12. Kapitel
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weil ihr eine so tolle community seid,
die immer dabeigeblieben ist
— egal wie lange es bis zum
nächsten Kapitel gedauert hat —
und mich mit lieben kommentaren immer wieder motiviert hat, schon das nächste kapitel für euch.
Viel Spaß beim Lesen!
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A D A M
Sie hatte es wirklich gesagt. Sie hatte gestern Nacht wirklich gesagt, dass sie mich liebt. Ich konnte es noch immer nicht fassen, denn sie hatte es in den vielen Jahren, in denen wir mehr oder weniger zusammen waren, noch nie zu mir gesagt. Dabei hatten wir schon bessere Zeiten. Zeiten, in denen ich noch glaubte, Gefühle für diese Frau zu empfinden. Zeiten, in denen ich alles daransetzte, diese Frau glücklich zu machen und Teil meines Lebens zu machen. Zeiten, in denen ich mich darum bemühte, unsere Beziehung aufrechtzuerhalten. Und jetzt, wo alle Hoffnungen auf bessere Zeiten verschwunden waren, kam dieser Satz aus ihrem Mund.
Wieso tat sie das? Liebte sie mich wirklich? Oder waren diese Worte nur bedeutungsloses Gelaber, nur um vorzugaukeln, dass alles gut zwischen uns war?
»Wir können« rief Tessa und öffnete im selben Moment die Badezimmertür. Sie war schon seit Stunden dort drinnen verschwunden und ich dachte bereits, sie würde gar nicht mehr herauskommen.
»Na endlich« murmelte ich und schnappte mir die Koffer. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und in ihre Jacke, bevor auch sie ihre Handtasche vom Boden hob und mir nach unten zu meinem Auto folgte. Im Kofferraum und auf der Rückbank verstaute ich unser Gepäck, bevor ich auf der Fahrerseite Platz nahm und den Motor startete.
»Ich bin schon so gespannt, deine Eltern richtig kennenzulernen« meinte Tessa aufgeregt, während sie sich anschnallte. Meine Eltern waren sicherlich genauso gespannt – vor allem Mum – denn sie hatten Tessa bisher nur ein einziges Mal gesehen. Seitdem war ich nicht mehr in meine Heimat zurückgekehrt und Hope hatte dabei eine große Rolle gespielt, wieso ich sie nicht öfters besucht hatte. Es würde komisch sein, nach all den Jahren ohne jeglichen Kontakt zueinander, dem anderen plötzlich gegenüber zu stehen. Ich vermisste sie und mein altes Leben, denn damals war ich glücklich und zufrieden mit dem, was ich hatte. Aber jetzt mit einem einsamen Leben in New York und einer Frau an einer Seite, die ich nicht liebte, fühlte sich alles so leer und unwichtig an. Ich hatte keinerlei Momente, an die ich mich mit einem Lächeln zurückerinnerte. Am liebsten würde ich diese Zeit löschen und von vorne beginnen – ohne Tessa.
Tessa schaltete das Radio ein und schaltete sich durch die Sender. Irgendwann schien sie sich mit einem zufrieden zu geben und lehnte sich zurück in den Sitz. Sie summte die Melodie des Songs mit und drehte ihren Kopf in Richtung Fenster. Ich konzentrierte mich währenddessen auf die Straßen und den Verkehr. Ich versuchte es zumindest.
In meinem Kopf schwirrten sämtliche Gedanken herum, angefangen bei Tessa und ihre angeblichen Gefühle für mich bis hin zu Hopes vermeintliche neue Liebe für einen anderen Mann.
Ich fragte mich noch immer, wieso Tessa diese drei Worte ausgerechnet in dieser Nacht gesagt hatte. Waren es einfach die Gefühle, die sie in diesem Moment gefühlt hatte oder lag es ihr schon lange auf der Zunge? Sie hatte es noch nie zuvor gesagt und jetzt, wo es zwischen uns gewaltig kriselte, hörte ich diese Worte aus ihrem Mund? Normalerweise sollte ich mich darüber freuen – zu hören, dass mich die Frau, die nächstes Jahr heiraten werde, liebte – doch ich tat es nicht. Diese Worte lösten keinerlei Regungen in meinem Körper aus. Ich fühlte noch immer keine Liebe für sie.
