16. Judgment
Die Tränen liefen wie Sturzbäche aus meinen Augen, als ich endlich die Toiletten erreichte, wo ich heftig atmend an einem der Waschbecken stehen blieb. Schmerzhaft verkrampfte sich mein Herz, ich kam mir so dumm und ausgenutzt vor. Wie hatte ich nur auf ihn hereinfallen können? Es war doch offensichtlich, dass er nur ein Player war, der auf geheimnisvoll tat, um die Frauen herumzukriegen.
Je länger ich darüber nachdachte, umso schneller verwandelte sich das Gefühl der Traurigkeit in Wut und Enttäuschung. Wieder einmal lehrte mich das Leben eine Lektion. Es gab nur zwei Sorten von Männern: Jene, die nicht mit meinem Körper umzugehen wussten, ansonsten aber lieb und nett waren und jene, die es konnten, sich jedoch als menschliche Niete erwiesen.
Es war bitter, solch eine Erfahrung machen zu müssen, kein Wunder, dass ich bei einer Frau gelandet war! Und doch wusste ich, seit meinen Erfahrungen mit dem blonden Iren, dass ich nie wieder mit einer Frau zusammen sein wollte.
Ich hasste Niall, weil er auf meinen Gefühlen herumtrampelte und ich liebte ihn, weil er mir den Weg zu meinen wahren Empfindungen gezeigt hatte. So einfach war das aber genau deswegen tat es auch so weh.
Langsam und gründlich trocknete ich meine Tränen, denn die anderen sollten nicht sehen, dass ich geweint hatte. Vor allem Louis würde sich furchtbare Sorgen um mich machen, etwas, was ich so kurz vor seinem Abflug unbedingt vermeiden wollte. Also riss ich mich so gut es ging zusammen, als ich zurück zu unserer Sitzgruppe lief.
„Wo warst du denn so lange?", fragte Louis sofort.
„Auf der Toilette", antwortete ich, bevor ich meinen Blick in die Getränkekarte vertiefte.
„Hast du Niall gesehen?", bohrte er weiter.
„Ja aber nur kurz, er schien beschäftigt zu sein".
Die Worte kamen gleichgültig aus meinem Mund, obwohl ich innerlich fast zerbrach. Es tat so verdammt weh, ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Ich wollte nicht leiden und doch konnte ich es nicht verhindern, denn ich hatte mich richtig in ihn verliebt. Es war nicht nur eine Schwärmerei, sondern so viele tiefe Gefühle, die sich in meinem Innersten entwickelt hatten. Gefühle, die er mit seinen Füßen trat.
Während all diese Emotionen in mir hochkochten, erspähte ich genau das in der Getränkekarte, was ich jetzt brauchte, um mich ein wenig zu betäuben. Glücklicherweise tauchte gerade in jenem Moment eine Bedienung vor unserem Tisch auf.
„Ich hätte gerne den Mega Jumbo Erdbeer-Caipirinha", rief ich ihr zu, was sie mit einem Nicken zur Kenntnis nahm.
Zu meinem Erstaunen bestellte Louis sich eine große Cola, worauf ich fragte: „Bist du krank?"
„Nein, mein kleiner Teufel aber ich muss noch Auto fahren, nur für den Fall, dass du es vergessen haben solltest", antwortete er grinsend.
In der Tat war mir das so gut wie entfallen, ich bekam es heute echt nicht auf die Reihe, was jedoch daran lang, dass Nialls Verhalten mich so auf die Palme brachte. Es warf mich einfach gewaltig aus der Bahn.
Louis war wohl der süßeste Kerl auf Erden, zu dumm, dass ich ihn nur als besten Freund ansehen konnte. Und zu dumm, dass ich mich immer nur in die falschen Typen verliebte, ganz egal, in welcher Art und Weise sie mir wehtaten.
Ungeduldig wartete ich auf meinen Cocktail, während ich die Leute auf der Tanzfläche beobachtete. Die Musik, welche der DJ spielte, sagte mir durchaus zu aber mir war heute die Lust auf das Tanzen gründlich vergangen. Louis schien zu bemerken, dass ich ein Problem hatte, denn er legte plötzlich seinen Arm um meine Schulter und fragte: „Ist irgendwas, Angel? Du bist so ruhig heute, das gefällt mir nicht."
