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Meine Schritte hallen laut durch den Gang. Mit gehobenem Kopf stolziere ich den Flur entlang, zu dem Raum, zu dem ich gerufen wurde. Davor wartet ein breit gebauter Mann.

"Mr. Marcini wartet bereits in deinem Büro, Adelaide.", sagt er zu mir.

"Danke Kyle. Du darfst gehen.", gebe ich kühl zurück und betrete den Raum. Kyle folgt mir. Dieser Typ klebt mir überall am Hintern. Irgendwann werde ich ihn wohl aus dem Weg schaffen müssen, wenn das so weiter geht.

Kaum betrete ich das Büro, sehen mich direkt strahlend blaue Augen an. Das Kennzeichen der Marcini. Wer keine blauen Augen hat, gehört nicht dazu. Dazu die typisch dunkelbraunen, fast schwarzen Locken und der definierte Kiefer.

"Ich hatte einen Mann erwartet.", kommt es mit Misstrauen von ihm. Ich fange leicht an zu lächeln. Kein belustigtes Lächeln, eher ein hinterhältiges und böses Lächeln. "Ich auch, James Marcini."

Der dunkelhaarige sieht mich verdutzt an. Ich lächele nur und lasse mich in meinen Sessel fallen. "Setz dich.", befehle ich, während ich mit der Hand auf den Sessel vor mir deute. Meine Hände verschränke ich auf dem Tisch und stütze mich auf den Unterarmen ab.

"Ihr verlangt doch nicht ernsthaft, dass ich mit ihr verhandele.", sagt er zu Kyle. Dieser sieht ihn nur emotionslos an. Er gehört zu den Wachleuten. Die haben normalerweise nicht viel zu sagen.

"Hast du Angst vor mir?", frage ich, um ihn dazu zu bringen, mit mir zu verhandeln. Dabei umspielt ein hinreißendes Lächeln meine Lippen, was der Provokation dient. Dieser Satz kratzt sichtlich an seinem Ego. Volltreffer. Diese Strategie funktioniert wirklich immer wieder. "Nein.", gibt er nur von sich und setzt sich in der selben Pose hin wie ich. Das dunkle Hemd spannt sich um seine Schultern herum. Der Kerl kommt wirklich nicht von schlechten Eltern.

Wir sehen uns ein paar Sekunden lang ohne jede Emotion in die Augen, bis ich anfange zu grinsen und das Wort ergreife. "Dann lass uns anfangen. Unsere Väter haben bereits einen Vertrag ausgehandelt. Du bist nur noch hier, um ihn zu unterschreiben, habe ich recht?"

"Nicht ganz. Ich bin hier, um mit Gabriel zu verhandeln. Also, wo ist er?", bleibt mein Gegenüber stur. Ich mag diesen Geschäftspartner jetzt schon nicht. Immer diese Extrawünsche... Dass hier könnte so einfach sein, aber anscheinend will er lieber meine Zeit mit einer dummen Zickerei verschwenden.

"Beschäftigt. Du wirst mit mir verhandeln, oder gehen. Ich denke nicht, dass es deinem Vater gefallen wird, wenn du den Namen Marcini durch den Dreck ziehst, nur weil du dich weigerst, mit einer Frau zu verhandeln.", gebe ich ihm todernst die zwei Möglichkeiten, die die meisten unserer Partner haben.

"Dann verhandeln wir. Ich will das Doppelte.", rückt er endlich mit der Sprache heraus. Wollen und bekommen sind nur leider zwei verschiedene Paar Schuhe, Kollege.

"Nenn mir einen guten Grund, dir das doppelte Geld zu zahlen." Ich werde mich jetzt bestimmt nicht klein machen, nur weil der Herr mehr Geld haben will, als seine Ware wert ist.

"Ich bekomme mein Geld und du die Waffen."

"Nicht zu diesem Preis.", lache ich auf, "Ich bezahle nicht das Doppelte von dem, was die Ware wert ist, das solltest du wissen.", belehre ich ihn.

"Wer sagt dir denn, wie viel meine Ware wert ist? Dein Vater? Der ist kein sonderlich vertrauenswürdiger Mann.", kommt es von ihm. Ich habe das Bedürfnis, ihm ins Gesicht zu schlagen. Er kommt hier her, unverschämt wie eh und je, verlangt das doppelte Geld und sieht sich dann auch noch in der Position, meine Familie zu beleidigen. Innerlich koche ich, äußerlich setze ich wieder mein zuckersüßes Lächeln auf.

"Kyle, hol doch bitte den Vertrag von meinem Vater.", wende ich mich meinem Personenschutz zu. "Adelaide, das geht nicht. Ich bin zu deinem Schutz hier. Dein Vater lässt mich enthaupten, wenn ich jetzt-", fängt er an zu reden, wird aber von mir unterbrochen. Meine Stimme klingt scharf, erlaubt keinen Widerspruch. "Wer in diesem Raum hat dich gebeten zu sprechen? Das war ein Befehl. Führ ihn gefälligst aus oder ich enthaupte dich selbst."