Meine Gedanken brachten sich weiter zu dem bevorstehenden Treffen mit meiner Familie und endete letztendlich bei Hope. Seit ich von Nick erfahren hatte, dass sie sich mit einem anderen Mann häufig auf Dates traf, spürte ich immer ein Stechen in meiner linken Brust, wenn ich an Hope dachte. Es tat weh im Herzen, aber gleichzeitig freute ich mich auch für sie, dass wenigstens sie wieder glücklich sein konnte. Das hatte sie verdient.
Tessas Handy klingelte wie verrückt. Mit einem breiten Grinsen nahm sie den Anruf entgegen. Es schien ihre beste Freundin zu sein.
»Wir sind schon auf dem Weg zu seinen Eltern« berichtete sie ihr. Ich hörte nicht länger zu, sondern lauschte stattdessen der Musik, die leise aus den Lautsprechern ertönte. In meinem Kopf drehte sich alles um Tessa, Hope und meine Heimatstadt, der wir mit jedem Kilometer näherkamen. Ich wusste noch immer nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Natürlich freute ich mich, meine Familie und auch ein paar meiner alten Freunde wiederzusehen, doch gleichzeitig würden auch alte Gefühle bei all den Orten, die mich an Hope und unsere gemeinsame Zeit erinnern würde, wieder hochkommen, die ich immer wieder versuchte, zu verdrängen, um nicht noch mehr darunter zu leiden. Und wie würde mein Herz reagieren, wenn ich Hope tatsächlich mit ihrem neuen Freund begegnen würde?
Die Strecke zog sich, sodass es mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Auch Tessa schien langsam genervt zu sein.
»Wie lange dauert das denn noch?« drängelte sie wie ein kleines Kind, nachdem wir bereits die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten.
»Wir hätten das Flugzeug nehmen sollen« redete sie weiter, als ich ihr keine Antwort gab. Frustriert pustete sie eine Strähne aus dem Gesicht und lehnte sich mit verschränkten Armen tief in ihren Sitz.
Als dann eine andere Freundin bei ihr anrief, beschwerte sie sich darüber, dass sie solange in diesem Auto sitzen musste, weil ich angeblich so geizig wäre, einen Flug zu bezahlen. Ich verdrehte die Augen.
So sehr sich Tessa auch bemühte, keinen Streit zu verursachen und mehr Zeit mit mir zu verbringen, hatte sie sich in der Zeit kein Stück geändert. Sie gab mir ständig die Schuld daran, wenn ihr etwas nicht passte. Auch wenn sie es mir nicht direkt ins Gesicht sagte, wollte sie, dass ich es mitbekam. Ich wusste nicht, was sie damit erreichen wollte, doch ich tat ihr nicht den Gefallen, mich darüber zu ärgern oder sonst irgendeine Reaktion zu zeigen. Ich tat einfach so, als hätte ich ihr gar nicht zugehört. Ich sah stur geradeaus auf die Straßen und dachte auch nicht länger über Tessa und ihre Art nach.
Nach einer Weile kamen wir dann unserem Ziel länger. Mein Puls erhöhte sich schlagartig, als wir an dem Willkommensschild meiner Heimatstadt vorbeifuhren.
»Endlich« Tessa atmete erleichtert aus. Sie löste ihre verschränkten Arme und sah nun neugierig aus dem Fenster. Zuerst war noch nicht viel von der Stadt zu sehen, doch dann erschienen immer mehr Häuser und Geschäfte. Das Navi wollte mich an meiner Schule und durch die Straße, in der Hope mit ihrer Mum gewohnt hatte, führen, doch ich fuhr schnell einen anderen Weg und nahm dabei einen kleinen Umweg in Kauf. Ich wollte nicht mit Erinnerungen konfrontiert werden, die mein Herz brechen würden. Ich wollte diese Orte, an denen ich mit Hope an meiner Seite glücklich war, nicht noch einmal sehen, denn sie würden mich nur unendlich traurig stimmen. Ich würde wieder daran denken, was für ein Idiot ich nur war, Hope gehen zu lassen. Ich bin älter geworden und hatte nun eingesehen, dass ich mich manchmal richtig idiotisch ihr gegenüber verhalten hatte. Wir hätten uns so viel Schmerz und Leid ersparen können, wenn ich von Anfang zu ihr gestanden hätte und wenn ich ihrer Erklärung zu diesem Bild, das urplötzlich auf dem College aufgetaucht ist, Glauben geschenkt hätte oder ihr zumindest zugehört hätte.
