35. Kapitel
H O P E
Mein Weg führte mich zuerst in meine alte Wohnung und anschließend in mein Lieblingscafé, in dem Scott arbeitete. Ich brauchte Abstand, Abstand von Derek und von der ganzen Situation. Ich brauchte einen Rückzugsort, an dem ich nicht befürchten musste, Derek jeden Moment zu begegnen. Auch wenn ich womöglich überreagiert hatte und es Derek gegenüber nicht fair war, ihm diese Vorwürfe zu machen, wo ich doch freiwillig eingewilligt hatte, es öffentlich zu machen, so wollte ich gerade nicht in seiner Nähe sein.
Ich ließ mich auf den Stuhl meines Stammplatzes fallen und atmete tief aus. Ich versuchte, nicht länger an dieses Schlamassel in der Firma zu denken, was mich in der letzten halben Stunde völlig aufgewühlt hatte, doch es wollte mir nicht so recht gelingen. Während ich aus dem Fenster sah und die Leute dabei beobachtete, wie sie durch die Straßen huschten oder gemütlich bummelten und dabei immer wieder einen Blick durch die Schaufenster der kleinen Läden warfen, spielte sich dieser Moment immer wieder vor meinem inneren Auge wie ein Film ab. Ich hörte Stellas Worte durch meinen Kopf hallen oder sah Dereks besorgten Gesichtsausdruck. Ich fühlte mich augenblicklich, weil ich Derek unrecht getan hatte. Es war nicht fair von mir, ihm die Schuld zuzuschreiben. Ich hätte den Streit - unseren ersten Streit - nicht einfach entfachen sollen, aber die Sache mit Stella hatte mich so sehr überfordert, dass ich im Affekt gehandelt und meine Emotionen nicht unter Kontrolle hatte. Das lag vor allem daran, dass es mich schmerzlich an die Vergangenheit erinnert hatte und ich Angst hatte, dass es von nun an so sein würde, wie damals auf der Schule - die Ausgrenzung, die abschätzigen Blicke, die blöden Kommentare. Mit Adam war es schließlich nicht anders gewesen.
Apropos Adam ...! Ich zog das Handy aus der Jackentasche und warf einen Blick auf das Display. Ich musste heute ein weiteres Mal enttäuscht feststellen, dass er sich auf meine Nachricht nicht gemeldet hatte. In unserem Chat stand immer noch lediglich meine Nachricht, die ich gestern aufgrund meiner Ungeschicklichkeit und meines schusseligen Verhaltens ausversehen abgeschickt hatte, und darunter die Info, dass er es gelesen hatte.
Frustriert stopfte ich das Handy zurück in die Jackentasche und lehnte mich nach hinten. Auch wenn ich eigentlich nie wirklich vorgehabt hatte, ihm diese Frage zu stellen, so war ich nun doch enttäuscht, dass er nicht geantwortet hatte. Ich hatte von ihm ehrlich gesagt anderes erwartet, denn nach all seinen Worten und Taten - besonders der Kuss - in den letzten Tagen war er mir eine Erklärung schuldig. Ich hatte wirklich geglaubt, ihm wäre es diesmal ernst, aber allem Anschein nach war es nur ein weiteres seiner Spielchen, das ich nicht mehr spielen wollte. Ich war es leid, dass ständig mit meinen Gefühlen gespielt wurde.
»Hey, was machst du hier?« Ich sah zu Scott auf, der plötzlich vor meinem Tisch stand. Er hatte die Schürze um die Hüften gebunden und einen Block mit Stift in den Händen. Auf seinen Lippen zierte ein kleines, ehrliches Lächeln.
»Ach, ich brauchte mal Abstand von der Arbeit« murmelte ich seufzend. Ich versuchte, mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen, wie sehr ich meinen Gedanken nachhing, doch Scott schien dennoch zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Er sah sich einen Moment nach seinen Mitarbeitern um, dann zog er den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches nach hinten und setzte sich.
»Okay, was ist los?« fragte er und musterte mich, als wolle er so herausfinden, was mich belastete.
»Derek und ich hatten Streit« meinte ich seufzend. Es war nicht das einzige Thema, das mich belastete, aber das einzige, über das ich gerade mit jemandem sprechen wollte. Der vergebliche Versuch, die Wahrheit hinter Adams Verhalten der letzten Tage herauszufinden, behielt ich lieber für mich.
»Oh. Worüber habt ihr euch gestritten?« hakte er nach. Er sah mich mit diesem besorgten Gesichtsausdruck an.
