35. Into the woods

Niall


Mit einem erleichterten Seufzen stieg ich aus dem Flugzeug, welches uns von New York nach London gebracht hatte. Jetzt brauchte ich nur noch auf Basil, meinen Security Guard zu warten, der mich abholen und direkt zu meinem Ziel, Angels Wohnung, fahren würde.

Ich empfand es als Zeitverschwendung, zuerst in meinem Apartment vorbeizuschauen, da ich nichts mehr wollte, als das Mädchen, welches ich liebte, in meine Arme zu schließen. Vermutlich schlief sie um diese Uhrzeit noch (es war gerade viertel nach acht am Morgen), doch sie hatte sicher nichts dagegen, wenn ich sie wach küsste.

Gut gelaunt verabschiedete ich mich von meinen Bandkollegen, bevor Basil mich zu seinem Wagen begleitete, wo ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Dort checkte ich zunächst die Nachrichten auf dem Handy.

Eigentlich hatte ich eine von Angel erwartet, aber vielleicht sparte sie sich das, weil ich heute sowieso nach Hause zurückkehrte. Es ging mir tierisch auf die Nerven, dass der Verkehr in London so zähfließend vonstattenging, wir würden sicher Stunden brauchen, bis wir Angels Wohnung erreichten. Da ich sie jedoch nicht wecken wollte, sah ich davon ab, einen Anruf zu tätigen, sondern starrte aus dem Fenster und zählte die Passanten, welche auf den Straßen umherliefen. Nach kurzer Zeit gab ich das aber auf, da es immer mehr wurden und ich keine Lust mehr hatte.

Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit bog Basil mit seinem Wagen in jene Straße ein, in der Angel wohnte.

„Danke fürs Fahren", verabschiedete ich mich von ihm, bevor ich aus der Limousine stieg.

Obwohl er dafür bezahlt wurde, bedankte ich mich stets, irgendwie gehörte er zu meinen Freunden, ich sah ihn schon lange nicht mehr als Security Guard an.

„Bitte, Niall, gern geschehen, ruf mich an, wenn ich dich abholen soll."

„Ja, mache ich, aber ich denke, ich kann auch mit dem Taxi fahren oder die paar Schritte zu meiner Wohnung laufen."

Nachdem ich meinen Koffer ausgeladen hatte, lief ich schleunigst in Richtung Haus und kramte währenddessen den Schlüssel hervor. In solchen Augenblicken war ich echt froh, dass Angel mir bereits den Zugang zu ihrer Wohnung verschafft hatte, denn ansonsten hätte ich sie jetzt aus dem Bett klingeln müssen.

Lächelnd öffnete ich die Haustür und stellte mir vor, wie ich sie gleich überraschen und küssen würde. Schnell lief ich die Treppe mit meinem kleinen Koffer nach oben und schloss so vorsichtig wie möglich die Tür zu Angels Wohnung auf.

Leise betrat ich den Flur, es war noch alles dunkel und still. Hoffentlich fing Angus nicht an zu schreien, dann würde die ganze Überraschung hin sein. Ich hatte ihr nämlich geschrieben, dass ich erst in mein Apartment fahren und ausschlafen würde, bevor ich bei ihr aufkreuzte. Aber Niall Horan war immer für eine Überraschung gut und genau das wollte ich ihr heute beweisen.

Auf leisen Sohlen schlich ich mich ins Schlafzimmer, ging langsam auf das Bett zu, um überrascht festzustellen, dass dieses vor Leere gähnte.

Wo war Angel?

Hastig drehte ich mich um, um nachzuschauen, ob sie vielleicht im Bad war, doch auch hier konnte ich meine Freundin nicht finden. Schließlich lief ich ins Wohnzimmer, wo ich den allergrößten Schock bekam, denn Angus saß nicht wie gewöhnlich auf seiner Stange, sondern war ebenfalls verschwunden. Was zum Teufel sollte das?

Mein Herz schlug wie verrückt, als ich einen zusammengefalteten Zettel auf dem Wohnzimmertisch entdeckte, der mich sogleich magisch anzog, weil mein Name groß und breit darauf vermerkt war. Nervös faltete ich ihn auseinander und begann zu lesen.