Genau in diesem Augenblick tauchte die Bedienung mit unseren Getränken auf, was mich davor bewahrte, darauf antworten zu müssen. Mit einem aufgesetzten Lächeln nahm ich das riesige Glas, welches die Menge von einem Pint enthielt, entgegen. Mein bester Freund zog erstaunt seine Augenbrauen nach oben, als er die Größe des Cocktails erblickte, worauf ich nur mit den Schultern zuckte.
Nachdem jeder von uns einen Drink in der Hand hielt, stießen wir miteinander an. Ich hörte gar nicht mehr auf, an dem Strohhalm zu ziehen, um so viel Erdbeer-Caipirinha wie möglich zu mir zu nehmen. Alkohol war genau das, was ich jetzt brauchte, um über Niall hinweg zu kommen, der wohl noch immer an der Bar abhing.
Es blieb jedoch nicht bei dem einen Erdbeer-Caipirinha, ich bestellte später noch einen zweiten in der gleichen Größe, den ich jedoch nicht fertig trinken konnte, weil mich plötzlich ein komisches Gefühl im Magen heimsuchte. Mit geschlossenen Augen ließ ich meinen Kopf auf Louis Schulter sinken, der sofort seinen rechten Arm um meine Taille legte.
„Alles klar, Angel?", fragte er besorgt.
Ich schüttelte nur kurz meinen Kopf und wisperte: „Nein, ich glaube, ich muss mal nach draußen."
„Ich komme mit!"
Louis erhob sich, reichte mir seine Hand und zog mich nach oben. Als ich auf meinen Füßen stand, umfasste er erneut meine Taille, bis wir den Ausgang des Clubs erreicht hatten. Dort zündete er zwei Zigaretten an und steckte eine davon zwischen meine Lippen. Gierig paffte ich an der Zigarette, in der Hoffnung, dass es mir gleich besser gehen würde.
„Sag mal, warum hast du denn so viel getrunken?", hörte ich Louis leise fragen.
„Weil ich es wollte", antwortete ich so neutral wie möglich.
Doch Louis ließ nicht locker. „Und warum wolltest du es?"
Leise stöhnend fasste ich mir an die Stirn, bevor ich zu einer Antwort ansetzte.
„Weil mir einfach danach war, ok?"
Ich wollte ihn nicht mit meinen Problemen belasten. Schließlich war er auch Nialls Freund und musste die komplette nächste Woche mit ihm in Amerika verbringen. Das sollte nicht in irgendwelchen Stress ausarten, denn Louis konnte mir sowieso nicht bei diesem Problem helfen, zumindest sah es danach aus.
Niall war einfach ein selbstverliebter Idiot und der Charakter einer Person ließ sich nur schwer bis gar nicht ändern. Da aus mir nichts herauszubekommen war, gab Louis es schließlich auf, mich mit seinen Fragen zu löchern. Nachdem wir unsere Zigaretten zu Ende geraucht hatten, begaben wir uns wieder in das Innere des Gebäudes, um uns zu unseren Freunden zu gesellen. Dort angekommen, bemerkte ich, dass es mir immer noch nicht besser ging. Doch ich versuchte einfach, dies zu ignorieren, denn ich wollte den Jungs auf keinen Fall das gesellige Beisammensein verderben.
Das funktionierte jedoch nicht lange, denn Harry sagte irgendwann: „Angel sieht total blass aus! Schaut sie euch an, Leute, ich glaube, sie muss dringend nach Hause!"
Ein Blick von Louis in mein Gesicht genügte, um festzustellen, dass sein Freund und Bandkollege Recht hatte und so zog mein bester Freund mich von der Couch.
„Ich bringe dich nach Hause", bestimmt er mit fester Stimme, wobei ich keine Einwände bezüglich seines Vorschlags hervorzubringen hatte.
Ich klammerte mich an Louis fest, als wir in Richtung Garderobe liefen, um unsere Jacken abzuholen. Nachdem dies geschehen war, brachte er mich zu seinem Porsche, der um die Ecke parkte. Er öffnete zuerst die Tür zur Beifahrerseite, half mir beim Einsteigen, schnallte mich sogar an und nahm kurze Zeit später neben mir seinen Platz ein. Als wir losfuhren hatte ich das Gefühl, dass mein Magen sich andauernd drehte.
