22. Kiss and bite
Ich konnte nicht fassen, dass Niall einfach so verschwand, ohne mir einen Abschiedskuss zu geben! Da stand ich nun mit meinem Handy in der Hand und war ziemlich sprachlos. Sekunden später flogen meine Finger jedoch über das Display, um ihm eine Nachricht zu schreiben.
„Niall Horan, deine Lippen und deine Zunge durften Stellen meines Körpers erkunden, die andere niemals zu sehen bekommen werden, geschweige denn anfassen dürfen! Und du weigerst dich nun, deine Lippen auf meinen Mund zu legen?!"
Kurz darauf kam folgender Text zurück: „Angel Cooper, das war, bevor wir angefangen haben uns zu daten. Der nicht stattgefundene Kuss dient dazu, die Ernsthaftigkeit meiner Absichten zu unterstreichen. Aber wie wäre es denn mit einem zweiten Date, morgen Vormittag zum Frühstücken? Ich komme gerne bei dir vorbei und bringe was vom Bäcker mit. Schlaf gut, Niall."
Es war ihm tatsächlich gelungen, mich ein zweites Mal sprachlos dastehen zu lassen, eine Sache, die sehr selten vorkam. Aber der Ire schien mit allen Wassern gewaschen und ziemlich schlagfertig zu sein, eine Eigenschaft, die ich wirklich mochte, speziell an ihm.
Mit einem leichten Schmunzeln, welches meine Mundwinkel umspielte, steckte ich das Handy in die Tasche meines Mantels und schloss anschließend die Wohnungstür hinter mir. Bevor ich überhaupt dazu kam, mich der Stiefel und dem Mantel zu entledigen, vernahm ich Angus' Geschrei.
„Aaaaaaaaaaaaaangel!"
Ich rannte buchstäblich durch den Flur, um meinen Papagei zu begrüßen.
„Angus, mein Date mit Niall war toll! Was sagst du dazu?", fragte ich, während er auf meinen Arm Kletterte.
„Niaaaaaaaaaaaall! Niaaaaaaaaall ist ein Idiot!", schrie er laut und deutlich.
„Nein! Ist er nicht!", versuchte ich ihm klar zu machen.
Es würde ziemlich peinlich werden, sollte Angus diesen Satz morgen in Nialls Gegenwart loslassen. Sogleich fiel mir ein, dass ich ihm ja noch auf seine Nachricht antworten sollte.
„Das mit dem Frühstück geht klar, aber bitte nicht vor elf, ich bin Langschläfer!" textete ich schnell.
„Ich auch und ich freue mich auf morgen", kam es zurück.
Das hörte sich gut an und plötzlich konnte ich ihm auch nicht mehr böse sein, weil er mir einen Kuss vorenthalten hatte. Umso größer waren meine Vorfreude und vor allem die Neugierde, wann das wohl passieren würde. Mein Adrenalinspiegel war im Moment derart hoch, dass ich mich unmöglich ins Bett legen konnte, um zu schlafen. Und so beschloss ich, endlich das neue Album von One Direction anzuhören, nachdem ich Angus zurück auf seine Stange gesetzt hatte. Obwohl ich den ersten Titel Steal my Girl bereits kannte, hörte ich ihn mir trotzdem an.
Ich wollte das komplette Album als Einheit genießen, meine Gedanken mit der Musik in Einklang bringen und vielleicht schon eine gute Idee für einen meiner neuen Mash-ups entwickeln. Die Stimmen der Jungs waren ein Traum und fügten sich perfekt in die Musik ein. Jedes einzelne Solo hörte sich toll an, genauso verhielt es sich, wenn sie alle gemeinsam sangen. Doch Nialls Stimme ging mir einfach unter die Haut und zwar so extrem, dass ich mich kaum noch richtig auf die Musik konzentrieren konnte.
