32. Kapitel
A D A M
Ich sah Hope hinterher, während die Wut auf Tessa bis ins Unermessliche stieg. Diese zuckte bloß mit den Schultern, als sie ihren Blick von Hope abwandte und wieder in meine Richtung sah.
»Was hat sie denn jetzt?« Ich stieg von der Bank auf und ballte die Hände zu Fäusten. In mir spannte sich wieder jeder einzelne Muskel an.
»Sag mal geht's noch? Was sollte das gerade?« fragte ich sie wutentbrannt. Ich musste mich wirklich beherrschen, nicht komplett die Fassung zu verlieren und sie mit voller Lautstärke anzuschreien. Da hatten Hope und ich unsere erste Annäherung, die von ihr ausging, und alles fühlte sich wie damals an und sie tauchte einfach auf und redete von Hochzeit und Einladungen.
»Was? Ich wollte doch nur wissen, ob sie kommt?« Sie verdrehte die Augen und fand, ich würde überreagieren.
»Wie kommst du überhaupt darauf, einfach Hochzeitseinladungen zu verschicken?« fragte ich zornig. Meine Stimme wurde immer lauter. Zum Glück waren sonst niemand mehr hier, der unseren Streit mithören konnte.
»Wir wollen doch im Frühjahr schon heiraten und dann sollten wir langsam anfangen, zu planen« erklärte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ist denn jetzt schon wieder dein Problem?« fragte sie entgeistert, aber ich ging gar nicht auf ihre Frage ein. Stattdessen fragte ich mich, wie sie einfach davon ausgehen konnte, dass wir immer noch heiraten würden, nachdem wir tagelang nicht mehr miteinander gesprochen hatte, wir in getrennten Zimmern schliefen und ich ihr bereits gesagt hatte, dass ich kein Bock mehr auf sie hatte. Dachte sie etwa tatsächlich, zwischen uns würde es einfach so weitergehen?
»Sag mal, hast du mir damals, am Tag vor unserer eigentlichen Abreise nicht zugehört?« Diesmal war ich derjenige, der entgeistert nachfragte. Ich versuchte, dabei nicht gleichzeitig auch an den Unfall zu denken, der ein Tag später geschehen war.
»Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht liebe! Wie kommst du also darauf, dass wir im Frühjahr heiraten?« brüllte ich sie an, als sie nichts sagte. Sie zuckte augenblicklich zusammen und wich einen Schritt zurück. Ihre Augen glänzten. Ich weiß, dass es nicht richtig war, ihr es so zu sagen, aber ich war gerade zu wütend, als dass ich mich zurückhalten konnte.
»Ich-« Sie stockte und sprach nicht mehr weiter. Plötzlich war sie ganz kleinlaut und traute sich nichts mehr zu sagen. Sie wirkte eingeschüchtert und getroffen von meinen Worten. Ich ging darauf nicht sonderlich ein, mein Mitleid hielt sich in Grenzen.
»Okay, dann nochmal zum Mitschreiben: Ich liebe dich nicht und ich werde dich nicht heiraten« verdeutlichte ich ihr mit messerscharfer Stimme. Sie zuckte erneut zusammen, während sich in ihren Augen Tränen sammelten.
»Und ein 'Wir'« Ich deutete mit dem Finger zwischen ihr und mir »existiert schon lange nicht mehr«
Ich rauschte an ihr vorbei und ließ sie achtlos dort stehen. In meinem Inneren brodelte noch immer diese unglaubliche Wut auf sie, dass sie diesen Moment zwischen Hope und mir zerstört hatte, in dem es sich anfühlte, als würde alles gut werden, und dass sie Hope etwas unter die Nase reiben wollte, was nicht einmal der Wahrheit entsprach, nur weil sie womöglich eifersüchtig war.
