2. Kapitel


A D A M

»Auf Wiedersehen, Mr. McLane« rief mir die Frau hinter der Rezeption hinterher, als ich mich mit eiligen Schritten auf den Weg zum Ausgang, zu den gläsernen Türen, machte. Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung, ohne Halt zu machen und nickte ihr mit einem knappen Lächeln zu, bevor ich die Tür aufstieß und mich in die Eiseskälte stürzte. Es war Mitte Dezember. Kleine Schneeflocken rieselten auf die dicke Eisschicht auf dem Boden. Der Schnee auf den Straßen, wo sämtliche Autos fuhren und im Stau standen, war bereits verschwunden, doch auf dem Gehweg war der gepflasterte Weg mit Schnee besetzt. Ein eisiger Wind wehte durch die Straßen, der mich erzittern ließ. Ich zog mir meinen Parka enger und steuerte auf das schwarze Auto am Straßenrand. Ich öffnete die hintere Beifahrersitztür und bekam sogleich freundliche Blicke meines Chaffeurs zugeworfen.

»Guten Abend, Mr. McLane« begrüßte er mich, worauf ich bloß nickte, während ich die Türe hinter mir schloss. Im Auto war es im Gegensatz zu draußen angenehm war. Die Heizung lief auf Hochtouren, die Scheiben anderer Autos waren an manchen Stellen beschlagen und vereist.

Mein Chaffeur setzte den Blinker und begab sich auf die vollen Straßen Manhattans. Ich lehnte mich währenddessen entpannt zurück in den Sitz und packte mein Handy aus der Innentasche meines Parkas.

Ich checkte E-Mails und Nachrichten von Freunden und Familie. In der Zwischenzeit herrschte auf den Straßen Chaos. Rote Ampeln, langsame Autofahrer, Stau und Gehupe gab es in jeder Straße, die wir entlang fuhren. Mike trommelte bei jedem Stillstand der Autos ungeduldig auf dem Lenkrad herum. Ich rutschte ungeduldig auf dem Sitz herum und wollte schleunigst nach Hause. Allerdings hielt mich der Verkehr eine ganze halbe Stunde lang auf.

In der West End Ave angekommen verabschiedete ich mich von Mike, bevor ich aus dem Wagen ausstieg und in die Kälte trat. Auch hier wehte der Wind mit eisigen Temperaturen durch die Häuserblöcke und hinterließ ein Frösteln auf meinem Körper.

Ich fischte aus meiner Jackentasche den Hausschlüssel heraus und schloss die Türe zum Treppenhaus auf. Der Lift war wie vor Monaten defekt, weswegen ich die Treppen bis in den dritten Stock nehmen musste.

Ich öffnete die Wohnungstür und war irritiert. Ich hatte erwartet meine Freundin anzutreffen, wie sie auf mich und unseren gemeinsamen Abend gewartet hatte. Ich hatte erwartet, mit einem freundlichen Lächeln und einer Umarmung oder einem Kuss begrüßt zu werden, doch ich lag mit allem falsch.

Tessa stand vor dem Spiegel an der Garderobe, wo sie ihre Lippen mit einem knallroten Lippenstift entlangfuhr. Ihr Gesicht war mit jede Menge Make-Up zugekleistert - meiner Meinung nach, zu übertrieben, aber es war nicht meine, sondern ihre Angelegenheit. Hinzu kam ein ein hautenges Kleid, welches bloß bis zu den Oberschenkel ging. Das Kleid stand ihr äußerst gut, betonte ihre schlanke Figur, aber war unangemessen, wenn man bedachte, wie viel Haut und Ausschnitt sie damit zeigte.

»Wo willst du hin?« Ich legte währenddessen die Hausschlüssel auf die Kommode neben der Eingangstür ab. Ich wusste, dass sie erneut einen Abend mit Freunden verbringen wollte, um in Clubs oder Bars zu gehen, doch ich wollte es von ihr hören. Außerdem war dies bloß ein Übergang für eine folgende Diskussion zwischen uns, die wir schon des Öfteren geführt hatten.

»Aimee und ich wollten den neuen Club, der neu geöffnet hat, abchecken« Sie zuckte dabei mit den Schultern, als wäre es nichts Großes, worüber ich mich beschweren könnte.