Ich konnte nicht fassen, wie gut er sein Solo in Where Do Broken Hearts Go gleich am Anfang präsentierte und es war klar, dass dieser Song eines meiner neuen Lieblingslieder sein würde. Dies war jedoch nicht der einzige Song, der es mir so angetan hatte, denn als ich Louis' Stimme in No Control hörte, geriet ich innerlich schon wieder ins Schwärmen.
Als ich das Album zu Ende gehört hatte, stand für mich fest, dass es das bisher beste von One Direction war. Ich zog den Hut vor der persönlichen Entwicklung der Jungs, was man deutlich an den Songtexten erkennen konnte. Hinzu kam, dass diese Lieder wirklich eine Einheit bildeten, sie schienen ihren Weg, ihren ganz persönlichen Stil gefunden zu haben. Nicht umsonst belegte dieses Album den ersten Platz in USA, Großbritannien und diversen anderen Ländern, was mich ziemlich stolz auf meine Freunde werden ließ.
Jetzt konnte ich entspannt und guten Gewissens einschlafen und vor allem würde ich morgen dazu in der Lage sein, mit Niall über das neue Album sprechen zu können.
Ich benötigte am nächsten Morgen nicht einmal einen Wecker, um rechtzeitig wach zu werden, obwohl ich diesen natürlich sicherheitshalber gestellt hatte. Aber ich fühlte mich so aufgedreht und freute mich zudem riesig auf das Frühstück mit Niall. Bevor er auftauchte, sprang ich schnell unter die Dusche und füllte anschließend Angus' Futternapf mit Körnern. Seine Erdbeeren sollte er später von Niall bekommen, denn ich wollte, dass die beiden sich richtig anfreundeten. Natürlich impfte ich Angus dahingehend, dass ich ihm den Satz „Niall ist ein Idiot" verbot auszusprechen und konnte jetzt nur hoffen, dass er dies auch verinnerlichte. Ansonsten würde ich nämlich ziemlich dumm dastehen und Niall eine verdammt gute Erklärung schulden.
Leise vor mich hin summend deckte ich den Tisch in der Küche und stellte dann die Kaffeemaschine an. Morgens brauchte ich immer Koffein, um richtig in Gang zu kommen. Anschließend föhnte ich meine Haare nur am Ansatz trocken und zog eine bequeme Jeans, sowie einen meiner neuen Pullover über. Als die Türglocke ertönte, rannte ich förmlich durch den Flur, zur Sprechanlage.
„Hallo, wer ist da?"
„Der Brötchen-Bote", vernahm ich Nialls Stimme.
Ich konnte mir richtig vorstellen, wie er grinste, als ich den Türöffner mit klopfendem Herzen betätigte. Voller Ungeduld wartete ich nun darauf, dass er die Treppe nach oben gelaufen kommen würde und musste grinsen, als er endlich in mein Blickfeld gelangte.
„Guten Morgen, Angel."
„Guten Morgen, Niall."
Der Duft seines Aftershaves stieg sofort in meine Nase und erinnerte mich an all die Dinge, die wir bereits in betrunkenem Zustand angestellt hatten. Eigentlich musste ich es ihm hoch anrechnen, dass er nun eher zurückhaltend reagierte.
Niall folgte mir unaufgefordert in Richtung Küche, doch bevor wir diese erreichten, blieb er plötzlich stehen und schaute in meine Augen. Sein Blick war dermaßen heiß, dass meine Knie weich wurden.
„Wir haben etwas vergessen, Angel".
Das raue Wispern erzeugte eine Gänsehaut auf meinem Körper, doch ich schien wie gelähmt durch seinen Blick zu sein. Bevor ich richtig wusste, was geschah, drückte Niall mich sanft gegen die Wand und begann mich zu küssen. Als ich spürte, wie seine Zunge vorsichtig über meine Lippen streichelte, brannte alles in mir lichterloh. Ich öffnete meinen Mund und legte meine Arme um seinen Nacken, um mich voll und ganz diesem Kuss hinzugeben. Erst als Niall diesen unterbrach, erwachte ich aus meiner Trance.
