• Kapitel 2 •

Faszinierend starrte ich an die Decke über mir und verlor mich in den tanzenden Mustern, die meine Augen in der Dunkelheit erzeugten. Es war dir Nacht zum 2. August und ich fand einfach nicht in den Schlaf. Immer wieder ging ich gedanklich ab, was ich gepackt hatte und was ich alles vergessen haben könnte. Es war eine klare Sommernacht, sogar relativ warm und vielleicht trugen auch die hohen Temperaturen in meinem Zimmer dazu bei, dass ich einfach nicht zur Ruhe kam. Naja oder vielleicht doch eher die Aufregung.

Nach einer Weile öffnete ich die Augen und seufzend  gab ich es auf. Mein Blick fiel zum Fenster und ich beobachtete die Nacht. Es war Neumond und der Himmel rabenschwarz. Die Weite der Dunkelheit zog mich an und ich musste zurück an die Engel denken. Vielleicht gab es auch noch andere Wesen dort oben. Almond hat es nie wirklich geschafft die Existenz von Göttern nachzuweisen, doch wenn es Engel gab, müsste dann nicht zumindest auch ein Gott existieren? Und hatte dieser alles erschaffen? Und schaute er auf uns herab?

Mein Kopf begann bei den ganzen Fragen zu schmerzen. Ich sollte vielleicht nicht um drei Uhr nachts den Sinn des Lebens hinterfragen.

Ich stand auf, meine nackten Füße tapsten über das Parkett und schließlich öffnete ich das Fenster, um die kalte Nachtluft zu inhalieren.  Sofort spürte ich, wie sich mein angespannter Körper beruhigte. Ich hatte die Angewohnheit die Dinge zu zerdenken. Dad sagte immer, dass ich mir für meine 21 Jahre schon viel zu viele Sorgen um Alles machen würde.

Lennox war da ganz anders, er war der Macher. Man musste ihm nur sagen, wie er vorzugehen hatte und er tat es. Er war der perfekte Jäger. Ich dagegen hinterfragte Alles viel zu sehr, das hatte ich von meiner Mutter. Und irgendwie hatte ich die Befürchtung, dass mir das noch zum Verhängnis werden würde.

„Bitte lass mich das alles irgendwie hinbekommen.", flüsterte ich in die Nacht und starrte in den Himmel.

Immer mal sah man einen einzelnen Stern am Horizont glitzern und wenn man sich anstrengte konnte man sogar das Meeresrauschen hören. Ich liebte es hier zu wohnen und vor allem die Klippen am Strand standen mit ganz oben auf der Liste von Dingen, die ich ab morgen vermissen würde.

Seufzend schloss ich nach einer ganzen Weile das Fenster wieder und ging zurück in das Bett. Die kühle Luft hatte mir geholfen runter zu kommen und ich war tatsächlich etwas schläfrig geworden. Mein letzter Gedanke, bevor die Augen zu schwer wurden, um wach zu bleiben, war, dass ich dieses verdammt weiche Bett auch mit auf die Liste setzten müsste.

„Aufwachen mein Schatz." Mein Vater riss die Vorhänge auf und ich wünschte mir nur, dass ich weiter schlafen könnte. Grummelnd zog ich die Decke über den Kopf, als mir die Sonne blendend ins Gesicht schien.

Doch wie immer kannte er keine Gnade.

Lachend zog er mir die schützende Bettdecke weg und schmiss sie an das andere Ende des Zimmers, welches viel zu weit weg war, um ohne aufstehen daran zu kommen. Ich gab also auf und warf ihm nur einen wütenden Blick zu, bevor ich tatsächlich aufstand. Die Uhr zeigte kurz nach Sechs.

„Halb gibt es Frühstück und ich glaube, dass ich das warme Wasser alle gemacht habe."

Er fand sich wohl heute früh besonders witzig, doch bis jetzt gab es noch nichts, worüber ich an einem Montagmorgen um sechs Uhr in der Frühe lachen konnte.

Nach der wie angekündigten eiskalten Dusche ging ich hinunter in die Küche, in der meine Mutter gerade versuchte das Rührei nicht anbrennen zu lassen. Kochen gehörte nicht wirklich zu ihren besten Fähigkeiten.

Dafür konnte sie blind einen Vampir köpfen, jeder hatte andere Qualitäten.

