "Vielleicht gibt es niemanden, der mächtiger ist als unsere Väter, aber viele kleine Leute werden versuchen, diese Ehe zu verhindern, woher auch immer sie das wissen, wenn wir es auch erst für kurze Zeit wissen. Wenn unsere Familien noch mächtiger werden, haben kleine Familien keine Chance mehr."

Ich nicke nachdenklich. Das hatte ich mir bereits gedacht, aber wenn man das nochmal so hört, scheint die Gefahr, der wir ausgesetzt wurden, doch ein Stückchen größer als gedacht. Das alles hier könnte unser Ende sein. Unsere Familien werden durch diese Heirat vielleicht stärker, aber nur noch mehr Menschen würden uns hassen. Nicht, dass mich so etwas groß interessieren würde, aber das könnte unseren Tod bedeuten, wenn wir nicht aufpassen.

"Hör auf, so viel darüber nachzudenken. Der Vertrag steht und wir können das sowieso nicht ändern. Du wirst meine Frau, also werde ich dich mit meinem Leben beschützen. Außerdem sind meine Leute von hier nicht weit. Sollte also Gefahr drohen, wären sie direkt anwesend. Diese Sache wird uns nicht umbringen, hast du mich verstanden?", kommt es von James. Ich glaube so langsam, dass dieser Typ Gedanken lesen kann.

"Ich habe es verstanden, aber was ist, wenn wir uns doch nicht schützen können? Wenn das rauskommt, werden wir zu einer Zielscheibe für alle, die Probleme mit unseren Familien haben.", teile ich ihm meine Gedanken mit. Wenn das hier einigermaßen funktionieren soll, müssen wir ehrlich zueinander sein.

"Adelaide, natürlich werden wir zu einer Zielscheibe. Denk mal ganz kurz darüber nach.", antwortet mir James, "Wir sind bereits eine Zielscheibe. Wie tut man einem Menschen am meisten weh? Entweder nimmt man ihm seine Lebensgrundlage oder man nimmt ihm die Menschen, die ihm etwas bedeuten. Wir sind sowohl die Lebensgrundlage für unsere Väter, als auch einer ihrer geliebten Menschen."

Ich schnaube nur. Als wäre ich die Lebensgrundlage meines Vater oder ein Mensch, den er liebt. Ich mag vielleicht seine Tochter sein, aber Matteo wird das ganze übernehmen, wenn meinem Vater etwas zustößt und Liebe habe ich von meinem Vater nie erfahren. Das, was kurz vor unserer Abreise in seinem Büro geschehen ist, war gar nichts. Ich habe viel schlimmere Dinge mit ihm erlebt.

"Vielleicht bist du das, James. Mein Vater ist weder auf mich angewiesen, noch liebt er mich. Matteo übernimmt, wenn er nicht mehr kann. Ich bin als Frau in der ganzen Sache nur Dekoration. Du siehst es doch. Ich würde niemals hier sitzen, wenn er mich lieben würde. Blick' der Wahrheit ins Auge. Mein Vater hat mich einfach abgegeben. Er hat sich nicht einmal von mir verabschiedet. Ich bin nur ein Mittel zum Zweck, verwickelt in seine Machtspielchen.", rede ich drauf los, ohne mich zurückzuhalten.

"Jetzt beruhig dich mal. Uns wird nichts passieren und wenn doch, können wir jetzt nichts dagegen machen. Außerdem hat dein Vater dich nicht einfach so weggegeben. Er wollte zu dir, aber ich habe ihn als dein Verlobter weggeschickt. Er sollte nicht noch einmal seine Hand dir gegenüber erheben. Als dein Verlobter habe ich das Sagen darüber, was mit dir passiert und das habe ich voll und ganz ausgenutzt. Ich habe vielleicht Menschenleben auf dem Gewissen, aber ich bin kein schlechter Mann. Diese Ehe wird nichts schlechtes werden. Wir müssen kein Pärchen werden, aber du brauchst mich auch nicht anpampen, weil dein Vater dir keine Liebe gezeigt hat. Dafür kann niemand irgendwas.", ruft James zum Ende hin aus. Er blickt mich wütend an, was mich nur noch mehr in Rage bringt.

"Schrei. Mich. Nicht. An. Du weißt nichts, James! Du hast doch keine Ahnung, was bei uns passiert ist Zuhause. Es ist nicht nur, dass er mir keine Liebe gezeigt hat. Damit könnte ich super leben. Er misshandelt mich, seit ich ein verdammtes Kleinkind bin, James! Du nimmst das alles auf die leichte Schulter, aber so einfach ist es nicht. Vielleicht ist seine Intention hinter dieser Ehe auch nur mein Tod, damit er mich nicht selber loswerden muss.", spucke ich ihm ins Gesicht, bevor ich mich auf den Weg auf den Balkon mache, damit ich nicht mehr mit ihm streiten muss.

Ich lasse mich in den Sessel fallen und sehe aufs Meer hinaus. Außerdem konzentriere ich mich auf meine Atmung, um mich zu beruhigen. Einige tiefe Atemzüge rauschen durch meine Lunge und so langsam werde ich ruhiger. Mein Herz schlägt mir nicht mehr schmerzhaft gegen die Brust, sondern pumpt nur normal das Blut durch meinen Körper. Die Gedanken an den Streit, an meinen Vater und das überstürzte Verlassen des Landes dränge ich nach hinten. Ich rede mir ein, dass das Vergangenheit und somit nicht mehr wichtig ist. Nur so kann ich mich selber runterbringen, ohne mich an einem Boxsack auszulassen.

Die Meeresluft steigt mir in die Nase und ich genieße sie. Der Blick ist fantastisch und die Sonne scheint mir warm auf die Oberschenkel, da ich den Sonnenschirm gerade nicht öffnen möchte.

Ich beobachte die Menschen am Strand. Viele sind es nicht, aber einer von ihnen fällt mir besonders ins Auge. Ein Mann in einer dunkelblauen Hose, die ihm bis zu den Knien geht. Seine Turnschuhe trägt er in der Hand und das schwarze Shirt liegt eng an seinem breiten Oberkörper an. Eine Cap verdeckt seinen dunklen Haarschopf und eine Sonnenbrille sitzt auf seiner Nase. Seine Haut ist gebräunt und glänzt ein wenig im Sonnenlicht. Er schaut sich um, als würde er etwas suchen. Dann fällt sein Blick auf mich. Schnell zieht er ein Handy aus seiner Tasche und hält es nach oben, als würde er ein Foto von mir machen.

Langsam stehe ich auf und bewege mich zur Balkontür. Dabei beobachte ich den Mann aber noch im Augenwinkel. Meine Hand drückt die Tür auf und ich rufe nach James. Blitzschnell ist er da und ich erkläre ihm schnell die Situation. Der Mann vom Strand ist weg.

James seufzt. "Nicht einmal in Miami ist man sicher. Ich werde mal bei meinen Leuten nachfragen, ob sie diesen Mann gesehen haben und ob sie ihn kennen. Hoffen wir einfach, dass es nur ein schmieriger Typ mit Bedürfnissen war."

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