Auf der Fahrt nach Hause ignorierten Tessa und ich uns gegenseitig. Wir saßen beide jeweils auf der anderen Seite am Fenster und starrten stur nach draußen, in die Umgebung, um uns nicht anschauen zu müssen. Mein Kiefermuskel zuckte, als ich wieder an diesen Moment dachte, der alles zerstört hatte.
Kaum kam das Auto zum Stehen, stieg ich aus und stürmte nach oben in mein Zimmer. Dort powerte ich mich erst einmal aus, indem ich auf dem Boxsack einschlug. Als ich mich wieder beruhigt hatte, huschte ich unter Dusche . Meine Muskeln entspannten durch das warme Wasser, das auf meine Haut hinab prasselte.
Wenn ich daran dachte, dass Hope und ich in den Armen lagen und sie versucht hatte, für mich dazusein, musste ich traurig lächeln. Auch wenn ich wusste, dass es an unserer Situation nicht sonderlich viel ändern würde - vor allem da sich Tessa mal wieder einmischen und einen Keil zwischen uns treiben musste -, wollte ich erstmal an dem Moment festhalten.
Ich dachte an den wohligen Schauer, der über meinen Rücken gelaufen ist, als ich ihr Lachen gehört hatte. Es klang wie eine sanfte, wunderschöne Melodie in meinen Ohren. Ich vermisste es jetzt schon und ich würde alles dafür geben, sie wieder in meiner Nähe so unbeschwert und herzhaft lachen zu hören. Auch wenn der Moment nur für eine einzige Sekunde andauern würde.
Ich drehte den Wasserhahn zu und kehrte kurze Zeit später zurück in mein Zimmer. In meinem Kleiderschrank suchte ich nach einem bequemen Hoodie und eine bequeme Jogginghose. Dann setzte ich mich an meinen alten Schreibtisch und öffnete die Internetseite für Flugtickets. Ich brauchte Abstand von Tessa. Dazu reichte aber nicht einfach nur eine Wand.
Ich druckte das Ticket aus und suchte anschließend nach Tessa. Als ich sie im Gästezimmer nicht fand, ging ich nach unten, wo sie auf einem der Barhocker an der Kücheninsel saß. Sie hatte die Ellbogen auf der Platte abgestützt und raufte sich die Haare, fuhr sich übers Gesicht und wirkte ingesamt verzweifelt. Es war nicht okay, wie ich sie behandelt hatte, aber ihr Verhalten erregte keinerlei Mitleid mit ihr.
Ich klatschte ihr lustlos das Ticket auf die Küchenplatte. Sie sah langsam auf und ich erkannte den fragenden Ausdruck in ihrem Gesicht, als verstehe sie nicht, was das zu bedeuten hatte.
»Hier dein Flugticket« meinte ich, ohne jegliche Emotionen zu zeigen. In diesem Moment fühlte ich auch nichts außer Gleichgültigkeit. Auch die Tränen in ihren Augen, der verzweifelte Ausdruck in ihrem Gesicht und ihr Kopfschütteln, als würde sie nicht glauben wollen, dass das wahr war, konnte daran nichts ändern.
»Du kannst schon heute Abend zurückfliegen« erklärte ich, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, darauf etwas zu erwidern. »Ich ruf dir dann ein Taxi«
»A-Adam« brachte sie stotternd hervor. Ich ignorierte diese flehende Bitte, das alles nicht zu tun, sie nicht zu verlassen und unsere Beziehung nicht aufzugeben, doch ich holte bloß meinen Geldbeutel hervor und zog ein paar Scheine hervor.
»Das sollte reichen« Ich warf ihr die Scheine auf die Kücheninsel, packte den Geldbeutel zurück in meine Hosentasche und drehte mich weg. »Pack deine Koffer« rief ich ihr noch zu, als ich bereits auf dem Weg zurück nach oben in mein altes Zimmer war.