Lieber Niall,
es tut mir leid, dass ich dir das antun muss, doch ich denke es ist das Beste, wenn wir uns trennen. Es liegt nicht an dir, glaube mir, sondern an mir. Dein Leben wird ohne mich viel besser sein. Du kannst mir glauben, dass mir dieser Schritt nicht leicht fällt, doch es muss sein. Bitte suche nicht nach mir, du wirst mich nicht finden.
Alles Liebe, Angel

Meine Hände begannen zu zittern, meine Kehle wurde rau und trocken, meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und mein Magen schien sich um hundertachtzig Grad zu drehen, als ich diese Zeilen las. Gleichzeitig bildeten sich kleine Tränen in meinen Augen, während ich fassungslos immer wieder auf den Brief starrte.

Ich glaubte mich im falschen Film zu befinden, alles schien so unwirklich zu sein und doch entsprach es der Realität. Wie gelähmt stand ich in Angels Wohnzimmer, verloren und völlig aufgewühlt, mit gebrochenem Herzen und nicht der leisesten Ahnung, warum sie das getan hatte. Ich hatte das Gefühl, mich jeden Augenblick übergeben zu müssen und so lief ich ins Badezimmer und setzte mich schwer atmend auf den Rand der Wanne. Tränen liefen über meine Wangen, als ich flüsterte: „Warum? Angel, warum?"

Sekunden später tasteten meine Finger nach meinem Handy, welches ich aus der Hosentasche zog, um Louis Nummer zu wählen. Er war ihr bester Freund, vielleicht wusste er einen Rat.

„Niall, was zum Teufel ist los?", hörte ich seine keuchende Stimme.

„Louis..." Meine Stimme brach ab, bevor ich kurz ein Schluchzen ausstieß.

„Um Gottes willen! Niall, was ist passiert?"

„Angel..., sie hat mit mir Schluss gemacht", brachte ich hervor.

„Bitte was?"

Louis Stimme klang, als ob er gleich aus dem Telefon herausgesprungen kommen würde, so laut war diese.

„Wo bist du?", erkundigte er sich dann.

„In ihrer Wohnung."

„Was? Wieso bist du noch dort, wenn sie Schluss mit dir gemacht hat?"

„Sie ist nicht da, sie hat mir einen Brief hinterlassen."

Ich hatte das Gefühl, den Würgereiz in meiner Kehle unterdrücken zu müssen, zumindest so lange ich mit Louis sprach.

„Ich bin in fünf Minuten bei dir!"

Er legte einfach auf und ich ließ mich nun auf den Boden gleiten. Mit dem Rücken an die Wanne gelehnt, wartete ich so lange, bis ich das Klingeln an der Tür vernahm. So schnell es mir in meinem Zustand möglich war, lief ich zur Tür, öffnete diese und betätigte gleichzeitig den elektrischen Türöffner für die Haustür.

Louis Schritte waren deutlich zu hören, als er die Treppe erklomm, um kurze Zeit später vor meinen Augen aufzutauchen. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er mich in den Arm und drückte mich an sich, was mir unglaublich gut tat.

„Was soll ich denn jetzt machen?", heulte ich. „Ich muss sie finden.... Ich muss einfach..."

„Wir finden sie zusammen, ich helfe dir aber du musst mir zuerst den Brief zeigen", forderte er mich auf.

Diesen hatte ich im Bad, auf den Fußboden fallen lassen und so führte ich Louis dorthin, der sich sogleich nach dem Blatt Papier bückte, um dieses aufzuheben und zu lesen. Auch sein Gesicht wurde leichenblass, als er die Zeilen in sich aufnahm, und er sagte: „Das kann nicht wahr sein! Sie liebt dich doch! Das weiß ich genau!"

Völlig fertig fuhr ich mit einer Hand durch mein Haar und murmelte: „Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Ich weiß nur, dass ich sie finden will."

„Ich werde dir helfen, Niall und ich denke, wir sollten vielleicht zu Trigger fahren. Immerhin ist er ihr Boss und er hat ihr schon einmal beigestanden, als sie untertauchen wollte."

