29. Kapitel


H O P E

Adam ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Als ich am nächsten Morgen aufwachte und mit Derek am Küchentisch saß, dachte ich bloß an die gestrige Zeit mit ihm. Ich konnte mir immer noch nicht erklären, wieso ich gestern überhaupt raus gegangen bin, um mit ihm zu sprechen. Ich redete mir ein, dass ich einfach nicht unhöflich sein wollte, aber tief in meinem Inneren zweifelte ich daran, ob das wirklich der einzige Grund war.

In meinem Kopf schwirrten die ganze Zeit seine Worte und dieser kleine Kuss herum. Ich würde gerne sagen, dass es mir nichts bedeutet hatte, aber ich hatte dabei dieses Flattern in meiner Bauchgegend gespürt. Und heute Nacht hatte ich diesen seltsamen Traum von einem weiteren Kuss zwischen Adam und mir und dieser kam diesmal von meiner Seite.

Ich schüttelte den Kopf und rieb mir die Schläfen. Diese Gedanken brachten mich beinahe um den Verstand. Wieso musste Adam auch auftauchen und mein ganzes Leben in diesem Moment auf den Kopf stellen, in dem sich gerade alles zu normalisieren schien?

»Hope? Alles gut?« Mein Blick wanderte zu Derek, der mir gegenüber am Küchentisch saß und sich ein Brötchen aus dem Korb nahm. Er hielt in seiner Bewegung inne und sah mich besorgt an. Ich brauchte einen Moment, um mich zu ordnen.

»Ist es wegen der Beerdigung?« hakte er weiter nach, als ich ihm keine Antwort gegeben hatte. Er legte den Kopf schief und versuchte, die Antwort aus meinem Blick zu lesen. In meinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Ich konnte Adam nicht vergessen und deshalb fühlte ich mich Derek gegenüber schuldig. Ich fühlte mich fast wie eine Betrügerin und Adams Worte von gestern hallten wieder in meinem Kopf. Diese Worte hatten weh getan. Ich wollte von Adam nicht als solch ein Mensch angesehen werden.

»Ja« log ich und sank den Blick. Die Schuldgefühle krochen weiter hervor.

»Ich weiß, du willst mich nicht in diese unangenehme Situation bringen, dass ich deine Freunde auf der Beerdigung eines Freundes kennenlerne, aber wenn es dir hilft, dass ich bei dir bin, dann komme ich selbstverständlich mit« Er griff nach meiner Hand und malte Kreise auf meinem Handrücken. Die Schuldgefühle stiegen bis ins Unermessliche. Er kümmerte sich so sorgenvoll und liebevoll um mich und ich dachte währenddessen an einen Anderen, um genau zu sein an meinen Ex, der mir im Gegensatz zu Derek schon öfters das Herz gebrochen hatte.

»Danke« murmelte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Ich versuchte, nicht weiter an Adam oder an diesen bescheuerten Kuss, der eigentlich gar kein richtiger war, weil ich ihn nicht erwidert hatte und er auch nur von sehr kurzer Dauer war, um mich voll und ganz auf die Zeit mit Derek zu konzentrieren. Doch es fiel mir schwer, denn ich fragte mich immer wieder, was dieses flatternde Gefühl zu bedeuten hatte und wie ich auf alles in den letzten Tagen reagiert hätte, wenn ich nicht dieses verpflichtende Gefühl gegenüber Derek hatte, ihm nicht weh zu tun. Er war einer der Guten und ich wollte das Gleiche sein, aber ich war gerade dabei, beide zu verletzen. Adam, weil ich seine Gefühle nicht erwidert hatte, und Derek, weil ich gedanklich immer wieder bei Adam war.

»Ich geh dann mal ins Bad, du frühstückst in Ruhe fertig und dann wartet eine kleine Überraschung auf dich« meinte Derek mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er stand auf, kam auf mich zu und drückte mir liebevoll einen kleinen Kuss auf die Schläfe. Dann verschwand er aus dem Zimmer und ließ mich mit all meinen Gedanken zurück.