„Niall, was..."
„Shhhhhhhhht."
Er legte seinen Zeigefinger auf meinen Mund, gleichzeitig flüsterte er: „Neuer Tag, neues Date und ich küsse immer beim zweiten Date und das ziemlich heftig."
„Es wird also noch heftiger?", entfuhr es mir, worauf er lächeln musste.
„So heftig, wie du es willst, mein kleiner Engel."
Mit einem verschmitzten Grinsen fuhren meine Hände durch seine wundervollen, weichen Haare, die er am heutigen Tag nicht gar so sehr nach oben gestylt hatte.
„Willst du mich heiß machen?", hörte ich ihn flüstern.
„Wieso?"
„Weil ich total darauf abfahre, wenn eine Frau mit meinen Haaren spielt", entgegnete er, bevor er meine Handgelenke festhielt und mir einen leichten Kuss auf die Nasenspitze drückte.
„Komm, lass uns frühstücken, ich habe einen Bärenhunger!"
„Wann hast du den eigentlich nicht?", fragte ich lachend, worauf Niall mich kurz in die Seite zwickte.
Gemeinsam setzten wir uns nun an den Tisch und als ich die Tüte aus der Bäckerei öffnete, befanden sich keine Brötchen, sondern Croissants darin.
„Oh mein Gott! Croissants! Woher weißt du, dass ich die total mag?"
Mein überraschter und erfreuter Blick ging zu Niall, der nur grinste.
„Ich wusste es gar nicht, ich habe es einfach mal darauf ankommen lassen", lautete seine überaus lässige Antwort.
„Ich liebe dich, echt! Nur wegen diesen Croissants!"
Und schon befanden sich meine Lippen erneut auf seinen, um meine Dankbarkeit mit einem Kuss auszudrücken.
„So viel zu dem Thema, wir lassen es langsam angehen", bemerkte Niall trocken, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten.
Anschließend nahm er ein Croissant aus der Tüte, bestrich dieses mit Butter, sowie Marmelade und hielt es direkt vor meinen Mund, damit ich abbeißen konnte. Er fütterte mich mit solch einer Hingabe, dass ich gar nicht mehr selbstständig essen wollte. Das nächste Croissant teilten wir uns, indem jeder abwechselnd hineinbeißen durfte, was schließlich damit endete, dass mein Mund mit Marmelade beschmiert war, die Niall einfach wegküsste.
„Du schmeckst süß, Angel", kommentierte er mit einem Augenzwinkern.
„Du auch", erwiderte ich mit noch fast vollem Mund.
Insgesamt verspeisten wir zehn Croissants, Niall sieben und ich drei, immer auf die gleiche Art und Weise. Dazwischen plauderten wir angeregt über alles Mögliche, auch das One Direction Album kam natürlich zur Sprache. Niall freute sich, dass dieses mir gefiel und hörte sich an, wie ich davon schwärmte und bereits über neue Mash ups nachdachte. Danach wurde unser Gespräch in eine ganz andere Richtung gelenkt. Es ging dabei um Reisen in fremde Länder und als Niall von einem Steakrestaurant in Paris schwärmte, sagte ich: „Weißt du eigentlich, dass es mein größter Traum ist, mal nach Paris zu reisen? Ich war noch nie dort, möchte aber zu gerne einmal hin."
Er schaute mich fast ungläubig an, als er sagte: „Du warst wirklich noch nie dort? Das ist so nah und von London aus super gut zu erreichen."
„Ich weiß, aber Tessa war nicht so der Typ für Reisen", erklärte ich wehmütig.
„Verstehe."
Nun legte Niall seine Hand auf meine. „Irgendwann Angel, kommst du auch nach Paris. Und dann essen wir Croissants zum Frühstück!"
„Versprich mir so etwas nicht, wenn du es nicht halten kannst", zog ich ihn auf.
Der Blick aus seinen blauen Augen bescherte mir schon wieder ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch.