Tessa drehte mir den Rücken zu und steuerte unser Schlafzimmer an, als wäre das Gespräch längst wieder beendet und alles geklärt. Für mich jedoch war es das keineswegs.

Ich betrachtete ein weiteres Mal ihre Kleidung und schüttelte den Kopf. Es war viel zu kurz. Ich war ihr Freund und konnte sie nicht so „billig aussehend" gehen lassen. Ich hatte keine Kontrolle darüber, ob da zufällig schmierige Typen lauerten, um ihr an die Wäsche zu gehen. Anderseits war das Gefühl von Eifersucht längst nicht mehr so stark, sodass es mich wahrscheinlich nicht sehr verletzen würde, wenn sie mich mit einem anderen Mann betrügen würde. Unsere Liebe war längst nicht mehr so stark wie am Anfang und noch nie so stark gewesen, wie mit Hope zu High School- und College - Zeiten.

Ich folgte ihr ins Schlafzimmer, weil ich ihr Weglaufen nicht akzeptieren wollte. Meiner Anwesenheit bewusst befestigte sie seelenruhig ihre Ohrringe an ihre Ohren. Sie schien sich nicht um mich, oder was ich über sie denken könnte, zu kümmern.

»Wieso musst du denn ständig feiern gehen?« Sie gab mir daraufhin keine Antwort, sondern verdrehte bloß die Augen.

Ich wurde wütend. Sehr wütend. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und meine Muskeln spannten sich gefährlich an. Jedoch schrie ich sie nicht gleich an. Das war nicht meine Art.

»Kannst du dich nicht einmal deinem Alter entsprechend verhalten?« Meine Stimme klang vorwurfsvoll und hatte einen gereizten Unterton. Sie hatte nur noch Partys und ihre Freunde im Kopf, aber um unsere Beziehung scherte sie sich kein bisschen mehr.

Ich brauchte eine Frau an meiner Seite, die mich verstand und mir nicht ständig aus dem Weg ging. Eine Frau, die Zeit mit mir verbringen wollte, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam. Eine Frau wie Tessa konnte ich in meinem Leben nicht gebrauchen, und doch trennte ich mich nicht von ihr. Im Gegenteil: Ich machte ihr sogar noch einen Antrag. Auch wenn das andere Gründe hatte, und nicht aus reiner Liebe entstand.

Ihre Reaktion war unerwartet, aber zugleich auch nicht überraschend. Ihre Hand landete auf meiner Wange und hinterließ ein heftiges Knallen. Ich ignorierte den Schmerz und sah sie unbeeindruckt an.

»Was willst du mir damit sagen? Dass ich zu alt bin, um Spaß zu haben?« Empört schnappte sie nach Luft. Ich öffnete den Mund, um ihren Worten zu widersprechen, doch sie ließ mich nicht weiter zu Wort kommen, weswegen ich wieder den Mund schloss.

»Schön, wenn du so darüber denkst« erwiderte sie hochnäsig und schnappte sich ihre Clutch.

»Aber wenigstens bin ich im Gegensatz zu dir kein Spießer« fügte sie hinzu, als sie sich an mir vorbeiquetschte und das Schlafzimmer und mich erneut verließ. Sie stolzierte aus dem Raum, eingebildet und hochnäsig, wie eine Herrscherin, die das Sagen hatte. Ich wollte mir das alles nicht gefallen lassen und ein vernünftiges Gespräch über meine Bedürfnisse und Wünsche führen, doch es schien fast unmöglich.

»Ich möchte einfach einen Abend mit dir verbringen, ohne dass du dich betrinkst« rief ich ihr hinterher, um zu versuchen es ihr ein weiteres Mal zu erklären, aber ich bezweifelte, dass sie es verstand oder verstehen wollte.

Tessa drehte sich um, ihre Hände waren zu Fäusten geballt, als wäre sie darauf aus, mich erneut zu schlagen.

»Willst du etwa sagen, dass ich Alkoholikerin bin?« keifte sie. In ihrer Stimme lag etwas Hysterisches. Sie stemmte die Hände in die Hüften und kniff zusätzlich die Augen zusammen, sah mich nur aus kleinen Schlitzen an.