Ich frühstückte zu Ende und versuchte mit jedem Bissen, den ich herunterschluckte, auch den Kloß in meinem Hals einfach herunterschlucken zu können. Doch vergebens. Adam spukte weiterhin in meinen Gedanken herum. Die Gedanken rund um ihn und besonders an unsere gestrige Begegnung vor Dereks Wohnung. der nichtsahnend auf der Couch geschlafen hatte, waren so laut, dass ich davon bald Kopfschmerzen bekam.

Ich schnappte mir unsere beiden Teller und Tassen, um sie in die Spülmaschine zu räumen. Als ich das erledigt hatte, lehnte ich mich gegen die Küchenzeile und holte mein Handy hervor. Ich scrollte belanglos durch die verschiedenen Apps, doch ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich nur nach Adam suchte und auf Instagram seine Bilder durchforstete. Früher, da war ich auf jedem zweiten Bild zu sehen, doch er hatte sie alle gelöscht. Zurück blieben wenige Fotos von ihm beim Footballspielen oder mit seinen Freunden auf irgendwelchen Partys.

Ich seufzte bei dem Anblick seines schönen Lächelns, dann schloss ich die App und versuchte, ihn aus meinem Kopf zu verbannen. Doch das Einzige, an das ich stattdessen denken konnte, war Nick, was mich erstens zu traurig machte, um darüber nachdenken zu wollen, und was mich zweitens spätestens nach ein paar Minuten wiederum an Adam denken lassen würde.

Wieso musste der Idiot auch hier aufkreuzen und mich aus heiterem Himmel küssen? Hätte er nicht einfach wieder zurück nach New York verschwinden können, um dort Tessa zu heiraten und mir nie wieder über den Weg zu laufen?

Gedankenverloren öffnete ich meine Anrufliste. Dort stand seine Nummer, die ich eigentlich aus meinem Handy gelöscht hatte. Ich wollte sie eigentlich aus der Liste löschen, damit ich gar nicht erst die Möglichkeit haben konnte, ihn irgendwann einmal anzurufen, doch ich drückte daneben und öffnete stattdessen plötzlich das Nachrichtenfeld. Leicht panisch wollte ich ganz schnell wieder den Chat schließen, doch ich hielt in meiner Bewegung inne. Da trat dieses Symbol auf, dass Adam gerade eine Nachricht an mich auf seinem Handy eintippte. Ich sog scharf die Luft ein. Mein Herz blieb stehen. Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen das Handy in meinen Händen an und wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder ob ich eher genervt sein sollte, dass er sich wieder einmal bei mir meldete.

Das Symbol kam und ging immer wieder. Ich bewegte mich nicht, sondern wartete darauf, endlich eine Nachricht von ihm zu lesen. Wollte er sich für sein Verhalten vielleicht entschuldigen? Oder wollte er mir ein weiteres Mal sagen, dass er mich vermisste? Dass er es nicht ertrug, dass ich mit einem anderen zusammen war?

So viele Fragen schwirrten durch meinen Kopf und ich spürte mein Herz Saltos schlagen, wenn ich nur daran dachte, gleich zu lesen, dass er mich noch immer liebte, mich vermisste und diese Distanz zwischen uns kaum aushielt. Doch ich wurde enttäuscht. Das Symbol verschwand und kehrte auch nach einer gefühlten Ewigkeit nicht wieder zurück. Adam hatte es sich anscheinend anders überlegt. Ich ließ das Handy sinken und starrte geradeaus. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

»Können wir los?« Derek stand plötzlich im Türrahmen und sah mich fragend an. Seine grünen Augen musterten mich eingehend und eine kleine Sorgenfalte bildete sich kurzerhand auf seiner Stirn.

»Klar« meinte ich und bemühte mich schnell um ein Lächeln. Derek sollte meine Enttäuschung nicht bemerken. Und wieder einmal fühlte ich mich schuldbewusst, weil ich enttäuscht darüber war, dass Adam mir nicht eine Liebeserklärung oder etwas dergleichen gemacht hatte, obwohl es mir eigentlich egal sein sollte, weil ich einen Mann an meiner Seite hatte, den ich liebte und der auch mich liebte.