„Ich verspreche nur das, was ich auch halten kann", erwiderte er mit ernster Stimme.
Plötzlich stieg das Gefühl in mir auf, dass er mir sehr viel mehr geben konnte, als ich es mir je erträumt hatte. Meine Augen schauten noch immer in seine, als er nach meiner Hand griff. Sofort verschränkten sich unsere Finger ineinander, so als ob sie uns verdeutlichen wollten, dass wir wirklich zusammen gehörten. Ich wollte ihn nicht mehr loslassen und das nicht nur bildlich gesprochen. Niall sollte einen festen Platz in meinem Leben haben, ich wollte eine ernsthafte Beziehung mit ihm eingehen und keinen One Night Stand. Glücklicherweise schien er ähnlich zu denken, denn er sagte plötzlich: „Angel, ich meine es wirklich ernst mit uns. Du bedeutest mir echt viel und ich würde mich freuen wenn..."
Ich ließ ihn nicht ausreden, sondern ging zum Angriff über, indem ich mich auf seinen Schoß setzte und ihn einfach zärtlich zu küssen begann. Seine Mundwinkel zogen sich ein wenig nach oben, gleichzeitig legte er seine Hände sanft auf meinen Hüften. Besitzergreifend umschlangen meine Arme nun seinen Nacken, während meine Hände erneut mit dem Haaransatz in seinem Genick spielten.
„Du willst mich doch heiß machen, oder?", sagte er mit einem Augenzwinkern.
„Vielleicht will ich ja sehen, wie schnell du außer Kontrolle gerätst", meinte ich grinsend, was ihm ein Lachen entlockte.
Vorsichtig schmiegte ich nun meine Wange an seine, schloss meine Augen und ließ mich einfach von meinen Gefühlen treiben. Alles hätte wunderschön sein können, wenn Angus nicht plötzlich angefangen hätte Irish Love Affair zu singen.
Nialls Aufschrecken wurde von mir ebenso entsetzt wahrgenommen, wie seine erstaunten Gesichtszüge. Er musterte mich gründlich, grinste dann jedoch und sagte: „Irish Love Affair klingt auch nicht schlecht. Aber mich würde jetzt brennend interessieren, warum er das abwandelt. Hast du ihm das beigebracht?"
Ich konnte förmlich spüren, wie mein Gesicht rot anlief. Das alles war so super peinlich, wie konnte Angus mir das nur antun? Und was sollte ich Niall jetzt darauf antworten?
„Weißt du...", stotterte ich unbeholfen. „Das kam daher..., also ich meine, das war, als..."
„Als du dachtest, dass ich ein hirnloses, egoistisches Arschloch sei, das nur mit den Gefühlen anderer Leute spielt", vollendete Niall meinen Satz mit seinen eigenen Worten.
„Bitte sei mir nicht böse!"
Voller Scham vergrub ich mein Gesicht in seinen Haaren, die wundervoll dufteten, genau wie sein Aftershave.
„Ich bin dir nicht böse, mein kleiner Engel", wisperte er mit sanfter Stimme in mein Ohr. „Du wusstest es ja nicht besser."
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich ihn reden hörte und für eine Sekunde dachte ich, dass wir das Schlimmste für heute überstanden hätten. Doch Angus legte jetzt erst richtig los.
„Angel!", stöhnte er meinen Namen mehrmals in Nialls Stimmlage, was den Iren fast vom Stuhl fallen ließ, während er mich leicht schockiert anschaute.
„Was tut er da?"
„Er imitiert deine Stimme", erwiderte ich beschämt. „Weißt du, er macht das einfach so, und ich habe keine Ahnung, wie ich es ihm wieder abgewöhnen soll."
„Du magst es also nicht, wenn er mich imitiert, wie ich deinen Namen stöhne?", fragte Niall schelmisch. „Du willst nicht an diese Nacht erinnert werden?", zog er mich weiter auf.
„Niall!"
