Eine nahezu perfekte Ehe
Nun hatte Remus sich endlich als ein glücklich verheirateter Mann geoutet und hoffte, dass die Stunden mit der siebten Klasse nicht mehr so anstrengend werden würden. Es war schon besser geworden, nachdem die Schülerinnen erfahren hatten, dass er verheiratet war, aber (so gemein es auch klang) nun wussten sie auch, dass sie gegen seine Frau keine Chance hatten. Wer konnte jemanden wie Phillis schon übertreffen?
„Guten Morgen!", begrüßte Remus sie alle also optimistisch und stellte seine Tasche auf seinem Schreibtisch ab. „Heute sind die Aufsätze über Inferi fällig, bitte legt sie am Ende der Stunde auf meinen Tisch – auch von Ihnen, Mr Wood! Heute wollen wir fortfahren mit– ja? Gibt es eine Frage zu den Aufsätzen?"
Eine Schülerin (natürlich Miss Summers) hatte ihre Hand erhoben. „Sir... wie lange sind Sie schon mit Ihrer Frau verheiratet?"
Remus stockte einen Moment lang. Eigentlich war er es gewohnt, immer schnell funktionieren zu müssen. Wenn Phillis einen guten (oder schlechten – je nachdem, wie man es sah) Tag hatte, schien sie beinahe vor Energie zu vibrieren. Sie konnte kaum stillsitzen und ihre Gedanken schienen mit Lichtgeschwindigkeit an ihr vorbei zu rasen. An solchen Tagen redete sie in einem Moment von einem Konzert von David Bowie und im nächsten hält sie einen Vortrag über das Musical „Jesus Christ Superstar". Und wenn Remus an solchen Tagen mit ihr mithalten wollte, musste er konzentriert bleiben und schnell denken, um ihre Gedankensprünge überhaupt mitzubekommen.
Der Umgang mit Houdini hatte ihn auch gelehrt, dass Dummheit und Langsamkeit in seinem Freundeskreis nicht toleriert wurde. Wenn man den Fehler beging, zu langsam oder zu langweilig für Houdini zu sein, ignorierte er einen einfach (natürlich niemals Phillis, aber deswegen war sie wohl auch Houdinis beste Freundin und nicht Remus).
Im Moment, da war Remus sich sicher, würde Houdini sich über ihn lustig machen und ihn dafür verspotten, wie langsam er war.
Natürlich hatte Remus nun (hoffentlich) weniger Probleme damit, dass Schülerinnen romantisches Interesse an ihm hatten, aber dafür klammerten sie sich wohl an sein Privatleben. Er hätte das vorhersehen können.
„Ich denke nicht, dass das Teil des Schulstoffes ist, Miss Summers", sagte Remus möglichst neutral.
Jemand anderer hob seine Hand. „Spielen Sie auch Quidditch?"
„Nein, ich bin ziemlich unsportlich. Aber wie schon gesagt, was genau hat das mit–"
„Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?"
Remus seufzte und blickte sich kurz in der Klasse um. Sie alle starrten ihn mit neuem Interesse an und Remus fiel auf, dass wahrscheinlich noch nie eine ganze Klasse zugleich so aufmerksam gewesen war. Und deswegen gab er auf.
„Nun gut", sagte er mit einem Blick auf seine Uhr. „Ich gebe Ihnen fünf Minuten, um jede Frage über mein Privatleben zu stellen, das sie interessiert und ich werden diese Frage nach eigenem Ermessen beantworten. Aber bitte, bleiben Sie respektvoll und fragen Sie keine zu intimen Fragen, ich bin noch immer Ihr Professor. Verstanden? Dann beginnt!"
„Wie lange–", begann Summers sofort und sie musste ihre Frage nicht einmal zu Ende aussprechen.
„Wir haben vor elf Jahren geheiratet. Kennengelernt habe ich Phillis schon mehrere Jahre davor in Hogwarts. Sie war schlecht in der Schule und Professor McGonagall hat gedroht, sie aus dem Quidditch-Team zu werfen, wenn sie noch einmal ihre Hausaufgaben vergisst, also habe ich ihr geholfen. Dann sind wir zusammengekommen, haben uns wieder getrennt. Dann sind wir wieder zusammengekommen und sind zusammen nach Amerika durchgebrannt."
„Warum Amerika?"
„In Großbritannien oder Irland gibt es kein Las Vegas und wir wollten aus unserer Hochzeit keine große Sache machen."