Ich lief auf ihn zu, wo er mir meinen Mantel hinhielt, in den ich hineinschlüpfen sollte.

»Dann wollen wir dich mal auf andere Gedanken bringen«

Wenn er das nur könnte ...

• • •

Dereks Überraschung, um mich von all meinen Sorgen, die er glaubte, zu kennen, abzulenken, war Schlittschuhlaufen. Normalerweise hätte ich mich wie ein kleines Kind darüber gefreut, weil mir das unheimlich Spaß machte und der See im Park einer meiner Lieblingsorte war, aber heute war mir nicht danach. Ständig machte ich mir Vorwürfe, dass meine Gedanken nicht richtig waren. Ich fühlte mich so, als hätte ich Derek mit einem anderen betrogen und ehrlich gesagt war das ja auch schon fast wie fremdgehen, oder? Immerhin dachte ich die ganze Zeit an einen anderen Mann, der mich einen Tag zuvor geküsst hatte und den ich daraufhin in meinen Träumen geküsst hatte. Ich wüsste nicht, wie ich bei unserem nächsten Kuss reagieren würde, sollte es noch einmal dazu kommen. Und genau dieser Gedanke war der, der mir am meisten Bauchschmerzen bereitete.

»Vorsicht« raunte Derek in mein Ohr, als er direkt hinter mir stand und mich festhielt. Bei den ersten Schritten bis zur Eisfläche war ich noch sehr wackelig, aber in seinen Armen fühlte ich mich sicher. Ich schloss einen Moment lang die Augen, blendete all meine Gedanken und das ganze Geschehen um uns herum aus, nur um mich daran zu erinnern, wieso ich mich damals für Derek entschieden hatte. Ich rief mir immer wieder hervor, dass er der Richtige war und dass er mich glücklich machte - und nicht weniger, als es Adam damals getan hatte.

Dann öffnete ich wieder meine Augen. Ich umschloss Dereks Hand und lief mit ihm auf die gefrorene Fläche. Ein paar Familien fuhren langsam und gemütlich über das Eis, während eine Gruppe Jugendlicher über die Eisfläche raste, als würden sie ein Wettrennen veranstalten und jeder wollte der Sieger dabei sein.

Ich ließ meine Sorgen langsam fallen und konnte wieder ehrlich lächeln. Die Zeit verstrich und irgendwann fühlte ich mich so sicher, dass ich mich ohne seine Hand traute, zu fahren. Derek blieb dennoch die ganze Zeit hinter mir, als würde er der ganzen Sache nicht trauen. Damit hatte er auch Recht behalten. Ich spürte, wie ich das Gleichgewicht verlor und zu Boden fallen drohte, doch bevor es so weit kommen konnte, spürte ich zwei starke Hände mich von hinten auffangen. Ich landete direkt in Dereks Armen. Er lachte leise und das entlockte mir ebenfalls eines. Die Situation lockerte sich zwischen uns. Ich drehte mich zu ihm um, doch hielt inne, als ich eine Gestalt am Baum stehen sah.

Ich hörte nicht länger, was Derek sagte. Mein Lächeln erstarb, als ich realisierte, dass da vorne Adam in einer Jogginghose und einem Hoodie stand und direkt in meine Richtung sah. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden, hatte sofort wieder den Kuss und das Flattern in meiner Magengegend in Erinnerung. Ich spürte, wie mein Herz augenblicklich schneller schlug, während sein Blick auf mir haftete. Er schaute nicht weg, als ich ihn entdeckt hatte, sondern erwiderte standhaft meinem, ohne dabei die Miene zu verziehen. Ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht erkennen, weil er zu weit entfernt war, aber ich bemerkte diesen traurigen und mitgenommenen Schatten in seinem Gesicht. Vielleicht lag das alles nur daran, dass er Nicks Tod noch nicht verarbeitet hatte, wie wahrscheinlich keiner von uns, aber mich wollte der Gedanke nicht loslassen, dass ich ebenfalls eine Rolle dabei spielte. Ich hatte ihm an dem Tag, an dem er plötzlich vor meiner alten Wohnung aufgetaucht war, weh getan, und gestern hatte ich es ein zweites Mal getan. Der Gedanke daran, einen Menschen verletzt zu haben, ließ mein Herz bluten.