Damit hatte Louis durchaus Recht und so kam es, dass wir einige Minuten später in seinem schwarzen Porsche saßen und durch London brausten. Normalerweise regte es mich immer auf, wenn Louis die Geschwindigkeitsregeln nicht einhielt, doch am heutigen Tage interessierte mich das nicht, im Gegenteil. Ich konnte es nicht erwarten, bei Trigger anzukommen und ihm diesen Brief zu zeigen.

Schließlich erreichten wir unser Ziel, das große Haus des mehrfachen Clubbesitzers, der ziemlich auf dem Boden geblieben war, obwohl er reichlich Kohle scheffelte.

Mit zitternden Fingern betätigte ich die Türklingel, Louis stand neben mir, seinen Arm um meine Schulter gelegt, während wir darauf warteten, dass uns jemand öffnete. Nach kurzer Zeit vernahmen wir Schritte, dann wurde die Tür aufgerissen und wir blickten auf einen verschlafenen Trigger, der mit einem Bademantel bekleidet vor uns stand.

„Warum nur wusste ich, dass ihr beiden mir bald einen Besuch abstatten würdet?", begrüßte er uns seufzend.

„Dürfen wir reinkommen?", fragte Louis, was Trigger mit einem Nicken beantwortete.

Schnell folgten wir ihm ins Innere des großen Hauses und wurden direkt ins Wohnzimmer geführt, wo Trigger uns einen Kaffee anbot, den wir jedoch ablehnten. Stattdessen kramte ich den Brief hervor, hielt ihm diesen unter die Nase und fragte: „Weißt du, wo Angel ist?"

Stirnrunzelnd begann Trigger zu lesen, seufzte kurz auf, um resigniert zu antworten: „Leider nicht und das müsst ihr mir glauben. Ich kann euch lediglich sagen, dass sie gestern hier aufgekreuzt ist, ihren Papagei dagelassen hat, und mir gesagt hat, dass sie verschwinden müsste."

„Bitte was?" Meine Kinnlade klappte nach unten, als Louis fassungslos keuchte: „Sie hat Angus hier gelassen?"

Trigger nickte stumm, wies mit seinem Kopf in Richtung einer Tür, welche vom Wohnzimmer abging, um dann zu sagen: „Er ist in diesem Raum."

„Können wir ihn sehen?", erkundigte ich mich, worauf der Clubbesitzer erneut nickte und voranging.

Wir folgten ihm auf den Fersen, betraten hinter ihm den Raum, in welchen Angus in einem Käfig, auf seiner Stange saß und ziemlich traurig dreinblickte. Er sah fast aus, als würde er heulen. Angel hatte so Recht, sein Gesicht besaß mehrere Facetten und heute lernte ich die traurige kennen.

Louis war der Erste, der auf den Käfig zuging, um den Papagei anzusprechen.

„Angus, Süßer, wie geht es dir? Vermisst du Angel?"

Ich beobachtete, wie er sanft über das Gefieder des Vogels streichelte, welcher einen kläglichen Laut von sich gab, der an ein Jammern erinnerte. Er trauerte ganz sicher, weil Angel ihn zurückgelassen hatte. Was war nur passiert?

„Vielleicht bekommt ihr ja etwas aus ihm heraus", kam es von Trigger, der sich umdrehte und den Raum verließ.

„Also wenn, dann muss ich das versuchen, dich hasst er ja", bemerkte Louis seufzend.

Doch so sehr mein Freund es auch versuchte, nichts funktionierte, denn Angus gab keinen Ton von sich. Selbst als Trigger mit einer Schale Erdbeeren auftauchte, aus welcher Louis nun eine herausnahm, um sie dem Papagei direkt vor den Schnabel zu halten, fruchtete das nicht.

„Es ist zwecklos, Niall, wir müssen es aufgeben und woanders nach Hinweisen suchen", meinte Louis, der mit seinem Latein am Ende zu sein schien.

Aber ich wollte nicht aufgeben, ich musste Angel finden, um die Sache zu klären. Sie sollte mir ins Gesicht sagen, dass sie mich nicht mehr liebte, erst dann würde ich bereit sein, sie gehen zu lassen.

Vorsichtig nahm ich die Schale mit den Erdbeeren in meine rechte Hand, drehte mich zu Louis und Trigger, und äußerte meine Bitte.