„Sie haben in Vegas geheiratet?"
„Ganz genau. Ein Typ in Elvis-Kostüm hat uns getraut und weder Freunde noch Familie waren eingeladen oder haben davon gewusst, obwohl dann aus mir noch immer unbekannten Gründen Phils bester Freund – damals noch minderjährig – als Trauzeuge aufgetreten ist und ich bin mir ziemlich sicher, der Typ am Piano war Phillis' Dad, aber das ist bei ihm immer schwer zu sagen."
„Haben Sie Kinder?"
„Natürlich nicht! Wir hätten keine Zeit für diese armen Dinger und Phillis erinnert sich kaum daran, sich selbst zu füttern und ich bin auch nicht wirklich gut darin, wie sollen Kinder bei uns überleben?"
Das war eine kleine Lüge. Es stimmte natürlich, aber das war nicht der wirkliche Grund, warum Phillis und Remus keine Kinder hatten. Aber sie hatten darüber gesprochen und Adoption wäre auch eine Option, so wie bei Birget und Emmeline. Aber letztendlich waren ihre Leben viel zu unsicher. Auch Birget hatte am Anfang bedenken gehabt, ob es klug war, ein Kind aufzunehmen, wenn sie als Demigöttin Gefahren magisch anzog, aber wenigstens war da noch Emmeline, die immer eine stabile Konstante in Anaïs sein würde.
Remus konnte das für seine Familie nicht bieten, immerhin war er als Werwolf im Moment wahrscheinlich die größte Gefahr für Phillis und alle in seiner Nähe.
Ob Phillis und er Kinder bekommen hätten, wenn Phillis Kinder bekommen könnte und Remus kein Werwolf war? Wer wusste das schon. Ihre Leben waren nun einmal chaotisch und Remus wollte es gar nicht anders haben.
„Sir, wie ist es, mit einer so berühmten Quidditch-Spielerin verheiratet zu sein?", fragte Oliver Wood mit erhobener Hand.
Remus runzelte nachdenklich die Stirn. „Das ist eine schwierige Frage, denn es gibt mehrere Antworten... Phillis ist nicht... sie ist nicht berühmt und spielt Quidditch. Sie ist berühmt, weil sie Quidditch spielt."
Die ratlosen Gesichter seiner Schüler und Schülerinnen verriet Remus, dass sie ihn nicht verstanden hatten.
„Nun... die Presse interessiert sich für mich nicht. Und Phillis gehen sie auf die Nerven. Sie spielt nicht, um berühmt zu werden, sondern weil sie es liebt zu spielen und Berühmtheit ist nur ein nerviger Nebeneffekt zu dem ganzen. Sollten wir also ihre Karriere auf den einen Aspekt reduzieren, den sie verabscheut? Wie es aber ist, mit Phillis verheiratet zu sein? Phillis ist eine Art von Person, die interessante Menschen nahezu magisch anzieht und ihr ihrer Nähe versammeln sich so ziemlich alle, die ihren berühmten Namen wirklich verdient haben. Wenn Sie ihr Leben als ein einziges Abenteuer erleben wollen – jeden Tag ein Neues – dann suchen Sie am besten eine Person wie Phil auf dieser Welt und hören auf, sich Sorgen zu machen. So ganz unter uns – Phillis ist ein Genie auf so vielen Ebenen (nicht in Schulsachen, das ist klar) und sie weiß es selbst nicht, aber alle in ihrer Umgebung schon. Wenn sie keine Quidditch-Spielerin geworden wäre, dann bestimmt Heilerin oder Musikerin und auch auf diesen Gebieten wäre sie die Beste. Ich glaube, ich bin ein wenig von der Frage abgeschweift... die kurze Antwort ist: Es ist ganz schön, danke der Nachfrage."
„Können Sie mir ein Autogramm von Ihrer Frau besorgen, Sir?"
„Diese Frage wäre ziemlich seltsam, wenn ich nicht wüsste, dass meine Frau so berühmt ist", bemerkte Remus trocken. „Aber Sie sollten wissen, dass Phillis keine Autogramme ausgibt. Es existiert genau ein einziges Autogramm von Phillis und das ist zufällig –" Remus war in diesem Moment klar, dass er ein großer Angeber war, aber er musste diesen Moment einfach auskosten. Also zog er aus seiner Umhangtasche die Schokofrosch-Karte mit Phillis heraus und hob sie mit einem leichten Grinsen seinen Schülern entgegen. „– in meinem Besitz."