„Oh Gott, mir ist so schlecht", jammerte ich.
Mit einem leicht genervten Stöhnen öffnete mein bester Freund das Fenster zur Beifahrerseite seines schwarzen, funkelnagelneuen Porsche Boxters.
„Ich hab gesagt, dass mir schlecht ist und nicht dass ich schwitze", protestierte ich, während ich versuchte den Inhalt meines Magens noch ein wenig bei mir zu behalten.
„Angel, wir befinden uns hier mitten in London, im fließenden Verkehr. Ich kann jetzt nicht anhalten. Wenn du kotzen musst, dann streck deinen Kopf zum Fenster raus und pass um Himmels Willen auf, dass die Scheiße nicht wieder zurück fliegt."
Kaum hatte Louis das ausgesprochen, erbrach ich den dreiviertel Liter Erdbeer-Caipirinha, der seit einiger Zeit in meinem Magen rumorte, durch das geöffnete Fenster des fahrenden Wagens. Warum nur hatte ich so viel von dem Zeug trinken müssen? Daran trug eindeutig Niall die Schuld und ich besaß einen Grund mehr, ihn zu hassen.
Die frische Luft des geöffneten Fensters an der Beifahrerseite tat mir gut. Endlich konnte ich richtig durchatmen! Der Fahrtwind kühlte meine verschwitzte Stirn und als ich mein müdes Haupt gegen die Kopfstützen lehnte, ging es mir zumindest körperlich gesehen ein wenig besser. Louis fuhr schweigend, so schnell es ging, zu meiner Wohnung. Dabei griff er mehrmals nach meiner Hand und streichelte beruhigend darüber.
„Wir sind gleich da, Angel. Dann kannst du dich hinlegen", vernahm ich seine besorgte Stimme.
Etwa fünf Minuten später parkte er den Wagen am Straßenrand, was mich wissen ließ, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Er half mir beim Aussteigen und brachte mich sogar nach oben, bis in meine Wohnung. Als wir im Schlafzimmer angekommen waren, wo ich mich auf das Bett setzte, begann ich urplötzlich zu heulen. Behutsam legte Louis seine Arme um meinen Körper und wisperte leise in mein Ohr: „Angel, willst du mir nicht sagen, was los ist? Ich mache mir schreckliche Sorgen um dich!"
Genau das wollte ich nicht, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Mit zitternder Stimme brachte ich schließlich hervor: „Ich kann dir das jetzt nicht erzählen. Bitte frag mich ein anderes Mal."
„Angel! Du weißt genau, dass wir in..." Er starrte kurz erschrocken auf sein Handy. „Fuck! Ich verpasse noch meinen Flug! Es ist halb drei und wir fliegen um fünf!"
„Dann mach, dass du nach Hause kommst", kommandierte ich.
„Shit", flucht er leise vor sich hin. „Angel, hör zu, es tut mir leid, aber ich muss jetzt echt gehen. Wir schreiben uns und ich rufe dich an, sobald ich in Florida angekommen bin."
Auf meinem Gesicht zeigte sich nun ein kleines Lächeln. Ich war ihm so unglaublich dankbar für seine Fürsorge und wäre ihm niemals böse gewesen, weil er jetzt wirklich gehen musste. Louis drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor er meine Wohnung endgültig verließ.
Die Stille, die mich nun umhüllte, war schon gespenstisch, denn selbst Angus schrie nicht nach mir, was sehr ungewöhnlich war. Aber vielleicht spürte er, dass es mir nicht gut ging. Trotzdem stand ich nun mit wackeligen Beinen auf, um nach meinem Papagei zu schauen. Dieser saß ein wenig verloren auf seiner Stange, gab aber einen krächzenden Laut von sich, als er mich erblickte.
„Hey, mein Süßer."
Ich streichelte liebevoll über sein Gefieder am Rücken, worauf er seinen Kopf ein wenig zur Seite drehte.
„Angel! Süße Angel", sagte er und machte Anstalten auf meine Hand zu klettern. Ich streckte meinen Arm aus, damit er bis hoch zu meiner Schulter laufen konnte, was er auch umgehend tat, um mir ein Küsschen zu geben.