Kyle verlässt, mit verbissenen Gesichtszügen, sofort mein Büro und ich wende mich wieder an James. "Da wir jetzt ohne jegliche Zeugen hier sitzen, kommen wir zur Wahrheit. Wozu willst du das Geld haben? Ich bin mir sicher, dass dein Vater keinen Cent davon sehen wird und du nicht willst, dass die doppelte Menge im Vertrag steht. Also?"

James denkt vielleicht, dass er der schlauere von uns wäre, aber da hat er sich gewaltig geschnitten und seine Rechnung ohne die Erziehung meines Vaters gemacht. Er presst seine Kiefer zusammen und scheint mit sich zu kämpfen. Als er endlich mit der Wahrheit herausrückt, hätte ich am liebsten laut aufgelacht.

"Ich brauche das Geld, um Schulden zu begleichen, ohne dass mein Vater es mitbekommt. Sollte er davon Wind bekommen, bin ich dran.", erklärt er. Er ist der Meinung total taff zu sein, aber er ist viel zu leicht zu durchschauen und er vertraut zu leicht. Dazu fühle ich mich so verarscht, dass ich mir so langsam anfange zu überlegen, ob ich erst Kyle oder ihm die viel zu kleinen Eier abschneiden soll. Ich bin vielleicht kein Fan von roher Gewalt, aber die ist manchmal notwendig, um Vollidioten eine Lektion zu erteilen, die sie so schnell nicht vergessen werden. Sich mit den Genova anzulegen, ist tödlich.

"Und deine Schulden soll ich jetzt begleichen? Denkst du, ich wäre die Wohlfahrt oder der Papst? Der Vertrag steht, unterschreib' ihn oder geh mit leeren Händen und ohne einen Deal nach Hause.", stelle ich ihm das Ultimatum. Meine Züge bleiben undurchdringlich und James drückt wieder seine Kieferpartie zusammen. Ihm scheint das Gespräch anscheinend genauso wenig zu gefallen wie mir. Nur zeigt er viel zu offen, was in seinem hübschen Köpfchen vor sich geht.

Zum richtigen Zeitpunkt kommt Kyle herein. Er hält keinen Vertrag in seinen Händen. Was kann dieser Typ eigentlich außer mir auf den Ausschnitt zu glotzen?

"Wo ist das Stück Papier um das ich dich gebeten hatte?", frage ich gespielt freundlich mit dem Beigeschmack von 'Ich bringe dich um'.

"Gabriel will dich sehen. Nimm James mit.", sagt er. "Dein Ton passt mir nicht, Kyle. Ich stehe über dir, das ist dir klar oder? Dein Leben hängt hier an einem seidenen Faden, also hüte deine Zunge. James, du kommst mit. Kyle, begebe dich zu den Dienstmädchen und sage ihnen, sie sollen meine Wäsche reinigen. Zu viel Blut auf zu vielen Kleidungsstücken.", sage ich mit einer eisigen Stimme, die ich leider viel zu oft an den Tag legen muss, da mich hier sonst niemand auch nur ansatzweise Ernst nimmt. Das mit den Dienstmädchen habe ich natürlich mit Absicht gesagt. James soll schließlich nicht denken, dass ich nicht auch über Leichen gehe wenn es notwendig ist.

Damit verlasse ich mit James im Schlepptau das Büro und laufe den Gang entlang. Meine Schritte laut, der Blick gefasst. Ich bin immer bemüht so viel Autorität wie möglich auszudrücken. Eine unzerstörbare Hülle. Eine Maske, die mich unverletzlich macht.

"Die Gänge sind echt sauber, dafür dass hier täglich Menschen getötet werden.", sagt James. "Du kennst das Spiel doch. Von außen hui, von innen pfui.", gebe ich desinteressiert von mir, blicke ihn aber nicht an. Er soll schließlich nicht denken, dass mich sein Gedankengang auch nur ansatzweise interessiert. Wir sind Geschäftspartner, keine Freunde.

An der Tür des Büros meines Vaters angekommen, klopfe ich an. Es ertönt ein Klicken und die Tür wird geöffnet. "Adelaide, komm rein. Mr. Marcini, richtig?", fragt der Bodyguard meines Vaters. James nickt, während ich ins Büro gehe und mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch meines Vaters fallen lasse.

James wird zur gleichen Zeit abgetastet und muss eine Pistole abgeben. Wie hat er die hier überhaupt hineinbekommen? Alle Waffen müssen am Eingang abgegeben werden, wenn man nicht gerade zur Familie gehört oder für sie arbeitet. Dieses Sicherheitspersonal ist echt ein Witz. Wieso bezahlen und beschützen wir diese Vollidioten, wenn sie ihren Job nicht richtig machen? Darüber werde ich wohl noch mit meinem Vater sprechen müssen.

Als auch James sich neben mich setzen darf, kommt mein Vater in den Raum. "Adelaide, James, schön, dass ihr den Weg hergefunden habt.", lächelt er gefälscht. Er hat das selbe böse Grinsen wie ich. Trotzdem sind wir von Grund auf verschieden, wenn ich nicht in seiner Nähe bin.