Während sich der Geruch von angebranntem Ei mit Kaffe mischte, besprachen wir den Ablauf der nächsten Stunden.

Lennox war bereits gestern gefahren, da er heute um 8 seine erste Vorlesung hatte.

„Halb acht fahren wir los und wenn es der Verkehr zu lässt sind wir kurz vor 10 da. Du kannst also damit rechnen, dass du einmal in deinem Leben pünktlich kommen wirst Cally."

Lachend zog meine Mutter die Augenbrauen hoch und ich grinste sie an.

„Mum du bist noch im Schlafanzug, also denke ich mal nicht, dass es was mit der Pünktlichkeit wird."

Ich war schließlich nicht der Faktor dafür, warum wir immer zu spät kamen, er saß auf der anderen Seite des Tisches und hatte dunkelbraune Locken. Doch schlagartig veränderte sich der Ausdruck im Gesicht meiner Mutter und sie legte ihre Stirn in Falten.

„Weißt du Schatz ich werde nicht mitkommen können, aber ich bin mir sicher, dass ihr das auch gut zu zweit schaffen werdet."

Verwundert setzte ich das Glas Orangensaft ab und schaute fragend meine Mutter an. Sie lässt sich sonst nie die Gelegenheit auf einen Roadtrip nehmen.

„Mum was ist los?", doch sie vergrub sich nur hinter der Zeitung und mein Vater war an der Reihe mir eine Antwort zu geben.

„Wir waren doch vor ein paar Wochen an diesem Werwolf Fall dran, wo du uns auch geholfen hast. Es lief ja alles nach unserem Plan, jedoch fand das der Vorstand doch nicht ganz so lustig. Und da ja deine Mutter ihre große Klappe nicht zurück halten kann, haben wir, besser gesagt sie, jetzt eine kleine Klage am Hals."

Fassungslos versuchte ich mir ein Lachen zu verkneifen – es gelang mir weniger gut.

„Was hat sie gesagt?" grinsend schaute ich die Brünette an, welche hinter der schützenden Zeitung hervorschaute, doch mein Vater übernahm das Wort:

  „Deine zukünftige Direktorin - Ophelia Almond nannte deine reizende Mutter eine Saboteurin, welcher die Mitgliedschaft entzogen werden solle. Da sie aber eine zugute Jägerin ist, wäre sie unersetzbar."

Ich nickte, bis jetzt sah ich hier noch keinen Grund für eine Klage, doch er fuhr fort:

„Jedoch sagte sie auch, dass sie mit ihren Ansichten besser in eine Glaubensgemeinschaft passen würde und, dass ihre Mutter etwas falsch bei ihrer Erziehung gemacht habe- höflich ausgedrückt."

Er seufzte und richtete seinen Blick schmunzelnd auf Mum.

„ Naja und da erwiderte deine Mutter, Beste ihres Jahrgangs und Einserschülerin,  ‚Danke gleichfalls. Sie dumme Pute wissen wahrscheinlich noch nicht einmal wie man Saboteur buchstabiert. ' "

Dieses Mal versuchte  ich mir erst gar nicht das Lachen zu verkneifen.

„Naja, aber schau mal. Wegens hat sie Sie gesagt."

Und dann musste selbst mein Vater wieder lachen .

Meine Mutter war halt schwer von ihren Ansichten abzubringen.

„Deshalb wäre es besser, wenn ich deine Direktorin heute nicht noch einmal persönlich treffe würde .", nun meldete sie sich auch noch mal zu Wort und ich schmunzelte nur in mich hinein.

Ich liebte diese Frau. Ich vergöttere sie untertrieben gesagt. Wirklich. Aber was  hätte dafür gegeben die beiden live aufeinandertreffen zu sehen.

__________

„So mein Hase ich wünsche die ganz viel Spaß und Erfolg, du wirst das packen, da bin ich mir sicher.  Bitte melde dich immer mal."

Meine Mutter zog mich in eine überschwängliche Umarmung und ich vergrub meinen Kopf in der Grube an ihrem Hals. Sie roch nach Fliederparfum und zu Hause.

Ich war zwar schon einige Male von diesem Haus hier weg gewesen, aber nie wirklich lang von meiner Mutter. Wie sagt man so schön, zu Hause ist kein Ort, sondern eine Person.

  „Mum du wirst mir auch fehlen." , murmelte ich.

Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie vom Auto wegging, damit wir das Gepäck verstauen konnten. Ich hatte nicht viel mit, nur einen Koffer mit den wichtigsten Kleidungsstücken und einem Kissen. Als wir aus der Einfahrt fuhren winkte sie und ich sah sie noch bis zur nächsten Kreuzung vor der Haustür stehen. Seufzend wandte ich mich der Straße vor uns zu.

„Jetzt wird es ganz schön still bei uns zu Hause sein.", murmelte mein Vater , während er das Navi einschaltete.

„Ach komm, als ob ihr den Lärm vermissen würdet."

Ich lehnte meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und beobachtete, wie wir aus der Kleinstadt hinausfuhren. Bald sah ich nur noch weite grüne Wiesen und Felder. Am Anfang konnte man noch immer mal wieder das Meer am Horizont erahnen, doch ging es dann immer weiter ins Landesinnere.

Ich kannte den Weg zur Akademie nicht und ich stellte fest, dass die Planer die Strecke so gewählt hatte, dass sie nur schwer zu erreichen war. Wir fuhren fast nur über staubige Landstraßen und scharfe Kurven, rein in die unberührte Natur Schottlands.

Zwar war die Akademie auf manchen Karten zu finden, aber wenn dann nur unter dem Namen „Gale Adams Private Academy". Man gab sich viel Mühe diese für normale Bürger  unbezahlbar und den Ruf schlecht  zu halten, sodass niemand freiwillig auf die Idee kam dort studieren  zu wollen.

Nur Denjenigen, die das Glück hatten in eine Jäger Familie hinein geboren zu sein, war es erlaubt an ihr zu lernen.

Eine zweite Möglichkeit war es die Aufmerksamkeit von einem Sponsor auf sich zu lenken, so hatte es auch meine Mutter geschafft eine Jägerin zu werden, obwohl sie eigentlich nicht die üblichen Wurzeln dazu besaß.

Sie war Jahrgangsbeste gewesen und hatte außerdem grandiose Referenzen in der Leichtathletik und als Schützin gehabt , sodass sie als Jägerin angeworben worden war . Ein reicher Sponsor hatte ihre Ausbildung bezahlt und ihre Eltern dachten bis heute, dass sie als Innenarchitektin arbeiten würde.

Mein Bruder hatte schon öfter darüber gesprochen , dass diese Art von Schülern auf dem Campus gemieden wurden, da sie keine „ursprünglichen Jäger" seien.

Nicht gut genug. Nicht vertrauenswürdig. Nicht pflichtbewusst.

Meine Mutter war dafür wahrscheinlich gerade das beste Beispiel, jetzt, da sie eine Klage am Hals hatte. Ein wahrer Jäger würde nie gegen Almonds Regeln verstoßen und einen Vorgesetzten beleidigen, das hatte mir auch mein Vater mehrmals erklärt. Ich erkannte immer öfters, dass besonders er sich Sorgen darüber machte, dass ich genauso rebellisch werden könnte wie sie.

Nachdem die Landschaft in einen tiefen Wald überging, zweifelte ich langsam daran, dass wir richtig waren. Zwar hatte ich mitbekommen, dass wir in Richtung Cairngorms National Park gefahren waren, aber danach hatte mich mein grandioser Orientierungssinn verlassen. Theoretisch müsste das Ziel nach 1,5h Fahrt bereits vor uns liegen, doch ich erkannte nur dicht bewachsene Waldflächen, viel Heide und hier und da mal ein See.

„Papa bist du dir sicher, dass wir richtig sind."

Ich konnte mir nur schlecht vorstellen, wie in diesem bergigen Stück Erde ein riesiger Campus sein sollte.

„Die Akademie ist so gebaut, dass sie für Unbefugten nur schwer zu finden ist. Das einzige was wirklich bekannt ist, ist der Name, selbst auf manchen Karten ist sie nicht eingezeichnet. Natürlich alles zum Schutz der Jäger. Für dich ist dieser dichte Wald aber die perfekte Trainingsfläche und du wirst sehen, dass wir auch gleich da sind."

Gerade als mein Vater die Worte ausgesprochen hatte, eröffnete sich vor mir ein Bild, welches mich erstarren ließ.

Zwischen den Bäumen zog sich ein Zaun, hinter welchem die mächtigen Mauern der Almond Akademie zu sehen waren. Und keineswegs wirkte sie wie eine normale Universität, nein sie sah aus, wie eine gewaltige Festung, gebaut mitten im Wald.

