8. Kapitel
A D A M
Der nächste Tag verlief wie immer. Ich fuhr zur Firma und vertiefte mich in meiner Arbeit, sodass die Zeit wie im Fluge verging. Zuhause angekommen kochte ich und schaute währenddessen die Nachrichten. Zwischendurch hatte ich ein kurzes Telefonat mit meiner Schwester, die mir von ihren alltäglichen Problemen am College berichtete. Alles war wie immer, mit dem kleinen Unterschied, dass Tessa nach unserem Streit noch immer nicht aufgetaucht war. Wir hatten uns seitdem weder gesehen noch hatten wir miteinander gesprochen. Sie hatte sich nicht bei mir gemeldet und ich mich auch nicht bei ihr. Sie war einfach verschwunden und ich hatte nicht einmal groß an sie gedacht oder mir jegliche Sorgen darüber gemacht, wie es ihr wohl ginge oder wo sie überhaupt war. Ich fühlte mich nicht einmal besonders schlecht deswegen. Natürlich dachte ich im ersten Moment, dass ich nicht so hart hätte sein müssen und dass ich echt verletzend war, doch anderseits schämte ich mich nicht dafür, dass ich die Wahrheit gesagt hatte.
Als es draußen langsam dämmrig wurde, spürte ich, wie die Müdigkeit in alle Knochen kroch. Ich streckte mich und gähnte, bevor ich den Fernseher ausschaltete und mich von der Couch erhob. Ich brachte das dreckige Geschirr in die Küche, bevor ich mich auf den direkten Weg ins Bad machte. Das heiße Wasser prasselte Minuten später auf meine nackte Haut. Ich spürte, wie sich jeder einzelne Muskel langsam zu entspannen versuchte. Ein paar klatschnasse Haare klebten an meiner Stirn. Ich fuhr mit meinen Händen über mein Gesicht und kniff die Augen zusammen, während mich wieder einmal sämtliche Erinnerungen und Gedankengänge heimsuchten. Ich dachte an den Streit mit Tessa, an ihren verletzlichen Blick, an ihren wütenden Abgang, an den Tag, an dem ich sie nicht sonderlich vermisst hatte, weil mir dieser Tag nicht wirklich anders als andere vorkam, und letztendlich dachte ich wieder nur an Hope und was für ein dämlicher Idiot ich nur war, dass ich sie gehen lassen habe.
Nach dem Duschen schleppte ich mich ins Schlafzimmer, in dem ich, wie es wohl aussieht, wieder einmal ganz alleine schlafen werde. Ich betrachtete kurz die leere Betthälfte, wo eigentlich Tessa liegen würde, dann schüttelte ich den Gedanken an sie endgültig ab. Ich ließ mich auf die weiche Matratze fallen und fischte mein Handy hervor. Ich checkte meine Mails und alle anderen Nachrichten, als ich plötzlich das Geräusch von einem Zuschlagen der Tür dumpf wahrnehmen konnte. Ich schaute auf, in den dunklen Raum, der nur von der kleinen Nachttischlampe beleuchtet wurde, und wartete einen Augenblick. Dann öffnete sich auch schon die Schlafzimmertür. Ich erblickte die Silhouette einer jungen Frau, um genauer zu sein die von Tessa. Diese huschte durch den kleinen Spalt und schloss die Türe wieder hinter sich. Ich beobachtete sie, wie sie hinüber zu ihrer Seite lief, ohne etwas zu sagen. Sie schnappte sich den Pyjama, der seitdem sie abgehauen war, unberührt auf ihrer Betthälfte lag, schlüpfte da rein und legte sich anschließend mit einem riesengroßen Abstand neben mich. Ich legte derweilen mein Handy zur Seite und starrte die Decke über uns an. Ich wusste nicht, ob sie noch immer sauer auf mich war und wie es mit uns nach allem weitergehen würde. Ich überlegte, ob ich mich entschuldigen sollte oder etwas Sinnloses sagen sollte, nur um dieser Stille zu entkommen, doch zum einen fühlte es sich nicht richtig an, sich für die Wahrheit zu entschuldigen und zum anderen hatte ich nicht den blassesten Schimmer, was ich zu ihr sagen könnte. Denn ist das nicht genau das, was wir wissen wollen? Die Wahrheit? Auch wenn sie noch so schmerzhaft sein konnte?
Doch bevor ich zu einem Gespräch ansetzen konnte, durchbrach Tessa dieses endlos wirkende Schweigen.
»Ich will nicht darüber sprechen, was passiert ist« sprach sie in einem sachlichen Ton und ohne jeglichen Emotionen. Sie holte tief Luft. Ich hörte das Zittern beim Ausatmen, als fälle es ihr unheimlich schwer, diese Worte zu auszusprechen.