»Nichts schlimmes, nur darüber, wie wir das mit unserer Beziehung in der Firma handhaben sollten. Wir hatten da unterschiedliche Ansichten« erklärte ich und spielte damit unseren Streit und die Reaktionen der anderen auf unseren Kuss herunter. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen um mich machte oder dass er damit an unsere Vergangenheit erinnert und damit wieder einmal seine Schuldgefühle in den Vordergrund seiner Gedanken rücken wird
»Okay, ich dachte für einen Moment, es wäre wegen Adam« meinte er und klang mehr als erleichtert. Ich runzelte die Stirn. Wie kam er denn jetzt darauf, dass meine Stimmung etwas mit Adam zu tun haben konnte? Es war zwar die pure Wahrheit, aber war es denn so offensichtlich?
»Adam?« fragte ich deshalb nach und zog die Augenbrauen in die Höhe.
»Ich hab gesehen, wie du ihn auf der Beerdigung angesehen hast. Und ich hab euch später auf der Bank sitzen sehen. Ihr saht ziemlich vertraut aus« Er sah mich mit diesem eindringlichen Blick an, sodass ich mir sicher war, dass er mir meine Ausreden niemals abkaufen würde. Ich probierte es dennoch.
»Ach was, nein. Ich... Da ist nichts mit Adam« versuchte ich, mich herauszureden, doch so nervös wie meine Stimme dabei klang, glaubte ich erst recht nicht, dass er mir das abkaufen würde. Wie erwartet hob er eine Augenbraue und sah mich so an, als würde er mich fragen: 'Dein Ernst?'.
»Hey Leute« Unsere Köpfe drehten sich zur Seite. Damian stand plötzlich neben unserem Tisch. Völlig perplex über sein Auftauchen saß ich einen Moment reglos da, während er Scott mit einem breiten Grinsen einen Handschlag gab und sich anschließend zu mich nach unten beugte, um mich in eine kurze Umarmung zu ziehen.
»Worüber unterhaltet ihr euch gerade?« fragte er nach. Ich sah zu Scott und deutete ihm mit meinem Blick und mit einem unauffälligen Kopfschütteln, er solle gefälligst seinen Mund über Adam halten und irgendetwas erfinden, um vom Thema abzulenken, doch er sah mich bloß ein paar Sekunden regungslos an, bevor er sich Damian zuwandte, der neugierig und auch eine Spur verwirrt zwischen uns hin und her sah.
»Sie behauptet, sie wäre cool mit Adam« murmelte er, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich nach hinten. »Ich kauf ihr das aber nicht ab«
»Da ist wirklich nichts mit Adam!« protestierte ich aufgeregt. »Außerdem bin ich mit Derek zusammen und er ist mit Tessa verlobt«
»Naja, das stimmt nicht mehr so ganz« druckste Scott herum.
»Wie meinst du das?« fragte ich nach. Ich war plötzlich noch aufgeregter.
»Er hat sich gestern von Tessa getrennt« erzählte Scott daraufhin. »Er war vorhin hier und hat mit Jonas darüber gesprochen« Mein Herz blieb einen Moment stehen, bevor es kräftig weiterschlug. Adam hatte sich von Tessa getrennt?
»Krass« kommentierte Damian. »Ihm gehts bestimmt beschissen«
»Nein, ganz im Gegenteil. Ihm schien es überhaupt nichts ausgemacht haben. Er war sogar froh darüber«
»Ist vielleicht nur Fassade« mutmaßte ich, während ich die Informationen zu verarbeiten versuchte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Adam das in keinster Weise berührte. Das würde ja bedeuten, er hätte sie niemals geliebt. Aber war man dann so lange mit einem Menschen in einer Beziehung, wenn man die Person nicht liebte?
»Glaub ich eher weniger. Immerhin hat er auch von einer anderen Frau gesprochen, die er nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Ihren Name hab ich nicht mehr gehört« redete Scott weiter. Mein Herz blieb erneut stehen. Er hat schon wieder eine Andere?
Ignoriert er deshalb meine Nachricht? Weil er gerade mit seiner Neuen ist und ich ihm plötzlich wieder ganz egal geworden war? So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf umher und auch wenn ich das gar nicht so nahe an mich heranlassen und darüber nachdenken wollte, dachte ich an nichts anderes mehr. Ich konnte nicht leugnen, dass mir dieser Satz einen Stich in meinem Herzen versetzt hatte, so gerne ich das auch würde, aber damit würde ich nur mich selbst anlügen.