Ich verschränkte währenddessen unbeeindruckt die Arme vor der Brust und verdrehte genervt die Augen, weil sie alles in den falschen Hals bekam. Man konnte sagen, was man wollte, aber am Ende war es immer falsch und wurde einem zum Vorwurf gemacht.

Augenblicklich vermisste ich Hopes ruhige, besänftigte Art. Sie hätte sich niemals so verhalten, sich meine Meinung angehört und versucht, sie zu verstehen. Sie hatte mich immer verstanden und meinen Standpunkt akzeptiert, auch wenn sie nicht immer der gleichen Meinung war.

Tessa hingegen akzeptierte eine andere Meinung nicht, und wenn man die eigene Meinung, die sich von ihrer unterschied, hervorbrachte, endete das immer in einem Riesen Streit.

»Das meinte ich doch gar nicht!«

»Ach ja?« antwortete sie patzig und schien nicht überzeugt zu sein.

»Was ich damit sagen wollte, ist, dass deine Freunde an erster Stelle stehen und du dir nicht einmal einen Abend Zeit für uns nimmst« Ich blieb ruhig, auch wenn mir das schwerer fiel, als gedacht.

»Aimee ist meine beste Freundin, natürlich steht sie an erster Stelle« meinte sie und schüttelte fassungslos den Kopf über mich. Das wusste ich. Aimee war Tessas Zimmernachbarin auf dem College. Ich wusste bereits, als ich sie nach der Trennung mit Hope auf dem College kennen und lieben gelernt hatte, dass sie eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielte und sie niemand ersetzen oder ihr wegnehmen konnte. Das wäre sicher auch nicht meine Absicht. Ich fühlte mich völlig fehl an ihrer Seite, weil sie mir nicht das Gefühl von Liebe gab. Nicht mehr. Und nie so, wie Hope es mir geben konnte.

»Das weiß ich doch, aber ich kann es trotzdem nicht verstehen, wieso du keinen einzigen Abend Zeit für mich hast« erklärte ich ihr vernünftig mit ruhiger Stimme. Ich war mittlerweile so wütend, dass ich alles zusammenschlagen konnte, doch ich beherrschte mich - auch wenn es nicht mehr so leicht war. Zudem sehnte ich mich immer mehr zurück an meine Vergangenheit, an die schönen Zeiten, die ich mit Hope an meiner Seite verbringen konnte. Sie war die Richtige für mich gewesen, doch ich hatte sie verloren und gehen lassen. Weil ich ein Idiot war und nicht verstanden hatte, was für ein tolles Mädchen ich aus meinem Leben strich. Ein Mädchen, welches die einzige war, die mir das geben konnte, wonach ich mich sehnte und was ich wirklich brauchte. Liebe, Geborgenheit, Zuneigung, Leidenschaft, ...

»Hör mir zu: Ich lasse mir von dir sicherlich nicht sagen, was ich zu tun und lassen habe« Sie kam mir bei ihren Worten immer näher bis sie direkt vor mir stand. Ich war einen ganzen Kopf größer als sie, weswegen sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um mir in die Augen zu schauen.

»Und schon gar nicht lasse ich mir von dir den Kontakt zu meinen Freunden verbieten!« Sie tippte mehrmals mit dem Zeigefinger auf meine trainierte Brust, die von einem weißen Hemd umhüllt war. Schnippisch drehte sie sich um und stolzierte aus dem Raum. Sie wackelte bei ihrem Gang mit dem Po, als würde sie mich beeindrucken oder sonst was wollen. Ich hatte das Gefühl, wir sprachen aneinander vorbei. Sie verstand nicht, was ich ihr jedes Mal sagen wollte. Natürlich wollte ich ihr nicht den Kontakt zu ihren Freunden verbieten. Ich gab ihr Freiheiten, aber sie nahm sich so viele Rechte daraus, dass ich in ihrem Leben wahrscheinlich keine wichtige Rolle spielte. Jedenfalls nicht mehr.

Vielleicht hatte sie auch nebenbei eine Affäre und hielt mich nur hin, weil sie auf mein Geld und das hohe Ansehen meiner Eltern und deren Firma, in der ich als Chef mitwirkte, oder dass sie nicht alleine dastand, wenn ihre Affäre keine Lust mehr auf sie hatte . . .