»Hope?« Ich drehte den Kopf ruckartig in Dereks Richtung, als hätte ich Angst, er könnte jeden Moment bemerken, dass ich Adam anstarrte, der mich wiederum anstarrte.

»Was?« fragte ich, beinahe schon eine Spur hysterisch. Ich stand völlig neben mir, seitdem ich Adam dort stehen gesehen hatte und alle Gedanken, die ich noch vor ein paar Minuten glaubte, vergessen zu haben, zurück in den Vordergrund drangen.

»Ich hab gefragt, ob alles okay mit dir sei« wiederholte er sich und ich nickte schweratmend.

»Ja ja, alles in Ordnung« beeilte ich mich zu antworten. Er nickte langsam, während er mich misstrauisch beäugte. Er schien mir nicht ganz zu glauben, aber er sagte nichts weiter dazu.

Als ich meinen Kopf wieder nach vorne richtete, war Adam verschwunden. Es war, als wäre er gar nicht hier gewesen und ich zweifelte sogar an meinem Verstand, ob ich mir das vielleicht auch nur eingebildet hatte, weil mein Unterbewusstsein ihn sehen wollte.

Ich schüttelte den Kopf und widmete mich mit einem Lächeln Derek zu. Doch der Gedanke an Adam wollte einfach nicht verschwinden. Auch nicht auf dem Rückweg nach Hause oder nachts, als ich neben Derek im Bett lag, seinen Arm um meine Hüfte geschlungen und sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Seine Lippen berührten meine Haut und sein warmer Atem bereitete mir eine Gänsehaut.

Ich wollte den Moment genießen, aber ich konnte es nicht. Ich hatte Angst, einzuschlafen, weil ich nicht noch einmal von Adam träumen wollte. Aber ich wollte auch nicht länger wach liegen und mit meinen Gedanken konfrontiert werden.

Ich warf einen Blick auf mein Handy und spürte innerlich das Gefühl von Hoffnung, doch legte es enttäuscht wieder zurück auf mein Nachttisch, weil ich keine Nachricht von Adam finden konnte. Ich fragte mich noch immer, was er da versucht hatte, einzutippen. Eine Entschuldigung? Ein Geständnis? Oder eine kleine Abschiedsnachricht, weil er mich endgültig in Ruhe lassen wollte?

Ich drehte mich langsam um und sah Derek an. Er schließ bereits. Ich strich mit meinen Händen vorsichtig durch sein Haar und dachte über sein Angebot nach, mich auf die Beerdigung zu begleiten. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Auf der einen Seite war es echt süß, dass er für mich da sein würde und dafür diese unangenehme Situation in Kauf nahm, meine Mum und meine Freunde auf einer Beerdigung kennenzulernen. Aber sollte ich ihn wirklich in solch eine Situation bringen? Und wäre es wirklich eine gute Idee, Derek und Adam aufeinandertreffen zu lassen?

Ich wollte das nicht heute Nacht entscheiden. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, dann schob ich vorsichtig seinen Arm von mir und hoffte inständig, ihn nicht zu wecken. Ich stand auf und verschwand in der Küche. Dort lief ich auf und ab. Ich war so nervös wegen all der Gedanken, gegen die ich vergebens ankämpfte, dass ich nicht ruhig sitzen oder liegen konnte. Ich warf immer wieder ein Blick auf mein Handy, als würde ich dort eine Antwort auf all meine Fragen finden.