Dort wartete ich darauf, dass es endlich siebzehn Uhr war und Tessa das Haus verlassen und zurück nach New York gehen würde. Ich würde erst einmal hier bleiben, bis ich den Termin mit Mr. Black in New York hatte. Dort würde ich dann meine ganzen Sache aus der Wohnung holen und im Hotel übernachten. Keine Sekunde würde ich mehr mit Tessa gemeinsam die Wohnung teilen. Wir hatten es lange genug probiert und ich hatte ehrlich gesagt keinen Nerv mehr, diese Show abzuspielen, als sei zwischen uns alles Friede Freude Eierkuchen.
Ich machte ein paar Liegestütze, räumte das Chaos auf, das in meinem Zimmer seit meiner Ankunft hier herrschte oder saß einfach auf dem Schreibtischstuhl und drehte mich im Kreis, doch die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Der Zeiger auf meiner Armbanduhr hatte sich kaum bewegt, dabei fühlte sich die Warterei wie eine halbe Ewigkeit an.
Ich holte mein Handy hervor und scrollte belanglos durch meine Apps. Als ich mich dabei erwischte, wie ich dabei war, Hopes Instagram-Profil durchzusehen, legte ich das Handy wieder schnell weg. Die Bilder von ihr allein oder mit Freunden erinnerte mich nur wieder an die schmerzlichen Erinnerungen, wie sie mich vor ein paar Tagen von sich geschoben hatte, als ich sie versucht hatte, zu küssen, aber auch an das schöne Gefühl, als sich unsere Lippen berührt hatten oder als wir lachend auf der Bank saßen und sich alles wie damals angefühlt hatte. Das Lachen hallte in meinem Kopf wider und ich erinnerte mich, wie mich die Erinnerung an das tollpatschige Verhalten von Nick auf dem Schulflur amüsiert und traurig zugleich gemacht hatte. Denn es erinnerte mich nicht nur daran, wie schön und lustig es mit Nick immer war, sondern dass es zu dieser Zeit auch ein "Wir" für mich und Hope gab. Wir waren hinter Nick gelaufen und ich hatte den Arm um Hopes Schulter geschlungen. Mir hatte auch damals ihr Lachen so gut gefallen, dass mir ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen war und ich nicht anders konnte, als zu lächeln und verliebt in ihre Richtung zu schauen. Meine Freunde fanden das immer witzig, dass ich so in ihre Richtung schaute, aber ich konnte einfach nicht anders ... und außerdem hatte es Hope immer gefallen.
Ich tippte auf den Bildschirm meines Handys, um nach der Uhrzeit zu schauen. Wieder einmal stellte ich enttäuschend fest, dass es noch nicht siebzehn Uhr war. Ich lehnte mich zurück in die Lehne, legte meine Hände auf den Hinterkopf und atmete hörbar aus. Mir konnte es gar nicht schnell genug gehen, dass Tessa von hier verschwand. Ich hielt ihre Nähe nicht mehr aus, spätestens seitdem sie Hope und mich wieder einmal so auseinandergebracht hatte, nachdem wir uns endlich einmal wieder etwas näher kamen, das Hope nicht nur zuließ, sondern auch von ihrer Seite aus kam.
Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar. Anschließend schnappte ich mir das Handy vom Schreibtisch. Am liebsten würde ich Hope anrufen oder ihr eine Nachricht schreiben, dass sie diese Einladung ganz schnell vergessen sollte, weil diese Hochzeit niemals stattfinden würde, und dass ich mich von Tessa getrennt hatte, doch in meinen Ohren klang das irgendwie schräg.
Da ich aber dringend das Bedürfnis hatte, jemandem davon zu erzählen, wählte ich Jonas in meinen Kontakten aus und schrieb ihm eine Nachricht.
Ich hab mich von Tessa getrennt.
Es dauerte nicht lange, da las er die Nachricht und antwortete. Oh, tut mir leid las ich kurz darauf. Meine Finger huschten über die Tastatur.
Muss es nicht. Ich bin froh drum schickte ich als Nachricht ab und tippte sogleich weiter, um eine weitere zu verfassen. Hast du morgen Zeit?