„Du bist der Beste, du würdest mir niemals wehtun", flüsterte ich leise. „Und Niall ist ein Idiot."
„Niaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaall! Idiot! Niaaaaaaaaaaaaall Idiot!", schrie Angus laut.
„Du hast es erfasst."
Nachdem ich meinem Papagei eine Gute Nacht gewünscht hatte, legte ich mich ins Bett. Da sich noch immer genügend Alkohol in meinem Blut befand, schlief ich recht schnell ein.
Am nächsten Tag erwachte ich mit qualvollen Kopfschmerzen und einer Nachricht von Louis auf meinem Handy. „Wir sind gerade in Orlando gelandet. Gib mir Bescheid, wenn du wach bist."
Vorsichtig setzte ich mich auf, denn mein Schädel brummte wirklich gewaltig, und blickte auf die Uhr, welche viertel vor vier am Nachmittag zeigte.
„Oh mein Gott!", stöhnte ich laut.
Angus musste am Verhungern sein! So führten mich meine Schritte zuerst zu meinem Papagei, der zwar wach war aber trotzdem geduldig wartete, bis ich seinen Fressnapf gefüllt hatte. Er besaß wirklich ein Gespür dafür, wenn es mir schlecht ging. Anschließend betrat ich das Badezimmer, griff nach einem Waschlappen, den ich unter das fließende, kalte Wasser hielt, um diesen dann auf mein Gesicht zu legen.
„Niall, du bist echt ein Idiot!", sagte ich zu mir selbst.
Vielleicht würde sich meine Traurigkeit dann endgültig in Wut umwandeln. Das, was er mir angetan hatte, tat immer noch unendlich weh. Ich kam mir so ausgenutzt vor! Aber es war meine eigene Schuld, denn schließlich hatte er mich nicht dazu gezwungen diese Dinge mit ihm zu tun. So gesehen war ich auch ein bisschen sauer auf mich selbst, dass ich auf solch einen Schauspieler hereinfallen konnte. Manchmal hielt das Leben Erfahrungen bereit, auf die man gerne verzichten würde. Seufzend griff ich nun nach meinem Handy, um Louis anzurufen, der sich auch sofort meldete.
„Hey, Angel! Na, wie geht es dir?", lautete seine erste Frage.
„Danke, bis auf meinen Brummschädel ganz gut", erwiderte ich nur.
„Ok."
Ich hörte sein Durchatmen, bevor er mir die nächste Frage stellte.
„Würdest du mir vielleicht jetzt erklären, wieso du gestern so drauf warst?"
„Louis, bitte hör mir zu. Ich kann das nicht am Telefon, ok? Ich werde es dir sagen, wenn ihr wieder zurück seid."
„Du meinst, wenn du wieder zurück bist."
Beinahe hätte ich in meiner Aufregung vergessen, dass ich genau an dem Tag, an welchem die Jungs hier landeten, nach Nashville fliegen würde.
„Natürlich, also ich meine..., natürlich reden wir darüber, wenn ich wieder da bin", erwiderte ich nun.
Das laute Schnaufen am anderen Ende der Leitung trug nicht dazu bei, dass ich mich besser fühlte. Louis war nun mal mein bester Freund und ich würde ihm nicht ewig verheimlichen können, was zwischen Niall und mir vorgefallen war.
„Aber es geht dir nicht gut! Ich merke das doch!", kam es von ihm.
Ein lautes Husten aus dem Hintergrund drängt sich nun in unser Gespräch.
„Wer ist da bei dir?", fragte ich deshalb.
„Zayn. Ich soll dich übrigens von allen grüßen. Wir fahren gerade zu unserem Hotel. Zayn, El und ich sitzen in einem Wagen und der Rest im anderen", klärte Louis mich auf.
Gott sei Dank war es Zayn und nicht Niall, der neben ihm saß! Das hätte mir gerade noch gefehlt, denn ich wollte dem blonden Iren nicht das Gefühl vermitteln, dass es mir vielleicht schlecht gehen könnte. Er sollte nicht sehen, wie ich litt, im Gegenteil. Ich wollte ihn im Glauben lassen, dass er mir vollkommen egal war, nicht mehr und nicht weniger. So lautete zumindest mein Plan und da mir ungefähr zwei Wochen Zeit blieben, um mich innerlich darauf einzustellen, dass ich ihm so und nicht anders gegenüber treten wollte, würde das vermutlich auch klappen.
