17. Tattoo
Als ich am nächsten Morgen in der Maschine saß, die mich nach Nashville bringen würde, hatte ich das Gefühl, jede Menge Ballast hinter mir zu lassen. Es tat so gut, das kalte, nebelige London für ein paar Tage verlassen zu können und der Misere zu entgehen, die sich noch immer in meinem Kopf und in meinem Herzen abspielte.
Doch das würde sich bald ändern, denn kaum befand sich das Flugzeug über den Wolken, holte ich meinen iPod hervor, platzierte die In-Ears in meinen Ohren und drückte auf die Play-Taste, nachdem ich mich bequem im Sitz zurückgelehnt hatte. Gleich der erste Song, der ertönte, gehörte in das Genre Country Music. Diese hörte ich bevorzugt, wann immer ich nach Nashville, der Country Metropole schlechthin, flog. Natürlich auch, um mich darauf einzustimmen, denn diese Art Musik würde ich in den nächsten Tagen im Überfluss genießen können.
Meinen Musikgeschmack konnte man durchaus als breit gefächert beschreiben, denn privat hörte ich nicht nur das, was für meine Arbeit in Frage kam. Eigentlich konnte man auf meinem iPod alles, außer klassischer Musik finden, doch heute hatte Country Vorrang vor allem.
Ich musste grinsen, als ich das Album eines Interpreten anhörte, den ich persönlich ziemlich gut kannte. Wir hatten uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, genauer gesagt, lag dies fast ein Jahr zurück.
Unweigerlich dachte ich an die Zeit, als ich meinem Dad während der Sommerferien immer einen Besuch abgestattet hatte. Dies schien eine Ewigkeit her zu sein und bevor meine Gedanken zu jenem Ereignis wandern konnten, das mich so sehr geprägt hatte, wurden die ersten Getränke serviert. Ich begnügte mich mit einer eiskalten Cola mit viel Eis, denn mein Körper benötigte etwas, um später die sechs Stunden Zeitunterschied zu verkraften, was jedoch auf der Hinreise nicht so schlimm werden würde.
Nachdem ich vom Musikhören genug hatte, durchstöberte ich das Programheft der Airline, damit ich im Bilde war, welche Filme zum Anschauen angeboten wurden. Meine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen, als ich den Titel This is us erblickte. Ich war weit davon entfernt, mir den Film von One Direction anzuschauen, der mir nur unliebsame Erinnerungen an Niall bescheren würde. Sogleich fiel mir ein, dass ich zwar das neue Album Four bereits seit einigen Tagen heruntergeladen, aber noch gar nicht angehört hatte. Irgendwie verspürte ich im Moment auch keinen Drang hierzu, denn Nialls Stimme würde Messerstiche in meinem Herzen produzieren. Dies ließ mich wissen, dass ich noch lange nicht über ihn hinweg war und auch, wie tief meine Gefühle für ihn gewesen sein mussten.
Ärgerlich über mich selbst, klappte ich das Programmheft wieder zu und suchte nach einem Film, der mich ablenken konnte. Schließlich fiel meine Wahl auf den zweiten Teil von Hobbit. Dieser Film besaß Überlange und garantierte somit, dass die Zeit schnell verging.
Zwischendurch wurde das Essen serviert, sowie immer wieder frische Getränke gereicht. Nachdem der Film zu Ende gegangen war, hörte ich erneut Musik, wobei ich ziemlich schnell müde wurde und einschlief. Es war nicht das Schlechteste, den langen Flug so zu verbringen, denn umso fitter würde ich den heutigen Abend in Nashville bestreiten können.
Irgendwann setzte das Flugzeug zur Landung an, was ein Lächeln auf mein Gesicht zauberte. Gleich würde ich meinen Dad sehen und da ich dieses Mal clever gewesen war und nur einen kleinen Trolley, welcher als Handgepäck durchging, mitgenommen hatte, brauchte ich auch keine unnötige Zeit an der Gepäckausgabe zu verschwenden.
Dank meines amerikanischen Passes konnte gleich den Schalter für die Residents benutzen, an welchem natürlich sehr viel weniger Andrang herrschte. Innerhalb weniger Minuten befand ich mich auch schon am Ausgang, der in die Halle führte, in der mein Dad mit vielen anderen zusammen auf die Ankunft der Passagiere wartete. Als ich ihn erblickte, rannte ich sofort los und fiel ihm um den Hals.