Klar antwortete er sofort und wir vereinbarten das Café in der Stadt, in das Hope und Damian oft nach der Schule verabredet waren, als Treffpunkt. Wir schrieben noch ein bisschen, dann legte ich das Handy beiseite und trat hinaus auf meinen Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Ich beobachtete, wie die Sonne langsam unterging und es bereist dämmrig wurde. Ich bestellte ein Taxi für siebzehn Uhr hierher und blies genüsslich den Rauch hinaus, während ich wieder einmal über den Tag nachdachte. Kurz vor siebzehn Uhr hörte ich jemanden die Treppen hinunterlaufen und ein Klappern, das wahrscheinlich davon kam, dass Tessas Koffer immer wieder gegen die Treppenstufen stieß.
Ich wartete noch einen kurzen Moment, dann drückte ich die Zigarette aus und kehrte zurück in mein Zimmer. Als ich die Balkontür schloss, sah ich das Taxi vor unser Haus fahren. Mit langsamen Schritten lief ich die Treppen hinunter, wo ich Tessa mit ihrem großen Koffer stehen sah. Als sich unsere Blicke begegneten, versuchte sie, zu lächeln und öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, aber ich schnitt ihr sofort das Wort ab.
»Dein Taxi ist da« Ich stellte mich vor sie und sah sie ausdruckslos an. Ihr Lächeln erstarb, als sie meinen harten Tonfall bemerkte und dazu diese ausdruckslose Miene zu Gesicht bekam, als empfinde ich nichts. Tat ich auch nicht wirklich.
»Adam bitte, können wir es nicht nochmal probieren« fragte sie verzweifelt. Ich schüttelte den Kopf.
»Das mit uns hat keinen Sinn mehr« sagte ich. »Es ist vorbei, akzeptier das«
Sie nickte langsam, während ihre Augen zu glänzen begannen. Ich wünschte, ich würde in diesem Moment etwas spüren, damit ich nicht so hart zu ihr war, aber ich tat es nicht. Und deshalb blieb ich kalt und unerreichbar.
Kraftlos griff sie nach dem Koffer und zog ihn hinter sich. Auf dem Weg zur Tür hielt ich sie auf. »Tessa, warte«
Sie drehte sich um. Auf ihrem Gesicht zeigte sich so etwas wie eine Spur Hoffnung, als erhoffe sie sich, ich hätte meine Meinung geändert und würde uns eine zweite Chance geben. Wenn sie diese Hoffnung wirklich hatte, dann machte ich sie im nächsten Satz zu nicht.
»Der Ring« sagte ich fordernd und hielt meine Hand hin, in die sie den Verlobungsring legen sollte.
»Adam« Sie schüttelte den Kopf und ihr Blick wirkte flehend. Ich ließ mich davon nicht weiter beirren, sondern blieb standhaft. »Der Ring« sagte ich, diesmal forscher.
Sie schluchzte, dann zog sie den Ring von ihrem Finger ab und legte ihn in meine Hand. Ich steckte ihn in meine Hosentasche und wartete darauf, bis sie endlich verschwand und ich sie nie wiedersehen musste. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, um nicht länger ihr flehendes Gesicht sehen zu müssen.
»A-Adam« sagte sie mit bebender Stimme, in der Hoffnung, ich würde mich doch noch erweichen lassen. Es klang wie ein leises Schluchzen, das kurz darauf ertönte, als ich immer noch nicht reagiert hatte. »A-Adam, bitte!«
Ich ließ meinen Kopf zur Seite gedreht, so dass sie nur noch mein Profil zu Gesicht bekam. In meinem Gesicht regte sich nichts.
Sie schniefte, dann hörte ich die Rollen ihres Koffers und Schritte, die immer leiser wurden. Autotüren schlugen zu, der Motor heulte auf. Ohne ein letztes Mal zu ihr zu schauen, drehte ich mich um und lief die Treppen hinauf.
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