„Angel, ich muss jetzt auflegen, wir sind gerade am Hotel angekommen", hörte ich Louis' Stimme. „Aber ich melde mich wieder", setzte er noch hinzu.
„Ok, ich werde mich gleich unter die Dusche stellen und dann versuchen, etwas zu essen", erwiderte ich, bevor wir uns endgültig voneinander verabschiedeten.
Nach der Einnahme einer Kopfschmerztablette sprang ich unter die Dusche und bereitete dann das Frühstück für mich und Angus zu. Das Radio in der Küche spielte gerade einen Song, der irgendwie zu meiner Situation passte: English Love Affair von 5SOS. Leise summte ich die Melodie mit und als der Refrain einsetzte, begann ich laut zu singen. Dabei wandelte ich jedoch ein einziges Wort ab. An statt „English Love Affair" sang ich „Irish Love Affair."
Zu meiner Überraschung stimmte Angus plötzlich mit ein, was ziemlich witzig war, denn er konnte ja eigentlich keine Ahnung von diesen Dingen haben. Die Loyalität meines Papageis war wohl nicht zu überbieten, zumindest dachte ich das bis zu dem Moment, als er ein lautes Stöhnen von sich gab. Ich glaubte mich verhört zu haben, doch er imitierte meine Stimme und stöhnte Nialls Namen! Wutschnaubend lief ich ins Wohnzimmer, um Angus zur Ordnung zu rufen.
„Was soll das? Hör gefälligst auf damit!", herrschte ich ihn an.
Der Papagei verstummte schlagartig, jedoch nur kurz. Dann entschied er sich dazu, Nialls Stimme zu imitieren und meinen Namen zu stöhnen, was ich noch viel schlimmer fand.
„Angus! Bitte hör auf damit!", sagte ich mit drohendem Unterton, denn in dieser Beziehung verstand ich keinen Spaß.
Leider schien Angus jedoch immun gegen meine Einwände zu sein, denn er stöhnte munter weiter.
„Du bist einfach nur ekelhaft!", warf ich ihm an den Kopf, „wenn du so weitermachst, kaufe ich keine Erdbeeren mehr für dich!"
Das saß, denn er verstummte urplötzlich, legte den Kopf schief und sagte etwas, das mir viel besser gefiel: „Niaaaaaaaaaall ist ein Idiot!"
„Na also, geht doch", brummte ich vor mich hin.
Besagter Idiot kostete mich während der nächsten acht Tage einiges an Nerven, denn ich musste die Geschehnisse verarbeiten, sowie meine Gefühle irgendwie ordnen. Das ging nicht von heute auf morgen und so verlebte ich eine sehr durchwachsene Zeit, was meine Emotionen betraf.
Die ersten beiden Tage waren die schlimmsten; immer wieder musste ich weinen, wenn ich an ihn dachte. Er wäre so perfekt für mich gewesen, wenn sein Charakter anders sein würde. Warum nur war ich auf diesen Player hereingefallen, der vermutlich jede flach legte, die ihm über den Weg lief? Die Antwort darauf war höchst einfach: Er war so zärtlich mit mir umgegangen, dass ich nicht hatte widerstehen können. Dies war mir regelrecht zum Verhängnis geworden.
Am dritten und vierten Tag wandelten sich die Tränen und meine Trauer endlich in Nachdenklichkeit und Akzeptanz um. Ich konnte die Situation nicht ändern, nur das Beste daraus machen.
Angus nervte nach wie vor, weil er mehrmals täglich abwechselnd Nialls und meinen Namen stöhnte. Dass er dabei die Stimmlagen haargenau traf, machte die Sache nicht besser. Am vierten Tag war ich davon so genervt, dass ich meinen Kopf in dem großen Sofakissen vergrub, welches zum Glück nicht mehr nach Nialls Aftershave duftete. Sämtliche Drohungen dem Papagei gegenüber fruchteten nicht, es ging in einer Tour weiter.