Kurz herrschte eine ehrfürchtige Stille, als Remus diese legendäre Karte seinen Schülern hinhielt. Jeder, der sich schon irgendwie mit Schokofrosch-Karten beschäftigt hatte, der wusste, dass man Phillis Lupin niemals auf diesen Karten sehen konnte. Aber nur einen Moment, nachdem Remus die Karte hervorgeholt hatte, machte Bild-Phillis einen Salto direkt ins Bild und strich sich ihre blonden Locken aus dem Gesicht, als sie wie selbstverständlich aus der Karte herausgrinste in die Gesichter der ungläubigen Schülerinnen und Schüler.
„Manchmal fühle ich mich schuldig, weil Phillis immer auf meiner Karte herumhängt", erzählte Remus ein wenig feixend, als er die Karte wieder einsteckte, „aber dann erinnere ich mich daran, dass es mir eigentlich egal ist. Und Sie brauchen gar nicht so gierig zu schauen, es liegen mehrere Anti-Diebstahl-Zauber auf dieser Karte, also versuchen Sie am besten gar nicht erst, sie mir irgendwie abzunehmen. Und damit sind die fünf Minuten auch schon um, also konzentrieren wir uns wieder auf den Unterricht!"
Die Klasse stöhnte enttäuscht auf, aber Remus konnte tatsächlich ohne weitere Unterbrechungen und Fragen fortfahren, vielleicht nun mit einem ganz neuen Respekt seiner Schülerinnen und Schüler.
Einen winzigen Moment lang dachte er daran, dass es Phillis gebraucht hatte, damit die Klasse auf ihn hörte, aber diese leise Stimme verdrängte er schnell wieder. Es war so, wie alles in seinem Leben, seit Phillis involviert war. Er hatte davor schon unterrichtet und die Schülerinnen und Schüler hatten zuvor schon seinen Unterricht verfolgt, aber nun taten sie es eben ein wenig mehr. Er hatte schon vor Phillis ein Leben gehabt und er hätte auch ohne Phillis ein Leben, aber sie machte es nun einmal ein wenig besser.
Vielleicht hätte er auch ohne Phillis Konzerte besucht und hätte diese ganzen berühmten Musikerinnen und Musiker live gesehen. Aber mit Phillis hatte er einen Back-Stage-Pass und konnte die Künstlerinnen und Künstler persönlich treffen, sie wirklich kennenlernen und mit ihnen interagieren.
Vielleicht hätte er auch ohne Phillis so gute und intelligente Freunde, immerhin war er mit den Rumtreibern in seiner Schulzeit befreundet gewesen. Aber Phillis neigte wirklich dazu, interessante Persönlichkeite, um sich zu versammeln und die Nähe führte auch zu Freundschaft.
Wenn man bedachte, dass Remus schon sehr viel Zeit darin investiert hatte, um Phillis so weit wie möglich in ihrer Karriere zu unterstützen, mehr oder weniger ihr persönlicher Assistent gewesen war, der ihre Termine im Auge behalten hatte, während er auch dafür gesorgt hatte, dass Phillis funktionierte, aß und schlief, während er sich auch um das gemeinsame Haus gekümmert hatte, konnte man vielleicht meinen, es wäre eine sehr einseitige Beziehung. Aber meistens hatte Remus das Gefühl, als würde er viel mehr von dieser Ehe haben als Phillis.
Phillis hatte Remus die Möglichkeit gegeben, eines der interessantesten Leben zu führen, die ein Mensch haben konnte und sie sorgte zudem auch noch für finanzielle Stabilität. Da war es für Remus selbstverständlich, dass er für die psychische Stabilität in ihren beiden Leben sorgte.
Elf Jahre, die sie nie lange voneinander getrennt gewesen waren, hatten in Remus manchmal die Frage geweckt, ob sie vielleicht zu abhängig voneinander waren. Diese Stelle in Hogwarts aber zeigte, dass Remus und Phillis einander nicht brauchten, um zu überleben. Sie machten nur das Leben des jeweils anderen ein wenig besser und wenn das nicht der Inbegriff einer perfekten Beziehung war, dann wusste Remus keine bessere Beschreibung dafür.
Phillis stand noch einen Moment lang länger vor dem Büro von Remus, aus dem er sie nun ausgesperrt hatte.