Es war traurig, wirklich traurig, dass ich ihr nicht mehr vertrauen konnte, was ihre Loyalität betraf.

»Ich habe nichts dagegen, wenn du etwas mit deinen Freunden unternehmen möchtest, aber dann solltest du dir auch mal ein paar Tage Zeit für uns nehmen« Sie gab mir daraufhin keine Antwort, sondern schlüpfte bloß in ihre High Heels. Ich schüttelte fassungslos den Kopf darüber, dass sie sich wie ein kleines Kind verhielt und man kein vernünftiges Gespräch über die derzeitigen Probleme in unserer Beziehung führen konnte. Am liebsten hätte ich ihr das genau so gesagt, aber dann würde sie wieder aus der Haut fahren und eine Furie werden.

»Wir führen eine Beziehung, Tessa. Du kannst mich nicht ständig ignorieren oder mir aus dem Weg gehen« meinte ich, immer noch fassungslos über sie.

Sie gab mir keine Antwort darauf, sondern schnappte sich ihre Lederjacke von der Garderobe und zog sich diese über.

»Ich weiß nicht, was du jetzt machen wirst, aber ich muss auf jeden Fall los« meinte sie, öffnete die Tür, die in das Treppenhaus führte, und wollte aus der Wohnung verschwinden.

»Wow. Du siehst heute nicht nur wie eine Bitch aus, sondern bist auch wirklich eine.« Ich wusste, ich konnte sehr verletzend und gemein sein, besonders dann, wenn ich mich angegriffen und selbst verletzt fühlte. Es war eine Art Schutz für mein Herz und meine Gefühle. Ich beschützte mich damit bloß vor verletztlichen Worten oder ein gebrochenes Herz, verursacht von einem Menschen, der mir wichtig war oder in irgendeiner Weise nahe stand.

Sie blieb im Türrahmen stehen und warf unauffällig einen Blick in meine Richtung. Ich grinste jedoch nur dämlich, um ihr nicht zu zeigen, dass ich gerade genauso verletzt wie sie war - wenn nicht sogar noch mehr. Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt und sie wirkte, als wäre sie wieder das süße, verletzte Mädchen, das sich nur nach Liebe und Geborgenheit sehnte. Doch sie setzte ihre Maske auf, reckte ihr Kinn in die Höhe und verließ die Wohnung mit einem arroganten Blick und einem lauten Zuknallen der Wohnungstür.

Da stand ich nun: Alleine im Flur.

Das hämische Grinsen auf meinen Lippen verschwand und ich raufte mir nervös die Haare. Ich konnte nicht fassen, dass sie nach all den Worten und dem Streit zwischen uns dennoch gegangen ist. Natürlich war es auch nicht fair gewesen, ihr am Ende diese Worte an den Kopf zu werfen, doch ich war so wütend und verletzt gewesen, dass ich mich wehren musste. Es ist mir herausgerutscht, bevor ich gründlich nachdenken konnte.

Mein Blick fixierte dabei die Kommode, auf der etwas blinkte. Ich trat näher und griff danach. Es war der Verlobungsring, den ich nun zwischen Zeigefinger und Daumen hielt. Der Verlobungsring war ein Familienerbstück väterlichen Seites. Er war ein Vermögen wert, aber Dad rückte ihn sofort heraus, als ich in die Heirat gezwungenermaßen einwilligte. Dad hatte mir nicht vorgeschrieben, Tessa zu heiraten, aber er wollte, dass ich so schnell wie möglich eine Ehefrau an meiner Seite hatte. Aber Tessa war nunmal die einzige Möglichkeit gewesen, die ich in der kurzen Zeit heiraten könnte.

Vor ein paar Wochen, als ich Tessa den Antrag gemacht hatte, war unsere Krise allerdings noch nicht so stark ausgeprägt gewesen und Dad hatte mich in einem guten Moment angesprochen, als sie nicht so rücksichtslos war und wir gemeinsam Zeit verbracht hatten.

Tessa musste den Ring noch schnell ausgezogen haben, als sie gegangen ist. Vielleicht war es direkt nach meinen gemeinen Worten, die sie im ersten Moment schockierte. Vielleicht wollte sie aber auch nicht, dass jemand von unserer Verlobung Bescheid wusste. Oder sie hatte wirklich bereits einen neuen Freund, der von mir nichts mitbekommen sollte.