„Dad!"
„Hey, Angel!"
Er drückte mich fest an sich, während ich ihm einen dicken Kuss auf die Wange gab.
„Ich hab dich echt vermisst, meine Kleine", sagte er grinsend, worauf ich ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter erteilte.
Nachdem wir das Auto erreicht hatten, das im Parkhaus stand, fragte ich spitzbübisch: „Darf ich fahren, Dad?"
„Natürlich! Ich habe mir fast schon gedacht, dass du das tun willst", meinte er und überreichte mir sofort den Autoschlüssel.
Da ich meinen Führerschein mit sechzehn während der Sommerferien in Nashville gemacht hatte, erklärte das meine Abneigung, in England Auto fahren zu wollen. Ich hasste einfach diesen Linksverkehr und würde mich nie daran gewöhnen. Aber hier in den USA freute ich mich immer sehr darauf, einen fahrbaren Untersatz mein eigen nennen zu können, auch wenn dieser meinem Dad gehörte. Er lieh mir seinen Wagen, wann immer ich diesen benötigte.
Gut gelaunt steuerte ich den großen schwarzen Pick-up durch den Verkehr, der um diese Uhrzeit noch recht flüssig durch die Straßen lief. Es fühlte sich toll an, wieder zuhause zu sein, vor allem, weil hier die Sonne schien und die Temperaturen tagsüber noch immer um die achtzehn bis zwanzig Grad lagen. Als ich das vor einigen Tagen herausgefunden hatte, überraschte es mich selbst, denn solch einen milden Herbst erlebte man nicht immer im Staat Tennessee.
Meine Augen waren auf die Straße geheftet, während ich mit der linken Hand den Radiosender verstellte, weil gerade ein Song lief, den ich absolut nicht mochte. Prompt ertönte Steal my girl von One Direction, was mich zu einem innerlichen Stöhnen zwang. Ich mochte das Lied wirklich, doch Nialls Stimme zu hören tat mir einfach nur weh. Andererseits hatte ich aber keine Lust, den Radiosender schon wieder zu wechseln, also ertrug ich es zähneknirschend, sein überaus tolles Solo anzuhören.
„Sind das nicht deine Freunde von One Direction?", kam es sogleich von meinem Dad.
„Ja, das sind sie", antwortete ich nur.
„Sie waren gerade hier auf Promo für ihr neues Album. Alle Radio- und TV Sender haben darüber berichtet", plapperte mein Dad weiter.
„Ich weiß, wir sind befreundet, Dad und die Jungs sind heute Morgen wieder in London eingetroffen", erwiderte ich, während ich die Fahrspur wechselte, weil ich an der nächsten Kreuzung nach rechts abbiegen musste.
„Oh, dann konntest du sie ja gar nicht mehr vor deinem Abflug begrüßen", stellte mein Dad unnötigerweise fest.
In jenem Moment wurde mir klar, wie sehr ich Louis vermisste und, dass ich ihm versprochen hatte über das zu reden, was mich so sehr bedrückte, sobald ich wieder nach London zurückgekehrt war. Es würde nicht leicht werden, denn schließlich ging es um seinen Freund und Bandkollegen. Doch ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was nächste Woche sein würde, sondern einfach nur meine Zeit in Nashville genießen.
Als das Cooper's, die Bar, die meinem Dad gehörte, vor unseren Augen auftauchte, begann mein Herz schneller zu schlagen.
„Endlich zuhause!", seufzte ich erleichtert auf, was meinen Dad zum Lachen reizte.
In der Bar angekommen, wurde ich zunächst von allen Angestellten stürmisch begrüßt, bevor ich die Treppe nach oben erklomm. Die Wohnräume befanden sich im ersten und zweiten Stock des Hauses, welches mitten im Herzen von Nashville lag.
Das Cooper's gehörte zu den besten und bekanntesten Establishments, was Live Musik im Bereich Country betraf. Jeden Abend traten hier Künstler auf, die sich einen guten Namen machen wollten und dem einen oder anderen war es auch gelungen, einen Plattenvertrag zu ergattern, denn das Cooper's wurde öfter von Musikproduzenten heimgesucht, die immer nach neuen Talenten Ausschau hielten.