"Vater, was ist dein Anliegen? Immerhin durfte ich noch nie männliche Begleitung hier herbringen.", lächele ich unschuldig. "Wie Kyle euch sagen sollte, geht es um den Vertrag. Lest selbst." Das Grinsen verschwindet nicht von seinem Gesicht. So langsam bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Beunruhigung.

Gabriel schiebt uns ein Blatt zu. Ich werde immer entsetzter, umso mehr ich von dem Stück Papier lese.

Heiratsvertrag zwischen James Marcini und Adelaide Genova

"Das ist ein schlechter Scherz oder? Es ging um Waffen, nicht um eine Heirat, Vater!", beschwere ich mich. Es kann doch nicht sein, dass man hier einfach so verheiratet werden kann. Vor allem noch mit so einem Jungen, der denkt er wäre der größte, aber perfekt in die Beschreibung 'Große Klappe, nichts dahinter' passt.

"Als Giovanni Marcini letztes Mal hier war, ging es tatsächlich nur um den Vertrag mit den Waffen. Der Vertrag, den ihr vor der Nase habt, wurde aber schon vor langer Zeit geschlossen. Das liegt jetzt siebzehn Jahre zurück.", erklärt uns mein Vater.

"Vor siebzehn Jahren wurde ich geboren! Du hast mich jemandem versprochen, als ich ein Baby war?", ergreife ich entsetzt das Wort. "James, lass uns bitte ein paar Minuten allein. Terry, pass auf, dass er vor der Tür nichts tut, was er nicht soll.", befielt mein Vater. Er hat immer noch dieses ekelhafte Grinsen, was ich ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen würde.

James steht traumatisiert von der Situation von seinem Stuhl auf und geht aus dem Büro heraus. Als die Tür hinter Terry, dem Bodyguard meines Vaters, ins Schloss fällt, platzt mir der Kragen.

"Wie konntest du nur!? Ich bin siebzehn Jahre alt und du willst mich mit einem Jungen verheiraten, der denkt er wäre der größte, es aber bei weitem nicht ist? Er stellt Forderungen, die einfach nur unüberlegt sind und-", ich werde in meinem Ausbruch unterbrochen.

"Du wirst diesen Mann heiraten. Damit ist Schluss der Diskussion. Niemand widersetzt sich meinen Anweisungen und das gilt auch für dich. Du magst meine Tochter sein, aber Regeln gelten auch für dich. Wage es, mich zu blamieren und unseren Namen durch den Dreck zu ziehen.", spukt er mir wutentbrannt vor die Füße. Seine laute Stimme klingelt in meinen Ohren. Doch dieses Mal würde ich nicht Ja und Amen sagen. Das geht zu weit.

"Ich werde diesen Jungen nicht heiraten. Ich muss vielleicht jetzt auf dich hören, aber ich stecke auch noch in dieser Ehe fest, wenn du unter der Erde liegst!", rufe ich aus. Ich bin so entsetzt, dass ich die Stimme meinem Vater gegenüber erhebe, was sonst nie der Fall ist.

Mein Vater reagiert viel zu schnell für eine Gegenwehr. Seine Hand umschließt meinen Hals und drückt mich gegen die Wand, sodass ich nur noch auf Zehenspitzen stehen kann und mich mit beiden Händen an seinen Arm klammere.

"Jetzt mir mal zu, du störrisches Gör. Du wirst diesen Mann heiraten und den Namen unserer Familie nicht durch den Dreck ziehen. Du wirst uns nicht blamieren und deinem Bruder später die Herrschaft über diese Familie schwer machen. Am Samstag findet ein Ball statt. Du wirst anwesend sein und James wirst du als deine Begleitung dabei haben. In diesem Saal werden viele einflussreiche Männer sein, die dir hinterhergeiern werden. Wenn du James an der Seite hast, werden sie von dir ablassen. Sieh' es zu deiner eigenen Sicherheit. Dazu bist du mir hier eine Last, die ich durch eine Heirat wunderbar-"

Die Tür fliegt auf und James steht wieder im Raum. Er atmet schwer, so als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Mittlerweile tanzen schwarze Punkte durch mein Sichtfeld und meine Luftröhre ist so gut wie zerquetscht. "Gabriel, lassen sie meine Verlobte los. Sie steht unter der Obhut meiner Familie. Ich nehme sie heute noch mit.", kommt es von James.

Mein Vater kämpft mit sich, lässt mich aber los. "Pass auf meine Tochter auf. Ich will sie am Samstag unbeschadet auf dem Ball sehen, haben wir uns verstanden?", sagt mein Vater in einer groben Tonlage. Erst würgt er mich fast zu Tode und jetzt meint er, dass er mich am Samstag unbeschadet wiedersehen will? Den größten Schaden hat er angerichtet, mich in dieser Welt und auf seine Weise aufzuziehen.

"Adelaide, pack ein paar Sachen zusammen, die du für eine Nacht brauchst. Zieh dir ein hübsches Kleid an, meine Eltern werden uns empfangen.", befiehlt James und schiebt mich aus dem Raum heraus. Er ignoriert den Punkt, dass ich immer noch verzweifelt versuche, Luft in meine Lungen zu bekommen.

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