»Wieso fährst du nicht einfach so, wie es das Navi sagt?« fragte Tessa irritiert nach. Ich zuckte mit den Schultern. Eine bessere Antwort hatte ich für sie nicht. Sie würde es sowieso nicht verstehen, wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde. Sie hatte wahrscheinlich noch nie für einen Menschen so gefühlt wie ich für Hope, um das nachvollziehen zu können.
Wir fuhren durch verschiedene Straßen, bis wir vor dem großen Haus meiner Eltern zum Stehen kamen. Alles sah aus wie damals, als ich noch zur Schule ging und ein waschechter Idiot war, der nicht verstand, wie man ein Mädchen wie Hope behandelte, um sie nicht ständig zu verletzen. Alles hier war so vertraut, doch gleichzeitig fühlte es sich merkwürdig an, wieder hier zu sein.
»Wow, das nenn ich mal ein Haus« murmelte Tessa staunend, als wir aus meinem Auto ausstiegen und vor meinem alten Zuhause standen. Sie musterte das Haus und wirkte zufrieden. Ich holte währenddessen unser Gepäck und trug es zur Haustüre. Bevor ich die Klingel betätigen konnte, wurde die Tür aufgerissen und Maddy fiel mir um den Hals. Überrascht von ihrer stürmischen Begrüßung ließ ich die Koffer auf den Boden fallen und legte meine Arme um sie. Es fühlte sich gut an, meine Schwester wieder in meiner Nähe zu wissen. Ich hatte sie in den ganzen Jahren, in denen wir lediglich miteinander telefoniert hatten, vermisst.
»Ich hab dich vermisst« nuschelte sie, bevor sie sich wieder von mir löste und auch Tessa mit einer Umarmung und ein paar netten Worten begrüßte. In der Zwischenzeit ist ihr auch Mum nach draußen gefolgt. Sie zog mich mit Tränen in den Augen in eine Umarmung.
»Da bist du ja endlich, mein Großer« meinte sie und ich lächelte. Es tat gut, in der Nähe meiner Familie zu sein. Es gab mir ein Stück von meinem alten Leben zurück. Ich fragte mich, wie ich es so lange in New York ausgehalten hatte, ohne ein einziges Mal meine Familie zu sehen.
»Du hättest dich hier ruhig mal früher blicken lassen können« Sie sah mich mit einem vorwurfsvollen Blick an. Ich begegnete ihrem Blick mit einem entschuldigenden.
»Jetzt bin ich ja da« meinte ich. Sie nickte, zog mich ein weiteres Mal in eine Umarmung und wandte sich dann Tessa zu. In dem Trubel hatte ich sie völlig vergessen.
»Schön, dich mal richtig kennenlernen zu können« sagte sie und nahm auch sie in die Arme. Tessa schenkte ihr ein kleines Lächeln und meinte, sie würde sich genauso sehr darüber freuen.
»Unser Sohn erzählt uns ja nicht viel« fügte sie hinzu. Ich zuckte mit den Schultern, schnappte die Koffer und trug sie in das Hausinnere. Dort begegnete ich Dad, der mir auf die Schulter klopfte und ein paar Worte mit mir wechselte. Im Gegensatz zur Begrüßung von Mum oder Maddy wirkte diese hier steif und emotionslos. Dad war noch nie ein Mann, der Gefühle zeigte, doch nach der langen Zeit hatte ich gehofft, er würde sich wenigstens ein paar Sekunden lang anmerken lassen, dass er sich über den Besuch freute. Doch nichts dergleichen geschah. Er verzog keine Miene.
»Da bist du ja« Mein Blick wanderte zu den Treppen. Auf der letzten Treppenstufe stand Nick. Er grinste breit und kam dann auf mich zu, um mich in eine freundschaftliche Umarmung zu ziehen. Wir hatten anfangs, als er Maddy verletzt hatte und meine Beziehung zu Hope nicht akzeptiert hatte, unsere Schwierigkeiten, miteinander auszukommen, doch seit dem College waren wir wieder zu guten Freunden geworden. Er hatte sich bei Hope und mir für alles, was in der High School vorgefallen war, entschuldigt. Er ist erwachsen geworden, hatte seine Fehler eingesehen und war bemüht, sie wiedergutzumachen.