Als ich mein Zimmer, welches sich im zweiten Stock, direkt unter dem Dach befand, betrat, fühlte ich mich sofort wieder zuhause. Lächelnd schweiften meine Augen zu der lila Bettwäsche, die ich so sehr mochte. Schnell stellte ich den kleinen Trolley in einer Ecke ab und begab mich direkt wieder nach unten, um meinem Dad mitzuteilen, dass ich jetzt seinen Pick-up benötigen würde, um shoppen zu fahren. Er lachte nur und meinte, ich solle nicht zu viel Geld ausgeben, was ich mit einem Grinsen quittierte. Bevor ich losfuhr, schickte ich noch eine SMS an Louis und an Trigger, um den beiden mitzuteilen, dass ich gut in Nashville angekommen sei.
Drei Stunden später kehrte ich mit unzähligen Einkauftüten, sowie einem neuen großen Koffer und leicht traumatisiert wieder nach Hause zurück. Traumatisiert, weil überall in der Mall lebensgroße One Direction Pappfiguren aufgestellt waren. So oft wie heute war ich in den letzten zwei Wochen nicht an Niall vorbei gegangen, dessen Pappfigur mich wahrscheinlich heute Nacht in meinen Träumen verfolgen würde. Wieso musste er auch so ein Arsch sein, der alles kaputt gemacht hatte?
Genervt versuchte ich die Gedanken an den blonden Iren abzuschütteln, was mir schließlich einige Stunden recht gut gelang. Doch als ich später alleine in meinem Zimmer saß, kamen diese wieder hoch.
Für mich fühlte es sich noch immer unglaublich an, dass ich die Bar meines Dads nicht betreten durfte, weil ich noch nicht einundzwanzig war. Aber die Polizei in den USA zeichnete sich durch Strenge und Härte aus, da gab es kein Pardon. Sie kontrollierten ziemlich oft und es spielte keine Rolle, ob der Besitzer und ich verwandt waren. Mein Dad würde eine heftige Strafe zahlen müssen, wenn sie mich dort erwischten. Also suchte ich die Küche auf, um Schokoladen Eiscreme aus dem Gefrierfach zu holen, die ich in mein Zimmer transportierte. Ohne jegliche Hemmungen aß ich die Hälfte der riesigen Familienpackung auf, um meinen seelischen Kummer zu betäuben. Anschließend schaute ich mir einen Spielfilm an und schlief gegen zehn Uhr ein, denn mir fielen schon vor Müdigkeit die Augen zu. Kein Wunder, denn die innere Uhr meines Körpers gaukelte mir vor, dass es jetzt vier Uhr morgens sei, was meiner üblichen Schlafenszeit entsprach.
Am nächsten Tag erwachte ich gegen sechs Uhr früh und suchte umgehend das Bad auf, um eine heiße Dusche zu nehmen. Anschließend lief ich in die Küche, kochte Kaffee und bereitete Rühreier mit Speck zu. Währenddessen erschien mein Dad, der sich freute, dass wir gleich zusammen frühstücken würden.
„Na, Angel, wie sieht es aus? Bist du motiviert, nachher den Truthahn zu füllen?", fragte er neckend.
„Aber klar doch! Ich helfe dir beim Essen zubereiten, das war doch so abgesprochen", erwiderte ich augenzwinkernd.
„Fein, denn das Viech muss rechtzeitig in den Ofen, er braucht schließlich einige Stunden, bis er durchgebraten ist", verkündete mein Dad.
So kam es, dass wir beide nach dem Frühstück in der Küche standen, um die Vorbereitungen für das Thanksgiving Essen hinter uns zu bringen. Es war ziemlich lustig und als der große Truthahn endlich im Ofen verschwand, fragte mein Dad: „Wie geht es deinem Vogel eigentlich?"
„Prächtig! Er ist noch genauso unverschämt wie früher", entgegnete ich lachend.
In jenem Augenblick vermisste ich Angus ein bisschen. Bestimmt würde er jetzt gerne auf meiner Schulter sitzen und mir ein Küsschen geben. Seufzend begann ich den Tisch zu decken, denn ich hasste es, alles auf die letzte Minute zu machen. Währenddessen kümmerte mein Dad sich um die Zubereitung der Kürbissuppe, unserer Vorspeise. Als ich den Nachtisch im Kühlschrank erblickte, fragte ich mich zum wiederholten Male, wen er wohl zum Essen eingeladen hatte, denn Cranberry Pie gehörte zu meinen absoluten Lieblingsnachspeisen.