»Na, dann hoffe ich, dass er mit ihr glücklich wird« Ich reckte meinen Kopf, um mir nicht anmerken zu lassen, wie verletzt ich war. Den Tränen in meinen Augen gab ich keine Chance, sondern schluckte sie herunter. Ich wollte nicht schwach oder wie jemand, der auch noch nach Jahren dem Ex nachtrauert, wirken, weswegen ich versuchte, so emotionslos wie möglich zu klingen und auszusehen.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er eine Neue hat« mischte sich Damian ein, der bisher eher ruhig zwischen unserer Konversation blieb. Ich sah ihn mit runzelnder Stirn an. Über wen sollte er sonst so sprechen?
»Oh man Hope, manchmal stehst du echt auf dem Schlauch« Er verdrehte die Augen. »Er redet über dich« Damian sah mich mit diesem eindringlichen Blick an und Scott nickte zustimmend. Ich sah zwischen den beiden hin und her und lachte nervös auf.
»Nein, niemals« stritt ich ab. Ein Teil meines Herzens wollte hoffen, dass die beiden Recht hatten, die andere wollte das nicht wegen Derek. Und mein Verstand erinnerte mich an die Nachricht, die zeigte, dass kaum eine Chance bestand, dass die beiden Recht haben könnten. Wenn es so wäre, wie die beiden sagten, warum hatte er sich dann nicht bei mir gemeldet? Wäre das nicht die perfekte Gelegenheit für ihn gewesen, mir das alles zu beichten?
»Oh doch. Wenn du nicht ständig seinen Gesichtsausdruck gesehen hast, dann weiß ich auch nicht mehr. Das war offensichtlich« erwiderte Damian. Er schien sich ganz sicher damit zu sein. Ich zweifelte jedoch daran. Alles erschien so widersprüchlich. Im ersten Moment glaubte ich selbst daran, dass da noch etwas war, was wir füreinander fühlten, doch danach dachte ich wieder an sein Verhalten in den letzten Tagen, das mich wieder zweifeln ließ.
»Er steht immer noch total auf dich« fügte Scott hinzu.
»Das kann nicht sein« murmelte ich kopfschüttelnd und versuchte damit, mir selbst einzureden, dass das, was die beiden sagten, nicht die Wahrheit sein konnte. Denn wenn es wirklich wahr wäre, was Scott und Damian sagten, dann wüsste ich gar nicht mehr, was ich nun tun sollte. Es wäre alles so verdammt viel leichter, wenn da keine Gefühle mehr da wären. Wenn er über mich hinweg war, denn nur so könnte ich endgültig abschließen und mich auf eine Zukunft mit Derek konzentrieren.
»Ach ja, wieso nicht? Wie kannst du dir da so sicher sein?« fragte Damian nach. Er schien nicht zu glauben, dass es da irgendwelche Zweifel an seine Theorie geben konnte. Er kannte aber auch nicht die ganze Geschichte zwischen uns. Er weiß nur das, was er selbst gesehen oder gehört hatte und das vergleichsweise mit dem, was wirklich alles passiert war, sehr wenig. Ein paar zugeworfene Blicke oder der Satz 'Ich bekomme sie nicht mehr aus dem Kopf' reichten hier nicht aus. Es war mehr als das. Der Kuss, seine Worte, diese Umarmung auf der Bank oder das gemeinsame Lachen über vergangene Erinnerungen, aber auch sein gekränkter und gequälter Ausdruck, als er mich mit Derek gesehen hatte, seine verletzende Worte, nachdem ich ihn von mir gestoßen hatte oder seine Ignoranz auf meine Nachricht.
»Weil ... Weil ich ihm eine Nachricht geschrieben habe und er mir nicht einmal geantwortet hat« erklärte ich aufgebracht. Mit jeder weiteren Sekunde, in der ich über die letzten Tage nachdachte, umso wahrscheinlicher wurde auch für mich die Theorie, dass da noch Gefühle im Spiel waren. Nur konnte ich mir diese Ignoranz dennoch nicht erklären. Es passte einfach nicht ins Bild.
»Was für eine Nachricht?« Die beiden sahen mich verwirrt und neugierig an. Ich seufzte.
»Ich wollte ihn fragen, was seine Worte und besonders dieser Kuss zu bedeuten hatte, -« Die Worte sprudelten einfach so aus mir heraus, sodass ich auch erst bemerkte, dass ich den Kuss erwähnt hatte - was ich eigentlich für mich behalten wollte -, als Damian mich unterbrach.