»Wie geht es dir?« fragte er nach. Am liebsten wäre ich ehrlich zu ihm gewesen und hätte all meine Probleme mit meinem neuen Leben erzählt, doch dafür war kein richtiger Zeitpunkt. Also setzte ich ein halbherziges Lächeln auf und versicherte, mir würde es gut gehen.
»Und wie geht's dir?« fragte ich nach, um von mir und meinem unglücklichen, einsamen Leben abzulenken.
»Mir könnte es nicht besser gehen« antwortete er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er legte seinen Arm um Maddys Schulter, zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe.
Es stimmte mich traurig, die beiden so glücklich miteinander zu sehen. Nicht, weil ich es ihnen nicht gönnte, sondern weil es mich dann immer wieder an mich und Hope erinnerte. Wir waren in unserem jungen Glück auch so zufrieden gewesen, doch zu viele Faktoren haben uns auseinandergerissen.
Mum führte uns alle ins Esszimmer, wo sie uns kurze Zeit später ein leckeres Essen auftischte. Wir wurden von allen ausgefragt. Dad fragte ein paar Dinge über die Firma und Mum wollte alles Mögliche über Tessa und unsere Beziehung wissen.
»Wie hat er dir denn eigentlich den Antrag gemacht?« fragte sie nach ein paar allgemeinen Fragen über Tessa. Auch Maddy schien plötzlich ganz gespannt auf ihre Antwort zu sein.
»Es war ganz klassisch. Er ist auf die Knie gegangen, hatte mir seine Liebe gestanden und hat mich dann gefragt« erzählte sie mit einem Leuchten in den Augen. Sie redete noch weiter darüber, wie gut ihr der Ring gefalle und wie romantisch das Ganze gewesen wäre, dabei war es nur halb so romantisch gewesen. Ich hatte ihr nicht meine Liebe gestanden, sondern ihr lediglich die Frage gestellt. Sie hatte Ja gesagt, ich hatte ihr den Ring gegeben und wir hatten uns kurz geküsst. Alles andere, was sie erzählte, war erfunden.
»Habt ihr auch schon über Familie nachgedacht?« fragte Mum weiter nach. Tessa verschluckte sich beinahe an ihrem Wein.
»Mum!« zischte ich. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um über Kinder zu sprechen. Sie sah mich währenddessen mit diesem ahnungslosen Blick an, als verstehe sie nicht, was das Problem an dieser Frage sei.
»Wie ist es eigentlich in New York?« mischte sich Nick ein, um vom Thema abzulenken. Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
»Auch nicht viel anders als in anderen Städten« meinte ich schulterzuckend und stocherte in meinem Essen herum. Am liebsten hätte ich ihnen erzählt, wie einsam man sich in dieser Stadt fühlen konnte, wenn man dort keine Menschen hatte, mit denen man sich gut versteht. Für mich gab es dort nur die Arbeit, in die ich mich hereinhing. Wenn ich nach Hause kam, war ich entweder allein oder mit Tessa zusammen – was sich genauso einsam und allein anfühlte. Ich hatte mir das Leben dort definitiv anders vorgestellt und wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich vielleicht gar nicht erst hingezogen. Hier in meiner Heimatstadt war es definitiv schöner als in dieser Großstadt, denn ich hatte hier Familie und Freunde.
Nick sah mich überrascht an. Er sagte nichts weiter und es blieb ruhig am Tisch. Nach dem Essen zog Mum Tessa in ein langes Gespräch.
»Ich bin wirklich froh, ihren Sohn kennengelernt zu haben. Mit ihm ist alles gleich viel schöner« sagte sie irgendwann mit einem gekünstelten Lächeln im Gesicht. Sie legte ihre Hand auf meine Schulter ab und legte ihren Kopf ab. Ich war überrascht, wie gut sie schauspielern und meinen Eltern ihre Zuneigung zu mir vorspielen konnte. Ich glaubte nämlich nicht daran, dass sie das ernst meinen könnte. Es fühlte sich nicht ehrlich an.
»Ich glaube, ich bringe dann mal die Koffer nach oben« meinte ich und stand von meinem Platz auf. So konnte ich Tessas Nähe entkommen, die mich fast erdrückte. Doch nicht sonderlich lange, denn sie wollte gleich mit nach oben kommen. Es sei ein langer Tag gewesen und sie wäre zu müde, um länger wach zu bleiben, wie sie es meiner Mum erklärte.