„Ich mag es lieber, wenn du meinen Namen stöhnst, anstatt so zu schreien."
„Niall!"
Bevor ich oder auch er dazu kamen noch etwas zu sagen, griff Angus den Namen dankbar auf, indem er nun „Niall" in meiner Stimmlage stöhnte. Mein Freund, zumindest glaubte ich, ihn nach dem gestrigen Abend so nennen zu können, begann nun hemmungslos zu lachen. Er konnte sich kaum noch auf dem Stuhl halten, während Tränen aus seinen hübschen, blauen Augen strömten.
„Das ist absolut genial!", stieß er hervor. „Dieser Vogel ist der Brüller! Ich liebe ihn!"
Langsam verzog sich mein Gesicht zu einem Lächeln. Ich war froh, dass Niall einen wirklich tollen Humor besaß und überhaupt nicht böse zu sein schien. Meiner Ansicht nach war es nun an der Zeit, dass er und Angus Freundschaft schließen sollten. Also rutschte ich von seinem Schoß, um zum Kühlschrank zu laufen, damit ich eine Erdbeere aus dem Obst-und Gemüsefach herausholen konnte.
„Komm, lass uns zu Angus gehen. Es wird Zeit, euch beide richtig miteinander bekannt zu machen. Ihr habt euch ja bisher nur einmal kurz gesehen", sagte ich.
Niall kam dieser Aufforderung sofort nach, indem er meine freie Hand ergriff und gemeinsam mit mir das Wohnzimmer aufsuchte. Dort saß Angus munter auf seiner Stange. Als er uns erblickte, sah er etwas pikiert aus, was mir sagte, dass ich nun vorsichtig sein musste.
„Hey, mein Süßer", begann ich und streichelte über das Gefieder an seinem Rücken.
Angus spreizte kurz seine Flügel, krächzte leise und öffnete seinen Schnabel, als ob er gähnen würde.
„Los, streck deine Hand aus", flüsterte ich Niall zu, der gehorsam tat, was ich verlangte.
Nun platzierte ich die Erdbeere mitten auf seiner Handfläche, schaute zu Angus und forderte meinen Papagei dazu auf, die rote Frucht entgegen zu nehmen.
„Du musst etwas näher an ihn herangehen", sagte ich leise, was Niall auch tat.
„Nimm sie in die Finger und halte sie direkt vor seinen Schnabel", kommandierte ich.
„Ok."
Kaum befanden sich Nialls Finger in der Nähe von Angus' Schnabel, schnappte mein Papagei blitzschnell zu, jedoch nicht nach der Erdbeere.
„Autsch! Dein Geier hat mich gebissen!"
Entsetzt blickte ich auf Nialls blutenden Zeigefinger, als mein Herz zu rasen begann.
„Angus, was fällt dir ein!", fauchte ich ungehalten, dass mein Papagei den Kopf einzog.
„Da ist nur ein Kratzer, Angel", meinte Niall, verzog jedoch ein wenig schmerzhaft das Gesicht.
„Ich weiß, wie weh es tut, wenn er beißt, also brauchst du mir nichts vorzumachen", erwiderte ich, packte ihn am Arm und schleifte ihn buchstäblich ins Bad.
„Ich mache dir jetzt Jod drauf, ok?"
Als Niall auf dem Rand der Badewanne saß, begann ich vorsichtig die kleine Wunde mit der jodhaltigen Salbe zu betupfen.
„Du machst das toll, Angel", vernahm ich Nialls ruhige Stimme.
„Sicher nicht so gut wie du, als du mein Knie verarztet hast", erwiderte ich leise.
„Ganz sicher genauso gut", wisperte er und zog mich mit seiner freien Hand zu sich, nachdem ich ein kleines Pflaster auf seine Wunde geklebt hatte.