»Moment, ihr habt euch geküsst?«
»Ganz kurz nur und er war total betrunken, aber das tut jetzt nichts zur Sache -« meinte ich abwinkend und wollte eigentlich auf das eigentliche Problem eingehen, nämlich, dass er mir nicht geantwortet und damit das Signal, ihm sei es nicht wichtig und ernst genug, gab, doch er unterbrach mich ein zweites Mal.
»Natürlich tut es was zur Sache. Man küsst sich nicht einfach mal so«
Er hatte Recht. Verdammt, er hatte Recht!
Ich fühlte mich plötzlich total überfordert mit meinen Gedanken. Ich hatte die ganze Zeit geglaubt - oder besser gesagt, ich hatte es mir eingeredet -, dass dem nicht so war, sodass ich ihn vergessen und stattdessen mich besser auf die Beziehung mit Derek einlassen konnte, aber diese deutlichen Worte der beiden hatten mir nun das klar gemacht, was ich nicht hören wollte - dass Adam immer noch Gefühle für mich hatte.
»Tut mir leid, ich muss los, zurück in die Firma« Meine Stimme wurde heiser und ich blinzelte die Tränen weg. Die beiden sahen erst einander und dann mich an. Ich wartete keine weitere Reaktion der beiden ab, sondern stand auf und ging.
Ich brauchte Abstand. Abstand von dem Thema, um später in Ruhe darüber nachzudenken. Die beiden hatten mir die Augen geöffnet, aber ich wäre froh gewesen, sie hätten es nicht getan.
• • •
Auf dem Weg zur Firma kämpfte ich mit den Tränen. Ich fühlte mich so elend, weil ich nicht wusste, wie ich darüber denken oder wie ich darauf reagieren sollte. Wenn es wirklich stimmte, dass Adams Gefühle für mich nicht einfach verschwunden waren, was sollte ich tun? Mein Herz schrie, ich solle meine Gefühle für ihn nicht einfach aufgeben, sondern ihnen folgen, und gleichzeitig auch, dass ich Derek nicht einfach für jemanden, der mir bereits mehrfach das Herz gebrochen hatte, fallen lassen sollte. Mein Herz war wie in zwei Hälften geteilt und ich konnte mich nicht für eine entscheiden.
Als ich dem Firmengebäude näher kam, drängte sich jedoch schnell ein anderes Thema in den Vordergrund: Der Streit mit Derek und die Reaktion der anderen auf den Kuss.
Ich wusste nicht, was mich gleich erwarten würde, und ich wusste auch nicht, wie ich mich verhalten sollte. Es dauerte einen Moment, bis ich mich aus meiner Starre befreite und das Gebäude betrat. Die Dame am Empfang musterte mich von oben bis unten, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Hier hatte es sich also auch schon herumgesprochen, dass mich der Chef vor versammelter Mannschaft geküsst hatte.
Im Aufzug spürte ich, wie mein Herz so schnell schlug, dass ich befürchtete, es würde jeden Moment herausspringen. Meine Hände wurden ganz zittrig, während die Anzeige eine immer größer werdende Zahl anzeigte. Letztendlich gab der Aufzug einen klingelnden Ton von sich, bevor sich die Türen öffneten. Ausgerechnet befanden sich in diesem Moment viele Mitarbeiter hier und als wenn das nicht schon schlimm genug war, stand unter ihnen Derek, der mit einer Mitarbeiterin etwas besprach.
Als sich unsere Blicke kreuzten, verstummte er und schluckte schwer. Ich konnte mich nicht bewegen, spürte, wie immer mehr zwischen Derek und mir hin und her sahen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, doch dann drängte sich der Drang zu flüchten nach vorne und ich versuchte, so schnell wie möglich zu meinem Büro zu fliehen, um Dereks Blicke und denen der anderen zu entkommen. Ich hörte, wie die ersten anfingen, zu tuscheln, schnappte ein paar Worte auf, die mich direkt ins Herz trafen.
»Es geht hier zwar keinen etwas an, was zwischen Miss Collins und mir vorgeht, aber ich möchte hier keine weiteren absurden Verschwörungen darüber hören, es hätte etwas mit einer Gehaltserhöhung oder Beförderung zu tun!« Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Derek stand selbstbewusst da und warf einen strengen Blick durch die Mengen. Als er mich ansah, wurde er augenblicklich weicher. Seine Mundwinkel zuckten.
»Und jetzt tun Sie bitte das, wofür Sie hier sind: Arbeiten« meinte er abschließend. Tatsächlich machten sich alle schnell daran, zu ihrer Arbeit zurückzufinden. Derek kümmerte sich nicht länger um die anderen, sondern kam auf mich zu.