Es war ihre letzte Nacht in Hogwarts, bevor ihr Arbeitsleben verlangte, dass sie wieder zurückkehrte. Sie hatte Hogwarts niemals so wie ein zu Hause gesehen, wie Remus es damals getan hatte. Hogwarts war für sie zwar nicht die Hölle gewesen – jedenfalls nicht in ihrem letzten Jahr, in dem sie Freunde gehabt hatte, aber es war auch nie so ein Safe-Space gewesen, wie zum Beispiel Camp Half-Blood.
Aber in Camp Half-Blood war sie nun schon seit Ewigkeiten nicht mehr gewesen – ihr gefielen die Erinnerungen nicht, die dieser Ort in ihr weckte und irgendwie hatte sie auch das Gefühl, als wäre sie nun zu alt dafür.
Alle, die sie damals dort gekannt hatte, waren selbst weggegangen oder tot. Daphne und Amadeus würden dort nicht mehr auf sie warten und es war wahrscheinlicher, Bobby überall anders zu treffen, der mit seiner Band immer irgendwo unterwegs war.
Ihre Erinnerungen an Camp Half-Blood hatten mit Marty zu tun, mit Ruth und Birget, mit Houdini und Pirro und auch Laertes und ihren Geschwistern. Sie hatte noch immer Halbgeschwister dort, aber diese kannten sie kaum.
Phillis war nur noch im Camp, wenn Houdini sie bei Familien-Besuchen in New York dorthin mitschleppte, und das tat er nur, wenn er Fragen an Chiron hatte – der Einzige, der noch immer dort war und auf Phillis wartete, als wäre sie noch immer ein Kind, das im Sommer zurückkehrte.
Es war eine Vollmondnacht und Remus hatte sich schon vor dem Abendessen in sein Büro zurückgezogen, um sich dort mit dem Wolfsbanntrank zum ersten Mal in Hogwarts zu verwandeln.
Dumbledore und Snape hatten versichert, dass der Trank wirken würde und er würde keine Gefahr für die Schülerinnen und Schüler oder Lehrer im Schloss darstellen, aber trotzdem wollte Remus nicht, dass Phillis in seiner Nähe war, wenn er sich bei vollem Verstand in einen Werwolf verwandelte.
Was war, wenn ihr Geruch zu viel war und er sie trotzdem angriff? Was war, wenn der Trank nicht wirkte und er sie verletzte? Außerdem – das war Phillis bewusst, aber Remus hatte es nicht laut gesagt – wollte Remus wahrscheinlich gar nicht, dass Phillis diesen Teil von ihm sah.
Sie waren nun schon sehr lange zusammen – beinahe länger als die durchschnittliche Lebenserwartung eines Demigottes, was zwar nicht sonderlich lang für einen Zauberer oder auch einen Sterblichen/Muggel war, aber trotzdem für Phillis eine Ewigkeit. Und in dieser Zeit hatte Phillis gelernt, dass dieser Zustand von Remus nichts war, vor dem sie sich fürchtete oder ekelte oder irgendwie abwies. Würde es eine Heilung geben, würde Phillis alles daran setzen, diese für Remus zu besorgen und ohne Remus' Wissen spendete Phillis auch immer sehr viel Geld von ihrem Gehalt an die Forschung an Werwölfen und eine Heilung für sie. Manchmal sagte sie sich, dass dieses Geld geholfen hatte, den Wolfsbanntrank zu entwickeln und bestimmt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis es eine noch effizientere und billigere Lösung gab, damit diese Krankheit komplett ausgelöscht werden konnte.
Aber das wollte Phillis nicht, weil sie Angst vor Remus hatte. Ihr war nur bewusst, dass Remus Schmerzen hatte – jedes Mal, wenn er sich verwandelte.
Und wenn Phillis etwas tun konnte, um zu verhindern, dass Remus Schmerzen hatte, dann würde sie das auch tun.
Deswegen hatte es vor Hogwarts und dem Wolfsbanntrank die Regel bei ihnen gegeben, dass Phillis die Vollmondnächte bei Houdini verbrachte und erst am Morgen kam, um Remus mit seinen Verletzungen zu helfen. Ihre Nähe und ihr Geruch führten manchmal dazu, dass Remus als Werwolf noch wilder war, als sonst und dann verletzte er sich.
Und diese Ferne schmerzte Phillis, denn wenn Remus schon Schmerzen hatte, wäre sie am liebsten wenigstens als Unterstützung in seiner Nähe und half ihm, aber das konnte sie nicht.