Ich wusste nicht mehr, wohin mit meinen Gedanken und alles strömte so auf mich ein, dass ich den Tränen nahe war. Die Situation überforderte mich. Ich brauchte jemanden zum Reden, aber wen? Damian trauerte, sodass ich es nicht angemessen fand, ihn jetzt auch noch mit meinen vergleichsweise kleinen Problemen zu belasten. Ich suchte weiter in meinen Kontakten und kam anschließend auf die Idee, Brooke anzurufen. Sie würde mich wahrscheinlich erst einmal anmeckern, dass ich sie von ihrem geliebten Schlaf abhielt, aber sie kannte Adam und unsere Situation. Sie wusste, wie schwierig es damals für mich war, loszulassen. Sie würde mir zuhören und mir sagen, was ich zu tun hatte. Sie war kein Fan von Adam, weshalb ich mir eigentlich schon ziemlich sicher war, wie sie entscheiden würde, aber vielleicht würde mir das weiterhelfen, die ganze Sache, die zwischen uns vorgefallen war, nicht mehr so nah an mich heranzulassen.

Es dauerte einen Moment, bis sich Brooke verschlafen meldete.

»Hey, ich bins. Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber ... aber ich wusste mir einfach nicht weiterzuhelfen« sagte ich aufgeregt. Meine Hände wurden ganz schwitzig und ich zitterte am ganzen Körper.

»Was ist passiert?« fragte Brooke alarmiert und schien plötzlich hellwach zu sein. Ich atmete tief durch, dann begann ich zu reden.

»Ich habe dir doch mal erzählt, dass ich einen Mann date« Ich machte eine kurze Pause, in der sie bejahte, dann fuhr ich mit meiner Erzählung fort. Ich erzählte ihr kurz davon, dass das immer ernster wurde und ich bei ihm eingezogen bin. Ich hörte Brooke daraufhin laut einatmen. Bevor sie mir jedoch Vorwürfe machen konnte, weil ich ihr erst jetzt davon erzählte, beeilte ich mich, weiterzureden. Ich drehte mich kurz zur Tür, um sicherzugehen, dass Derek dort nicht stand und alles mithören konnte, dann erwähnte ich Adam.

»Was? Adam? Adam McLane? Dein Ex?« hakte Brooke aufgeregt nach, als könne sie nicht glauben, dass er nach allem je wieder eine größere Rolle spielen könnte.

»Ja. Er ist wieder hier und wir sind uns ein paar Mal begegnet« Ich spürte diese Unruhe in meinem Inneren. Über Adam zu sprechen, seinen Namen laut auszusprechen, fiel mir selbst nach all den vergangen Jahren erheblich schwer.

»Er ist jetzt der Geschäftspartner meines Chefs. Wir haben uns das erste Mal beim Geschäftsessen wiedergesehen. Er war dort mit Tessa und ich .... ich mit meinem Chef« Ich haderte damit, ihr die Wahrheit über Derek und mir zu erzählen. Es klang so verwirrend und irgendwie auch ein wenig absurd.

»Oha! Das heißt, du musst jetzt mit ihm zusammenarbeiten? Aber was hat das Ganze mit deinem Neuen zu tun?«

»Uhm.. ich sollte dir vielleicht sagen, dass Derek mein Chef ist« gab ich kleinlaut zu und wartete auf eine Reaktion.

»Okay, wow. Das kam unerwartet« brachte sie bloß heraus.

»Ich weiß, mit dem Chef etwas anzufangen, ist keine gute Idee, aber...-«

»Hey, hör auf, dich zu rechtfertigen. Wenn ihr euch liebt, dann scheiß drauf, was angeblich gut und richtig ist und was nicht« Ich nickte langsam und atmete erleichtert aus, dass sie nicht so reagierte, wie es Adam getan hatte. Entsetzt, dass ich mich dazu hinreißen ließ, mit meinem Chef im Bett zu landen.

»Okay, und Adam hat das herausgefunden, dass ihr mehr seid?« hakte sie weiter nach, anstatt weiter wegen meiner Beziehung zu Derek nachzufragen.

»Ja, ein paar Tage später. Und er war nicht gerade erfreut deswegen« Ich erinnerte mich wieder an den Tag, an dem Derek und ich die Kisten für meinen Umzug zusammengepackt hatten und Adam plötzlich vor der Tür auftauchte, als wir eigentlich den Pizzaboten erwartet hatten.