„Willst du mir nicht verraten, wer dieser mysteriöse Gast ist?", richtete ich meine Frage an ihn.
Doch er schüttelte nur grinsend seinen Kopf und meinte schmunzelnd: „Das wirst du noch früh genug erfahren."
Frustriert holte ich ein Bier aus dem Kühlschrank und begann langsam zu trinken, als mein Handy eine SMS ankündigte. Diese stammte von Louis und enthielt folgenden Wortlaut: „Ich vermisse dich und mache mir Sorgen um dich! Melde dich, wenn du Lust hast! Ich hab dich lieb, Louis."
Ich hatte wirklich einen tollen besten Freund, das wurde mit in solchen Augenblicken immer wieder bewusst. Er sorgte sich wirklich um mich, das war nicht gespielt, so, wie Niall mir seine Gefühle vorgespielt hatte, dieser Idiot! So schrieb ich kurz zurück: „Wir feiern gleich Thanksgiving, ich melde mich morgen! Hab dich auch lieb, Angel!"
Kaum hatte ich das Handy zur Seite gelegt, ertönte das Läuten der Türglocke. Das musste der ominöse Gast sein! Doch bevor ich zur Tür laufen konnte, war mein Dad schon zur Stelle und Dank seines breiten Kreuzes erschwerte er mir die Sicht auf jene Person, auf die ich so neugierig war. Aber als er endlich einen Schritt zur Seite trat, fielen meine Augen fast aus dem Kopf und mein Herz begann vor Freude schneller zu schlagen.
„Hunter!"
Ungebremst rannte ich auf den jungen, hübschen Kerl zu, der seine Arme ausbreitete, um mich kurze Zeit später mit diesen zu umfassen.
„Angel! Na meine Süße, wie geht's dir?", fragte er und drückte mir zwei Küsschen auf die Wangen.
„Super! Und dir? Oh Gott, ich freue mich so, dich zu sehen!"
„Ich mich auch, das kannst du glauben!"
Hunters hübsche Augen blickten in meine, es war mir nicht möglich, meinen Blick von diesen abzuwenden, wenn er mich so anschaute, das hatte ich noch nie gekonnt. Unsere Augen ähnelten sich, was die Farbe anging, denn auch seine wechselten je nach Lichteinfall mal von blaugrau auf blaugrün. Deswegen hatte man uns früher öfter für Geschwister gehalten, was uns jedoch nie störte, denn es war genau das, was wir füreinander fühlten. Hunter war wie ein großer Bruder für mich und ich war seine kleine Schwester.
„Du siehst echt super aus, Angel! Bist eine richtig heiße junge Lady geworden", sagte Hunter grinsend, als wir in Richtung Esstisch liefen.
„Danke, du siehst aber auch spitze aus. Ich wette, die Frauen stehen Schlange bei dir", erwiderte ich ebenso grinsend und wuschelte durch sein kurzes, dunkelblondes Haar.
Hunter zwinkerte mir zu, als er seinen Platz gegenüber von mir einnahm. Mein Dad saß wie üblich am oberen Ende des Tisches, das war sein Stammplatz. Während des überaus guten Essens führten wir eine angeregte Unterhaltung und natürlich wollte ich wissen, was Hunter dazu gebracht hatte, nach Nashville zu kommen.
„Ich dachte, du bist auf Tour", sagte ich zu ihm.
„Das bin ich auch aber keiner tritt gerne an Thanksgiving auf und deswegen habe ich vor einiger Zeit deinen Dad kontaktiert, um ihn wissen zu lassen, dass ich gerne an diesem Tag bei euch vorbeischauen würde. Ich wollte nicht, dass er es dir verrät, denn es sollte eine Überraschung sein", erklärte Hunter.
„Die auch ganz offensichtlich geglückt ist", fügte ich lächelnd hinzu.
Es war wundervoll, den jungen Mann, der hier seine Karriere begonnen hatte, um mich zu haben. Der Sommer, in welchem Hunter und ich uns kennenlernten, war ein ganz besonderer gewesen. In jenem Sommer bestand ich meine Führerscheinprüfung und verlor meine Unschuld. Letzteres war nicht gerade berauschend verlaufen und so heulte ich mich damals bei Hunter aus, der jeden Tag in der Bar meines Vaters auftrat. Kurz darauf bekam er einen Plattenvertrag von Altantic Records angeboten, womit seine Karriere als Country Musiker richtig ins Rollen kam. In den Staaten war er schon sehr erfolgreich und es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er auch Europa erobert hatte.