Bereits auf der Treppe spürte ich ein mulmiges Gefühl in meinem Inneren. Mit jedem Schritt, dem ich meinem alten Zimmer näherkam, verschnellerte sich mein Puls. Es war eine weitere Sache, die mich an mein altes Leben zurückerinnerte. Ich verband dort so viele Dinge mit Hope, dass sich mein Herz einen Moment lang dagegen sträubte, das Zimmer mit Tessa im Schlepptau zu betreten. Doch sie riss einfach die Türe auf und ging hinein. Sie ließ ihre Tasche achtlos auf den Boden fallen, sah sich einen kurzen Augenblick darin um und schmiss sich anschließend auf mein Bett.
Ich schluckte. Das letzte Mal, als ich in diesem Bett geschlafen hatte, war Hope neben mir gelegen. Wir waren glücklich miteinander und freuten uns auf das College, ohne dabei zu ahnen, dass uns dort bald das große Unglück begegnen würde. Und jetzt lag dort Tessa, als wäre es ihr neues Zuhause.
Ich stellte die Koffer ab und sah mich um. Es sah aus wie damals, nur dass es deutlich aufgeräumter ist als sonst. Es lagen keine Klamotten oder Schulsachen auf dem Boden herum, sondern war sorgfältig in den Schränken und Regalen verstaut.
»Das Zimmer ist ja riesig« sagte Tessa begeistert. Sie erhob sich wieder von dem Bett und sah sich weiter um. Sie lief an Regal und Schreibtisch vorbei und blieb letztendlich vor der kleinen Tür stehen. Als sie diese öffnete, ließ sie einen freudigen Schrei aus. Der begehbare Kleiderschrank schien für sie das Highlight meines Zimmers zu sein.
»Du hast einen begehbaren Kleiderschrank?« fragte sie nach, als könne sie nicht glauben, was sie gerade sah. Ich sagte nichts darauf, sondern versuchte mich damit abzufinden, dass Tessa ab sofort in diesem Bett schlafen würde, in dem ich zuvor immer mit Hope gelegen war.
»Ich geh kurz ins Bad« murmelte ich und verschwand dann in meinem kleinen Badezimmer. Auch dieses hatte sich in den ganzen Jahren nicht verändert.
Während ich das Wasser auf meine nackte Haut prasseln ließ, versuchte ich den Gedanken an die Momente mit Hope, die ich in diesem Haus erlebt hatte, zu verdrängen. Es hatte keinen Zweck, daran zu hängen, wenn die Aussicht auf eine Zukunft mit ihr hoffnungslos war. Sie hatte einen Neuen und damit müsste ich wohl oder übel klarkommen.
Ich drehte das Wasser wieder ab und schlang mir ein Handtuch um die Hüften. Ich wischte über den beschlagenen Spiegel und betrachtete mich darin. Ein paar Gedanken über Hope und unsere gemeinsame Zeit flogen durch meinen Kopf, bevor ich sie in die hinterste Ecke schob.
Zurück in meinem alten Zimmer entdeckte ich Tessa, wie sie noch immer darüber staunte, dass es so groß war und ich sogar einen begehbaren Kleiderschrank hatte. Sie saß auf der Bettkante und tippte mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf ihrem Handy herum. Vermutlich informierte sie gerade ihren Freunden von diesem traumhaften Haus, in dem meine Eltern wohnten.
Als ich die Türe hinter mir ins Schloss fallen ließ, kreuzten sich unsere Blicke. Ihre Augen schauten zuerst in mein Gesicht und musterten dann meinen gesamten Körper, der lediglich von einem Handtuch bedeckt war. Besonders lange haftete ihr Blick an meinem nackten Oberkörper. Früher hätte ich darüber selbstgefällig gegrinst oder innerlich gelacht, weil es mich damit nur noch mehr bestätigt hatte, was für eine Wirkung ich mit meinem Körper auf Frauen hatte, doch in der jetzigen Situation interessierten mich diese Blicke keineswegs. Solange es nicht Hope war, die mich so anstarrte, war es mir völlig egal, was die anderen darüber dachten oder ob sie mich begehrenswert und gutaussehend fanden.