»Er ist vor meiner Wohnung aufgetaucht, aber nicht ich, sondern Derek hat ihm die Tür geöffnet, weil wir dachten, es wäre nur der Pizzabote«

»Autsch« kommentierte Brooke lediglich. Ihr Schweigen nahm ich als Aufforderung, weiterzureden. Doch ich konnte es im ersten Moment nicht mehr. Ich erinnerte mich an diese unangenehme Situation, als ich neben Derek stand und Adam zwischen uns beiden hin und her gesehen hatte, wissend, dass Derek mein Chef und ich seine Sekretärin war. Dieser verachtende Ausdruck in seinen Augen hatte so schmerzlich weh getan hatte, dass sich allein bei der Erinnerung mein Herz zusammengezogen hatte.

»Er hat geglaubt, ich hätte mich auf Derek nur eingelassen, um mir einen beruflichen Vorteil zu sichern« brachte ich letztendlich doch hervor. »Er hat es nicht direkt gesagt, aber ich habe es in seinen Augen gesehen«

»Was ein Arsch!« murmelte Brooke. »Aber dir kann doch egal sein, was der von dir hält«

»Das ist es mir aber nicht! Und außerdem war ich noch nicht fertig«

»Da kommt noch mehr?« fragte Brooke und wirkte dabei ein wenig überfordert.

»Ja« Ich erzählte ihr davon, dass es gestern betrunken angerufen und hier aufgetaucht war. Dass er mich gebeten hatte, nach unten zu kommen und dass ich der Bitte nachgegangen war. Ich nannte ihr genau die Worte, die er mir dann gesagt hatte. Sie hatten sich so fest in mein Hirn gebrannt, dass ich sie sicherlich eine ganze Weile, vielleicht sogar nie wieder vergessen könnte.

»Und dann hat er mich geküsst« Ich hörte sie scharf die Luft einziehen. »Ich hab ihn natürlich sofort von mir geschoben. Danach war er total verletzt und gekränkt. Er hat ein paar blöde Sachen gesagt, dann ist er einfach gegangen«

»Was für blöde Sachen?« Brooke wollte es genauer wissen. Aber ich hielt es für keine gute Idee, davon zu berichten, weil sie sich nur noch mehr über ihn aufregen und schlechte Sachen über ihn sagen würde. Und ich wollte nichts Schlechtes über ihn hören. Er hatte Fehler wie alle anderen Menschen, aber ich wollte ihm deswegen nicht böse sein. Er hatte das nicht aus Böswilligkeit getan, sondern weil ihm meine ablehnende Haltung zu sehr verletzt hatte.

»Ach, das ist nicht so wichtig« meinte ich schulterzuckend, tat so, als wäre das keine große Sache gewesen.

»Doch, eigentlich ist es sehr wohl wichtig« Brooke beharrte auf eine Antwort, doch ich reagierte nicht weiter darauf, sondern versuchte, mit dem Thema abzulenken.

»Auf jeden Fall habe ich da dieses Gefühl in meiner Magengegend gespürt, als sich unsere Lippen berührt hatten und ich kann das einfach nicht deuten, geschweige denn entscheiden, was ich tun sollte« redete ich weiter.

»Ach Hope, ich dachte ihr seid übereinander hinweg« Sie seufzte. »Und ist er nicht mehr mit dieser Tessa zusammen?«

»Doch. Die beiden sind sogar verlobt« Ich schluckte schwer. Die Worte aus meinem eigenen Mund zu hören, fühlte sich merkwürdig an. Mir wurde schwer ums Herz. Kaum kam mir Tessa und deren Verlobung mit Adam wieder in den Sinn, zweifelte ich daran, ob ich das alles überbewertet hatte und Adams Worte nur dem Alkohol verschuldet wer, der ihn und seine Gefühle kurze Zeit durcheinander gebracht hatte.