„Dein neues Album ist so toll", schwärmte ich.
„Danke, hast du auch ein Lieblingslied?", fragte er sofort.
„Das ist schwer aber ich mag Tattoo wirklich sehr gerne", erwiderte ich und stopfte anschließend die letzten Reste des Cranberry Pies in mich hinein.
„Tattoo also, das freut mich."
Er bedachte mich mit einem leicht nachdenklichen Blick, als er sagte: „Ich habe in diesem Jahr nicht allzu viel von dir gehört, außer, dass du dich von Tessa getrennt hast und nun hauptberuflich als DJ arbeitest."
„Sie ist in einem der bekanntesten Clubs Londons anzutreffen", warf mein Dad sogleich ein, dessen Stimme sich vor Stolz fast überschlug.
Hunter zog seine Brauen in die Höhe. „Das ist ziemlich cool, Angel. Wir beide haben immer daran geglaubt, dass unsere Träume sich eines Tages erfüllen würden und wie man sieht, hatten wir wohl Recht."
Ein Teil von mir konnte ihm nicht widersprechen, denn was meine berufliche Laufbahn anging, hatte es das geschafft, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Beziehungstechnisch gesehen ließ meine Lebensqualität jedoch sehr zu wünschen übrig. Doch Hunter konnte nicht wissen, was alles passiert war, aber ich hatte vor, ihn diesbezüglich einzuweihen. Immerhin war er eine neutrale Person, die weder Niall noch einen anderen von One Direction kannte, was eine gewisse Unvoreingenommenheit voraussetzte.
Nach dem überaus leckeren Essen begab mein Dad sich ein Stockwerk tiefer, in die Bar, während Hunter und ich uns in mein Zimmer verzogen. Er leistete mir gerne Gesellschaft, zumal er wusste, dass ich aufgrund meines Alters immer noch nicht dazu berechtigt war, das Cooper's zu besuchen.
„Es wird Zeit, dass du einundzwanzig wirst, Angel", zog er mich auf, als wir auf dem Fußboden saßen und uns an meinem Bett anlehnten.
„Das dauert noch bis März", seufzte ich leise und setzte die Bierflasche an, die aus dem Kühlschrank mitgenommen hatte. Nachdem ich einen kräftige Schluck daraus getrunken hatte, schaute ich zu ihm und sagte grinsend: „Louis Tomlinson ist genauso alt wie du."
Hunter und Louis waren tatsächlich im gleichen Jahr geboren, das fiel mir irgendwie positiv auf.
„Wer?", lautete Hunters verwirrte Frage.
Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass er sich nicht für Boy Bands, die Popmusik machten, interessierte, auch wenn ihm der Name One Direction wahrscheinlich etwas sagte, und so antwortete ich nur: „Das ist mein bester Freund in London."
„Cool, dass du dort einen besten Freund hast", meinte er lächelnd.
Alles, was ich tun konnte, war nicken, denn in meinem Hals bildete sich urplötzlich ein riesiger Kloß, weil ich an Niall denken musste. Verdammt, warum nur hatte er mir so wehgetan?
„Hast du eigentlich inzwischen jemand anderen kennengelernt?", hörte ich Hunter fragen, der damit ungewollt eine Gefühlslawine in meinem Innersten ins Rollen brachte.
Die Tränen liefen unkontrollierte über meine Wange, als ich stockend zu erzählen begann, was in London passiert war und wie ein blonder Ire mein Herz ruiniert hatte. Zuerst hörte Hunter sich alles an, ohne einen Ton von sich zu geben, doch dann sagte er mit wütend klingender Stimme: „Weißt du was, Angel?! Dieses Bürschchen soll sich ja vor mir in acht nehmen, denn wenn ich nächstes Jahr in Europa auf Tour gehe, werde ich ihm so eine verpassen, dass er nicht mehr weiß, wie er heißt und wo er herkommt!"
Obwohl mir nach wie vor zum Heulen zumute war, musste ich plötzlich lachen.
„Das würde eine tolle Schlagzeile geben! Country Sänger Hunter Hayes prügelt sich mit One Direction Sänger Niall Horan!", prustete ich los.