„Würdet ihr mich alleine lassen? Ich möchte unter vier Augen mit Angus reden."

Irritiert blicken die beiden zu mir, zuckten dann jedoch mit den Schultern und verließen das Zimmer, wobei Trigger die Tür hinter sich zuzog. Ich wartete noch einen kurzen Moment, bevor ich an den Käfig herantrat. Langsam nahm ich eine Erdbeere in meine linke Hand, welche nun in Richtung des Papageis wanderte, der beinahe regungslos auf seiner Stange saß und mit dem ich nun leise zu reden begann.

„Angus, hör zu, ich weiß, dass wir nicht gerade das beste Verhältnis haben. Ich weiß, dass du mich hasst, weil ich deine Erdbeeren alle aufgegessen habe. Dafür möchte ich mich wirklich entschuldigen, wenn ich gewusst hätte, dass sie dir gehören, hätte ich sie nicht angerührt, verstehst du?"

Er ließ mich nicht aus den Augen, gab jedoch weiterhin keinen Ton von sich.

„Wenn du weißt wo Angel ist, dann sage es mir bitte", versuchte ich es mit sanfter Stimme, was jedoch keine Reaktion hervorrief.

Nun musste ich wohl mein Herz bei ihm ausschütten und hoffen, dass er es begriff.

„Angus, ich liebe Angel, das tue ich von ganzem Herzen."

Meine Stimme zitterte ein bisschen, gleichzeitig fragte ich mich, was ich hier überhaupt tat. Ich redete mit einem Papagei, dem es vermutlich egal war, was ich von mir gab, doch ich war noch nicht bereit aufzugeben. Tränen bildeten sich in meinen Augen, als ich weiter redete.

„Bitte Angus, ich verspreche dir, dass ich Angel zu dir zurückbringen werde, wenn du mir sagst, wo sie ist. Ich weiß, dass du sie vermisst und das tue ich ebenfalls. Ich liebe sie wirklich, das musst du mir glauben!"

Meine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern, doch es schien keine Wirkung auf den Vogel zu haben, der mich nun aufmerksam fixierte, die Erdbeere in meiner Hand jedoch nach wie vor unbeachtet ließ.

Gerade als ich meine Hand zurückziehen wollte, schnappte er plötzlich nach der roten Frucht und begann diese zu verspeisen. Erwartungsvoll schaute ich ihn an, doch er sprach nicht. Mit einem unendlich tiefen Seufzer drehte ich mich um und wollte zur Tür gehen, denn so wie es aussah, konnte ich die Sache vergessen, da vernahm ich ein leises Krächzen.

Schnell drehte ich mich wieder zu Angus, ging einen Schritt auf den Käfig zu und hörte, wie er sagte: „Hunters Haus."

„Bitte was?" Erneut klappte meine Kinnlade nach unten.

„Sag das nochmal", forderte ich den Papagei auf.

„Hunters Haus", erklang es laut und deutlich in meinen Ohren.

„Angel ist zu Hunter geflogen?", vergewisserte ich mich nochmals.

„Hunters Haus", widerholte er, diese Mal ein wenig traurig.

Sollte ich das jetzt glauben oder nicht? Es war auf jeden Fall die einzige Spur, die ich verfolgen konnte.

„Ok, also wenn das stimmt, dann hole ich sie zurück, du hast mein Wort drauf", sagte ich und hielt ihm erneut eine Erdbeere vor den Schnabel, welche er nun vorsichtig nahm, um sie direkt zu verspeisen.

Eine Minute später tauchte ich ihm Wohnzimmer auf, wo Trigger und Louis auf der eleganten Ledercouch saßen und diskutierten.

„Los, komm, wir haben keine Zeit, du musst mich zum Flughafen fahren", forderte ich Louis auf.

„Hast du was herausbekommen?", erkundigte sich Trigger sofort.

„Ja, aber ich weiß nicht ob es stimmt, was Angus mir gesagt hat. Trotzdem bleibt mir keine andere Wahl, als es zu überprüfen", erklärte ich, worauf Trigger verständnisvoll nickte.

„Ich wünsche dir viel Glück, Niall", sagte er und klopfte mir gleichzeitig auf die Schulter, bevor ich mit Louis im Schlepptau verschwand.