Als unsere Lippen sich berührten, spürte ich erneut die Armee von Schmetterlingen in meinem Bauch. Ohne darüber nachzudenken, setzte ich mich auf seinen Schoß, bevor wir in einem innigen Kuss versanken, der zunehmend heißer wurde. Er raubte mir fast den Verstand, so gut fühlte es sich an, als unsere Zungen miteinander spielten. Ich hatte Niall so sehr vermisst und gleichzeitig spürte ich die heftige Zuneigung, die uns miteinander verband, immer stärker. Wir konnten uns nicht loslassen, weder innerlich noch äußerlich und irgendwann würden wir den Weg bis zum Ende gehen. Jedoch nicht heute, das war sicher.
Als wir unseren Kuss unterbrachen, schaute er mit einem liebevollen Blick in meine Augen, was mich leicht zum Zittern brachte. Dann hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn. Mein Blick wanderte nun zu seinem lädierten Finger, was ihn dazu veranlasste zu sagen: „Es ist nur ein Kratzer, Angel. Mach dir keine Gedanken. Vielleicht ist Angus heute schlecht drauf, immerhin ist er ein Lebewesen und kein Roboter."
„Es tut mir so leid, dass er dich gebissen hat und ich kann mir auch nicht erklären wieso", wisperte ich.
Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, keimte ein Verdacht in mir auf. Angus musste uns in dieser ganz bestimmten Nacht sehr genau beobachtet haben. Und vermutlich hatte er auch gesehen, dass Niall seine Erdbeeren aus meinem Bauchnabel verspeiste, eine nach der anderen, bis keine mehr übrig war. Zudem musste er den Zusammenhang erkannt haben, als ich ihm am nächsten Tag erklärte, dass es heute keine Erdbeeren, sondern Mango zu fressen geben würde. Angus hasste es, wenn jemand sein Futter und dann auch noch vor seinen Augen aufaß. Bestimmt war er noch immer unglaublich wütend auf Niall, etwas, was sich nicht so leicht beheben lassen würde.
„Oh nein!"
Gequält stöhnte ich auf, worauf Niall erstaunt fragte: „Was ist denn?"
„Ich glaube, ich weiß, warum Angus sauer auf dich ist", versuchte ich es milde auszudrücken, da ich ihm nicht sofort sagen wollte, dass mein Papagei ihn wahrscheinlich abgrundtief hasste.
„Warum ist er denn sauer auf mich?"
„Weil du seine Erdbeeren aufgegessen hast und zwar alle."
Stirnrunzelnd saß der Ire auf der Badewanne, man sah ihm an, dass er gründlich überlegte.
„Du meinst, in dieser Nacht, als..."
„Ja, genau, das meine ich."
Niall fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare, was unglaublich sexy auf mich wirkte. Leider hatte ich keine Zeit, noch länger darüber nachzudenken, denn er lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Frage, die er nun stellte.
„Und was kann ich tun, um das wieder gutzumachen?"
Ich schluckte kurz, bevor ich antwortete. „Vermutlich gar nichts. Es ist nicht so einfach mit ihm, denn er ist sehr, sehr störrisch, was das angeht."
„Es ist schlecht, wenn dein Papagei mich nicht mag, denn ich weiß, wie sehr du ihn liebst", kam es jetzt von Niall, der ganz geknickt wirkte.
„Eigentlich solltet ihr euch gut verstehen", seufzte ich. „Aber weißt du was? Er hat Tessa mehrmals gebissen und zwar ohne jeglichen Grund. Einfach, weil er sie nicht mochte und nur geduldet hat. Er wusste, dass wir zusammen waren aber er hat sie nie vermisst, nachdem ich ausgezogen bin."
Es war bereits das zweite Mal an diesem Tag, dass ich Tessas Namen in Nialls Gegenwart erwähnte. Normalerweise fiel mir das sehr schwer, doch ihm gegenüber konnte ich mich relativ leicht öffnen. Außerdem sollte Niall auch über die vielleicht unbedeutenden Kleinigkeiten informiert sein, die in meinem früheren Leben vorgefallen waren.