Hunters Reaktion erfolgte prompt. Er stemmte beide Hände in die Hüften, schaute mich ungläubig an und schnaufte: „Was? Du hast dich mit einem Pop Fuzzi eingelassen? Ich hätte nicht gedacht, dass du so tief sinken würdest, Angel."
Bevor ich überhaupt wusste was ich tat, sprang ich auf und schrie: „Er ist kein Pop Fuzzi! Er kann Gitarre spielen!"
Hunter begann schallend zu lachen. „Ist ja süß! Wie viele Akkorde beherrscht er denn? Drei oder vier?"
„Er ist ein ausgezeichneter Gitarrist mit einer unglaublich tollen Stimme! Außerdem spielt er noch Schlagzeug und Banjo!", blökte ich empört zurück, was Hunter zu einem schelmischen Grinsen animierte.
„Der Typ ist echt der Wahnsinn, er kann drei Instrumente spielen, da kann ich mit meinen dreißig natürlich nicht mithalten", sagte er trocken.
„Hör auf, dich über ihn lustig zu machen! Die wenigsten Leute beherrschen so viele Instrumente wie du und das weißt du auch!"
Hunter streckte seine Hand nach mir aus, zog mich zu sich heran, schaute mir in die Augen und sagte: „Du liebst ihn immer noch, sonst hättest du ihn nicht so verteidigt."
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Blitz und bewirkte, dass sich erneut kleine Tränen in meinen Augen bildeten. Niall war mein wunder Punkt, der sich so tief in mein Herz vergraben hatte, dass es fast unmöglich war, ihn daraus zu entfernen. Ich konnte nicht so einfach vergessen, was zwischen uns gewesen war, das stand fest.
Mit einem leisen Schluchzen wischte ich mir die Tränen aus den Augen und ließ mich erneut auf dem Fußboden, vor dem Bett, nieder.
„Möchtest du noch was trinken?", fragte Hunter, als er registrierte, dass meine Bierflasche leer war.
Ich nickte, um dann zu antworten: „Kannst du mir ein Bier und sowas in der Richtung besorgen?"
„Klar."
Keine fünf Minuten später tauchte Hunter wieder in meinem Zimmer auf. In seiner rechten Hand hielt er eine Bierflasche, während die linke hinter seinem Rücken versteckt war. Dort blieb sie jedoch nicht lange, denn nachdem er mir das Bier überreicht hatte, stellte er eine Flasche Jack Daniels auf den Boden und meinte grinsend: „Ich habe dir ein Bier und sowas in der Richtung mitgebracht."
„Du bist ein Engel! Ich liebe dich!", brachte ich hervor, als ich die Whiskey Flasche in meinen Händen hielt. Sekunden später sprang ich jedoch mit den Worten: „Ich besorge schnell zwei Gläser", auf und verschwand in Richtung Küche.
Es waren nicht nur zwei Gläser, welche ich mit nach oben nahm, sondern eine Flasche Cola, sowie reichlich Eiswürfel, denn das würden wir benötigen, um den Whiskey standesgemäß zu trinken.
Es dauert gar nicht lange, da begannen wir herumzualbern, denn der Alkohol zeigte seine Wirkung recht schnell. Ich stellte Musik an, Hunters Album Storyline, und als das Lied Tattoo schließlich lief, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Übermütig begann ich zu singen und Hunter stimmte beim Refrain mit ein:
„Your name, your name sounds so good next to mine, just saying
And I think, I think I'm gonna put it in all my rhymes, baby
Cause with you, I'm gonna do quite a few things that I never thought I would do
Your name, your name, your name would be a good tattoo, yeah." *
Ausgelassen tanzten wir durch das Zimmer, drehten uns im Kreis und fielen schließlich lachend auf das Bett.
„Ich will ein Tattoo mit deinem Namen!", japste ich. „Bitte Hunter, lass uns in ein Tattoo Studio gehen!"
Auch Hunter konnte nicht aufhören zu lachen und entgegnete lässig: „Also wenn wir noch eines finden, dass jetzt geöffnet hat, würde ich mir glatt deinen Namen auf den Unterarm stechen lassen. Aber mit einem BFF daneben, damit keine falschen Verdächtigungen aufkommen."
„Das ist die Idee!"