Kaum waren wir in den Porsche eingestiegen, schaute Louis zu mir.

„Wo ist sie?"

„Hör zu, Angus hat gesagt Hunters Haus, aber bitte behalte das für dich, ok?"

„Klar." Louis startete den Motor und meinte nachdenklich: „Weißt du denn, wo Hunter Hayes wohnt?"

„Ich nicht, aber Angels Dad und deshalb werde ich nach Nashville fliegen."

„Dann nichts wie los!"

Louis trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, sodass die Räder des Porsche durchdrehten, was ihn jedoch null zu interessieren schien.

„Wir müssen bei Angels Wohnung halten, mein Reisepass ist im Koffer", erklärte ich, worauf mein Freund nickte.

„Du kannst ja den Koffer, so wie er rumsteht, gleich wieder mitnehmen."

„Das ist wohl wahr."

Nachdem wir das erledigt hatten, ging es schnellstmöglich zum Flughafen. Während Louis über den Verkehr fluchte und sich in jede noch so kleine Lücke zwängte, checkte ich auf meinem Handy die Flugverbindungen.

„In zwei Stunden geht ein Flug nach Nashville", brachte ich erleichtert hervor.

„Super, den erwischst du noch!"

„Bei deiner Fahrweise auf jeden Fall."

Mein Sarkasmus ermutigte ihn, das Gaspedal noch stärker durchzutreten, was dazu führte, dass wir in Rekordzeit vor dem Gebäude des Flughafen standen. Nach einer kurzen Verabschiedung rannte ich hinein, direkt zum Schalter der US Airways, wo ich jedoch sofort an das Gate verwiesen wurde, da die Zeit drängte. Gott sei Dank hatte ich während der Fahrt zum Flughafen bereits ein Ticket gekauft und online eingecheckt, was sich nun als Vorteil erwies.

Gerade als der Flug aufgerufen wurde, traf ich am Gate ein und durfte ohne Verzögerung den Bereich der ersten Klasse des Flugzeugs aufsuchen. Schwer atmend ließ ich mich auf dem Sitz am Fenster nieder und als der große Airbus abhob, begannen meine Gedanken sich im Kreis zu drehen.

Warum war sie zu Hunter geflüchtet? Wieso redete sie nicht mit mir über Probleme, die uns betrafen? Eigentlich hatte ich immer angenommen, dass wir eine gute, und vor allem ehrliche Beziehung führten, nachdem die anfänglichen Missverständnisse zwischen uns geklärt waren. Doch scheinbar sah Angel das anders.

Je länger ich über die ganze Sache nachdachte, desto unklarer wurde diese. Ich fand keine Antworten, sondern nur Fragen, welche mich bis zur Landung in Nashville beschäftigten.

Es war kurz nach zwei am Nachmittag, als das Flugzeug dort landete. Schnell schnappte ich meinen kleinen Koffer, der als Handgepäck durchgegangen war und lief zur Emigration Kontrolle, um anschließend den Taxi Stand aufzusuchen. Dort stieg ich in das nächstbeste Taxi und erklärte dem Fahrer, dass er mich zum Coopers in der Innenstadt bringen sollte. Er nickte daraufhin und setzte den Wagen unverzüglich in Bewegung.

Jede Minute, die ich warten musste, schien einer Ewigkeit zu gleichen. Ich konnte mir nicht einmal sicher sein, ob dieser Hinweis überhaupt stimmte, geschweige, ob Dan mir sagen würde, wo Hunter wohnte. Vermutlich wusste er nicht mal, dass sie mit mir Schluss gemacht hatte, aber das würde ich bald herausfinden.

Am Coopers angekommen, bezahlte ich den Taxifahrer und lief eilends in Richtung Eingang. Als ich die Tür aufstieß und eintrat, spürte ich Sams erstaunten Blick auf mir, der heute den Dienst hinter der Theke erledigte, und mich sogleich erkannte.

„Niall, was machst du denn hier?", begrüßte er mich überrascht.

„Ist Dan zu sprechen?", entgegnete ich nur, worauf Sam nickte.

„Er ist in seinem Büro, ich hole ihn gleich."

Sekunden später verschwand er, um kurz darauf mit Angels Dad zurückzukehren.