„Niall" und „Angel" waren seine neuen Lieblingswörter, begleitet durch ein Stöhnen. Außerdem sang er zwischendurch „Irish Love Affair", was mich keineswegs versöhnlich stimmte. Diese Tage waren wirklich die Hölle auf Erden. Es gab niemanden, dem ich mich dahingehend anvertrauen wollte und so musste ich wohl oder übel alleine damit klar kommen.
Zwei Tage vor meinem Abflug besuchte ich meine Grandma in Cardiff und da ich mit dem Zug fahren musste, dauerte sowohl die Hin-, als auch die Rückreise länger als sonst. Als ich am Abend völlig erledigt zuhause eintraf, beschloss ich, mit dem Packen für die Reise nach Nashville zu beginnen. Viel musste ich ja nicht mitnehmen, denn USA war das Einkaufsparadies schlechthin. Kleidung, Schuhe, Kosmetikartikel usw. waren viel billiger als im teuren London. Somit begnügte ich mich nur mit dem Nötigsten, da ich in Nashville ausgiebig shoppen gehen würde.
Hin und wieder wanderten meine Gedanken zu Louis, der mir jeden Tag Textnachrichten auf mein Handy schickte und zwischendurch kurz anrief, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Jedes Mal versicherte ich ihm, dass es mir gut ging aber ich wusste, dass er es nicht wirklich glaubte.
Am Tag vor meinem Abflug räumte ich in meiner Wohnung auf und putzte diese auf Hochglanz, bevor ich noch schnell den Supermarkt aufsuchte. Ich wollte einige Kleinigkeiten wie frisches Obst und Sonnenblumenkörner für Angus besorgen, damit Trigger sich so wenig wie nur möglich mit diesen Dingen befassen musste. Ich war ihm schon dankbar genug dafür, dass er sich während meiner Abwesenheit um mein Haustier kümmerte.
Es war gegen fünf Uhr nachmittags, als ich schließlich mit der U-Bahn zum Supermarkt fuhr, eher hatte ich es einfach nicht geschafft. Dies hatte zur Folge, dass die Bahn brechend voll war, weil die Rush Hour bereits eingesetzt hatte, doch da musste ich jetzt durch. Gott sei Dank handelte es sich aber nur um zwei Haltestellen, die ich darin verbringen musste.
Überraschenderweise war der Supermarkt jedoch nicht so überfüllt, was bedeutete, dass ich ziemlich entspannt einkaufen gehen konnte. Langsam schlenderte ich durch die Gänge, nachdem ich das Obst in meinem Einkaufswagen deponiert hatte und hielt Ausschau nach Keksen und Schokolade, um später meinen seelischen Kummer mit Süßigkeiten zu ertränken. Vor mir lief ein junger Mann, dem plötzlich ein Zettel aus der Hosentasche fiel.
„Entschuldigung", rief ich ihm nach, „aber Sie haben da etwas verloren!"
Als er sich umdrehte, traf mich fast der Schlag, denn ich schaute in Chad Masons braune Augen. Jener Kerl, der mich auf Marvins Party so dumm angemacht hatte und dem Niall genau deswegen die Nase blutig schlug. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, als ich mit hochrotem Kopf dastand.
„Sieh mal einer an. Wir kennen uns doch, oder nicht?"
Er grinste mich freundlich an, ganz anders, als auf der Party.
„Ich glaube auch", brachte ich mühsam hervor.
Warum war Niall jetzt nicht da? Und warum wünschte ich mir plötzlich, dass er überhaupt hier sein sollte? Er hatte mich zwar vor Chad gerettet, sich jedoch als ein armseliger Player entpuppt. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, hielt Chad mir seine Hand hin.
„Ich möchte mich bei dir für mein unmögliches Verhalten auf dieser Party entschuldigen", sagte er und blickte mir direkt in die Augen.
Völlig überrumpelt von dieser Aktion, blieb mir der Mund offen stehen, denn das hatte ich keineswegs erwartet.
„Du heißt Angel, richtig?", fuhr er fort, ohne mich aus den Augen zu lassen, wobei der heute irgendwie lammfromm wirkte.
„Ja", erwiderte ich nach einer gefühlten Ewigkeit, „ich heiße Angel."
„Fein".
Chad grinste mich freundlich an. „Hör mal, es tut mir echt leid, wie ich mich aufgeführt habe aber ich war einfach nur betrunken. Und du hast verdammt hübsch ausgesehen..."