„Dann entwickelt Angus also so etwas wie Sympathien und Antipathien für deine Freunde?", erkundigte sich Niall interessiert.
„Das tut er. Er mag Trigger und auch Louis unheimlich gerne, kann meine Mum aber nicht so gut leiden", antwortete ich wahrheitsgetreu. „Bei dir ist der Fall nun kompliziert. Ich glaube nicht, dass er etwas gegen dich hatte, bis zu dem Zeitpunkt, als du seine Erdbeeren gegessen hast", setzte ich noch hinzu, was prompt von Niall kommentiert wurde.
„Ja, aus deinem Bauchnabel schmecken sie besonders gut."
Dabei grinste er über das ganze Gesicht. Eigenartigerweise erinnerte mich dieses Grinsen daran, dass ich noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte.
„Ich wollte dich schon die ganze Zeit etwas fragen", begann ich deshalb.
„Tu dir keinen Zwang an. Noch bin ich in der Lage zu antworten, aber das könnte sich ändern, wenn Angus sich erneut auf mich stürzt."
Sein Humor war einfach genial, trotzdem brachte dieser mich nicht davon ab, eine wichtige Frage zu stellen.
„Was genau hast du Louis eigentlich über diese ganz bestimmte Nacht erzählt?"
„Ähm, nur das Wichtigste. Also das, was er wissen musste, um sich ein Bild machen zu können."
Ich verschränkte beide Arme vor meiner Brust, als ich stirnrunzelnd meinte: „Das hat sich für mich aber anders angehört. Er sagte, er würde alle Einzelheiten kennen."
„Quatsch, er weiß nur, dass..."
Niall unterbrach sich selbst, schaute in meine Augen, bevor er erneut zum Reden ansetzte. „Er hat mir quasi unterstellt, dass ich mich von dir zum Höhepunkt haben lasse und ich habe ihn nur darüber aufgeklärt, dass es anders herum gewesen ist."
Ich konnte nicht verhindern, dass ich errötete, als ich fragte: „In allen Einzelheiten?"
Jetzt grinste Niall, schüttelte seinen Kopf, um dann zu sagen: „Das brauchte ich nicht. Louis weiß schließlich auch wie das geht."
Anschließend legte er seine Arme um mich, hauchte er mir einen Kuss auf die Lippen und wisperte dann: „Hab ich dir heute schon gesagt, dass du verdammt heiß aussiehst?"
„Nein, aber du hast es mich spüren lassen", flüsterte ich zurück.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir den kompletten Tag, den Abend und die Nacht miteinander verbringen können, aber nicht weil ich mit ihm schlafen wollte, denn das hatte noch Zeit. Es ging mir nur darum, gerade am Anfang so viel Zeit wie nur möglich miteinander verbringen zu können.
„Schade, dass wir heute Abend nicht miteinander ausgehen können", seufzte ich nun. „Ich muss ja arbeiten."
„Na ja, ausgehen fällt zwar flach aber was hindert mich daran, meine Freundin bei der ihrer Arbeit zu betrachten?", erwiderte Niall schelmisch grinsend.
Ja, was hinderte ihn daran, heute Abend den Club zu besuchen?
„Eigentlich nichts", erwiderte ich lachend.
„Ok, dann würde ich sagen, wir haben nachher noch eine Verabredung, auf die ich mich schon wahnsinnig freue."
Als wir danach in einem sehr intensiven Kuss versanken und ich glaubte, dass es nichts mehr geben würde, was meinen Tag und unser Date noch vermiesen könnte, hörte ich, wie Angus laut und deutlich schrie: „Niall ist ein Idiot!"
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Ja, ja, ich gebe es zu: Angus ist der heimliche Star dieses Kapitels! :D
Wie findet ihr die Entwicklung zwischen Niall und Angel und was denkt ihr wohl, wie Niall im nächsten Kapitel auf Angus' letzten Satz reagieren wird?
Danke für die zahlreichen Votes und Kommis!
LG, Ambi xxx
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