Mir war von Anfang an bewusst, dass Tessa nicht der Mensch war, der sich einfach so an einen Menschen binden konnte, weswegen ich lange überlegt hatte, ob ich ihr überhaupt die Frage stellen sollte. Sie wollte frei sein, leben wie sie es wollte, Spaß mit ihren Freunden haben, eine lockere Beziehung, aber keinesfalls würde sie ein Mensch sein, der sich nichts sehnlicher wünschte, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Allerdings hatte sie „Ja" gesagt und so stand fest, dass wir bereits im Frühjahr heiraten würden.

Eigentlich war ich mit ihrer Art vorbereitet und ich wusste, dass es nicht leicht werden würde, aber sie hatte sich in den letzten zwei Wochen, nach unserer Verlobung, so stark verändert, dass ich sie überhaupt nicht mehr wiedererkannte.

Ich betrachtete den Ring mit dem funkelnden Kristall in meiner Hand, bevor ich ihn zurück auf die Kommode legte und ins Wohnzimmer schlenderte.

Ich schnappte mir das Telefon und wählte die Nummer des Chinesen, der nur drei Straßen weiter war. Ich hatte keine Lust, mich nach einem anstrengenden Arbeitstag noch hinter den Herd zu stellen, um mir etwas zu kochen. Das Essen vom Chinesen reichte mir heute vollkommen.

Das Essen wurde kurze Zeit später an die Türe geliefert. Ich drückte ihm das Geld inklusive Trinkgeld in die Hand, bevor ich die Türe wieder schloss und mich ins Wohnzimmer begab. Weil mir langweilig war, schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Sender, bis ich mich letztendlich für die Nachrichten entschied. Ich stocherte in dem Karton mit den gebratenen Nudeln herum und starrte Löcher durch die Luft. Die Nachrichten beachtete ich kaum.

Ich machte mir Gedanken über mein Leben und dessen Verlauf, von der High School bis jetzt. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, ob alles, was ich entschieden hatte, richtig war. Um ehrlich zu sein, befürchtete ich, dass die Beziehung mit Tessa ein großer Fehler war. Ein rießengroßer Fehler.

Wir waren viel zu verschieden, in sämtliche Ansichten, dass ständige Streitereien bei zwei Sturköpfen vorprogrammiert waren. Sie wollte frei sein, eine lockere Beziehung führen, während ich eine Person brauchte, die sich an mich bindete und mit mir eine Familie gründen möchte - nicht jetzt, aber irgendwann.

Aber wie konnte ich auch nur eine Beziehung führen, wenn ich tief in meinem Herzen einen ganz anderen Menschen liebte? Auch wenn ich mir bewusst darüber war, dass sie nicht mehr wieder in mein Leben treten würde.

Augenblicklich vermisste ich Hope so sehr, wie ich es schon lange nicht mehr tat. Dabei dachte ich jeden Tag an sie.

Ich vermisste ihren Geruch, ihr liebevolles Lächeln, ihre strahlend blauen Augen mit den grauen Sprenkeln, ihr herzhaftes Lachen und ihre zarten Lippen, die ich jedes Mal auf meinen spüren wollte, wenn ich sie sah. Wenn Tessa neben mir lag, wünschte ich mir bloß, dass Hope ihren Platz ersetzen könnte. Wenn ich sie küsste, wollte ich einzig und alleine Hopes Lippen auf meinen spüren. Und wenn ich Tessa in die Augen sah, wollte ich mich einfach nur noch in Hopes blauen Augen mit den grauen Sprenkeln verlieren.

Ich fühlte mich wie ein Idiot, weil ich es zugelassen hatte, dass wir uns aus den Augen verlieren. Weil ich unsere Beziehung entgültig beendet hatte.

Nun würde ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen, mich nicht entschuldigen und ihr sagen, dass ich ihr verzeihe - alles - und dass ich sie immer noch liebte.

Doch vielleicht war es auch besser so. Wahrscheinlich war sie glücklich ohne mich. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie sie in unserer Heimatstadt lebte, in einem Haus mit einem neuen Mann, der sie glücklich machen konnte. Wie sie in einem Job arbeitete, der ihr viel Spaß machte, und dass sie gute Freunde wie Brooke und Damian hatte, die ihr in jeder Situation beistanden.