Er machte mir ein Kompliment, auch das noch!
„Das ist schon ok", kam es von mir, „ich bin nicht nachtragend."
Sein erleichtertes Aufatmen ließ ihn irgendwie sympathisch wirken. Komisch, wie meine Ansichten und Wahrnehmungen bezüglich einiger Menschen sich binnen weniger Tage änderten. Niall war mir inzwischen egal aber Chad schien richtig nett zu sein.
„Du kannst deinem Freund übrigens sagen, dass ich es nicht so gemeint habe", fuhr Chad fort.
„Niall ist nicht mein Freund. Also wir sind nicht zusammen", lenkte ich sofort ein.
„Oh." Chad zog erstaunt seine Augenbrauen nach oben. „Ich dachte ihr wärt ein Paar."
Energisch schüttelte ich meinen Kopf. „Nie und nimmer!", erklärte ich grinsend, worauf Chad herzlich zu lachen begann.
„Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?", fragt er lächelnd.
„Ein anderes Mal gerne aber ich muss jetzt nach Hause, weil ich morgen nach Nashville fliege", erklärte ich.
„Nach Nashville? Cool!"
„Ja, mein Dad lebt dort und ich besuche ihn zu Thanksgiving."
Zwischenzeitlich waren wir an der Kasse angelangt, wo Chad mir den Vortritt ließ. Ich wartete kurze Zeit später draußen auf ihn, weil ich mich verabschieden wollte und als ich erwähnte, dass ich nun zur U-Bahn laufen würde, bot er an, mich mit seinem Wagen zu fahren. Ich willigte schließlich ein, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass er etwas gut machen wollte. Er schien wirklich kein übler Kerl zu sein und über den Durst trinken und dabei über die Stränge schlagen, durfte jeder Mal. Niall und ich hatten das auch getan, lediglich in anderer Form. Ich wollte nicht mehr über den Iren nachdenken und so stieg ich in die Konversation von Chad ein, der mich fragte, wo ich arbeiten würde.
„Ich arbeite in einem Club im Stadtteil Marleybone", antwortete ich.
„Als Bedienung zu arbeiten ist sicher anstrengend", kam es nun von Chad, was mir ein Lachen entlockte.
„Ich bin keine Bedienung, sondern der DJ", sagte ich trocken, worauf er mich erstaunt ansah.
„Donnerwetter! Ein hübsches Mädchen als DJ, dieser Club läuft bestimmt wie am Schnürchen!", meinte er grinsend.
„Du kannst ja mal vorbeischauen. Ich arbeite immer von mittwochs bis samstags", klärte ich ihn auf.
„Das ist cool aber dieses Wochenende bin ich leider nicht in London."
Man merkte, wie sehr er dies bedauerte aber da konnte ich Abhilfe schaffen.
„Ich auch nicht, ich komme erst am Sonntag zurück."
„Fein, dann schaue ich am Wochenende drauf mal vorbei", versprach er grinsend.
„Ich freue mich, wenn du kommst. Der Club heißt übrigens Seven Eleven."
Gott, woher nahm ich nur dieses Selbstbewusstsein? Lächelnd verabschiedete ich mich nun von ihm, da wir am Ziel angekommen waren, bedankte mich nochmals für das Chauffieren und lief dann zum Hauseingang. Als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschloss, schrie Angus bereits meinen Namen, in einer Lautstärke, dass es nicht mehr feierlich war. Vermutlich spürte er schon, dass ich morgen verreisen würde.
Meine Gedanken gingen automatisch nach Nashville, die Stadt, in der ich geboren wurde. Ein Teil von mir war noch immer dort und ich freute mich darauf, morgen endlich wieder hinfliegen zu können.
Mein letzter Gedanke, bevor ich in dieser Nacht einschlief, galt dem mysteriösen Gast, den mein Dad eingeladen hatte. Wer mochte das wohl sein?
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Oh oh, Angel ist total sauer auf Niall. Ob er wohl jemals noch eine Chance bei ihr haben wird?
Und Chad scheint ja doch nicht so übel zu sein....
Wer der mysteriöse Gast ist, werdet ihr im nächsten Kapitel erfahren!
Danke für den vielen Kommentare, Reads und Votes!
LG, Ambi xxx
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