»Wir werden einfach so weitermachen wie bisher und den Tag, diesen Vorfall vergessen. Wir beide standen unter Stress und haben das alles nicht so gemeint, wie wir es gesagt haben« Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Das wäre eigentlich der Moment, in dem ich ihr wieder einmal die schmerzhafte Wahrheit hätte sagen müssen. Ich hätte ihr sagen müssen, dass ich das alles sehr wohl so meinte, wie ich es ihr an diesem einen Tag gesagt hatte, doch stattdessen sagte ich nichts. In meinem Inneren beschlich mich das Gefühl, dass Tessa ganz genau wusste, dass ich jedes einzelne Wort ernst gemeint habe, doch dass sie darüber hinwegsehen und die Augen davor verschließen will.
Sie seufzte. Dann schaltete sie die Nachttischlampe auf ihrer Seite aus und kuschelte sich in die Decke. Ich machte es ihr gleich, während in meinem Kopf das reinste Chaos herrschte. Ich hatte nicht gedacht, dass Tessa das so einfach abhaken würde. Ich hatte mit einem zweiten großen Streit gerechnet, aber anscheinend hatte sie es genauso satt, jedes Mal aufs Neue von der Person, mit der man gerade seine Zukunft plante, verletzt zu werden. Ich dachte darüber nach, wie es nun weitergehen würde. Dass wir wahrscheinlich jeden Tag so verbringen würde, wie wir es bislang taten. Dass wir nicht zur Vernunft kommen werden, das, was von unserer Beziehung noch übriggeblieben ist, aufzugeben.
Tessa rückte langsam näher. Zuerst legte sie ihren Kopf auf meiner Brust ab, dann schlangen sich ihre Arme um meinen Bauch. Sie seufzte, als würden damit alle Lasten von ihren Schultern fallen.
Ich ließ es zu, dass unsere Körper dicht nebeneinander lagen. An den Gefühlen hatte sich rein nichts geändert, aber ich stieß sie nicht von mir. Ich ließ diese Leere, diese unbeschreiblich schmerzhafte Leere damit immer größer werden. Das hier fühlte sich genauso kalt und gefühlslos an, wie, wenn ich allein schlafen würde, ohne Tessa in meiner Nähe.
• • •
In den nächsten Tagen nahm ich keine Veränderungen wahr. Ich stand morgens auf und fuhr zur Arbeit, während Tessa noch tief zu schlafen schien. Wenn ich dann nach Hause kam, führten wir nicht mehr als einen kurzen Smalltalk, wie als würde man mit Bekannten sprechen, die man alle paar Monate zufällig traf und man dann nicht so recht wusste, worüber man sich unterhalten sollte, weil man eigentlich nichts über den anderen und sein Leben wusste. Deswegen fragte man so allgemeine Dinge, wie es einem ging oder was die Arbeit machte. Und genau das waren auch die einzigen Fragen, die Tessa mir beim Abendessen stellte, wenn sie mal da sein sollte. Ansonsten herrschte weiterhin diese Distanz zwischen uns. Manchmal, da war ich wirklich überrascht, wenn Tessa mich mit einem Kuss auf die Wange begrüßte und etwas für uns gekocht hatte. Sie schien sich an diesen Tagen besonders viel Mühe zu geben, dass zwischen uns kein weiterer Streit ausbrechen würde. Oder ihr lag mehr an mir und unserer Beziehung, als ich je vermutet hätte.
Eines Abends erledigte sie sogar mit mir den Abwasch. Sie lächelte, als wäre sie glücklich, so wie es gerade war. Vielleicht hatte sie meine Worte gebraucht, so hart sie auch waren, um zu verstehen, wie sehr unsere Beziehung auf der Kippe stand. Vielleicht hatte sie eingesehen, dass nicht nur ich, sondern auch sie gewaltige Fehler getan hatte und dass wir beide an uns arbeiten müssen, wenn unsere Zukunft nicht ständig von Streitereien und vollkommener Abneigung begleitet sein sollte.
»Was haltest du davon, wenn wir am Wochenende mal wieder essen gehen?« fragte sie mich und sah mich mit einem unsicheren Blick an. Ich überlegte ich, dann zuckte ich mit den Schultern.
»Von mir aus« Dann drehte ich ihr den Rücken zu und legte den Teller in das Spülbecken voller Wasser und Spülmittel. Ich hörte sie seufzen und wie sie ein paar Schritte auf mich zu ging. Dann legten sich ihre zwei Hände auf meine Schulterblätter.
»Ich will, dass das mit uns funktioniert« flüstert sie leise und strich mit ihren Händen sanft über mein Hemd auf und ab. Ich stützte meine Arme an der Spüle ab und seufzte. Ich wollte auch, dass es funktioniert und ich wenigstens nicht total unglücklich in diese Ehe gehen musste. Also drehte ich mich um und nickte. Auf ihren Lippen zeigte sich sofort ein kleines Lächeln. Ich sah ihr tief in die Augen und bemerkte die Hoffnung darin, als würde alles wieder gut werden und als würde es ein glückliches Ende finden. Ich zwang mir ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht, um sie nicht ein weiteres Mal zu enttäuschen und traurig zu stimmen.