Mir hingegen blieb zwar ein gut bezahlter, aber sehr stressiger Job, eine Verlobte, die mich ständig alleine ließ und mich nicht genug liebte, und einen Freund, Jonas, der aber genügend eigene Probleme hatte, mit denen er sich herumschlagen musste, sodass ich ihn mit meinen eigenen nicht auch noch belasten möchte.

Ich stocherte weiterhin in meinem Essen herum, während ich über Hope nachdachte, sie vermisste und wiedersehen wollte. Ich wollte am liebsten sofort in den Flieger steigen und sie suchen gehen, mich entschuldigen und sie für mich zurückgewinnen wollen. Ich würde wirklich alles für sie tun. Anderseits erschien mir die Idee schwachsinnig und undurchdacht. Ich konnte nach so unendlich vielen Jahren nicht einfach in ihr Leben auftauchen und alles auf den Kopf stellen. Vielleicht war sie wieder vergeben, hatte ein glückliches Leben, das ich nur zerstören würde. Nein, das konnte ich definitiv nicht tun.

Ich musste sie vergessen, so hart das auch klingen mag. Ich musste sie aus meinem Leben streichen und lernen, ohne sie zu leben. Es ist besser so. Für uns beide.

Mein Handy in der Hosentasche fing an zu klingeln. Auf dem Bildschirm prankte der Name meiner Schwester. Sie rief immer an, wenn sie Zeit hatte - und davon hatte sie anscheinend eine Menge, so oft wie sie anrief.

»Ja?« meldete ich mich, als ich den Anruf entgegennahm und drosselte gleichzeitig die Lautstärke des Fernsehers, in denen von neuen Katastrophen auf der ganzen Welt berichtet wird.

»Na Bruderherz, alles gut bei euch?« rief sie fröhlich in den Hörer. Maddy war in letzter Zeit glücklicher als je zuvor, was wahrscheinlich mit Nick und deren Beziehung zu tun haben musste. Die beiden waren unzertrennlich, und auch wenn ich es nicht zugeben mag, passten sie perfekt zueinander. Nick hatte sich wirklich daran gehalten, meine Schwester nicht zu verletzen - abgesehen von der kleinen Sache, die an dem Ball der Firma unserer Eltern geschehen war. Er liebte sie seit der High School und streitete so gut wie nie mit meiner Schwester. Kurz gesagt: Ihre Beziehung lief tausendmal besser als meine.

»Äh-« Ich räusperte mich, weil mein Hals kratzte. »Ja« Ich log und erwähnte den Streit zwischen Tessa und mir nicht. Maddy sollte sich keine Sorgen um mich machen, dass es mir mit all den Streitereien schlecht ging. Außerdem wollte ich nicht erneut ihre Zweifel darüber hören, dass sie vielleicht nicht die Richtige für mich war.

»Stör' ich euch zwei gerade?« fragte sie vorsichtig.

»Quatsch, nein« verneinte ich sofort. Ich stand von der Couch auf, klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr und schnappte mir den leeren Karton, um ihn in der Küche wegzuschmeißen. Maddy erzählte mir derweilen von ihrem Tag und unseren Eltern. Dabei erwähnte sie auch gleich das traditionelle Weihnachtsfest, mit Tannenbaumschmücken und Kirche, mit festlichem Essen und Geschenken.

»Bitte, komm' dieses Jahr wieder zu Weihnachten nach Hause. Ich hab' dich letztes Jahr beim Weihnachtsbaum schmücken so vermisst« Es war schon fast eine Tradition, dass Maddy und ich gemeinsam am 24. Dezember den Baum schmückten. Doch letztes Jahr kamen geschäftliche Dinge dazwischen, Tessa wollte mit ihren Freunden bei uns zuhause feiern und zudem wollte ich nicht auf vergangene Zeiten treffen.

»Ich weiß nicht, Maddy. . .« Ich hatte Befürchtungen, dass Tessa da nicht mitspielen würde, weil sie mit ihren Freunden und ihrer Familie, die ebenfalls in New York lebten, Weihnachten verbringen wollte. Außerdem hatte ich Angst, Hope zu begegnen, sei es an den darauffolgenden Tagen auf den Straßen, in der Stadt oder am Weihnachtstag in der Kirche.