„Wir sind zwar jetzt tief in den Wald gefahren, aber glaub mir, es gibt einen Schleichweg, welcher dich in wenigen Minuten durch einen Tunnel auf befestigte Straßen und in die Richtung einiger Kleinstädten führen wird. Ganz so abgeschirmt von der Zivilisation bist du also doch nicht."

Seine Brille verrutschte, als er lachte und ich schmunzelte, wobei ich immer noch von Ehrfurcht bestimmt war. Der Sicherheitszaun, welcher oben mit Stacheldraht besetzt war, schirmte die Akademie ab. Es war also schwer rein, aber auch unbefugt raus zu kommen.

„Um das Gelände werden mit Hilfe von Fallen und anderen Spielereien übernatürliche Wesen, die in diesem Wald wohnen, abgehalten." Mein Vater fuhr in die Einfahrt und blieb vor einem Beamten stehen.

„Wie hier gibt es auch schon Vampire und Werwölfe und andere Dinge?"

Etwas erschrocken schaute ich ihn an, während er dem Mann vor dem Zaun seinen Mitgliedsausweis zeigte. Er war bestimmt schon bereits Anfang 60 und  wirkte etwas verloren in seiner Uniform. Der Beamte nickte und es öffnete sich mechanisch ein Tor durch welches wir fuhren.

„Natürlich, ich glaube in diesem Wald gibt es alles, was du für deine Grundausbildung brauchst. Vampire, Werwölfe, Dämonen, Feen, Kobolde und ich glaube ich habe gehört, dass sich in der Umgebung sogar ein paar gefallene Engel umhertreiben sollen."

Ich schluckte, denn jetzt wurde ich tatsächlich nervös.

Mein Vater fuhr durch eine Allee, in welcher die Birken perfekt symmetrisch gepflanzt worden waren. Es schien, dass das Gelände keinen einzigen Schaden von der so rauen Witterung hier  genommen hatte, denn alles wirkte akkurat gepflegt und der Rasen erstrahlte in einem saftigen Grün .

Je näher wir kamen, desto gewaltiger erschien der Campus. Der Haupttrakt in der Mitte zog sich weit in die Höhe und endete in einem kleinen Turm, in welchem sich mittig eine riesige Uhr befand, es war kurz vor 10 Uhr. Wir waren also tatsächlich pünktlich.

Zwischen den Etagen waren die Durchgänge nur überdacht und von dunklen Säulen gestützt, sodass ich sah, wie Jäger in meinem Alter lachend durch die Gänge schlenderten, alle in einer einheitlichen Uniform. Neben dem mittleren Gebäude zogen sich links und rechts zwei flachere Gebilde. Der graubraune Stein, aus dem sie erbaut war, glänzte in der Sonne und man konnte nur schwer erahnen, wie weit das Gebäude und umgrenzte Gelände wirklich waren.

Wir bogen links vor einem Springbrunnen, welcher in der Mitte des Campus stand, ab und fuhren auf den Parkplatz. Viele Autos reihten sich aneinander und ich beobachtete wie Eltern das Gepäck ihrer Kinder ausräumten. Zwar waren die meisten schon Volljährig wie ich, jedoch hatte ich mir es auch nicht zugetraut die Strecke allein zu fahren, zumal ich auch nicht wusste wo die Akademie lag. Die einzigen, die also allein gekommen sind, waren diejenigen, welche durch Sponsoren einen Platz bekommen hatten.

„Ich komm noch mit vor und begrüße deine Direktorin." Mein Vater drückte mir das Kissen in die Hand und nahm selbst den Koffer. Schnell ließ ich meinen Blick nochmal über den Parkplatz schweifen und blickte in die Gesichter von so vielen unterschiedlichen Menschen.

Meine Schuljahre hatte ich zwar schon etwas länger hinter mir gelassen, doch erkannte man bei einigen schon die typischen Stereotypen wieder. Die Spitzensportler, die Bücherwürmer, die Promqueen. Wo würde ich mich wohl selbst einordnen ?

„Cally kommst du?" aus den Gedanken gerissen schaute ich zu meinem Dad, welcher, wie die anderen bereits auch, schon vorgegangen war.

Allein auf dem Parkplatz stehend folgte ich ihm schnell bis vor den Haupteingang der Akademie.

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