Ich packte ihn am Arm, nachdem ich aufgestanden war und zog ihn buchstäblich aus meinem Zimmer. Noch immer lachend stolperten wir die Treppe nach unten, auf die Straße hinaus, in Richtung des Tattoo Studios, welches sich praktisch um die Ecke befand und dessen Besitzer ein guter Kumpel meines Dads war. Ich wusste, dass Fred bis spät in die Nacht hinein seine Kunden bediente und wunderte mich gar nicht, dass um halb elf noch Licht brannte.
Kaum hatten Hunter und ich das Tattoo Studio betreten, eilte er auch schon herbei, um uns überschwänglich zu begrüßen und nach unseren Wünschen zu fragen. Als wir ihm diese darlegten meinte er nur: „Habt ihr euch das auch gut überlegt? Ich meine, das sind echte Tattoos, die kann man nicht einfach mal eben abwaschen, wenn man genug von dem Namen hat."
Sogleich fiel ich ihm ins Wort: „Ich bin zwanzig Fred, ich weiß was ich tue und Hunter ebenfalls. Wir möchten diese Tattoos mit dem Zusatz BFF, also best friend forever."
„Also gut", seufzte Fred schließlich, „und wo wollt ihr es hinhaben?"
„Ich will es auf meinen rechten Unterarm", kam es prompt von Hunter, was Fred mit einem Nicken zur Kenntnis nahm.
Dann schaute er zu mir. „Und wo darf ich deines platzieren?"
„Direkt über dem linken Hüftknochen", erwiderte ich grinsend.
„Gut, dann lasst uns loslegen!"
Fred besaß noch einen Angestellten, der genauso gut tätowieren konnte wie er selbst. Dieser durfte sich Hunters Unterarm vornehmen, während Fred sich der Stelle über meinem linken Hüftknochen widmete. Es tat ein bisschen weh, als er die Nadel ansetzte, nachdem er zunächst die Entwürfe angefertigt hatte. Aber der Schmerz war durchaus auszuhalten, was vielleicht auch an der Menge des konsumierten Alkohols liegen konnte.
Es würden keine allzu großen Tattoos werden, das wollten weder Hunter noch ich, denn die Bedeutung war schließlich das Wichtigste und nicht die Größe. Während Fred konzentriert arbeitete, überkam mich plötzlich eine Art Schuldgefühl, weil ich nur einem meiner besten Freunde ein Tattoo widmete. Dabei hatte Louis das genauso verdient.
„Hunter", wisperte ich leise.
„Ja, Angel?"
„Ich weiß, das hört sich jetzt komisch an aber..., hättest du etwas dagegen, wenn ich mir Louis' Namen auf die andere Seite tätowieren lasse?", fragte ich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht, da Fred gerade eine Stelle bearbeitete, die überempfindlich zu sein schien.
Als Hunter grinsend den Kopf schüttelte, atmete ich erleichtert auf.
„Fred, du hast noch mehr Arbeit", sagte ich grinsend. „Auf die andere Seite kommt noch ein Name."
„Ich bin ja nicht taub."
So kam es, dass ich gegen halb drei morgens mit zwei Tattoos über dem rechten und dem linken Hüftknochen, Hand in Hand mit Hunter, dessen rechter Unterarm nun von einem kleinen Schriftzug BFF Angel verziert wurde, nach Hause lief. Wir legten uns sofort in mein Bett, das breit genug für uns beide war, und schliefen umgehend ein.
Als ich am nächsten Morgen mit heftigen Kopfschmerzen erwachte, spürte ich ein leichtes Brennen direkt über meinen Hüftknochen. Und dann, ganz langsam, erinnerte ich mich daran, was in der letzten Nacht passiert war.
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*Song: Tattoo von Hunter Hayes
Ohweh, Angel hat sich ein Tattoo stechen lassen. ^^
Wie findet ihr ihren andern besten Freund, Hunter?
Für alle, die Hunter Hayes nicht kennen. Er ist ein amerikanischer Country Sänger und spielt in der Tat um die 30 Instrumente. Ich höre ihn sehr gerne, obwohl Country ansonsten nicht so mein Ding ist. Aber Hunters Musik hat was. Oben, über dem Kapitel habe ich ein Video eingefügt, da könnt ihr ihn hören und sehen, natürlich mit dem Song Tattoo. :)
LG, Ambi xxx
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