Ich lehnte mich gegen den Küchentresen, nachdem ich den Karton in den Mülleimer geworfen hatte.

»Bitte, Adam. Wir vermissen dich alle und ich dich ganz besonders« Ihre Stimme klang flehend, woraufhin ich lächelte.

»Okay, ich werde mit Tessa reden« meinte ich nachgebend. Sie stieß einen Jubelschrei aus, was mich zum Lachen brachte. Meine Schwester und ich sprachen noch eine ganze Weile über sämtliche Dinge. Sie fragte mich etwas über die Firma und wie es Tessa ging. Danach erfuhr ich von ihr und Nick und dass er sie morgen in ein schickes Restaurant ausführen möchte, worauf sie sich wahnsinnig zu freuen schien. Mum und Dad ging es laut Maddy auch gut und sie würden sich auch über einen Besuch von mir freuen, besonders Mum sagte das immer zu ihr. Sie erwähnte ständig, wie sehr sie sich freuen würde, mich wiederzusehen, da ich schon lange nicht mehr zuhause war. Eigentlich seit dem College nicht mehr. Maddy hatte mich ein paar Mal besucht, aber immer nur ganz kurz. Ich hoffte, dass Tessa auch mitziehen würde. Außerdem betete ich innerlich, dass sie meiner Familie nicht ihre peinliche Seite von heute Abend präsentieren würde. Ich wollte mir nicht auch von ihnen anhören müssen, dass sie die Falsche war. Ich hatte es schon oft genug von meinem besten Freund Jonas gehört, der daraufhin immer auf Hope zu sprechen kam, auf wessen Thema ich sehr empfindlich reagierte. Ich hatte selbst verstanden, dass ich ein Idiot war und die tollste Frau gehen lassen hatte, nur damit ich nicht mit Problemen konfrontiert werden würde. Ich brauchte es dann nicht ständig gesagt bekommen.

»Ich muss dann mal auflegen. Mum ruft schon wieder« Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie sie mit den Augen rollte, weil sie noch eine ganze Menge zu erzählen hatte, aber Mum sie dabei störte. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich versprach ihr, mit Tessa über unsere Pläne für diese Weihnachten in den nächsten Tagen zu bereden. Dann legte sie auch schon auf und stapfte sicherlich die Treppen hinunter zu Mum.

Ich legte das Handy auf dem Küchentresen und stützte mich mit den Händen an der Platte ab, während ich mich mit meinem Rücken dagegenlehnte. Das Gespräch mit Maddy hatte mir gut getan. Vor allem nach der Streitigkeit mit Tessa. Doch kaum verstummte ihre Stimme und ich legte mein Handy beiseite, kehrten die Gedanken zurück. Ich erinnerte mich an die schönen Momente mit Hope und wurde traurig, als ich unseren Streit vor Augen sah. Ihre traurigen, mit Tränen gefüllten Augen, wenn sie mich jedes Mal mit Cassy oder Tessa gesehen hatte. Ich wollte ihr all das niemals antun, und doch hatte ich es getan. Ich hatte nicht um sie gekämpft, ihr nicht die nötige Zeit und Unterstützung gegeben, die sie gebraucht hätte - mehr als alles andere.

Alles, was ich ihr wünschte, war, dass sie glücklich war. Anderseits wollte ich sie zurück. Es mag egoistisch klingen, wenn man bedenkt, dass sie nie wieder glücklich mit mir sein würde. Aber wie sollte ich mein Leben gestalten, wenn sie nicht bei mir war? Ich hatte jetzt schon mehrere Jahre ohne sie verbracht und keins war es wert, sich mit einem Lächeln zurück zu erinnern. Ich hatte die meiste Zeit in die Arbeit der Firma meines Dads gesteckt. Davor kümmerte ich mich darum, einen guten Abschluss auf dem College zu erlangen. Den Rest versuchte ich, meine Beziehung aufrecht zu erhalten, weil ich nicht alleine dastehen wollte. Ich wollte ein normales Leben führen, mit Arbeit und Familie. Allerdings war Tessa nicht der Mensch, mit dem ich Familie sein wollte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top

Tags: #romantik