Diese Nacht konnte sie wenigstens in seiner Nähe sein, wenn auch nicht im Büro bei ihm selbst. Vielleicht, wenn Remus sich sicherer fühlte, würde es in den kommenden Monaten funktionieren, aber nicht bei diesem ersten Vollmond in Hogwarts.
Remus hatte auch gesagt, dass Phillis schon einen Tag früher abreisen sollte, immerhin würde sie die Nacht nicht bei ihm sein können und am nächsten Morgen wäre er bestimmt noch zu erschöpft, um Zeit mit Phillis zu verbringen. Warum also sollte sie länger bleiben, wenn sie ihre Zeit besser nutzen konnte?
War Remus wahrscheinlich nicht verstand war, dass Phillis nicht von Remus unterhalten werden musste. Seine Nähe allein reichte schon aus, sie musste nicht wie ein seltener Gast behandelt werden, nur weil sie nicht mehr in ihrem zu Hause waren.
Und Phillis hätte ihre Zeit eindeutig besser nutzen können.
Genau genommen schwänzte sie ein Training der Holyheads am nächsten Morgen, hatte Remus aber nichts davon gesagt. Eigentlich müsste sie schon um acht zur Stelle sein, um mit ihrem Team zu trainieren, aber das ließ sie ausfallen.
Sie konnte nicht anders... Martys Worte schwirrten ihr noch immer im Kopf herum: Am besten, du hast bei den Vollmonden ein Auge auf ihn.
Es konnte alles heißen.
Hatte er eine Vision gehabt, dass etwas passierte? Hatte er gesehen, wie Remus jemanden oder sich selbst verletzte? Würde etwas schieflaufen?
Remus würde sich das niemals verzeihen, also blieb Phillis.
Sie blieb und passte auf Remus auf, denn das war ihr Job.
Remus würde es wahrscheinlich anders sehen, wenn er wieder einmal frustriert darüber war, dass Phillis vergessen hatte, etwas zu essen oder zu schlafen oder ihre Verletzungen nicht lange genug auskurierte.
Phillis trat von der Bürotür zurück und sah sich im leeren Gang im Schloss um.
Alle anderen waren gerade beim Abendessen, aber Phillis wollte jetzt nicht zum Abendessen gehen.
Also setzte sie sich ein wenig neben der Tür auf den kühlen Boden und lehnte sich gegen die Mauer.
Es würde eine lange Nacht werden – besonders, weil Phillis nicht plante, einzuschlafen.
Jeder andere hätte ein Buch mitgenommen. Phillis hatte mitgedacht und ihre Gitarre mitgebracht.
Sie spielte Lieblingslieder von Remus – manche von ihnen hatte sie schon auf der Gitarre gelernt, andere versuchte sie erst zu rekonstruieren.
Es war nicht immer einfach, Remus' Lieblingslieder auf einer Akustischen Gitarre nachzuspielen – immerhin beinhalteten seine Lieblingslieder E-Gitarren-Solos und eine Menge Schlagzeug, die die Seele dieser Lieder ausmachte.
Solche Lieder – von Queen, Bon Jovi oder auch AC DC – zu spielen, klangen dann meistens wie Einschlaf-Versionen dieser Lieder.
Aber Phillis spielte sie trotzdem in der Hoffnung, dass Remus sie hörte.
Bis sie Schritte den Gang hinunterkommen hörte – sie war gerade dabei Living On a Prayer von Bon Jovi zu lernen.
Sie unterbrach das Lied und blickte auf – Professor McGonagall kam direkt auf sie zu und nachdem das Büro dieser Professorin in einem anderen Teil des Schlosses lag, war sie nicht gerade auf dem Weg ins Bett.
Phillis stand auf und wartete – bestimmt war McGonagall auf dem Weg zu ihr.
„Guten Abend, Mrs Lupin", begrüßte McGonagall sie ein wenig steif. „Ich habe Sie nicht beim Abendessen gesehen."
„Ich bin nicht dort gewesen", sagte Phillis ein wenig unsicher – es war noch immer ein wenig ungewohnt, mit ihrer alten Professorin zu sprechen.
„Deswegen habe ich Ihnen etwas mitgebracht", verkündete die Professorin und hielt Phillis einen Teller hin, der mit einer Glocke zugedeckt war.