„Niall!" Dan ging mit schnellen Schritten auf mich zu, klopfte mir kurz auf die Schulter und bat mich dann, ihn in das Büro zu begleiten.

„Was machst du hier, Junge?", fragte er ein wenig verblüfft.

„Ich suche Angel und aus diesem Grund möchte ich gerne wissen, wo Hunter wohnt."

„Hunter? Wie kommst du denn darauf, dass er wissen könnte, wo sie sich aufhält?", lautete seine erstaunte Frage.

Nun kramte ich den Brief hervor, den Angel mir hinterlassen hatte und erzählte, was Angus von sich gegeben hatte.

„Er hat laut und deutlich gesagt Hunters Haus", erklärte ich und lehnte meinen Rücken gegen die Wand.

„Ich verstehe nicht, was los ist", begann Dan. „Angel ist gestern hier aufgekreuzt und hat mir gesagt, dass sie ein paar Tage abschalten muss, um für den DJ Contest fit zu sein. Sie hat mit keiner Silbe erwähnt, dass sie mit dir Schluss gemacht hat."

Es wurde immer mysteriöser.

„Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, was hier vorgeht", setzte er noch hinzu.

„Ich auch nicht, aber ich werde es herausfinden, wenn du mir sagst, wo Hunter wohnt."

Nun begann Dan schallend zu lachen, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Ich bekam jedoch sogleich die Erklärung für sein Benehmen geliefert.

„Hör zu, Niall, Angus ist ein schlauer Vogel und Angel ist ein schlaues Mädchen. Hunters Haus bedeutet nicht, dass sie bei Hunter Hayes ist, sondern in meiner kleinen Jagdhütte, verstehst du?"

Ein tiefes Atmen drängte sich aus meiner Brust, als ich den Zusammenhang begriff.

„Ja, natürlich. Hunter bedeutet Jäger."

„Ganz genau. Sie ist mit meinem Pick Up dorthin gefahren. Die Jagdhütte liegt ziemlich einsam in den Wäldern, an einem kleinen See. Ich werde dir den Weg dorthin erklären, denn das Navi kann dich nur bis zur letzten Ortschaft vor dem See lotsen."

Dan holte einen großen Zettel hervor, auf welchem er die Adresse der Ortschaft notierte. Anschließend zeichnete der den Weg zum See und zur Jagdhütte.

„Nachdem du den Ort hinter dir gelassen hast, fährst du etwa fünf Meilen geradeaus, dann macht die Straße eine scharfe Linkskurve. Direkt danach kommt eine Abzweigung nach rechts, dort musst du abbiegen. Du fährst dann ungefähr eine Meile gerade durch den Wald, auf einem Schotterweg. Wenn dieser zu Ende ist, beginnt es etwas holprig zu werden. Du kommst an eine kleine Kreuzung, an welcher du rechts abbiegst. Von dort aus kannst du schon die Hütte sehen."

„Ok, aber jetzt habe ich ein anderes Problem. Ich brauche einen Mietwagen."

Dan verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. „Nein, mein Sohn, den brauchst du ganz sicher nicht, denn ich leihe dir meinen Range Rover. Der hat Allrad Antrieb, du kommst dort überall durch."

„Du hast einen Range Rover?", fragte ich begeistert. „Ich nämlich auch!"

Nickend fuhr er fort. „Wir besitzen hier drei Autos, also kann ich auf zwei verzichten, aber denk daran, hier herrscht das Rechtsfahrgebot und das Lenkrad befindet sich für dich auf der falschen Seite. Außerdem musst du dich an die Automatik Schaltung gewöhnen, aber das ist easy."

„Wenn es weiter nichts ist", seufzte ich, bevor ich Dan nach draußen folgte, der mich nun zu seinem Wagen führte, welcher im Hof parkte.

„Er ist vollgetankt, die Schlüssel stecken."

„Danke, ich werde ihn dir wieder mit vollem Tank zurückbringen."

Seine blauen Augen schauten mich eindringlich an, als er sagte: „Das musst du nicht, es ist wichtiger, dass du Angel zurückbringst. Denn hier stimmt etwas ganz und gar nicht."

„Das glaube ich auch."