»Na dann kann das ja keine besonders glückliche Ehe werden, wenn er dir ständig ne Liebeserklärung macht« meinte sie und klang dabei eine Spur abfällig. Sie konnte Tessa genauso wenig leiden wie Adam, aber darüber dachte ich nicht länger nach, sondern stattdessen über den Nebensatz, den sie beiläufig erwähnt hatte. Liebeserklärung?

»Du meinst, das war ne Liebeserklärung?« fragte ich nach und biss mir unsicher auf die Unterlippe. Ich war mir die ganze Zeit nicht sicher, wie ich seine Worte interpretieren sollte, vor allem, weil er noch immer mit dieser Tessa verlobt war.

»Na logo« meinte sie. Sie schien überzeugt davon zu sein, dass es da keine andere Möglichkeit geben konnte, wie seine Worte zu verstehen waren. »Aber ist ja auch egal. Immerhin hast du dich doch längst entschieden und weißt, was du willst«

»Ehrlich gesagt ist genau das mein Problem« Ich kaute nervös auf der Unterlippe. »Ich bin mir langsam nicht mehr sicher, ob ich das alles wirklich so will?«

»Du willst dich doch nicht schon wieder auf dieses gefühllose Arschloch einlassen, oder?« fragte sie entgeistert. Sie schien nicht verstehen zu können, wieso ich überhaupt einen einzigen Gedanken daran verschwendete. Auch wenn sie Derek nicht persönlich kannte, schien sie mit ihm zufriedener zu sein, als sie es jemals mit Adam war. Sie hatte noch nie verstanden, wie ich Gefühle für einen Jungen wie ihn übrig haben konnte. Er war ihr direkt unsympathisch und als dann auch noch Cassy und das blöde Missverständnis dazwischen kam, war selbst der kleinste Funken an Sympathie verschwunden.

»Er ist kein gefühlloses Arschloch« verteidigte ich ihn, ohne genau zu wissen, warum ich das eigentlich immer tat. Vielleicht, weil es sich einfach nicht richtig anfühlte, jemanden so über ihn sprechen zu hören. Ich kannte ihn besser als Brooke. Ich wusste, dass er trotz seiner Fehler kein gefühlloser Idiot war. Er hatte mich geliebt, aufrichtig geliebt, und auch wenn er manchmal Worte gesagt hatte, die mich zutiefst getroffen hatte, wusste ich, dass er das niemals so gemeint hatte, wie er es gesagt hatte. Er wollte mich nicht traurig sehen und er hatte sich selbst dafür gehasst, wenn er mich verletzt hatte.

»Ach nein? Hast du etwa vergessen, wie er dich als behandelt hatte? Was er dir als an den Kopf geworfen hatte?«

»Ich weiß, dass du das nicht verstehst, aber das zwischen uns war nunmal anders als mit anderen. Es hat sich einfach anders angefühlt« erklärte ich ihr. Ich hoffte, sie würde mich wenigstens ein bisschen verstehen können, wieso es mir so schwer fiel, über seine Worte hinwegzusehen.

»Nein, ich verstehe das wirklich nicht« erwiderte sie unbeeindruckt. »Es ist deine Entscheidung und ich werde mich auch nicht einmischen, aber ich an deiner Stelle würde Adam vergessen und mich auf Derek konzentrieren. Er ist der Bessere. Adam bringt nur Probleme mit sich«

Ich sagte nichts dazu. Seufzend beobachtete ich den Mond und die Sterne, wie sie am Himmel strahlten. Ich war hin und hergerissen und diese Verzweiflung brachte mich beinahe zum Weinen. Brooke schien zu spüren, dass es mir damit nicht gut ging.

»Ach Süße, ich wünschte, ich könnte jetzt bei dir sein, um dich in den Arm zu nehmen« Ich lächelte, während eine Träne über meine Wange lief. »Und natürlich, um Adam ordentlich in den Arsch zu treten«

»Lass den Kopf nicht hängen« sagte sie irgendwann, als einen Moment lang niemand von uns sprach und eine einsame Stille über uns lag. Ich nickte und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich atmete tief ein und aus, bevor ich mich bei ihr bedankte.

»Du wirst schon noch herausfinden, was für dich das Richtige ist«

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Tags: #romantik