»Können wir reden?« Ich nickte und folgte ihm zu seinem Büro. Auf dem Weg dorthin war es schweigsam. Ich starrte die ganze Zeit seinen Rücken vor mir an und überlegte, was ich sagen könnte. Ich wollte mich entschuldigen, dass ich diesen unnötigen Streit zwischen uns angefangen hatte und dass es nicht fair war, ihm die alleinige Schuld zu geben, weil ich selbst darin eingewilligt hatte, es öffentlich kund zu geben.
Derek lief zu seinem Schreibtisch, während ich die Türe hinter uns schloss.
»Danke, dass du das klargestellt hast« beeilte ich mich zu sagen, als ich mich zu ihm umdrehte. Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und sah mich stumm an.
»Und es tut mir leid, dass ich diesen Streit angefangen hatte« murmelte ich. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte, weswegen ich auf Distanz blieb.
»Nein, mir tut es leid. Ich hätte vorher mit dir sprechen sollen, ob das für dich okay ist« Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte.
»Nein, du hast nichts falsch gemacht. Ich hab einfach überreagiert« widersprach ich ihm. Er sah mich einen Augenblick einfach nur an, dann streckte er seinen Arm aus, um mir anzudeuten, ich solle näher zu ihm kommen. Dem kam ich auch nach. Als ich vor ihm stand, schnappte er sich meine Hand und malte mit sanften Berührungen kleine Kreise auf meinen Handrücken.
»Trotzdem hätte ich vorsichtiger sein sollen« murmelte er gedankenverloren.
»Alles gut wieder zwischen uns?« fragte er irgendwann nach und sah von meiner Hand in seiner auf. Ich nickte mit einem kleinen Lächeln, was ihm ebenfalls ein kleines Lächeln auf den Lippen entlockte. Dann zog er mich zu sich und küsste mich. In meinem Magen rumorte es und eine Last fiel von meinen Schultern. Ich war froh, ihm wieder nahe zu sein und dabei nicht an Adam denken zu müssen. Ich war froh, dass wir uns wieder vertragen hatten und bald war der Streit auch schon ganz vergessen.
Ich war eine ganze Weile bei ihm im Büro. Ich dachte dabei weder an die Probleme in der Firma noch an die Sache mit Adam. Sie waren wie aus meinem Kopf gelöscht, während ich hier mit Derek war. Doch als ich später in meinem Büro verschwand, um die restliche Arbeit für den heutigen Tag zu erledigen, kehrten sie mit einer noch größeren Intensität zurück.
Ich spürte diese Zerrissenheit und dieses Gefühl, mir selbst nicht behilflich zu sein. In der einen Sekunde wollte ich den beiden glauben, dass Adam mich noch liebte, und in der anderen Sekunde wollte ich nicht, dass es wahr war, weil es die ganze Sache nur noch komplizierter machte, als sie eh schon war. Ich hatte Angst davor, Derek zu verlieren, aber gleichzeitig fragte ich mich, ob ich es nicht vielleicht irgendwann bereuen würde, nicht auf die eine Hälfte meines Herzens, die nach Adams Nähe schrie, gehört zu haben.
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und versuchte, die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, doch es wollte mir nicht gelingen. Ich musste die ganze Zeit an Adam denken und damit auch an die Nachricht, auf die er sich nicht gemeldet hatte.
Ich warf einen Blick auf meinem Handy und stellte fest, dass sich an dieser Tatsache nichts geändert hatte. Keine Nachricht von ihm. Keine Reaktion auf meine Frage. Und damit auch keine Gewissheit.
Ich dachte über die Worte der beiden nach und über die letzten Tage, in denen ich Adam begegnet war. Verdammt, ich glaubte langsam wirklich, an den Worten könnte etwas dran sein. Immerhin hatte er mir betrunken gesagt, dass er mich vermisst, und anschließend hatte er mich sogar geküsst. Ich glaubte manchmal sogar, dass ich auch der Grund für seine Trennung mit Tessa sein könnte. Aber warum meldete er sich dann nicht und klärte das alles auf? Und wieso sah er mich manchmal so unterkühlt und emotionslos an? Das passte nicht zusammen.
Die Tür zu meinem Büro öffnete sich. Derek stand im Türrahmen. »Können wir los?« fragte er. Ich sah von meinem Handy zu ihm, wieder zurück zu meinem Handy und letztendlich wieder zu ihm.
»Ja« antwortete ich mit einem Lächeln und stand auf. Ich schnappte mir meine Tasche und warf mein Handy dort hinein und mit dem Handy meine Gedanken, an Damians Theorie könnte etwas wahr sein. Es war besser so.
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