Ohne etwas zu sagen legte sie ihr Handy beiseite und ging auf mich zu. Sie stellte sich direkt vor mich und legte eine Hand auf meinen Oberkörper. Ihre Finger strichen über meine definierten Muskeln, während sie zittrig ausatmete. In meinem Inneren regte sich nichts, was mit Liebe oder Begierde zu tun hatte. Ich fühlte mich in ihrer Nähe nicht wohl und atmete erleichtert aus, als sie ihre Hand wieder von meinem Körper nahm. Doch stattdessen legte sie beide Hände auf meine Wangen, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste mich. Zuerst langsam und sachte, dann immer schneller und wilder. Halbherzig erwiderte ich diesen.
Es war wie in all den anderen Tagen, in denen ich Küsse und Berührungen zuließ, um sie nicht zu verärgern oder sie damit zu verletzen. Ich versuchte mein Bestes, mir nichts anmerken zu lassen, dass sich in mir keine Gefühle regten. Und so ließ ich auch heute ihre Hände und Lippen über meine Haut wandern, das Handtuch um meine Hüften achtlos ins Zimmer zu werfen und sich selbst auszuziehen. Wir wanderten hinüber zu meinem Bett, ich über ihr. Ich löste mich von ihr und öffnete seufzend die Schublade des Nachttisches. Ich suchte nach einem Kondom, doch entdeckte stattdessen ein Foto von Hope und mir. Sie lächelte in die Kamera, während ich ihr einen Kuss auf die Schläfe dabei gab und meine Mundwinkel dabei ebenfalls zuckten. Auf der rechten Seite schwappte das Wasser des Meeres an den Strand. Es wurde von uns gemacht, als wir nach unserem Abschluss gemeinsam mit Damian im Urlaub waren.
»Ist was?« fragte Tessa und stützte sich mit den Ellbogen nach oben. Schnell ließ ich das Foto wieder verschwinden und schloss die Schublade. Ich schloss die Augen und atmete tief aus. Es war nur ein Foto redete ich mir ein, doch seit diesem Fund hielt ich es für unmöglich, in diesem Zimmer mit einer anderen Frau, die ich nicht einmal ansatzweise liebte, zu schlafen. Ich murmelte eine Ausrede, es seien keine mehr da, und schnappte mir frische Unterwäsche und eine Jogginghose.
»Dann lass es uns doch trotzdem tun« hauchte Tessa und setzte sich auf. Sie sah mich eindringlich an, doch ich schüttelte bloß mit dem Kopf.
»Tut mir leid, aber das müssen wir verschieben«
Ich schnappte mir eine Packung Zigaretten, nachdem ich mir noch einen Kapuzenpullover übergezogen hatte, und verschwand auf meinen Balkon. Kalte Luft kam mir entgegen. Der Himmel war wolkenlos, sodass dort tausend kleine Sterne funkelten.
Mit zittrigen Händen fischte ich eine Zigarette aus der Packung und klemmte sie mir zwischen die Fingern. Das Zittern war keineswegs der Kälte verschuldet, sondern lag daran, dass ich dieses Foto von Hope und mir als glückliches Paar gefunden hatte, bevor ich mit Tessa geschlafen hätte. Innerlich aufgewühlt holte ich das Feuerzeug hervor.
»Was ist los?« Tessa tauchte hinter mir auf. Sie legte ihre Hände auf meinen Rücken. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zusammenzureißen. Ich war den Tränen nahe, so schmerzlich ist diese Erinnerung an meine Vergangenheit.
»Nichts« murmelte ich mit der Zigarette zwischen den Lippen. »Geh' schlafen, es ist schon spät und wir hatten eine lange Fahrt«
Sie nahm die Hände von meinem Rücken und ich hörte Schritte, die immer leiser wurden. Als ich mich umdrehte, war sie wieder in meinem Zimmer und legte sich aufs Bett. Ich seufzte, bevor ich mich wieder nach vorne drehte und die Zigarette, die immer noch zwischen meinen Lippen klemmte, anzündete. Ich inhalierte den Rauch, um ihn kurzerhand wieder auszupusten. Ich hielt mich am Geländer fest und schloss fest die Augen. Ich hatte es wirklich für heute versucht, nicht mehr an meine Vergangenheit mit Hope zu denken, doch bereits eine Kleinigkeit brachte mich aus der Fassung und wühlte mich auf. Ich vermisste sie. Ich vermisste uns.
Eine Sternschnuppe erschien am Himmel. Ich schloss ein weiteres Mal die Augen und wünschte mir, Hope wiederzusehen, mit ihr zu sprechen, dass wir wieder zueinander finden würden und dass zwischen uns wieder alles gut werden würde. Dass ich wieder glücklich werde.
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