Als ich die Tür zur Fahrerseite öffnete, hörte ich wie Dan mir zurief: „Sei vorsichtig, sie hat eines meiner Gewehre mitgenommen, weil sie alleine in den Wäldern ist."

Manchmal vergaß ich, wie locker die Gesetze bezüglich des Waffenbesitzes in Amerika gehandhabt wurden und, dass Angel in ihrem Herzen mehr Amerikanerin als Engländern war. Aber genau das liebte ich so an ihr.

Seit drei Stunden war ich nun schon unterwegs, entfernte mich immer mehr der Zivilisation und drang in die Wildnis von Tennessee vor, welche mir wahrscheinlich gut gefallen hätte, wäre der Grund meines Besuches ein anderer gewesen.

Immerhin wusste ich, wo Angel sich aufhielt, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie mir diesen Brief hinterlassen hatte, der mein Herz zerbrach. Wusste sie denn nicht, wie sehr ich sie liebte? Dass sie mir all ihren Problemen zu mir kommen konnte?

Scheinbar vertraute sie mir nicht genug, oder ihre Liebe zu mir war nicht so stark, dass sie bereit war zu kämpfen. Was stand nur zwischen uns?

Während ich vor mich hin grübelte, registrierte ich, dass ich nun das Ortsschild passierte, von welchem Dan gesprochen hatte. Gleich würde ich mich nicht mehr auf die Elektronik, sondern auf mich selbst und eine Skizze verlassen müssen. Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen, was das Ganze natürlich erschwerte.

Die Scheinwerfer des Wagens leuchteten die Straße vor mir gut aus, doch ich konnte nicht schnell fahren, da es neblig wurde.

„Mist, verdammter", schimpfte ich vor mich hin.

Langsam näherte ich mich der scharfen Kurve, von welcher Dan gesprochen hatte und bog, nachdem ich diese hinter mir gelassen hatte, rechts ab. Der Range Rover war dafür gemacht, auf diesen Wegen zu fahren und so kümmerte es mich nicht, dass es sich um eine Schotterstraße handelte, auf der ich nun tief in den Wald hineinfuhr, um irgendwann auf einem unbefestigten Weg zu landen, der sich wirklich sehr holprig anfühlte.

Nach relativ kurzer Zeit sah ich auch schon die kleine Einmündung auf der rechten Seite, in welche ich nun einbog. Kaum war dies geschehen, tauchte eine Hütte vor meinen Augen auf, vor der ich den Range Rover abstellte.

Kein Laut war zu hören, außer ein Rascheln im Gebüsch, als ich ausstieg und die Tür leise schloss. Ich wollte Angel nicht erschrecken, aber vermutlich hatte sie den Wagen sowieso schon gehört. Vorsichtig näherte ich mich dem Eingang zur Hütte, bei jedem Schritt knarrte das Holz der abgebrochenen Äste unter meinen Füßen, was bewirkte, dass mir fast das Herz stehenblieb. Doch meine Angst wurde noch größer, als ich plötzlich in den Lauf einer Schrotflinte blickte, welche auf mich gerichtet war.

„Keinen Schritt weiter, oder..."

Angels Stimme brach abrupt ab, als sie in meine Augen schaute.

„Niall", keuchte sie völlig überrascht.

„Ja, Angel. Ich weiß, du hättest nicht gedacht, dass ich hier aufkreuze."

Ich musste den coolen Macho spielen, sie sollte nicht spüren, wie sehr sie mich verletzt hatte.
Langsam holte ich nun den Brief aus meiner Jackentasche hervor, während Angel das Gewehr sinken ließ.

„Kannst du mir vielleicht erklären, warum du das geschrieben hast?", forderte ich sie ohne Umschweife auf.

In ihren wunderschönen Augen glänzten Tränen, als sie zu ihrer Antwort ansetzte, die mein Herz zum Rasen brachte.

„Weil ich dich liebe."

Jetzt verstand ich gar nichts mehr.
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Ihr versteht jetzt sicher auch nichts mehr, aber die Auflösung kommt im nächsten Kapitel!

Ich bin ziemlich gespannt auf eure Kommentare, um ehrlich zu sein und ich möchte mich an dieser Stelle für eure Unterstützung bedanken.

LG, Ambi xxx


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