»Okay« hauchte sie. Ihre Hände legten sich wieder auf meine Schultern und wanderten langsam meinen Hals hinauf, bis sie auf meinen Wangen ankamen. Ich bemerkte ihren Drang, mich zu küssen, in ihrem hungrigen Blick, doch machte keine Anstalten, ihr diesen Gefallen zu tun. Jedoch wehrte ich mich auch nicht, als ihre Lippen auf meinen landeten. Halbherzig erwiderte ich sogar diesen Kuss, auch wenn keinerlei Gefühle dabei hochkamen. Es war, als küsse ich eine wildfremde Person, die zu keiner Zeit mein Herz berühren konnte oder bei der ich wissen wollte, wie sich ein Kuss anfühlte.
Mein Handy begann zu klingeln. Schnell löste ich mich von dieser Frau und fischte es aus meiner Hosentasche heraus. Tessa wirkte genervt, sagte jedoch nichts dazu.
»Ja?« meldete ich mich langsam und hörte kurz darauf die freudig quietschende Maddy, die mich so laut begrüßte, dass ich mein Handy etwas von meinem Ohr entfernen musste.
»Wieso ignorierst du schon den ganzen Tag meine Anrufe und Nachrichten?« fragte sie aufgeregt und klang vorwurfsvoll.
»Es war viel los« erwiderte ich, ohne konkreter zu werden. »Tut mir leid«
»Okay, ich verzeihe dir. Aber nur, wenn du mir endlich eine Antwort auf meine Frage gibst: Kommst du zu Weihnachten nach Hause?« Ich biss mir auf die Unterlippe und dachte fieberhaft nach.
»Weihnachten ... nach Hause kommen...« druckste ich herum und sah währenddessen zu Tessa. Anstatt mir ein Zeichen zu geben, was sie von dieser Idee hielt, riss sie mir das Handy aus der Hand und übernahm meinen Job, Bescheid zu geben.
»Natürlich kommen wir« sagte sie freudig zu Maddy, die am Ende der Leitung wahrscheinlich vor Neugierde fast gestorben wäre. Die beiden unterhielten sich noch einen kurzen Moment. Ich starrte in der Zwischenzeit in die Leere. Tessa und ich würden in wenigen Wochen zu mir nach Hause fahren, in die Stadt, in der ich mich in Hope verliebt hatte und in der sie immer noch wohnte. Ich würde meine Familie anlügen müssen, weil sie nicht wissen sollten, wie schlecht es mir in dieser Beziehung eigentlich ging. Und ich würde jeden Moment befürchten müssen, Hope über den Weg zu laufen, vielleicht sogar mit ihrem neuen Freund.
Wie sollte ich diese Zeit nur überleben?
»Wo waren wir nochmal stehengeblieben?« fragte Tessa mit einem verführerischen Unterton in ihrer Stimme. Sie hatte bereits aufgelegt und legte mein Handy auf der Küchenzeile ab. Ihre Arme schlangen sich um meinen Hals, während ich noch immer das Chaos in meinem Kopf wahrnahm. Ich erwiderte ihren zweiten Versuch, mich zu küssen, und dachte dabei an Hope und an die bevorstehende Zeit bei meiner Familie. Ich ließ sie mich ins Schlafzimmer ziehen, wo sie erst mein Hemd aufknöpfte und dann aus ihrer eigenen Kleidung schlüpfte. Ich spürte keinerlei Verlangen, als sie nur noch in Unterwäsche vor mir stand und mit ihren Fingern über meine nackte Brust strich. Ich war wie hypnotisiert und stand völlig neben der Spur, als sie völlig die Oberhand gewann und mich zu unserem Bett drängte. Sie drückte mich an den Schultern nach unten und setzte sich auf meinen Schoß. Diese Dominanz schien vielleicht vielen Männern zu gefallen, doch ich wollte einfach nur meine Ruhe. Ich erwiderte nicht länger ihre Küsse, doch das musste ich auch nicht, denn kurze Zeit später wanderten ihre Lippen meinen Hals hinunter. Ihre Fingernägel krallten sich in meine Haut. Sie atmete schwer. Und ich ließ es schweigend über mich ergehen, dass sie mich berührte und mit mir schlafen wollte. Ich akzeptierte es. Genauso wie unsere Beziehung. Auch wenn da niemals wahre Liebe sein wird.
leider nur ein kurzes kapitel, aber wie wahrscheinlich schon einige über Instagram mitbekommen haben, komme ich fast nicht mehr zum schreiben... das wird sich aber in den nächsten Monaten ändern, sobald ich die abiprüfungen hinter mir habe
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