„Danke!" Und Phillis meinte es auch so, auch, wenn sie nicht wirklich Hunger hatte. Ihr war aber bewusst, dass sie etwas Essen sollte – Remus wäre stolz auf sie.
Phillis stellte ihre Gitarre an der Wand ab und nahm den Teller entgegen. Einen Moment lang herrschte eine unangenehme Stille.
„Mir war nicht bewusst, dass Sie Gitarre spielen", sagte McGonagall schließlich mit einem Blick auf die ungewöhnliche Gitarre. Es war jene von Ruth – die, mit den Blechen aus Himmlischer Bronze.
„Das habe ich schon gelernt, bevor ich überhaupt nach Hogwarts gekommen bin", winkte Phillis ab – Ruth hatte es ihr damals in ihrem ersten Jahr im Camp gezeigt. „Ich spiele schon viel länger Klavier, aber Klaviere kann man nicht so gut mitschleppen und Remus lacht mich immer aus, wenn ich mit meinem Didgeridoo irgendwo hingeh... und er macht den Klang von Mundharmonika nicht. Und ich habe erst angefangen, Ziehharmonika zu lernen, damit kann ich mir noch nicht so gut die Zeit vertreiben. Aber die Löffel spiele ich auch noch – praktisch, wenn ich ausnahmsweise einmal kein Instrument bei mir habe!"
„Die Löffel?", fragte McGonagall idiotischerweise.
Ein Kind des Apollo war immer auf diese Frage vorbereitet und so holte auch Phillis zwei Löffel aus ihrem Umhang, klemmte sie zwischen die Finger und begann, sie so gegen ihre Handfläche zu schlagen, dass sie die Melodie von Lay All Your Love On Me von ABBA zu erkennen war.
McGonagall starrte sie einen Moment lang mit einem Blick von angeekelter Faszination an, ein wenig so, als wäre ein richtig großer, richtig hübscher aber auch richtig ekelhafter Käfer vor ihr.
Phillis hörte auf, starrte McGonagall noch einen Moment lang an und ließ dann die Löffel wieder langsam in ihrer Tasche verschwinden.
„Ich... verstehe", sagte McGonagall langsam.
„Ein perfektes Gehör hilft, aber mein Bruder hat immer gesagt, dass es letztendlich in unserem Blut ist, jedes einzelne Lied irgendwann irgendwie mit allen möglichen Instrumenten spielen zu können, also... ja, ich spiele Gitarre... und... einige andere Instrumente auch noch."
„Bei Ihnen lernt man wohl nie aus, oder, Mrs Lupin?", fragte McGonagall amüsiert.
„Jaah, das treibt Remus in den Wahnsinn..."
„Nun, Sie sollten etwas essen. Wahrscheinlich kann ich Sie nicht dazu überreden, in das Zimmer zu gehen, das Professor Dumbledore Ihnen für diese Nacht zur Verfügung gestellt hat?"
„Ich werde essen", versprach Phillis. „Aber ich werde nicht schlafen. Danke für das Angebot."
„Solange Sie keine Schüler wecken", meinte McGonagall. „Und sollten Sie jemanden auf den Gängen erwischen –"
„– gebe ich Ihnen Tipps, wie man sich nicht auf den Gängen erwischen lässt?"
„Mrs Lupin, wenn Sie es wagen, ein schlechter Einfluss auf Unruhestifter in Hogwarts zu sein –"
„Entspannen Sie sich, in meiner Schulzeit war ich kaum auf den Gängen in der Nacht unterwegs! Ich habe eine Menge Dinge getan, die Sie nicht erfahren haben und auch nie erfahren sollten –"
„Ich bitte darum, mir keine Details zu schildern."
„– aber trotzdem behaupte ich gerne von mir, ein guter Einfluss auf Unruhestifter zu sein."
McGonagall sah einen Moment lang so aus, als würde sie in Erinnerungen schwelgen und wahrscheinlich dachte sie in genau diesem Moment auch an James Potter, der von sich selbst behauptet hatte, nur dank Phillis erwachsen geworden zu sein.
„Nun denn", sagte McGonagall und lächelte sogar leicht. „Noch eine angenehme Nacht."
„Ebenfalls!", wünschte Phillis und die Professorin drehte sich um und ging wieder.
Phillis ließ sich wieder auf dem Boden nieder, nahm wieder ihre Gitarre auf den Schoß und begann in der Dunkelheit Moonlight Shadow von Mike Oldfield zu spielen.
Und sie war sich sicher, Remus hörte sie.
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